Fietsen durch die Sahara
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Die Klänge des Fado vom Vorabend, in die Dämmerung hineingetragen, liegen mir noch in den Ohren. So grau wie der wolkenbehangende Himmel, so melancholisch die Worte voller Sehnsucht, die die eher schüchtern wirkende Sängerin in die grüne Idylle des alten Bauernhauses an der saarländischen Nied pflanzte. Es war nicht der tieftraurige Fado, sondern der ursprüngliche, der, den die Matrosen in den Hafenspelunken von Lissabon sangen, der mit der Kraft zum Überleben in der unendlichen Weite des Ozeans. Als die Sängerin den Text eines Fado erläuterte, fühle ich mich in die Atmosphäre eines kleinen Cafés in der Altstadt von Lissabon zurückversetzt, in dem ich vor Jahren immer meinen Frühstückscafé trank: „Die Leute laufen ziellos aneinander vorbei und ich vielleicht an dir. Was soll das? Da bleib ich doch lieber im Kaffeehaus sitzen, ohne dich zu suchen, trinke meinen Espresso, schaue den Vorbeihastenden zu und vielleicht, vielleicht läufst du dann auf mich zu.“
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Grau und wolkenverhangen der Himmel am frühen Morgen beim Aufstehen, doch zum Start hat der Mond eine Schneise zwischen den Wolkenmassen frei geschaufelt und lächelt mich von hellblauem Himmel an. Eigentlich sollte er ja schon lange zu Bette sein, aber er will mir wohl noch eine gute Reise wünschen. Schemenhaft steigt das Gemäuer der Siersburg aus dem Nebel und räkelt sich in den ersten Sonnenstrahlen, die sie vom Osten her über das dampfende Hüttenwerk in Dillingen schickt. Vor das Vergnügen hat Gott die Arbeit gesetzt. 250 Kilometer im Auto von der Saar zur Maas liegen noch vor mir, bevor ich aufs Fahrrad steigen werde.
Die Siersburg in Nebel und Sonne.
Eine merkwürdige Lichtstimmung empfängt mich beim Abstieg ins Moseltal. Hoch am Himmel die graue Wolkendecke, hinter welcher der Mond jetzt schläft. Darunter freie Sicht auf einen morgengelben Himmel weit im Westen bis zum Horizont, scherenschnittartig davor recken und strecken sich die Telefonumsetzer und Wassertürme aus den langgestreckten Bergrücken von Lothringen und Luxemburg und drunten im Tal wälzt sich eine grauweiße Nebelwurst über dem Fluß, den Windungen folgend. Schemenhaft davor ruhen die Weinberge, in denen saftig grün die jungen Trauben den Morgentau aufsaugen. Es sind nicht die Lichter der Großstadt, sondern die der zahlreichen Tankstellen, die tief unten im Tal blinken, in das sich die Autobahn mit mir hinab windet. Als wäre es so abgesprochen, erinnert mich die Multifunktionsanzeige des Touran beim Grenzübertritt nahe Schengen daran, daß mein Auto Durst hat „Bitte Tanken“. Ich steuere gleich die erste Tankstelle an. Heute ist Feiertag im Saarland und auch in Frankreich. Am späten Vormittag werden lange Schlangen vor den Zapfsäulen der Großtankstellen stehen und die Kassen der Ölmultis klingen lassen. Pünktlich zum Feiertag ist auch hier der Spritpreis hochgeschnellt, doch immer noch deutlich günstiger als im Nachbarland. Wie war das nochmals mit Angebot und Nachfrage?
Ein langer Tunnel führt mich unter den Weinbergen des Moselhanges hoch auf die Luxemburger Ebene. Der helle Streifen am Horizont, der sich nun schon in ein pastellenes helles Blau verwandelt hat, ist mein Ziel, ich strebe ihm zu. Noch ehe ich richtig Gas geben kann, bin ich schon in Belgien. Die Sonne empfängt mich, es verspricht ein schöner Tag zu werden.
Ein langer Tunnel führt mich unter den Weinbergen des Moselhanges hoch auf die Luxemburger Ebene. Der helle Streifen am Horizont, der sich nun schon in ein pastellenes helles Blau verwandelt hat, ist mein Ziel, ich strebe ihm zu. Noch ehe ich richtig Gas geben kann, bin ich schon in Belgien. Die Sonne empfängt mich, es verspricht ein schöner Tag zu werden.
Pünktlich um 10:25 Uhr schließt sich die Schranke des Parkhauses Cité nach einer kleinen informativen Irrfahrt durch die Altstadt von Lüttich hinter mir. Nun ja, mein Navi kann ja nicht jede temporäre Straßensperrung kennen und hat mir dann bei der Suchfahrt durch das Gewirr der Einbahnstraßen und verwinkelten Gäßchen meinen Willen gelassen. Nun sitzen wir erst mal in der Sonne bei einem Kaffee, beobachten den Aufbruch der Menschen in den neuen Tag und lassen den lieben Gott einen guten Mann sein.
Schwerfällig fliesst das Wasser der Maas, leicht gekräuselt von dem Morgenwind, während sich die Silhouetten der Stadt im Fluss spiegeln. Lüttich, eine Stadt, die auf den Aufbruch wartet. Mit dem schleichenden Ende der Schwerindustrie und schließlich der Schließung des Stahlwerkes endete die jahrhundertlange Blüte dieser Stadt. Der moderne Bahnhof Guillemins, eine futuristische Sinfonie aus Glas und Aluminium, steht im krassen Gegensatz zu dem Verfall der Bürgerhäuser und gibt doch Zeugnis vom Willen der Menschen, weiter zu leben und zu neuen Ufern auf zu brechen. Noch herrscht der marode Charme der Vergangenheit, doch die kleinen Pflänzchen des Aufbruchs zeigen sich immer häufiger.
Die flandrische Provinz Limburg ist unser Ziel, immer entlang einer der zahlreichen Wasserstrassen Belgiens. Nach ausgiebigem Studium der Karte und Ölen der Kette starten wir schließlich, es liegt ein schöner Tag vor uns. Das Stadtbild entlang der Maas wirkt nicht unbedingt einladend. Kleine alte Bürgerhäuser werden von häßlichgrauen Plattenbauten erdrückt. Der Blick flieht schnell auf die dahinterliegenden grünen Höhen, um diese Häßlichkeit zu vergessen. Am Kai reihen sich die Hausboote wie Perlen an einer Gebetskette, kleine Idyllen, mitunter mit komplette n Gartenanlagen am Oberdeck. Dazwischen die Flussschiffer mit ihren großen Pötten, viele ruhen an diesem Feiertag aus oder erledigen kleine Arbeiten. Was nicht auf dem Schiff selbst erledigt werden kann, wird auf dem Treidelpfad erledigt, ein paar Bohrungen in ein Blech, ein paar Töpfe mit Kräutern bepflanzt oder das Wohnzimmerbüffet neu lackiert.
Die flandrische Provinz Limburg ist unser Ziel, immer entlang einer der zahlreichen Wasserstrassen Belgiens. Nach ausgiebigem Studium der Karte und Ölen der Kette starten wir schließlich, es liegt ein schöner Tag vor uns. Das Stadtbild entlang der Maas wirkt nicht unbedingt einladend. Kleine alte Bürgerhäuser werden von häßlichgrauen Plattenbauten erdrückt. Der Blick flieht schnell auf die dahinterliegenden grünen Höhen, um diese Häßlichkeit zu vergessen. Am Kai reihen sich die Hausboote wie Perlen an einer Gebetskette, kleine Idyllen, mitunter mit komplette n Gartenanlagen am Oberdeck. Dazwischen die Flussschiffer mit ihren großen Pötten, viele ruhen an diesem Feiertag aus oder erledigen kleine Arbeiten. Was nicht auf dem Schiff selbst erledigt werden kann, wird auf dem Treidelpfad erledigt, ein paar Bohrungen in ein Blech, ein paar Töpfe mit Kräutern bepflanzt oder das Wohnzimmerbüffet neu lackiert.
Dort wo die Maas das Stadtgebiet von Lüttich verlässt, steht die mächtige Statue des Albert. Hier beginnt der Albertkanal. In den Jahren 1930 bis 1939 gebaut führt er knapp 130 Kilometer von Lüttich nach Antwerpen, um die Fahrt der Flussschiffe durch die Niederlande zu vermeiden. Der Albertkanal ist eine der Hauptschlagadern des Landes und bietet auch heute noch Raum für vielfältige Gewerbeansiedlungen. Diese Kanäle, die das ganze Land wie ein Netz überziehen, haben zum großen Teil immer noch eine wichtige wirtschaftliche Bedeutung für das ganze Land.
Mittlerweile hat die Sonne ihre Kraft entfaltet. Die „Capitainerie“ in Visé lädt nicht nur die zahllosen Freizeitkapitäne, sondern auch uns zur Rast ein. Zuerst lernen wir erst mal die korrekte Einhaltung der Fahrradparkplatzordnung kennen.
Mittlerweile hat die Sonne ihre Kraft entfaltet. Die „Capitainerie“ in Visé lädt nicht nur die zahllosen Freizeitkapitäne, sondern auch uns zur Rast ein. Zuerst lernen wir erst mal die korrekte Einhaltung der Fahrradparkplatzordnung kennen.
Es ist, als wäre ein Startschuß gefallen. Plötzlich sitzen alle Belgier auf dem Fahrrad, um sich die Kalorien des Mittagessens vom Bauch zu strampeln. Pommes Frittes zählen zu ihren Lieblingsspeisen und die stecken voller Fett (die Pommes, nicht die Belgier). Am Schiffshebewerk von Lanaye treffen sie sich alle zum gemeinsamen Schiffeschleusenschauen. Gerade versinkt ein Frachtschiff zwischen den gewaltigen Betonmauern, um von hier den kurzen Weg zur Maas auf dem Weg nach Rotterdam zu nehmen. Dem Albertkanal dagegen wurde ein Bett 65 Meter tief durch den gelben Mergel der Hänge des St. Pieter Berg geschnitten. Steil ragen die Felsen rechts und links des Kanals hoch, lassen nur dem Treidelpfad ausreichend Raum für fleissige Radler wie wir. Ein kleines Stück begleiten wir ihn noch, um dann bei Lanaken in den Zuid Willemswaart abzubiegen..
Mein Handy erklärt die Welt für verwirrt. Dauernd kommt eine SMS an „Sie befinden sich in der EU“. Seit der Mittagspause radeln wir entlang der belgisch-holländischen Grenze, mal direkt dem Radweg folgend, mal hinter einem Bergwall versteckt und je nach Gusto erklärt sich das belgische oder das holländische Netz für meine Handyversorgung für zuständig. Wissen die denn nicht, daß wir mitten in der EU drinne sind?
Mein Handy erklärt die Welt für verwirrt. Dauernd kommt eine SMS an „Sie befinden sich in der EU“. Seit der Mittagspause radeln wir entlang der belgisch-holländischen Grenze, mal direkt dem Radweg folgend, mal hinter einem Bergwall versteckt und je nach Gusto erklärt sich das belgische oder das holländische Netz für meine Handyversorgung für zuständig. Wissen die denn nicht, daß wir mitten in der EU drinne sind?
Radstrecken in der Region Limburg zu folgen ist kein Problem. Hugo Bollen, ein Fahrradenthusiast und ein findiger Kopf hat ein Knotenpunktsystem entwickelt. Ausgehend davon, daß ein Netz durch Knoten geknüpft ist, wird jeder Schnittpunkt von zwei Radwegen und jede Abzweigung von einem Radweg als Knoten definiert und mit einer Zahl versehen. Fietsen, wie Fahrradfahren in der regionseigenen Sprache heisst, ist nun kinderleicht. Jeder Knoten wird vorab angekündigt, ist mit einer Umgebungskarte ausgestattet und einem Schild, das die Richtung zu dem nächsten Knoten weist. Wer eine Fahrradtour plant, muss nun nur noch die Abfolge der Knotennummern notieren und auf geht es. Die ganz Schlauen kleben die Knotenfolge als langen Streifen auf die Mittelstange ihres Rades, für die weniger Schlauen gibt es einen Halter für den Lenker mit kleinen Blättern zum Umblättern und für die Übrigen hält der Landschaftsverband umfangreiches Kartenmaterial und Informationsschriften bereit. 2000 Kilometer sind nun beschildert, fast alle auf eigenen Radwegen, nur wenige auf spärlich befahrenen Straßen. Infopoints an zentralen Punkten des Netzwerks sind hinzugekommen mit einem Kompressor zum Aufpumpen der schlappen Reifen und eingebauter Digitalkamera, von denen man sogar direkt das Erinnerungsfoto an seine Lieben zuhause mailen kann, welch ein Fortschritt. Und natürlich gibt es eine kostenlose Rufnummer, um Schäden am Radweg zu melden. (Nur zur Erinnerung: die Deutsche Bahn hat hierfür eine teure kostenpflichtige Nummer geschaltet.) Die Radwege werden bei solchem Engagement und Pflege gut angenommen und würde man nun mit mehrsprachigen Broschüren ein besseres Marketing betreiben, dann kämen auch mehr Fahrradbegeisterte aus dem Ausland, um entlang der idyllischen Kanäle, durch die Heidelandschaften und ausgedehnten Wälder und an den zahllosen Seen ihren Urlaub zu verbringen. Dann werden auch die „Geschichtenflüsterer“, eine findige Idee der Limburger zur Erläuterung der regionalen Kunst, Geschichte und Kultur, noch besser angenommen.
Nur eins wird das Marketing nicht erreichen: die Grenze in den Köpfen zwischen Flamen und Wallonen zu überwinden. Erstere findet man kaum im französischsprachigen Süden Belgiens, während letztere den niederländisch sprechenden Nordteil des Landes meiden. So krass habe ich die Trennung eines Landes noch nie erlebt. Auf der südlichen Teilstrecke dieser Tour war das "Bonjour" bei der Begegnung am Radweg üblich; nördlich der imaginären Grenze kommt ein Schweigen als Antwort, das „Guten Tag“ wird hingegen freundlich akzeptiert. Ganz Belgien gespalten? Nein! Ein kleiner Flecken, gelegen zwischen den Niederlande im Norden, Deutschland im Osten und Luxemburg im Süden, trotzt dem Sprachen- und Nationalitätenstreit. Die deutschsprachige Region hat dererlei Probleme nicht, hier leben die wahren Belgier und sind als Minderheit geschützt. Verkehrte Welt.
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Oud Rekem – das alte Rekem. Das Erste, was auffällt, ist das schöne Schloss. Es ist das erste Schloss, das wir heute am Kanal sehen und das ursprünglich eine Wasserburg aus dem 8. Jahrhundert ist. Das Zweite, was auffällt sind, sind die Camper in ihren Wohnmobilen am Parkstreifen zwischen Ufer und Schloss, eines davon so groß wie ein Zweizimmerappartement und davor Mutti, die das Abendessen vorbereitet. Das Dritte, was auffällt ist die Sitzordnung in den zahllosen Kaffeehäusern in der Hauptstraße, alle Stühle zur Straßenmitte hin ausgerichtet, damit man ja nicht verpasst, wer gerade ankommt. Man fühlt sich fast wie beim Spießrutenlaufen, die Neuankömmlinge werden gebührend beäugt. Und schließlich fällt der bunte Blumenschmuck auf, bunter als sonst eh schon üblich, nicht umsonst gilt Oud Reekem als das schönste Dorf von Flandern.
Und dann steht es plötzlich da, das Cremeschnittchen unerwartet und umso erfreuter, men Lieblingsauto seit 50 Jahren. Sanfte Rundungen wie die Brüste einer reifen Frau, blau wie ihre lachenden Augen, und knuddelig, dass man es in den Arm nehmen möchte. Ob ich jemals in diesem Auto fahren könnte, wage ich zu bezweifeln. Sein Innenraum hat die Dimension einer Sardienbüchse. Mit einem Schuhlöffel wäre ich wohl reingekommen. Zum Aussteigen hätte man das Dach abtrennen und mich mit einem Kran rausheben müssen. Das will ich diesem schönen Auto aber nicht antun. Ich schmelze bei seinem Anblick dahin.
„Beau Sejour“, idyllisch gelegen an der Brücke über den alten Kanal bietet es uns Unterkunft für eine Nacht nach einem stärkenden Abendessen. Früh falle ich ins Bett und schlafe tief in dieser Nacht, erholsam, so wie der Name des Hotels es sagt „Beau Séjour“ ein „Schöner Aufenthalt“. Man sieht ihm nicht an, daß es das älteste Hotel Flanderns ist und eines der schönsten sicher auch. Der Engel, der die Lampe im ehrwürdigen Speisesaal hält, wirkt in diesem Ambiente überhaupt nicht kitschig.
Der neue Tag zeichnet die ersten hellgrauen Streifen in den schwarzen Nachthimmel. Wie es sich in einer ländlichen Region gehört, kündigt ein Hahn diesen Tag an – Kikeriki, er mag gar nicht aufhören angesichts der Aussicht auf einen regenfreien und sonnigen Tag. Zwei Stunden und ein Schläfchen später, der Himmel weint leise aber beständig. Das Kikeriki des Hahns klingt nun eher frustriert, auch ihm hatte Petrus einen schönen Sonnenaufgang Nun gibt es erst mal Frühstück. Zum Start um 10:15 Uhr bricht die Sonne hervor. Wir werten es als Zeichen für einen schönen Tag.
Breit ist der Fahrradweg, und gut geteert, so gut, daß er auch von den Mitgliedern des örtlichen Vespaclubs gern benutzt wird. Den Hunden ähnlich hinterlassen sie ihre spezielle Duftnote in einer Mischung von Shell und Mobiloil in der Idylle. Das nun folgende Kanalstück ist gleich dem Canal du Midi im Süden Frankreichs von Bäumen flankiert, um die Uferböschung des hoch über dem Umland liegenden Kanals zu sichern. Es ist eine schöne ruhige Wasserstrassenallee, beschaulich am frühen Morgen, selbst das Tuckern der Lastschiffe stört nicht. Nur die Gänse, die zwischen den zahllosen Enten Asyl gefunden haben, fauchen erregt, wenn wir uns nähern.
Breit ist der Fahrradweg, und gut geteert, so gut, daß er auch von den Mitgliedern des örtlichen Vespaclubs gern benutzt wird. Den Hunden ähnlich hinterlassen sie ihre spezielle Duftnote in einer Mischung von Shell und Mobiloil in der Idylle. Das nun folgende Kanalstück ist gleich dem Canal du Midi im Süden Frankreichs von Bäumen flankiert, um die Uferböschung des hoch über dem Umland liegenden Kanals zu sichern. Es ist eine schöne ruhige Wasserstrassenallee, beschaulich am frühen Morgen, selbst das Tuckern der Lastschiffe stört nicht. Nur die Gänse, die zwischen den zahllosen Enten Asyl gefunden haben, fauchen erregt, wenn wir uns nähern.
Immer noch führt der Kanal nahe der niederländischen Grenze entlang, mein Handy hat sich inzwischen daran gewöhnt. Die zahllosen Bunker auf der westlichen Kanalseite sind Zeuge der unseligen Vergangenheit. Sie sollten im zweiten Weltkrieg den Einfall der Wehrmacht verhindern, geholfen hat es nicht. Allenthalben erinnern Gedenktafeln an diese Zeit die Geschichte ist allgegenwärtig.
Was macht das Vergnügen des Angelns aus? Ist es das kollektive Schweigen, das die Männer zusammenführt? Ich weiß es nicht, sehe nur, daß Angler selten alleine ihre Rute auswerfen. Rute ist eigentlich eine arge Verniedlichung dieser Rohre von 10 Metern Länge, die sorgsam zusammengeschraubt weit in den Kanal hineinragen. Und weil man sich ja sonst nichts gönnt, hat jeder Angler gleich mehrere davon. Sie ruhen aufgereiht wie eine Geschützbatterie neben ihm, harrend auf ihren Einsatz, um die eine, die er in den Fäusten hält, abzulösen. Nicht schweigend dagegen jene, die ihr Schweigeopfer schon erfüllt haben und nun abseits bierselig den gegrillten Fisch verspeisen. Irgendwann muss der Schrei ja mal raus, derweil die Freunde am Ufer sich weiter im kollektiven Schweigen üben.
Seit 207 Jahren drehen sich die Flügel der Windmühle von Hammont-Achel unablässig im Wind. Wir haben den Zuid Willemswaart verlassen und einen Schlenker in die Nordostecke Belgiens gewagt. Heute ist Markttag und wir versorgen uns mit frischem Obst und Getränken für unser Picknick. Große Käseräder zeigen, daß Holland nicht weit ist, sie sehen lecker aus, doch wir brauchen heute kein Ersatzrad, und Käse ist schon im Rucksack. Zahllos sind die Fietser, die uns beim Picknick am Wegesrand einen guten Appetit wünschen. Auch daran haben die Limburger gedacht und Picknickbänke entlang der Radwege aufgebaut.
Nun biegt unser Weg nach Westen ab. Wir spüren es an dem Gegenwind, der stetig Widerstand leistet. Wir folgen nun dem Kanaal Bocholt-Herentals. Idyllische Abschnitte werden von Gewerbegebieten abgelöst. Wir sehen immer wieder große neugebaute Fabrikhallen, für die eigens ein Kai gebaut wird, um die Fracht der Flussschiffe zu entladen oder ihnen die fertigen Produkte zum Weitertransport zu übergeben. Die Flussschiffahrt hat hier offenkundig Zukunft. Man spürt den Reichtum der Region, ein Reichtum, der auf einer gesunden Mischung aus naturnahem Tourismus in idyllischer Landschaft, Landwirtschaft auf sattgrünen Weiden und industrieller Produktion entlang des Kanals beruht. |
Die zahllosen Seen, die nun folgen, sind Baggerseen der besonderen Art. Hier wird der Weiße Sand gewonnen, feinstkörnig wie am schönsten Meeresstrand, aus dem Fensterglas hergestellt werden. Zentrum dieser Glasindustrie ist Lommel, das wir für unser Nachtquartier ausgewählt haben. Daß sich Industrie und Tourismus gut vertragen können zeigt die Übernachtungsstatistik. Mehr als 1 Million Besucher jährlich, das ist nicht nur auf den Center Park zurückzuführen, sondern auch die zahllosen Bungalowanlagen und Campingplätzen rund um Lommel. Wir wundern uns über die Chinesen, die beim abendlichen Bummel im Stadtzentrum auffallen. Doch die Erklärung läßt nicht lange auf sich warten, die Fensterfabrik ist in chinesischem Besitz.
Wer morgens um 5 Uhr vom Gurren der Tauben aus dem Schlaf geholt wird, kann sehr gut die Ursprünge der Taubenjagd nachempfinden. Das Geräusch kann dir nicht nur den Schlaf rauben, es raubt die den Schlaf. Der schnelle Blick auf den Himmel verspricht einen trockenen Tag.
Wer morgens um 5 Uhr vom Gurren der Tauben aus dem Schlaf geholt wird, kann sehr gut die Ursprünge der Taubenjagd nachempfinden. Das Geräusch kann dir nicht nur den Schlaf rauben, es raubt die den Schlaf. Der schnelle Blick auf den Himmel verspricht einen trockenen Tag.
Der feine Sand hat dieser Gegend ihren Namen verliehen: Sahara, und jetzt im Morgenlicht wirkt er noch feiner und filigraner am Ufer des stillen Sees, über den ein stolzer Schwan seine Bahn zieht. Hier liegt das Weiße Gold und wartet auf seine Bestimmung. Am Kanal warten acht Flusskähne auf das Weiße Gold, das bald in ihre dicke Bäuche rieseln wird.
Dosenmüllzielwerfen
Noch liegen 10 Kilometer an diesem Kanal vor uns, der sich jetzt von seiner idyllischsten Seite zeigt. In großen Stufen werden die Schiffe nun Etagen tiefer gebracht. Schleusenanlagen erledigen diese Aufgabe, sie fügen sich harmonisch in die Landschaft ein, blumengeschmückt und leise rauschend. Die Sonne im Rücken, den Wind im Gesicht, die Waden müssen gleich von Anfang stramm arbeiten, aber die Morgenwärme ist angenehm. Heute ist Flaschenposttag. Anders kann ich mir die zahllosen Flaschen, die den Kanal entlang treiben, nicht erklären. Dabei sind die Limburger kreativ doch sehr. Entlang der Straßen und bisweilen sogar am Radweg stehen überdimensionierte Fangnetze, die als Ziel für leere Dosen und Flaschen dienen, aber offensichtlich gibt es nicht genügend Netze in dieser sonst so klinisch sauberen Region. Das deutsche Dosenpfand ist da doch erfolgreicher bei der Landschaftspflege.
Am Pfannkuchenboot wechseln wir wieder den Kanal. Eine Wasserstraßenkreuzung, bei schöner Sicht wäre ich den Aussichtsturm hoch gestiegen. Doch es ist diesig, ich verzichte schweren Herzens auf den Aufstieg. Schnurgerade führt der Dessel-Kwaadmechelen-Kanal nach Süden. Man kann fast das 20 Kilometer entfernte Ende sehen, so gerade ist er. Der Weg entlang des Wassers bietet dem Auge keine Abwechselung, das erkennen wir aber erst am Ende, leider, denn es hätte schöne Alternativen in den Süden gegeben.. Das Radeln wird zum Kilometerschrubben. Nach 20 Kilometer stößt der Kanal auf den Albertkanal und wir tauchen mitten in ein kleines Ruhrgebiet ein. Es fällt uns schwer, einen Picknickplatz zu finden, und noch schwerer fällt es einen solchen zu finden, der dem Auge eine grüne Sicht bietet. Die Limburger scheinen stolz auf ihren Albertkanal zu sein, denn sie fietsen ihn in Scharen und wünschen uns einen guten Appetit.
Bald erreichen wir Hasselt. Es ist eine fahrradfreundliche Stadt und nicht nur dies. Als dereinst ein zweiter Stadtring für den überquellenden Autoverkehr geplant war, fällt der Bürgermeister eine vielbeachtete Entscheidung. Er sagte nein und ließ sogar die bestehende Ringstraße zurückbauen. Für die Autofahrer gibt es entlang des Rings ausreichend Parkplätze und die Öffentlichen Verkehrsmittel in der ganzen Stadt können kostenlos benutzt werden, in Deutschland undenkbar, der ADAC würde die Revolution ausrufen und seinem Ruf würde gefolgt werden.
In Hasselt endet unsere gemeinsame Radtour. Noch ein kühler Kakao in heißer Sonne, dann kommt der Zug. Wäre da nicht die Wettervorhersage, die für morgen Gewitter und Schauer angesagt hat, so wäre ich auch das letzte Stück zurück geradelt. Auf dem Bahnhof kommen viele junge Leute an, Pukkelpop, ein Musikfestival mit 60.000 Besuchern lockt sie an. Am Freitag morgen wird das Frühstücksfernsehen berichten, daß das Festival kurz nach Beginn in Panik abgebrochen wurde. Das Gewitter hat mit Sturmböen Bühnen umstürzen lassen, Festzelte sind zusammen gebrochen, Bäume entwurzelt, junge Menschen haben ihr Leben verloren. Trauer erfaßt mich in diesem Moment.
Bald erreichen wir Hasselt. Es ist eine fahrradfreundliche Stadt und nicht nur dies. Als dereinst ein zweiter Stadtring für den überquellenden Autoverkehr geplant war, fällt der Bürgermeister eine vielbeachtete Entscheidung. Er sagte nein und ließ sogar die bestehende Ringstraße zurückbauen. Für die Autofahrer gibt es entlang des Rings ausreichend Parkplätze und die Öffentlichen Verkehrsmittel in der ganzen Stadt können kostenlos benutzt werden, in Deutschland undenkbar, der ADAC würde die Revolution ausrufen und seinem Ruf würde gefolgt werden.
In Hasselt endet unsere gemeinsame Radtour. Noch ein kühler Kakao in heißer Sonne, dann kommt der Zug. Wäre da nicht die Wettervorhersage, die für morgen Gewitter und Schauer angesagt hat, so wäre ich auch das letzte Stück zurück geradelt. Auf dem Bahnhof kommen viele junge Leute an, Pukkelpop, ein Musikfestival mit 60.000 Besuchern lockt sie an. Am Freitag morgen wird das Frühstücksfernsehen berichten, daß das Festival kurz nach Beginn in Panik abgebrochen wurde. Das Gewitter hat mit Sturmböen Bühnen umstürzen lassen, Festzelte sind zusammen gebrochen, Bäume entwurzelt, junge Menschen haben ihr Leben verloren. Trauer erfaßt mich in diesem Moment.
Im Sauseschritt durcheilt der Zug die Strecke nach Lüttich. Lüttich ist, anders als die Region Limburg, eher eine fahrradunfreundliche Stadt. Mit Instinkt, Humor und Frechheit bahne ich mir den Weg vom Bahnhof zum Parkhaus Cité und muss wieder feststellen, daß das Stadtbild entlang der Maas von Scheußlichkeiten der Betonkultur der 60er Jahre geprägt ist. Was mir dazu einfällt, nennt man in der modernen Sprache Rückbau, meine Wortwahl ist etwas derber.
Die ersten Tropfen fallen. 190 Kilometer auf dem Rad liegen hinter mir, weitgehend durch eine liebliche, naturbelassene Landschaft, eine Region, in die ich wieder kommen möchte. Es gibt in dieser Idylle noch so viel zu entdecken und 1800 Kilometer Radwege warten noch auf ihre Erkundung.
Die ersten Tropfen fallen. 190 Kilometer auf dem Rad liegen hinter mir, weitgehend durch eine liebliche, naturbelassene Landschaft, eine Region, in die ich wieder kommen möchte. Es gibt in dieser Idylle noch so viel zu entdecken und 1800 Kilometer Radwege warten noch auf ihre Erkundung.