
Durch ein Spalier von Fachwerkfassaden der Vorstadt rolle ich auf das Jerusalemer Tor zu. Auch nach Jahrhunderten strahlt es mit seinen beiden Türmen aus dicken Steinblöcken immer noch den Reichtum und die Macht der mittelalterlichen Grafen zu Ysenburg und Büdingen aus. Beim Anblick dieses Stadttores fühlten sich die Händler und Bauern in der feudalen Hierarchie sicher noch kleiner, als sie es eh in der gesellschaftlichen Hierarchie schon waren. An diesem historischen Tor starte ich zu meiner Radtour über die Mittelalter-Radroute. Es ist eine neue Themenstrecke, die von Büdingen über Gelnhausen und Bad Orb bis nach Lohr am Main führt. Der Bezug auf das Mittelalter bezieht sich auf die Zeit der Stadtwerdung dieser Orte. Die meisten Gebäude, die heute das typische Fachwerkbild dieser Städte gestalten, stammen aus späteren Jahrhunderten. Das ändert nichts an ihrem heutigen Charme.
Rechts und links erhebt sich die mächtige Stadtmauer hinter dem Burggraben. Statt den direkten Weg durch das Jerusalemer Tor in die Altstadt zu nehmen, fahre ich entlang dem Burggraben zum Hexenturm hoch. Er schmiegt sich an den großen Wachturm an, der die nordwestliche Ecke der mittelalterlichen Stadt sichert. Wie es innen im Hexenturm während der Zeit der Hexenprozesse ausgesehen haben mag, kann ich von außen nur erahnen. Irgendwann habe ich einmal gelesen, dass die letzte Hexenverbrennung in Deutschland hier in Büdingen stattgefunden haben soll. Sicher ist, dass zwischen 1532 und 1700 insgesamt 670 Menschen als Hexen hingerichtet wurden, fast nur Frauen. Mich schaudert es, wenn ich daran denke. Langsam radele ich weiter.
Mein Blick schweift über die roten Ziegeldächer der Häuser, die sich hinter die Mauer ducken. Rechter Hand stehen einzelne Figuren. Sie sind fast mannshoch. „Was stellen diese Statuen dar?“, frage ich einen Anwohner. „Sie erinnern an die schwere Arbeit im Weinberg, den es hier jahrhundertelang gab, bis ihm die Reblaus den Garaus machte.“ erhalte ich zur Antwort. Tatsächlich kann ich in den Gärten am Hang noch die Terrassierung des Weinbergs erkennen.
Rechts und links erhebt sich die mächtige Stadtmauer hinter dem Burggraben. Statt den direkten Weg durch das Jerusalemer Tor in die Altstadt zu nehmen, fahre ich entlang dem Burggraben zum Hexenturm hoch. Er schmiegt sich an den großen Wachturm an, der die nordwestliche Ecke der mittelalterlichen Stadt sichert. Wie es innen im Hexenturm während der Zeit der Hexenprozesse ausgesehen haben mag, kann ich von außen nur erahnen. Irgendwann habe ich einmal gelesen, dass die letzte Hexenverbrennung in Deutschland hier in Büdingen stattgefunden haben soll. Sicher ist, dass zwischen 1532 und 1700 insgesamt 670 Menschen als Hexen hingerichtet wurden, fast nur Frauen. Mich schaudert es, wenn ich daran denke. Langsam radele ich weiter.
Mein Blick schweift über die roten Ziegeldächer der Häuser, die sich hinter die Mauer ducken. Rechter Hand stehen einzelne Figuren. Sie sind fast mannshoch. „Was stellen diese Statuen dar?“, frage ich einen Anwohner. „Sie erinnern an die schwere Arbeit im Weinberg, den es hier jahrhundertelang gab, bis ihm die Reblaus den Garaus machte.“ erhalte ich zur Antwort. Tatsächlich kann ich in den Gärten am Hang noch die Terrassierung des Weinbergs erkennen.
Am Ende der langen Stadtmauer biege ich in die Altstadt ein. Die Fachwerkfassaden beeindrucken mich ebenso wie die aus Sandstein gemauerten Gebäude. Fast alle sind hübsch renoviert und fügen sich in das einheitliche Ensemble ein. Büdingen hat Charme, das muss ich sagen. Ich spüre regelrecht den Atem der tausendjährigen Geschichte dieser hübschen Stadt. Ich ziehe mit meinem Rad Kreise durch die Altstadt, biege mal in die eine, mal in die andere Gasse ein. Frösche, überall Frösche, sie sind noch da. Sie klettern an den Hauswänden hoch und speien in den Brunnen.
„Schaut, da kommt der schöne Sigismund!“ Wasser spritzt nach allen Seiten, als die Wäscherin die nasse Hose mit kräftigem Schwung auf den Stein schlägt. „Er ist der treue Diener unserer neuen Herrin. Auf, ihr Waschweiber, wir wollen ihn begrüßen.“ Es ertönt ein vielstimmiges „Quak, Quak“. Dann lachen alle. „Habt ihr gesehen, wie sein Kopf wie eine Fackel rot aufblitzte. Das ist ja schon ein starkes Stück, was sich unsere neue Herrin erlaubt hat. Am Morgen heiratet sie unseren jungen Grafen, in der gleichen Nacht verweigert sie sich ihm, weil sie angeblich vom lauten Quaken unserer Frösche gestört sei. Als ich meinen Hans geheiratet habe, hat es mich auch nicht gestört, obwohl unser Schlafzimmer direkt am Schlossgraben liegt. Aber ich bin ja auch nicht die Prinzessin auf der Erbse. “ Alle lachen wieder. „Diese Jungvermählte, das edle Fräulein Elisabeth von Wied soll sogar mit der Scheidung gedroht haben. Migräne bekäme sie von dem Froschkonzert. Die Ehe annullieren wolle sie, weil sie in der Hochzeitnacht nicht vollzogen werden konnte, da lache ich doch nur. Und was macht unser Graf? Er beauftragt den Hofmeister, uns noch vor dem Frühstück zusammenzurufen, um alle Frösche einzusammeln. Aber unser Bürgermeister ist schlau. Als sich der Metzger weigert, die Frösche zu schlachten, und der Feuerwehrhauptmann meint, sie seien zu nass zum Verbrennen, hat er doch tatsächlich befohlen, alle Frösche im Seemenbach zu „ertränken“. Wehe, wenn sich das edle Fräulein jetzt noch einmal beschwert. Dann flüstert ihr der Hofmeister hoffentlich nur zu, dass sie das Echo der Frösche vernehme, die jetzt in Büches seien. Wer das glaubt, wird selig.“ „Marie, pass auf mit deinem Geschwätz, dass du nicht in Hexenturm landest.“ warnt Anna, die Wäscherin hinter ihr. „Uns Waschweiber haben sie sowieso auf dem Kieker.“ „Ach was, ich pass schon auf. Wir halten doch zusammen. Beschämend ist nur, dass die Ortenberger und die Diebacher uns jetzt Beuringer Frääsch schimpfen.“

Heute sind die Büdinger Bürger stolz auf ihre Frösche und setzen ihnen Denkmale. Ich bin sicher: Würde man ein neues Stadtwappen kreieren, dann wäre darin mindestens ein Frosch enthalten.
Büdingen hat viel Historie zu bieten. Das Museum der 50er Jahre ist sicher einen Besuch wert und bisweilen auch das ehemalige Pfarrhaus. In Letzterem ist der Trausaal der Stadt. Hinter der St.-Remigius-Kirche erblicke ich auf das Schloss, eine wehrhafte Wasserburg aus dem zwölften Jahrhundert. Aus der Grafschaft wurde Mitte des 19. Jahrhunderts ein Fürstentum. Den äußeren Schlosshof darf ich betreten, mehr nicht. Ein weiterer Torbau führt zur eigentlichen Burg. Der Zugang ist versperrt: privat. Das Schloss befindet sich noch immer im fürstlichen Besitz und ist Wohnsitz des heutigen Fürsten. Kaum zu glauben, dass diese mächtige Burg, so wie auch die ganze Altstadt, auf sumpfigem Boden steht. Buchenstämme wurden in den Boden gerammt und Eichenbohlen darübergelegt. Die damaligen Baumeister würden staunen, über wie viele Jahrhunderte sich ihre Baukunst erhalten hat. Ein Lob meinerseits posthum.
Büdingen hat viel Historie zu bieten. Das Museum der 50er Jahre ist sicher einen Besuch wert und bisweilen auch das ehemalige Pfarrhaus. In Letzterem ist der Trausaal der Stadt. Hinter der St.-Remigius-Kirche erblicke ich auf das Schloss, eine wehrhafte Wasserburg aus dem zwölften Jahrhundert. Aus der Grafschaft wurde Mitte des 19. Jahrhunderts ein Fürstentum. Den äußeren Schlosshof darf ich betreten, mehr nicht. Ein weiterer Torbau führt zur eigentlichen Burg. Der Zugang ist versperrt: privat. Das Schloss befindet sich noch immer im fürstlichen Besitz und ist Wohnsitz des heutigen Fürsten. Kaum zu glauben, dass diese mächtige Burg, so wie auch die ganze Altstadt, auf sumpfigem Boden steht. Buchenstämme wurden in den Boden gerammt und Eichenbohlen darübergelegt. Die damaligen Baumeister würden staunen, über wie viele Jahrhunderte sich ihre Baukunst erhalten hat. Ein Lob meinerseits posthum.
Mein letzter Weg in dieser wunderschönen Stadt führt zum Malerwinkel. Ich verweile etwas auf der kleinen Brücke über den Seemenbach. Hier am Ufer mögen früher vielleicht die Waschweiber gekniet und neben der Wäsche auch Tratsch und Klatsch ausgetauscht haben. Der Blick auf Mühltorbrücke und Steinernes Haus lässt romantische Gefühle aufwallen. Wie viele Maler mögen hier schon ihr Stativ aufgebaut, wie viele Touristen auf den Auslöser gedrückt haben? Die Sonne wärmt mich auf, bevor ich wieder aufs Rad steige.
Hinter den Kasernen, in denen bis Mitte 2007 rund eintausendfünfhundert amerikanische Soldaten mit ihrer Familie lebten, strebe ich über das freie Feld der nahen Anhöhe zu. Ein Feldweg führt mich zum Herrnhaag hinauf. Große Gebäude liegen in der prallen Sonne. Im 18. Jahrhundert lebten bis zu eintausend Angehörige der Herrnhuter Gemeinschaft in dieser Siedlung. Graf Ernst Casimir I lud mit seinem Toleranzedikt von 1712 Glaubensflüchtlinge in seine Grafschaft ein, um sich hier niederzulassen. Weil die Herrnhuter Gemeinschaft sich aber dem Untertaneneid verweigerte, löste sie ihre Siedlung schon nach fünfzehn Jahren wieder auf. Danach diente die kleine Siedlung vielen Zwecken. Seit Jahren werden die Gebäude wiederhergerichtet. Auch eine Lebensgemeinschaft der Herrnhuter Brüdergemeine lebt inzwischen wieder darin.
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Unter dem Blattwerk einer altehrwürdigen Esskastanie lasse ich die Eindrücke auf mich einwirken. Die Glocken der nahegelegenen Friedhofskapelle tragen ihren klagenden Klang zu mir herüber. Ein Kind spielt in meiner Nähe. Leben kommt, Leben geht. Die ersten Kastanien fallen vom Baum. Sie sind groß und prall. Es ist eine besondere Sorte, so wie die Walnussbäume weiter vorne. Deren Nüsse sind sehr groß und schmecken vorzüglich. Bevor ich weiterfahre, stecke ich mir ein paar als Wegzehrung in die Packtasche.
Die friedliche Ruhe macht es mir schwer, mich auf die weitere Reise zu begeben. Ich bleibe ein wenig auf dem Höhenzug. Was wäre die Mittelalterroute ohne eine märchenhafte Burg? Schon von weitem weist mir der markante Turm der Ronneburg den Weg. Auf einem Felssporn erhebt sie sich über dem Tal. Doch bis dahin muss ich noch ein paar Kilometer radeln.
Die friedliche Ruhe macht es mir schwer, mich auf die weitere Reise zu begeben. Ich bleibe ein wenig auf dem Höhenzug. Was wäre die Mittelalterroute ohne eine märchenhafte Burg? Schon von weitem weist mir der markante Turm der Ronneburg den Weg. Auf einem Felssporn erhebt sie sich über dem Tal. Doch bis dahin muss ich noch ein paar Kilometer radeln.
An der Kreuzung zwischen Altwiedermus und Neuwiedermuß beginnt der Aufstieg zur Burg. Fünfzehn Prozent Steigung, ab da muss ich kräftig treten und schnaufen, bis ich oben bin. Auf einer Bank unter einem Haselstrauch nehme ich Platz. Der grandiose Ausblick entschädigt mich für die Mühe. Mein Blick schweift über die grünen Wiesen und goldenen Stoppelfelder. Weit hinten erkenne ich im blauen Dunst die Bergkette des Odenwalds. Heute weht ein kräftiger warmer Wind. Die Wächter auf dem Burgfried hatten seinerzeit einen Rundumblick und konnten die herannahenden Feinde an den Staubfahnen erkennen, die diese hinter sich herzogen. Die Burgfräuleins hingegen fröstelten in ihren Kemenaten ohne moderne Isolierverglasung. Heute sehen die Besucher der Burg die Dampffahne des Kraftwerkes Staudinger hinter Hanau und die Silhouette von Frankfurt.
Die Burg aus dem 13. Jahrhundert gelangte erst 1476 in den Besitz der Grafschaft Ysenburg-Büdingen. Heutzutage veranstaltet der Förderkreis Freunde der Ronneburg e. V. viele mittelalterliche Veranstaltungen auf dem Burggelände. 1988 haben der Verein und der Büdinger Fürst in einem Patenschaftsvertrag die bauliche und museale Betreuung durch den Förderverein geregelt. Besitzer der Burg ist seit 2004 die Forfin GmbH, deren alleiniger Gesellschafter Joachim Benedikt Freiherr von Herman auf Wain, ein Vetter der Gattin des Büdinger Fürsten, ist. Soweit zu den heutigen Besitzverhältnissen.
Bei dem schönen Blick von meiner Bank aus komme ich leicht ins Träumen. Ich sehe den Burgwächter auf dem Turm, wie er seine Runde dreht. Ich sehe, wie er auch mal in den Burghof schaut und mit seinen Augen dem fluchenden Koch folgt, dem gerade das Suppenhuhn entwischt ist. Ich sehe, wie sein Blick auf dem lieblichen Burgfräulein liegt, das an einem Fenster sitzend häkelt. Und ich sehe seine Kameraden, die an einem Fass stehen und sich die Langeweile mit einem Würfelspiel vertreiben. Eine Haselnuss landet mit einem Klack auf meinen Kopf und reißt mich aus meinen Gedanken. Der Herbst kündigt sich an. Ich steige auf mein Fahrrad und folge dem Weg.
Bei dem schönen Blick von meiner Bank aus komme ich leicht ins Träumen. Ich sehe den Burgwächter auf dem Turm, wie er seine Runde dreht. Ich sehe, wie er auch mal in den Burghof schaut und mit seinen Augen dem fluchenden Koch folgt, dem gerade das Suppenhuhn entwischt ist. Ich sehe, wie sein Blick auf dem lieblichen Burgfräulein liegt, das an einem Fenster sitzend häkelt. Und ich sehe seine Kameraden, die an einem Fass stehen und sich die Langeweile mit einem Würfelspiel vertreiben. Eine Haselnuss landet mit einem Klack auf meinen Kopf und reißt mich aus meinen Gedanken. Der Herbst kündigt sich an. Ich steige auf mein Fahrrad und folge dem Weg.
Nach ein paar Dutzend Metern tauche ich in den Wald ein. Der Weg ist gut zu radeln, mal steigt er etwas an, mal fällt er ab. Aber insgesamt bleibe ich auf der Höhe. Eine Stele markiert eine alte Grenze. Im Tal war mir schon aufgefallen, dass Altwiedermus sich mit einem einfachen s schreibt, während Neuwiedermuß sich mit dem sz ziert. Zwischen beiden Dörfern verlief einst die Grenze zwischen der Grafschaft Hessen-Kassel und dem Königreich Preußen. Es war eine Grenze, welche auch die Menschen in diesen beiden Dörfern über Jahrhunderte strikt voneinander trennte. Das wirkte sich bis in die Entwicklung der Sprache aus.
Lang zieht sich der Weg durch den Buchenwald. Schließlich öffnet sich am Waldrand das nächste Tal. Nun ist der Weg wieder geteert. In Mittel-Gründau erreiche ich die Talsohle. Am Ortsende steht der „Mobile Supermarkt“ des Behinderten-Werk Main-Kinzig e.V. Die Fahrer machen gerade Mittagspause. Sie erzählen mir gerne, wie sie mit dieser Dienstleistung auf Rädern die Versorgung für die älteren Menschen in den Dörfern des Main-Kinzig-Kreises sicherstellen. |
Hinter der Eisenbahnunterführung stoße ich auf einen Fischweiher. Ein junger Vater ruft seinem Sohn zu: „Komm her, hier sind die Fische.“ Der Kleine kommt angerannt, die Mutter mit dem Kinderwagen gemächlich hinterher. Papa wirft einige Brotstücke ins Wasser, sein Sohnemann darf es ihm nachtun. Dann beginnt es rund um die Brotstücke zu brodeln. Große Fischleiber drücken sich gegenseitig aus dem Wasser, schnappen gierig nach den leckeren Happen, die im Wasser schwimmen. Es macht dem Kleinen sichtlich Spaß. Ich halte mich nicht lange auf. Weiter geht es! Hinter dem ADAC-Fahrsicherheitszentrum liegt die nächste Anhöhe und dahinter das Tal der Kinzig. Auf flacher Strecke rolle ich auf Gelnhausen zu.
„Wie romantisch, da kommen mir die Tränen vor lauter Glück. Habt ihr gehört, wie unser Rotbart Friederich jüngst im Walde auf der Jagd war. Da hört er die Hilferufe eines Mädchens. Ein Wolf hat sie in die Enge getrieben. Doch unser tapferer Herr hat den Wolf mit einem gezielten Wurf seines Spießes zur Strecke gebracht und die hübsche Maid aus ihrer Not befreit. Er war von ihrer Schönheit so angetan, dass er sich stehenden Fußes in sie verliebte. Gela heißt sie und nun führt er sie zum Traualtar. Ach wäre ich doch nur an ihrer Stelle gewesen. Nicht dass ich es unserer künftigen Herrin nicht gönnen würde, aber so einen Kaiser als Ehemann, na ja, das wäre doch sicher schöner, als hier jeden Tag die Wäsche zu waschen.“ „Träum du nur weiter. Aber vergiss nicht, die Hose deines fürstlichen Mannes vor dem Wehr zu retten. Sie schwimmt gerade davon.“ Die Schar der Wäscherinnen lacht.

Die markanten Türme der beiden Kirchen weisen mir den Weg in die Stadt. Durch eine Parade der Fachwerkhäuser radele ich hoch zum Obermarkt. Ein Brunnen ziert sein Zentrum, drum herum Parkplätze. Aufmerksam studiere ich die Reliefkarte mit der Altstadt. 1170 erfolgte die Stadtgründung. Es ist gut zu sehen, wie die Kernstadt einst von einem Mauerring umschlossen war. Da die Kinzig Aue früher sehr sumpfig war, wurde die Stadt am Hang gebaut.
Über dem Kinzigtal braut sich ein unheilvolles Unwetter zusammen. Drohend ziehen Wolken auf, schießen zu einem gewaltigen Turm in die Höhe. Das Tageslicht verdunkelt sich, dann bricht ein Gewitter los. Blitze jagen über den Himmel, einer schlägt im Rathaus ein. Die auf dem Dachboden zum Trocknen gelagerten Tabakbestände fliegen wie brennende Fackeln über die Stadt. Wir schreiben den 15. August 1736. Angesichts dieser Untergangsstimmung versammeln sich viele Menschen in der Kirche zum Gebet. Daraufhin öffnet sich der Himmel und ein gewaltiger Hagelschauer dämmt das Feuer ein und verhindert einen verheerenden Stadtbrand. Ob Petrus den Hagel aufgrund der Gebete geschickt hat, sei dahingestellt. Aber seit damals wird jedes Jahr am 15. August der Hageltag gefeiert.
Über dem Kinzigtal braut sich ein unheilvolles Unwetter zusammen. Drohend ziehen Wolken auf, schießen zu einem gewaltigen Turm in die Höhe. Das Tageslicht verdunkelt sich, dann bricht ein Gewitter los. Blitze jagen über den Himmel, einer schlägt im Rathaus ein. Die auf dem Dachboden zum Trocknen gelagerten Tabakbestände fliegen wie brennende Fackeln über die Stadt. Wir schreiben den 15. August 1736. Angesichts dieser Untergangsstimmung versammeln sich viele Menschen in der Kirche zum Gebet. Daraufhin öffnet sich der Himmel und ein gewaltiger Hagelschauer dämmt das Feuer ein und verhindert einen verheerenden Stadtbrand. Ob Petrus den Hagel aufgrund der Gebete geschickt hat, sei dahingestellt. Aber seit damals wird jedes Jahr am 15. August der Hageltag gefeiert.
Heute strahlt das alte Rathaus im neuen Glanz. Aber auch die Fassaden weiterer prächtiger Häuser schmücken den Platz. Dann schießt mir selbst das Adrenalin in den Kopf. Wo ist mein Fahrrad? Ich hatte es doch neben dem Brunnen abgestellt und jetzt ist es weg. Ich schaue nach rechts, ich schaue nach links, schaue zu den Ausgängen vom Obermarkt: Kein Dieb ist auf meinem Fahrrad zu sehen. Es sind überhaupt wenig Menschen unterwegs. Nur auf der Parkbank neben dem Brunnen sitzt jemand. Ich gehe auf ihn zu, um ihn zu fragen. Dann sehe ich mein Fahrrad. Es steht hinter dem Brunnen, außerhalb meines Sichtfeldes. Da fällt mir ein Stein vom Herzen!
Durch eine lange Straße fällt mein Blick auf das Innere Holztor. Schon im Mittelalter musste man beim Bauen sparen. Die von der Stadt abgewandten Seite wurde aus Stein errichtet, während die Rückseite nur eine Holzverschalung erhielt. Ich verlasse den Obermarkt und radele im Zickzack durch die Altstadt. Gelnhausen hat wirklich viel fürs Auge zu bieten. An der ehemaligen Synagoge halte ich für einen Moment inne. Das Gebäude ist im Unterschied zu anderen Synagogen in seiner Ursprungsform erstaunlich gut erhalten. Nachdem Anfang Juni 1938 in der Gelnhäuser Kristallnacht die Türen der Synagoge schon zugemauert wurden, blieb die Synagoge vom großen Novemberpogrom verschont. Heute ist sie ein Ort der Begegnung.
Weiter führt mein Weg zum Untermarkt. Hier steht das Denkmal von Philipp Reis, einem der bekanntesten Persönlichkeiten dieser Stadt. Ich glaube, dass er vor einhundertsechzig Jahren nicht erahnen konnte, welche Bedeutung seine Erfindung, das Telefon, jemals bekommen würde. Unweit des Untermarktes steht das Geburtshaus eines weiteren bekannten Sohnes dieser Stadt: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen. Sein Simplicius Simplicissimus ist ein satirischer Schelmen- und Abenteuerroman, ein Novum in seiner Zeit.
Durch eine lange Straße fällt mein Blick auf das Innere Holztor. Schon im Mittelalter musste man beim Bauen sparen. Die von der Stadt abgewandten Seite wurde aus Stein errichtet, während die Rückseite nur eine Holzverschalung erhielt. Ich verlasse den Obermarkt und radele im Zickzack durch die Altstadt. Gelnhausen hat wirklich viel fürs Auge zu bieten. An der ehemaligen Synagoge halte ich für einen Moment inne. Das Gebäude ist im Unterschied zu anderen Synagogen in seiner Ursprungsform erstaunlich gut erhalten. Nachdem Anfang Juni 1938 in der Gelnhäuser Kristallnacht die Türen der Synagoge schon zugemauert wurden, blieb die Synagoge vom großen Novemberpogrom verschont. Heute ist sie ein Ort der Begegnung.
Weiter führt mein Weg zum Untermarkt. Hier steht das Denkmal von Philipp Reis, einem der bekanntesten Persönlichkeiten dieser Stadt. Ich glaube, dass er vor einhundertsechzig Jahren nicht erahnen konnte, welche Bedeutung seine Erfindung, das Telefon, jemals bekommen würde. Unweit des Untermarktes steht das Geburtshaus eines weiteren bekannten Sohnes dieser Stadt: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen. Sein Simplicius Simplicissimus ist ein satirischer Schelmen- und Abenteuerroman, ein Novum in seiner Zeit.
Durch ein weiteres Stadttor verlasse ich die Altstadt und erreiche über die Müllerwiese die ehemalige Siedlung „Burg“. Die kleinen schmucken Häuser liegen vor dem Tor der Kaiserpfalz. Jetzt habe ich den Platz erreicht, der Gelnhausen den Beinamen Barbarossa Stadt verdankt. Kaiser Friedrich I errichtete auf einer Insel der Kinzig eine Kaiserpfalz. Sie war bewusst im Abstand zur Stadt gebaut. Das unterstrich ihre Bedeutung. Hier versammelten sich im Jahr 1180 die Reichsfürsten und die Vertreter der Reichsstädte zu einem Reichstag, auf dem Heinrich dem Löwen der Prozess gemacht wurde. Ich kann nicht in den Mauerring hinein. Gerade ist die Pfalz wegen Renovierungsarbeiten geschlossen. Die mächtigen Mauern der Stauferburg, welche die Jahrhunderte überdauert haben, machen auf mich gehörigen Eindruck. Wie erst mögen sie auf die Menschen im Mittelalter gewirkt haben.
Es gäbe sicher noch viel mehr in Gelnhausen zu entdecken, Aber mich zieht es jetzt weiter. Ab hier begleitet mich Cafer. Manchmal denke ich mir, dass die Männer, die die Wegweiser für den Radweg anbringen, diesen Weg selbst zuerst mit dem Fahrrad fahren sollten. Nur mal ein Beispiel: Hinter dem Landratsamt geht es eine kleine Rampe hoch. Der Radwegweiser zeigt nach rechts. Wenn ich ihm folge, lande ich auf einem Parkplatz. Zum Glück schließt sich gerade die Schranke. Um auf den straßenbegleitenden Radweg zu kommen, muss ich noch ein paar Meter weiterfahren. Hätte man nicht das Schild fünf Meter weiter hinten anbringen können, statt an der Einfahrt zum Parkplatz?
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Nach einigen hundert Metern geht es am Schwimmbad auf den Radweg in die Kinzig Aue. Wieder erregt ein altes Gemäuer meine Aufmerksamkeit. Es sind die Reste einer Brunnenanlage. Anfang des letzten Jahrhunderts hat man hier eine Mineralquelle gefunden. Die Stadtväter träumten sofort davon, Gelnhausen in den Rang einer Kurstadt zu erheben. Bad Gelnhausen, das klingt doch gut und spült Geld in die Stadtkasse. Doch die Quelle versiegte rasch und der Traum zerplatzte.
Saftig grün sind die Wiesen, an denen wir vorbeiradeln. Über mir dreht ein Greif seine Kreise. Streckenweise führt der Radweg unmittelbar entlang des Bahndamms. Rote Regionalzüge und ratternde Güterzüge wechseln sich ab. Wenn ein ICE vorbei braust, spüre ich den Fahrtwind. Ein Storch stolziert auf der Suche nach einem Frosch oder einer Maus über die Weide. Als ich ihm zu nahekomme, fühlt er sich gestört und hebt ab.
Saftig grün sind die Wiesen, an denen wir vorbeiradeln. Über mir dreht ein Greif seine Kreise. Streckenweise führt der Radweg unmittelbar entlang des Bahndamms. Rote Regionalzüge und ratternde Güterzüge wechseln sich ab. Wenn ein ICE vorbei braust, spüre ich den Fahrtwind. Ein Storch stolziert auf der Suche nach einem Frosch oder einer Maus über die Weide. Als ich ihm zu nahekomme, fühlt er sich gestört und hebt ab.
Kurz vor Wächtersbach führt mich die Strecke aus dem Kinzigtal. Die Überquerung der Kinzig über eine schicke Brücke ist einfach. Es hat Eicheln geregnet. Als ich die Rampe hochfahre, springen sie mit einem lauten Knall unter meinen Rädern weg. Früher sagte man, dass viele Eicheln einen kalten Winter bedeuten. Aber da gab es noch keinen Klimawandel.
An der Bundesstraße muss ich warten. Mal kommt eine Autoschlange von der Ampel weiter links, dann kommt eine Schlange von der Ampel weiter rechts. Ich frage mich, warum es nicht möglich war, den Radweg an einer der beiden Ampelanlagen über die Bundesstraße zu führen. Es wäre ein guter Beitrag zur Verkehrssicherheit. Dieser Kreuzungspunkt wird „Eiserne Hand“ genannt. Hier traf schon zur Zeit der Römer die Via Regia auf eine Straße, die aus dem Spessart kam. Ein gusseiserner Wegweiser aus dem 19. Jahrhundert gab der Kreuzung ihren Namen.
An der Bundesstraße muss ich warten. Mal kommt eine Autoschlange von der Ampel weiter links, dann kommt eine Schlange von der Ampel weiter rechts. Ich frage mich, warum es nicht möglich war, den Radweg an einer der beiden Ampelanlagen über die Bundesstraße zu führen. Es wäre ein guter Beitrag zur Verkehrssicherheit. Dieser Kreuzungspunkt wird „Eiserne Hand“ genannt. Hier traf schon zur Zeit der Römer die Via Regia auf eine Straße, die aus dem Spessart kam. Ein gusseiserner Wegweiser aus dem 19. Jahrhundert gab der Kreuzung ihren Namen.
Langsam merke ich, dass es in den Spessart geht, der Radweg steigt an. 94 Jahre gab es eine Eisenbahnverbindung von Wächtersbach nach Bad Orb. Es war eine Schmalspurstrecke, die vor allem Kurgäste herbeibrachte. Hinzu kam bis 1921 der Güterverkehr für den Truppenübungsplatz Lettgenbrunn. Irgendwann wurde aus der Schmalspurbahn eine normalspurige Bahnstrecke, aber nicht lange, dann wurde die Strecke stillgelegt. Kleinbahnfreunde haben die Gleisanlagen Anfang dieses Jahrtausends wieder von Normalspur auf Schmalspur umgestellt. Seit 2002 fährt am Wochenende die Dampfkleinbahn „Emma“ als Erlebnis für Jung und Alt. Es ist schon lustig anzusehen, wie die Gleise der Schmalspurbahn auf den breiten Schwellen der Normalspur liegen. Die Endstation liegt am Rande der Altstadt von Bad Orb.
„Habt ihr schon gehört? Er ist frei! Unser Peter ist frei!“ Die lange Reihe der Waschfrauen am Ufer der schmalen Orb hängt an ihren Lippen. „Heute Nacht ist er ihnen entwischt.“ Sie kann ihre Freude nicht bremsen. Schnell sprudeln die Worte aus ihrem Mund. „Da haben die Herren doch geglaubt, dass die Mauern des Wartturms dort oben auf dem Molkenberg dick genug sind, um ihn dingfest zu halten. Ich hätte ihm gerne den Tunnel gegraben. Doch sein treuer Fuchs war schneller. Was lachst du, Marie?“ Ihre Nachbarin hält sich prustend den Leib: „Du mit einem dicken Bauch willst einen Tunnel graben? Dann könnte dort ein ganzer Eselskarren durchfahren.“ Doch sie lässt sich nicht in ihrem Sprachfluss bremsen: „Der Peter ist ein Guter. Er ist kein Räuber wie die anderen Gesellen oben im Spessart. Er bestiehlt nur die Reichen und teilt die Beute mit den Armen. Schade nur, dass sein treuer Freund, der Fuchs, den er so fürsorglich aufgezogen hat, von den Schergen gefangen und totgeschlagen wurde. Möge Gott dem Peter helfen, dass er einen sicheren Ort findet.“
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Vom Bahnhof ist es nur ein kurzer Weg bis in die Altstadt. Neben dem Gebäude einer Bank steht das bronzene Standbild eines Mannes. Er hat sein Gewehr geschultert. Ein Fuchs streicht zwischen seinen Füßen. Es ist kein geringerer als „Peter von Orb“, der Robin Hood des Spessarts. Das Denkmal des Spessarträubers neben dem Eingang einer Bank. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Ich folge ein Stück der mächtigen Stadtmauer. In einem Brunnentempel vor der Mauer sprudelt die Philippsquelle, hinter der Stadtmauer reihen sich die Häuser. Die alte Mauer stammt aus dem 13. Jahrhundert, die Zeit, als Bad Orb die Stadtrechte erhielt. Wir radeln durch die Gassen, vorbei am „Kleinsten Haus“, am „Henkershaus“, am Haus „Alt Orb“ und vielen anderen mit wunderschönen Fachwerkfassaden. Leider steht auch so manche Bausünde dazwischen. Der Trend zur Erhaltung der alten Bausubstanz hat wohl zu spät eingesetzt.
Der Marktplatz lädt uns zum Verweilen ein. Es gibt viel zu bestaunen. Das „Weiße Ross“ am Marktplatz ist das älteste Gasthaus im Bad Orb. Geschichtsträchtig ist aber auch das Gasthaus „Zum Braunen Hirschen“ in der Hauptstraße. Der bayrische König hatte 1848 die Frankfurter Reichsverfassung abgelehnt. Vor der schönen Fassade des Gasthauses kam es am 1. März 1849 zu einer Prügelei zwischen Bürgern und Soldaten. Hintergrund war die Stationierung von bayrischen Soldaten in der zur Kaserne umfunktionierten Kleinkinderbewahranstalt aufgrund demokratischer Umtriebe in Bad Orb. Am nächsten Tag folgte eine große Menschenmenge der Sturmglocke des Rathauses und vertrieb die Soldaten. Drei Tage später traf ein königliches Exekutionskommando von fünfhundert Soldaten in Bad Orb ein, um die Ruhe wiederherzustellen. Gegen diese Übermacht ergaben sich die Bürger wehrlos.
Ich folge ein Stück der mächtigen Stadtmauer. In einem Brunnentempel vor der Mauer sprudelt die Philippsquelle, hinter der Stadtmauer reihen sich die Häuser. Die alte Mauer stammt aus dem 13. Jahrhundert, die Zeit, als Bad Orb die Stadtrechte erhielt. Wir radeln durch die Gassen, vorbei am „Kleinsten Haus“, am „Henkershaus“, am Haus „Alt Orb“ und vielen anderen mit wunderschönen Fachwerkfassaden. Leider steht auch so manche Bausünde dazwischen. Der Trend zur Erhaltung der alten Bausubstanz hat wohl zu spät eingesetzt.
Der Marktplatz lädt uns zum Verweilen ein. Es gibt viel zu bestaunen. Das „Weiße Ross“ am Marktplatz ist das älteste Gasthaus im Bad Orb. Geschichtsträchtig ist aber auch das Gasthaus „Zum Braunen Hirschen“ in der Hauptstraße. Der bayrische König hatte 1848 die Frankfurter Reichsverfassung abgelehnt. Vor der schönen Fassade des Gasthauses kam es am 1. März 1849 zu einer Prügelei zwischen Bürgern und Soldaten. Hintergrund war die Stationierung von bayrischen Soldaten in der zur Kaserne umfunktionierten Kleinkinderbewahranstalt aufgrund demokratischer Umtriebe in Bad Orb. Am nächsten Tag folgte eine große Menschenmenge der Sturmglocke des Rathauses und vertrieb die Soldaten. Drei Tage später traf ein königliches Exekutionskommando von fünfhundert Soldaten in Bad Orb ein, um die Ruhe wiederherzustellen. Gegen diese Übermacht ergaben sich die Bürger wehrlos.
Entlang dem Bachlauf der Orb ist eine schöne Fußgängerpassage entstanden. Sie führt mich auf den Salinenplatz. Hier schufteten jahrhundertelang die Kärner, um das weiße Gold von Gelnhausen zu heben. Es war eine harte Arbeit, die vollbeladenen Karren mit dem Salz zu ziehen. Nicht umsonst kennen wir den Begriff der Kärnerarbeit. Die Salzgewinnung prägte das mittelalterliche Stadtbild. Zuerst erfolgte die Eindickung und Reinigung der Sole durch das Gradieren in großen Verdunstungskästen. Ton, Kalk und Gips setzte sich ab und bildete die Gradiersteine. Diese verwendete man auch als Fundamente für Neubauten. Anschließend wurde die Sole in Sudpfannen eingedampft. Zurück blieb das weiße Salz. Über den mittelalterlichen Eselsweg wurde es mit Karren über die Spessarthöhen nach Miltenberg gebracht und von dort mainabwärts nach Frankfurt und Nürnberg, im Mittelalter der sicherste und schnellste Weg.
Langsam fahren wir durch den Kurpark. Vor mir taucht eine Saline auf. Die Salinen, ursprünglich zehn an der Zahl, wurden im 17. Jahrhundert gebaut. Mit ihren zweitausendfünfzig Meter Gesamtlänge war es eine gewaltige Anlage, mit der jährlich bis zu zweitausend Tonnen Salz gewonnen wurden.
Als 1837 die erste Solebadeanstalt in Bad Orb ihre Pforten öffnete, lag die Salzproduktion schon am Boden. Es dauerte aber noch siebzig Jahre, bis Bad Orb den Rang einer Kurstadt erhielt.
Langsam fahren wir durch den Kurpark. Vor mir taucht eine Saline auf. Die Salinen, ursprünglich zehn an der Zahl, wurden im 17. Jahrhundert gebaut. Mit ihren zweitausendfünfzig Meter Gesamtlänge war es eine gewaltige Anlage, mit der jährlich bis zu zweitausend Tonnen Salz gewonnen wurden.
Als 1837 die erste Solebadeanstalt in Bad Orb ihre Pforten öffnete, lag die Salzproduktion schon am Boden. Es dauerte aber noch siebzig Jahre, bis Bad Orb den Rang einer Kurstadt erhielt.
Die große Saline sorgt für eine salzhaltige Luft. Ich mag diese solegeschwängerte Atmosphäre. Kurgäste wandeln an der Saline entlang. Wir halten uns aber nicht länger auf und setzen unserer Reise fort. Hinter dem Ortsschild beginnt der eigentliche Anstieg auf die Spessarthöhe. Doch zuvor wollen wir uns noch stärker. Das „Café Konditorei Waldfriede“ bietet sich einige hundert Meter hinter dem Ortsausgang an. Nicht dass es mich überrascht hätte, denn hier wollte ich schon immer mal den leckeren Kuchen genießen. Die Backstube ist direkt hinter der Kuchentheke, und genau die ist unverschämt verlockend. Cafer sagt natürlich nicht nein.
Gut gestärkt biegen wir direkt hinter der Konditorei in den Wald ein. Es folgt eine kleine Kurve und dann eine langgezogene steile Rampe. 10 %, 12 % 15 %. Niemand gibt mir Auskunft, wie steil es wirklich hochgeht. Vielleicht war dies die Rampe für die Seilzugbahn hoch zum Truppenübungsplatz. Mit seiner stärksten Unterstützung bringt mich meine E Bike vorwärts. An einem Abzweig auf halber Strecke warte ich auf Cafer. Er hat immer noch kein E-Bike, Lieferzeit im Moment: 6 bis 8 Monate. Er hält nicht an, um seinen Schwung nicht zu verlieren, und biegt in die Spitzkehre ab. Jetzt erst erkenne ich den Radwegweiser. Gut das Cafer es erkannt hat, sonst wäre ich die steile Rampe weiter hochgefahren. Nun geht es moderat weiter. Cafer ist weit vor mir. Ich radele durch einen wunderschönen Buchenwald, der später durch Nadelbäume abgelöst wird. An der Kleffelberghütte halte ich an. Wo ist Cafer? Vier Wege treffen hier aufeinander. Ich folge dem Radwegweiser, der nach links zeigt. Der Weg rechts daneben führt weiter steil hinauf. Dann sehe ich rechts über mir das rote Trikot von Cafer. Er schiebt sein Rad den steilen Weg hoch. Bin ich falsch? Ich radele die kurze Strecke zur Kreuzung zurück, um mich zu vergewissern. Ja, meine Wahl ist richtig. Cafer reagiert nicht auf mein Rufen, ich muss zum Telefon greifen. Zum Glück gibt es hier kein Funkloch. Gemeinsam freuen wir uns nun, dass es nur leicht bergan geht. Das hätten wir nicht sagen soll, denn hinter einer Kurve lauert die nächste Steigung.
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Mehr als dreihundert Höhenmeter haben wir seit Bad Orb schon bewältigt. An einem großen Baumstumpf zeigt der Wegweiser, der uns zur Burg Beilstein führen soll, nach links. Der kurze grasbewachsene Weg endet an einem Gatter. Das schmale Tor wird mit einer Seilschlaufe gehalten. „Das musst du sehen“, ruft Cafer, der zuerst durch das Tor hindurchgeht. Ich muss lachen. „Vorsicht-fliegende Golfbälle!“ warnt ein großes Schild. Und tatsächlich, wir sind auf einem Golfplatz gelandet. Aber wir dürfen weiter in der Hoffnung, keinem der fliegenden Golfbälle zu begegnen. Aus dem vom Greenkeeper gepflegten Rasen erhebt sich ein mehrere Meter hoher grauer Betonklotz. Es ist ein Bunker. Vor dem Ersten Weltkrieg war hier ein Truppenübungsplatz. Nach 1933 wurde daraus ein Bombenabwurfplatz. Die Piloten übten hier die Bombardierung von Bodenzielen. Selbst der nahegelegene Ort Lettgenbrunn wurde einbezogen. Der Bunker diente der Beobachtung der Übungen. Da sind mir heute fliegende Golfbälle doch lieber als Bomben.
Am kleinen Bistro an Loch 6, in der Sprache der Golfer Halfway-House genannt, frage ich die Wirtin nach dem Weg zur Burg Beilstein. „Ach, Sie meinen den Haufen Steine da oben“, kommt zur Antwort. Etwas irritiert präzisiere ich meinen Wunsch: „Den Radweg nach Lettgenbrunn.“ Den kann uns die nette Dame beschreiben. Er führt allerdings nicht zur Burgruine, sondern auf den dahinterliegenden Hügel. „Aber von dort haben sie den besten Blick auf den Golfplatz und den Haufen Steine“, meint sie zum Abschied. Wir folgen ihrem Rat. Die Burgruine sehen wir nicht. Lediglich das Grau des Basaltkegels, auf dem die Burg errichtet war, hebt sich von dem Grün der Landschaft ab. Statt Burgblick haben wir einen wunderschönen Rundumblick mit Panorama.
Am kleinen Bistro an Loch 6, in der Sprache der Golfer Halfway-House genannt, frage ich die Wirtin nach dem Weg zur Burg Beilstein. „Ach, Sie meinen den Haufen Steine da oben“, kommt zur Antwort. Etwas irritiert präzisiere ich meinen Wunsch: „Den Radweg nach Lettgenbrunn.“ Den kann uns die nette Dame beschreiben. Er führt allerdings nicht zur Burgruine, sondern auf den dahinterliegenden Hügel. „Aber von dort haben sie den besten Blick auf den Golfplatz und den Haufen Steine“, meint sie zum Abschied. Wir folgen ihrem Rat. Die Burgruine sehen wir nicht. Lediglich das Grau des Basaltkegels, auf dem die Burg errichtet war, hebt sich von dem Grün der Landschaft ab. Statt Burgblick haben wir einen wunderschönen Rundumblick mit Panorama.
Hinter der Kuppe geht es abwärts. Der Weg ist geteert. Ich muss nicht auf Steine, Wurzeln und Schlaglöcher aufpassen, werde immer schneller. Aus dem Tal schälen sich die Dächer von Lettgenbrunn heraus. Im Unterschied zu all den anderen Orten drum herum hat Lettgenbrunn wenig alte Bausubstanz. Die Bomberpiloten hatten 1937 bei ihren Abwurfübungen ganze Arbeit geleistet. In mir steigt die Wut hoch, dass für diese kriegerischen Ziele die Bevölkerung eines ganzen Dorfes vertrieben und ihre Wohnungen zerstört wurden.
Gegenüber der Kirche entspringt die Jossa. Wir folgen ihr durch ein liebliches Tal, bis wir auf eine Landstraße stoßen. Die Idylle dieses Tales nimmt mich ein. Ich bleibe stehen, um zu schauen, nur hinschauen, auf den einzelnen Baum im Wiesengrund, auf den Bachlauf, der gesäumt von kleinen Büschen, sich durch das Tal zieht, und auf das Grün in den schönsten Ausprägungen. Cafer muss an der Landstraße lange auf mich warten. Ich danke ihm für seine Geduld.
Einige hundert Meter folgen wir der Landstraße, dann geht es wieder auf einem Forstweg weiter. Er führt ohne Steigung in ein Seitental hinein, bis der Wegweiser uns nach links abzweigen lässt. Jetzt müssen wir wieder richtig bergauf. Einhundert Höhenmeter sind zu bewältigen. Der Sand knistert unter den Reifen, es knackt, wenn ein Schotterstein wegspringt. Meter für Meter arbeite ich mich hoch, überhole Cafer und erreiche schließlich die Lichtung auf der Höhe. Mit fünfhundertdreißig Metern haben wir hier den höchsten Punkt unserer Tour erreicht.
Wasser! Ich setze die Wasserflasche an und trinke sie halb leer. Insgeheim denke ich mir, dass ich langsam zur Bergziege werde, wenn Jahr, natürlich keine junge springlebendige, sondern eher ein alter Ziegenbock. Mich scheuen zwar keine Berghänge, aber ich mache mich bedächtig an den Anstieg, wobei, ich gestehe, es mir nicht möglich wäre ohne den „Rückenwind“ meines Elektromotors. Anstrengend ist solch ein Anstieg dennoch, und ich bin jedes Mal froh, wenn ich nicht doch noch kurz vor dem Ziel absteigen und schieben muss. Ein Stück folgen wir der Birkenhainer Straße, dann rollen wir steil hinunter nach Flörsbach. Im Ort will ich nochmal kurz zur Feuerwehr. Ich möchte zum Judenborn, der dort stehen soll. Wir finden ihn auch. Es ist ein mittelalterlicher Brunnen, an dem die jüdischen Viehhändler ihr Vieh auf dem Weg vom Main ins Kinzigtal zur Tränke führen durften. Damals gab es eine strenge Trennung zwischen Juden und Christen. Letzteren waren die meisten Brunnen vorbehalten. Auch dies gehört zur Geschichte des Mittelalters.
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Warum kommt mir nur plötzlich der Ohrwurm von Hildegard Knef ins Ohr: „Von nun an ging‘s bergab“? Mit dem Bergsattel im Rücken rolle ich ab Flörsbach leicht zu Tal. Nun liegen die geschotterten Forstwege liegen hinter uns, der Radweg ist gut ausgebaut und führt entlang der Landstraße. Das Tal ist eng, der Wald zieht sich rechts und links tief hinunter. Nach kurzer Zeit erreichen wir Kempfenbrunn. Der Ort zieht sich in die Länge. An einem Zaun, von dem aus ich einen schönen Blick auf den Ortskern habe, halte ich an. Als ich ein Foto mache, fällt mir auf, dass mein Konterfei in einem kleinen Spiegel am Zaunpfosten zu sehen ist. Das reizt mich. Viele Aufnahmen muss ich machen, bevor ich zufrieden bin. Das Ergebnis sieht aus wie eine Fotomontage, ist aber keine. Erfreut über das schöne Ergebnis gebe ich meinem geduldigen Begleiter das Zeichen zur Weiterfahrt.
Bisher war die Radstrecke eigentlich gut ausgeschildert. Das Logo der Mittelalterroute hat uns bisher recht zuversichtlich geführt. Doch irgendwie habe ich das Gefühl, dass die Wegführung jetzt nachlässiger wird. Gerade haben wir die bayerische Grenze überschritten. Dabei ist das Logo des Radweges wohl verloren gegangen. Am Ortseingang begrüßt uns ein mittelalterlicher Fuhrmann. Natürlich ist er nicht leiblich, sondern nur eine Blechfigur. Den Schlapphut hat er tief hinuntergezogen, die Peitsche hält er hoch. Die Frammersbacher Fuhrleute waren über viele Jahrhunderte mit ihren Fuhrwerken zwischen Antwerpen und Prag und zwischen Königsberg und Triest unterwegs. Im Jahr 1630 hatten die Frammersbacher um die dreihundert Fuhrwerke und schätzungsweise zweitausend Pferde, mit denen sie ständig unterwegs waren. Sie waren berühmt und bei Räubern berüchtigt, weil sie nicht lange fackelten, sondern schnell den Knüppel aus dem Sack ließen. Mit dem Fuhrmanns- und Schneidereimuseum hat ihnen die Gemeinde ein Denkmal gesetzt. Das Museum ist ein kleines, unscheinbares Haus, mit dem Klohäuschen als Anbau. Leider ist heute beides geschlossen.
Ziegen begleiten unseren weiteren Weg bis zum Main. Selten habe ich in Deutschland so viele Ziegenherden auf einmal gesehen wie heute. Es sind schöne Tiere, die sich mir präsentieren, makellos weiß mit braunem Hals und braunem Kopf.
Ziegen begleiten unseren weiteren Weg bis zum Main. Selten habe ich in Deutschland so viele Ziegenherden auf einmal gesehen wie heute. Es sind schöne Tiere, die sich mir präsentieren, makellos weiß mit braunem Hals und braunem Kopf.

„Oh Gott, die arme Anna. Habt ihr schon gehört, was sich diese Woche zugetragen hat?“ Grete, das Waschweib, hebt theatralisch ihre Hände zum Himmel. „Die Anna selig, die Köchin vom Weißgerber Claus in der Kirchgasse, hat doch letzte Woche einen Jägersmann auf den Speicher geführt. Dieser wollte Haare kaufen. Als die beiden die Treppe hochgehen, fällt dem Weißgerber auf, dass der Jägersmann etwas hinkt. Er schaut auf dessen Füße und meinte, oh Schreck, Bocksfüße zu erkennen. Er denkt sogleich daran, dass ein Gerücht umhergeht, dass seine Köchin Anna wegen ihrer Kochkünste mit dem Teufel im Bunde stehe. Dennoch glaubt er, sich versehen zu haben, weil er solchen Gerüchten keinen Glauben schenkt. Stunden vergehen und die beiden kommen nicht mehr herunter. Das kommt dem Weißgerber Claus doch seltsam vor. Er nimmt all seinen Mut zusammen und steigt auf den Dachboden. Es riecht übel nach Schwefel. Dort liegt die arme Anna leblos zu seinen Füßen. Sie hat ihr Leben ausgehaucht. Der Jägersmann hingegen ist mit ihrer Seele durch den Schlot entwischt. Der Weißgerber Claus flieht in Todesangst aus dem Haus und flugs in die Kirche hinein, geradewegs dem Pfarrer Christian in die Arme. Er wirft sich vor ihm auf die Knie und betet das Vaterunser. Einmal, zweimal, dreimal, dann noch eine Ave Maria hinterher. Dann holen sie den Totengräber Friedrich, um die Köchin Anna zur letzten Ruhe zu betten. Seither schwebt jede Nacht der bleiche Geist der Anna über den Gräbern, erzählt mir der Nachtwächter Otto, wenn er seine Runde am Friedhof dreht. Ohne ihre Seele wird sie nie wieder Ruhe finden.“ Schnell kreuzigt sich das Waschweib mehrfach und alle am Waschplatz an der Lohr folgen ihrem Beispiel.
Am späten Nachmittag rollen wir nach Lohr hinein. 80 Kilometern sind geschafft. Wir haben eine kühle Belohnung verdient. Die gibt es in der Altstadt. Die Hauptstraße bildet die Achse des alten Stadtkerns. Gleich zu Beginn fordert mich ein lustiges Schild, auf den Boden aufgemalt, auf, abzusteigen und das Rad zu schieben. Altes ehrwürdiges Fachwerk begleitet mich auf dem kurzen Weg bis zur Eisdiele. Die vergoldeten Aushangschilder über den Geschäften, sicher älter als die Läden selbst, zeugen vom ehemaligen Reichtum. Die Verzierungen am Fachwerk stehen dem in nichts nach. 1200 Jahre Stadtgeschichte stecken in duesen Mauern. Um die Kirche scharen sich die Häuser der Fischer und der mittelalterlichen Handwerker als wollten sie Schutz suchen. Es ist der älteste Teil der Stadt. Jenseits der Turmstraße zieht sich fast schnurgerade die Hauptstraße lang. Die geometrische Anordnung der Straßen in einer mittelalterlichen Stadt wirkt auf mich ungewöhnlich. Sie nimmt ihr aber nichts von ihrem Reiz. Wir schieben unsere Räder die Hauptstraße hoch, entlang vieler Biergärten und Cafés, die uns jetzt nicht mehr reizen. Hinter dem prächtigen Rathaus geht es schließlich durch eine Nebenstraße zum Schloss. Mir gefällt die Stadt. Sie gefällt mir so gut, dass ich einige Tage später mit Renate wiederkomme. Vor einem schönen Haus nahe der Kirche treffen wir ein leibhaftiges Waschweib. Unterm Arm trägt sie ihr Waschbrett. Na ja, im Zeitalter der Waschmaschine ist dieser Beruf doch wohl ausgestorben. Oder? Der Zufall hat uns mit Angelika Feuser zusammengeführt. Als „Lohrer Waschweib“ führt sie im Auftrag der örtlichen Touristeninformation schon seit langem Besucher durch die Stadt. Ich spreche sie auf das schöne Eingangsportal hinter ihr an. Es ist das Gerberhaus. Von ihr erfahre ich auch die Sage, die sich um das Gerberhaus rankt.
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Schüchtern sitzt sie da, auf der Parkbank, ganz in sich versunken. In Ihren Händen ruht der Apfel, der schändliche. Ich setze mich neben sie, höre das Plätschern des Brunnens hinter mir. Irgendwo in der Altstadt spielt ein Duo Schlager aus den 60er-Jahren. Der Kies knirscht, wenn ein Passant vorbeigeht. Ich genieße die Ruhe. Dann verabschiede ich mich mit den Worten „Auf Wiedersehen Schneewittchen“. Vor knapp 300 Jahren wurde Maria Sophie Margaretha Catharina Freifräulein von Erthal im Schloss zu Lohr geboren. Ihre Stiefmutter galt als herrschsüchtig. Im Spessartmuseum im Schloss ist ein Spiegel aus ihrer Zeit ausgestellt. Ein Sinnspruch auf dem Rahmen lautet: Amour propre, Selbstliebe. Über sieben Spessertberge kommt man durch wilde Wälder zu den Erzbergwerken bei Bieber. Dort arbeiteten kleinwüchsige Männer und Kinder in den niedrigen Stollen. All diese Indizien und noch mehr genügten Mitte der 80er-Jahre einigen Stammtischfreunden aus Lohr, um das Freifräulein von Erthal in den Rang von Schneewittchen zu heben. Das ist Lohr, eine Stadt voller Geschichte und Geschichten. Und so bin ich Schneewittchen begegnet. Ein schöner Abschluss der Reise auf der Mittelalter-Radroute.