Zwischen Main und Donau
Tag 1
Von Würzburg nach Flachslanden
Von Würzburg nach Flachslanden
„Achtung Zugdurchfahrt“ ertönt es aus dem Lautsprecher auf dem Bahnsteig 103 am Hanauer Hauptbahnhof. Bei Glockenschlag 7:00 Ihr in aller Früh bin ich zu Hause gestartet, um pünktlich am Bahnhof zu sein. Mich begleitete die bange Frage, ob Cafer, mein Begleiter für die nächsten 12 Tage, und ich mit unseren vollgepackten Rädern einen Platz im Regionalexpress nach Würzburg bekommen werden? Es gibt ja genug Unkenrufe, die auf die Deutsche Bahn und die übervollen 9-€-Züge schimpfen. Wir haben Glück. Gerade mal ein Fahrrad steht im leeren Abteil, und bis Würzburg kommen auch nicht viel mehr dazu.
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Den Mainradweg haben wir in Würzburg schnell gefunden, doch vom Main sehen wir wenig. Ups, da sind doch Treppen auf dem Radweg. Hier heißt es absteigen und eine kleine Rampe hochschieben, bevor es auf einer Straße weitergeht. Etwas eckig geht es direkt unterhalb der Festung Marienburg weiter Richtung Süden. Die Ausschilderung ist nicht immer ganz eindeutig. Als wir wieder mal an einem Abzweig stehen und Komoot, unser Fahrradnavi, zurate ziehen spricht uns ein Radler an. „Wenn Ihr mach Ochsenfurt wollt, folgt mir einfach.“ Na, das ist doch mal ein Angebot. Bald unterqueren wir die große Talbrücke der A3 und fahren kilometerweit neben der Eisenbahnstrecke. Ein Güterzug folgt dem anderen. Dieser Teil des Mainradweges zählt nicht unbedingt zu den schönsten.
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Nach siebzehn Kilometer rollen wir durch ein altes Stadttor in die Altstadt von Ochsenfurt hinein. Eine schöne, malerische Kulisse begrüßt uns. Langsam radeln wir an der Fachwerkfassade der Hauptstraße vorbei. Kinder spielen am plätschernden Wasser, langsam füllen sich die Straßencafés.
Unter der Eisenbahnlinie und der Südtangente hindurch geht es auf die Uffenheimer Straße. Dort erwartet uns die erste Bergwertung. Der Radweg steigt steil an. Achtzig Höhenmeter müssen wir auf kurzer Strecke bewältigen, dann haben wir ein Hochland erreicht, den Ochsenfurter Gau. Weit geht der Blick über goldgelbe Stoppelfelder und grüne Zuckerrüben. Im Osten erhebt sich der Höhenzug vom Steigerwald, im Westen begrenzt ab und zu eine Baumgruppe den Horizont. Unten am Fluss schien alles eng: das Tal, der Blickwinkel, die Kleidung, der Brustkorb. Doch hier oben ist alles weit, offen, endlos. Wenn ich vom Hochland spreche, dann ist es nicht eine ebene Fläche, so wie in Ostfriesland, wo man morgens schon sieht, wer abends zu Besuch kommt. Nein, es ist eine Folge von Wellen, keine höher als die andere, mit Niederungen dazwischen, kleine Wellentäler, eine Landschaft, durch die der Radweg auf und ab schwingt.
Der Fahrtwind mildert die Wärme, mit der uns die pralle Sonne einhüllt. Es gibt kaum ein Wäldchen, das uns Schatten anbietet. Eine große Säule erregt unsere Aufmerksamkeit. Es ist die Gnodstadter Mautpyramide. 1773 fertiggestellt, markierte sie die Grenze zwischen dem Großherzogtum Würzburg und der Grafschaft Brandenburg-Ansbach. Wer des Lateinischen mächtig ist, kann im Sockel lesen, dass der Herr Markgraf diese Säule „nicht von Steuern der Untertanen, sondern aus eigenen Mitteln“ erbauen ließ. Stellt sich mir nur die Frage, woher er eigene Mittel hat, wenn nicht aus Steuern. Als 1806 das Markgrafentum zu Bayern kam, wurde an dieser Stelle eine Zollstation zur Entrichtung einer Maut errichtet. Die Zeiten haben sich geändert. Eine Zollstation gibt es nicht mehr. Die Maut wird heute elektronisch erhoben, allerdings nur für Lastkraftwagen. Zu denen zählen wir trotz unserer vollgepackten Gepäckträger gottlob nicht. Und so dürfen wir kostenfrei Unterfranken verlassen und in Mittelfranken einreisen. Ein LKW warf 2010 bei einem Unfall die Mautsäule um. Nun steht sie fünfzehn Meter entfernt von der Bundesstraße, weit genug, um sicher zu sein vor den zahllosen LKWs, die täglich vorbei donnern und Geld in die Mautkasse spülen.
Der Fahrtwind mildert die Wärme, mit der uns die pralle Sonne einhüllt. Es gibt kaum ein Wäldchen, das uns Schatten anbietet. Eine große Säule erregt unsere Aufmerksamkeit. Es ist die Gnodstadter Mautpyramide. 1773 fertiggestellt, markierte sie die Grenze zwischen dem Großherzogtum Würzburg und der Grafschaft Brandenburg-Ansbach. Wer des Lateinischen mächtig ist, kann im Sockel lesen, dass der Herr Markgraf diese Säule „nicht von Steuern der Untertanen, sondern aus eigenen Mitteln“ erbauen ließ. Stellt sich mir nur die Frage, woher er eigene Mittel hat, wenn nicht aus Steuern. Als 1806 das Markgrafentum zu Bayern kam, wurde an dieser Stelle eine Zollstation zur Entrichtung einer Maut errichtet. Die Zeiten haben sich geändert. Eine Zollstation gibt es nicht mehr. Die Maut wird heute elektronisch erhoben, allerdings nur für Lastkraftwagen. Zu denen zählen wir trotz unserer vollgepackten Gepäckträger gottlob nicht. Und so dürfen wir kostenfrei Unterfranken verlassen und in Mittelfranken einreisen. Ein LKW warf 2010 bei einem Unfall die Mautsäule um. Nun steht sie fünfzehn Meter entfernt von der Bundesstraße, weit genug, um sicher zu sein vor den zahllosen LKWs, die täglich vorbei donnern und Geld in die Mautkasse spülen.
Der markante Kirchturm von Uffenheim zeigt uns den Weg ins Zentrum. Die Bauweise ist eher nüchtern, keine Fachwerkromantik. Es ist Mittagszeit. Wir halten an einer Bäckerei. Auf der Terrasse umschwärmt eine kleine Wespe meinen Teller. Die Wurst hat es ihr angetan. Ich lege ihr ein kleines Stück zur Seite, damit wir beide ungestört essen können. Ich glaube, ein kleines Dankeschön gehört zu haben.
Hinter Uffenheim begleiten wir noch ein kurzes Stück die Bundesstraße, bevor es auf kleinen Landstraßen weitergeht. Und dann ist alles weiß, die Straße, die Fahrzeuge, die Fabrik. Ich stehe mitten auf dem Firmengelände einer Gipsfabrik. Nicht, dass wir uns verfahren hätte, aber die Straße führt mitten durch das Firmengelände.
Inzwischen sind die Landschaftswellen ausgeprägter. Die Ortschaften liegen versteckt im Tal. Nur der Kirchturm lugt heraus und hält Ausschau nach allen Seiten, wie der Wächter auf dem Burgturm, der vor herankommendem Unbill warnt. Die Dörfer sind von der Landwirtschaft geprägt. Ich staune über Traktoren, so groß wie mittelalterliche Drachen, und Mähdrescher, die das Volumen eines Einfamilienhauses haben. Denen möchte ich nicht im Dunkeln begegnen.
Hinter Uffenheim begleiten wir noch ein kurzes Stück die Bundesstraße, bevor es auf kleinen Landstraßen weitergeht. Und dann ist alles weiß, die Straße, die Fahrzeuge, die Fabrik. Ich stehe mitten auf dem Firmengelände einer Gipsfabrik. Nicht, dass wir uns verfahren hätte, aber die Straße führt mitten durch das Firmengelände.
Inzwischen sind die Landschaftswellen ausgeprägter. Die Ortschaften liegen versteckt im Tal. Nur der Kirchturm lugt heraus und hält Ausschau nach allen Seiten, wie der Wächter auf dem Burgturm, der vor herankommendem Unbill warnt. Die Dörfer sind von der Landwirtschaft geprägt. Ich staune über Traktoren, so groß wie mittelalterliche Drachen, und Mähdrescher, die das Volumen eines Einfamilienhauses haben. Denen möchte ich nicht im Dunkeln begegnen.
Wieder taucht vor uns ein Kirchturm auf. In Schussfahrt geht es hinunter ins Dorf und bremse sogleich. Aber da bin ich fast schon wieder aus der Ort heraus. An einer Bushaltestelle habe ich das Schild gesehen: „Grand Cru“. Frankreich in Mittelfranken, in einem Dorf mit einer Handvoll Häusern? Ich rufe Cafer zurück und gemeinsam gehen wir der Sache auf den Grund. Hier macht ein Chocolatier auf sich aufmerksam, ein Schokoladenmeister, oder besser gesagt eine Meisterin, wie ich später herausfinde. In ihrem Geburtsort Hochbach lebt und arbeitet Anna Kaerlein-Seip, Gewinnerin der Goldmedaille in der Patisserie bei der Olympiade der Köche in Erfurt im Jahr 2008. Im Hof des idyllischen Anwesens sind Tische und Stühle aufgebaut. Es ist eine Einladung an uns, einen Zwischenstopp zu machen. Doch leider, leider, wir sind zu früh. So müssen wir unverrichteter Dinge weiterradeln. Die Adresse merke ich mir aber.
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Langsam stößt die Gaulandschaft an ihre Grenzen. Im Süden erhebt sich der Riegel der Frankenhöhe, die kleine Schwester der Fränkischen Alb. Da müssen wir hoch. Noch einmal geht es über die Berg- und Talbahn bis Marktbergel, dann beginnt der Aufstieg.
Rund einhundert Höhenmeter bewältigen wir im schattigen Wald. Wieder geht die Bergwertung an Cafer. Irgendwo hier in der Nähe ist die Quelle der Fränkischen Rezat. Es ist heiß geworden. Uns gelüstet nach einem kühlen Eis. Entlang der Bundesstraße kommen wir nach Oberdachstetten. Vor lauter Aufmerksamkeit auf das Navi und die kommende Abzweigung hätten wir es beinahe übersehen. Ein Schild an einer Hofeinfahrt bietet uns frische Milch, Käse, Grillfleisch, Kartoffeln und Eis an. Alles schön unterstrichen, damit wir es ja nicht übersehen. Also zurück und rein in den Hofladen. Mango-Joghurt-Eis von den beiden Schwesterchen, genau das, was wir wollten.
Frisch gestärkt folgen wir dem Radweg bis Mitteldachstetten. Gleich am Ortseingang die nächste Überraschung. Ein Stahlkünstler hat hier seine Werkstatt und etliche Unikate stehen vor dem Tor, darunter eine Halbkugel aus zehn Zentimeter dickem Blech. In der Dillinger Hütte habe ich bei einem Familientag einmal gesehen, wie eine solche Halbkugel gepresst wird. Dreihundert Tonnen drücken dabei ein glühendes Stahlblech wie Butter in die Form. Mich erstaunt, wie der Künstler Thomas Röthel aus hartem Stahl fragil wirkende Kunstwerke macht, die aussehen, als habe er sie mit Hand geformt. Ich schicke meinem Bruder, der lange in der Dillinger Hütte gearbeitet hat, ein Foto. Zu meiner Überraschung erfahre ich, dass diese Kunstwerke nach Vorgaben des Künstlers genau dort entstanden sind. Wie klein die Welt doch ist.
Skurril und verwunderlich sind auch die Namen der beiden nächsten Dörfer: Berglein und Dörflein. Ich schmunzele. Wie diese Namen wohl entstanden sein mögen?
Schließlich erreichen wir Flachslanden, unser heutiges Ziel. Neben dem Ortsschild sind eine Reihe von Grenzsteinen aufgestellt. Und gleich erfahre ich, dass schon im Mittelalter zur Sicherung der Standorte der Grenzsteine in jeder Gemeinde sieben Männer gewählt und vereidigt wurden. Sie wurden Siebener genannt. In Wikipedia erfahre ich, dass es das älteste Amt der kommunalen Selbstverwaltung ist. Noch heute gibt es in Bayern 25.000 Siebener. Da Macht und Reichtum auf Grenzen basiert, ist die Sicherung dieser Grenzen elementar wichtig. Das Lehrstück erleben wir gerade in der Ukraine.
Nach siebenundsiebzig Kilometer haben wir dann unser Hotel erreicht. Mit der Ankunft beginnt der sich täglich wiederholende Rhythmus: Fahrradakku an die Steckdose, Duschen, verschwitzte Wäsche auswaschen, Abendessen, Schlafen.
Schließlich erreichen wir Flachslanden, unser heutiges Ziel. Neben dem Ortsschild sind eine Reihe von Grenzsteinen aufgestellt. Und gleich erfahre ich, dass schon im Mittelalter zur Sicherung der Standorte der Grenzsteine in jeder Gemeinde sieben Männer gewählt und vereidigt wurden. Sie wurden Siebener genannt. In Wikipedia erfahre ich, dass es das älteste Amt der kommunalen Selbstverwaltung ist. Noch heute gibt es in Bayern 25.000 Siebener. Da Macht und Reichtum auf Grenzen basiert, ist die Sicherung dieser Grenzen elementar wichtig. Das Lehrstück erleben wir gerade in der Ukraine.
Nach siebenundsiebzig Kilometer haben wir dann unser Hotel erreicht. Mit der Ankunft beginnt der sich täglich wiederholende Rhythmus: Fahrradakku an die Steckdose, Duschen, verschwitzte Wäsche auswaschen, Abendessen, Schlafen.
Tag 2
Von Flachslanden nach Postbauer-Heng
Nach einem ausgiebigen Frühstück sind wir um halb neun wieder auf der Straße. Zügig rollen wir zurück ins Tal der fränkischen Rezat, die uns schon in ihrem Bett erwartet. Es folgt eine ruhige Fahrt durch ein stilles und idyllisches Tal. Wir werden auf kleinen Landstraßen geführt. Zum ersten Mal treffen wir auf eine Kirche mit Zwiebelturm, endlich sind wir in Bayern angekommen. Brennholz gibt es, wie ich mehrfach sehe, in dieser Region genügend zu kaufen. Eine Scheune voller Buchenscheite, wo ich in diesem Sommer nur vorfahren und einladen kann, davon träume ich in Erlensee.
Vor uns erscheinen die markanten Kirchtürme von Ansbach. Der Weg entlang der Bahnstrecke ist ausgebaut wie ein Schnellradweg. Hurtig rollen wir durch das grüne Tal. Die Sonne steigt hoch und heizt uns kräftig ein. Die warme Zwiebelkleidung, die wir noch beim Start brauchten, findet ihren Weg in die Packtaschen. |
Langsam rollen wir auf den Martin-Luther-Platz. Das Kopfsteinpflaster mag sich recht schön in der historischen Kulisse ansehen und ich mag es eigentlich. Aber mit dem Fahrrad darüber zu hoppeln wie auf einem Kartoffelacker macht wirklich keine Freude. Rechts und links von mir sind Marktstände aufgebaut. Es sind bei weitem nicht so viele, wie auf dem Hanauer Wochenmarkt. Aber Blumen und Gemüse, Käse und Wurst, Brot und Honig, all das, was man auf einem Markt erwartet, wird angeboten. Das Stadtbild von Ansbach bietet nicht das Flair der Fachwerkromantik, wie wir es aus Ochsenfurt kennen. Dennoch zeigen die Fassaden ein einheitliches Bild, nicht getrübt durch moderne Betonarchitektur. Es sind die Gebäude einer alten Residenzstadt, die ihre Blüte im Rokoko hatte.
Ein großer Weinkelch zieht mich an. Ansbach war mir bislang nicht als Weinmetropole bekannt. Aber ich lasse mich gerne eines Besseren belehren und das werde ich. Es ist kein Weinkelch, sondern eine Skulptur zu Ehren von Johann Sebastian Bach. Aber was hat dieser mit Ansbach zu tun? Eigentlich nichts, lautet die Antwort. Er war zeit seines Lebens nie hier gewesen. Lediglich in einer seiner Kantate wird Ansbach als Stadt genannt. Warum gibt es hier dennoch zweijährlich die Bachwoche? Der Grund ist banal und zufällig, wie so manches im Leben. Ein Herr Karl Graf von Schönborn ergriff unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg die Initiative für eine musikalische Festwoche in Bayern. Bach sollte gespielt werden und viele Besucher kamen. Es waren so viele, dass das Schloss Weissenstein bei Bamberg zu klein war. Aber wohin, wo doch viele Städte noch unter den Zerstörungen des Krieges litten? Die Wahl fiel auf die Residenzstadt Ansbach, die den Krieg nahezu unzerstört überstanden hatte. Wieder etwas gelernt.
Ein großer Weinkelch zieht mich an. Ansbach war mir bislang nicht als Weinmetropole bekannt. Aber ich lasse mich gerne eines Besseren belehren und das werde ich. Es ist kein Weinkelch, sondern eine Skulptur zu Ehren von Johann Sebastian Bach. Aber was hat dieser mit Ansbach zu tun? Eigentlich nichts, lautet die Antwort. Er war zeit seines Lebens nie hier gewesen. Lediglich in einer seiner Kantate wird Ansbach als Stadt genannt. Warum gibt es hier dennoch zweijährlich die Bachwoche? Der Grund ist banal und zufällig, wie so manches im Leben. Ein Herr Karl Graf von Schönborn ergriff unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg die Initiative für eine musikalische Festwoche in Bayern. Bach sollte gespielt werden und viele Besucher kamen. Es waren so viele, dass das Schloss Weissenstein bei Bamberg zu klein war. Aber wohin, wo doch viele Städte noch unter den Zerstörungen des Krieges litten? Die Wahl fiel auf die Residenzstadt Ansbach, die den Krieg nahezu unzerstört überstanden hatte. Wieder etwas gelernt.
Entlang der Landstraße verlassen wir Ansbach. Der Radweg ist gut ausgebaut, aber der Verkehr nervt. So bin ich froh, als wir auf die andere Talseite wechseln. Es ist ein schönes Tal. Hier macht Fahrradfahren richtig Spaß. Dieser Meinung sind auch viele Motivtourenplaner. An einer Abzweigung stehe ich staunend vor einem Wegweiser und studiere ihn. Wir sind jetzt auf der Burgenstraße (für Radfahrer), aber auch auf dem Hohenzollern Radweg, auf dem Karpfen Radweg,
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auf dem Radweg für Genießer, auf dem Fränkischen WasserRadweg und zu guter Letzt noch auf einem Radweg, der mit einem Speichenrad gekennzeichnet ist. Wir Radwanderer werden hier im Frankenland wohl hochgeschätzt. Aber bisweilen ist die Vielfalt der Beschilderung doch etwas verwirrend. Zumindest weiß ich jetzt aus einem der nächsten Wegweiser, dass Sachsen kurz hinter Ansbach liegt.
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Lichtenau, Bollwerk und Exklave der Reichsstadt Nürnberg, fast vollständig umgeben vom Fürstentum Ansbach. Nein, ein Teppich auf dem Kopfsteinpflaster im Durchgang des Stadttores ist nicht für uns ausgelegt. Wir rollen über die Plastikfolie auf den Marktplatz. Sie dient als Schutz vor dem Schmutz, der durch die Renovierungsarbeiten am Turm herunterfällt. Gleich zwei große Gasthäuser beherrschen den Platz. Der Kern der Altstadt ist nicht groß. Er ist deutlich abgetrennt von dem Ziel unserer Leidenschaft, der Festung. Schon bei der Vorbereitung unserer Tour habe ich gelesen, dass diese Festung ein Abbild der Nürnberger Burg sei, sozusagen im Westentaschenformat. Rund 400 Jahre war sie im Nürnberger Besitz. Erst im Jahr 1806, als die Reichsstadt Nürnberg dem Königreich Bayern einverleibt wurde, verlor sie ihre Aufgabe als Vorposten gegen Ansbach. Aus der Festung mit den mächtigen Mauern wurde ein Zuchthaus. Heute ist die Festung eine Außenstelle des Staatsarchivs Nürnberg. Wir rollen durch das erste Tor und durch das zweite Tor und stehen im Inneren der Burganlage. Die Mauern sind schon gewaltig und zeugen von der Macht der Nürnberger. Keine Stiefel klappern auf dem Pflaster, keine Pferde tragen Ritter über den Hof. Ich glaube, nur das leise Knistern der Papiere im Staatsarchiv zu hören, so still ist es. Bevor wir die Festungsanlage verlassen, vergleiche ich nochmals die Uhrzeit der Sonnenuhr mit meiner Handy-Uhr. Die Sonnenuhr geht auf die Minute genau.
Eigentlich folgen wir dem Fränkischen WasserRadweg. Doch beim Verlassen von Lichtenau haben wir nicht aufgepasst. Statt nach Wolfram-Eschenbach zu radeln, folgen wir der Fränkischen Rezat, die nun schon zu einem kleinen Fluss geworden ist, ganz klein zwar, aber mit viel Wasser. Die liebliche Tallandschaft nimmt mich für sich ein. Da verzichte ich gerne auf etwas Historie von Wolfram von Eschenbach. Die geschwungene Talaue ist eingerahmt von bewaldeten Hängen. Wir radeln auf verkehrsarmen Nebenstraßen und Wirtschaftswegen. Das ist echtes Genussradeln.
Bald erreichen wir Windsbach. Eigentlich wollen wir hier ein Eis essen. Aber die Eisdiele öffnet erst am späten Nachmittag. Kann man nichts machen. Dafür macht das Städtchen seinem Namen alle Ehre. Es empfängt uns mit Wind, mit Gegenwind. Der begleitet uns auf dem weiteren Weg. Ich beginne, diese Tallandschaft der Fränkischen Rezat zu lieben. Keine lärmende Bundesstraße, keine Eisenbahn, die für einen Dauerton sorgen. Dafür kommen immer wieder Wäldchen, die uns in der Mittagshitze Abkühlung bieten. Der Fluss fließt gemächlich, so wie die Zeit in diesem Tal dahingleitet.
Bald erreichen wir Windsbach. Eigentlich wollen wir hier ein Eis essen. Aber die Eisdiele öffnet erst am späten Nachmittag. Kann man nichts machen. Dafür macht das Städtchen seinem Namen alle Ehre. Es empfängt uns mit Wind, mit Gegenwind. Der begleitet uns auf dem weiteren Weg. Ich beginne, diese Tallandschaft der Fränkischen Rezat zu lieben. Keine lärmende Bundesstraße, keine Eisenbahn, die für einen Dauerton sorgen. Dafür kommen immer wieder Wäldchen, die uns in der Mittagshitze Abkühlung bieten. Der Fluss fließt gemächlich, so wie die Zeit in diesem Tal dahingleitet.

Wir treffen wenig Radwanderer, die auf einem der sechs Themenradwegen unterwegs sind. Das Radwegenetz ist erstaunlich gut ausgebaut, überall gibt es Wegweiser, die vor allem dem örtlichen Radverkehr dienen. Wir folgen dem weiß blauen Schild des Fränkischen WasserRadweges, dessen Symbolik sich mir bis heute nicht erschließt. Leider ist es nicht durchgängig vorhanden, sodass wir manche Schleife wie eben in Untereschenbach abkürzen. Macht nichts, denn es gibt als Ausgleich andere schöne Ausblicke und Entdeckungen. Kurz hinter dem Ortsausgang liegt ein Karpfenteich. Wunderschöne Seerosen haben ihre Blüten weit geöffnet. Ich habe schon lange nicht mehr so viele dieser schönen Blüten auf so kleinem Raum gesehen. Vor lauter Bewunderung vergesse ich Cafer, der weiter oberhalb auf mich wartet. Für seine Geduld bin ich ihm immer wieder dankbar. Er weiß, dass mein Ruf „Fotostopp“ mal wieder eine Unterbrechung im Fahrrhythmus bedeutet und immer öfter kommt der Ruf vorausschauend auch von ihm.
Von Weitem grüßt der Burgfried von Abenberg. Das d ist wohl im Laufe der jahrhundertelangen Geschichte verloren gegangen. An einer Weggabelung steht eine weiße Säule. Mehr als sechshundert Jahre steht sie schon. Zwei mittelalterliche Heerstraßen kreuzten sich hier. Die Jahrhunderte haben der Säule arg zugesetzt. Welche Sagen mögen sich um diesen Ort und diese Säule ranken? Solche Plätze haben die Fantasie der Menschen schon immer angeregt.
Am Dorfbrunnen von Abenberg machen wir Picknick. Die Postbotin gesellt sich in ihrer Pause kurz zu uns. Sie erzählt uns, welche Strecken sie mit ihrem Bio-Rad in den Alpen zurückgelegt hat. Chapeau, rufe ich ihr zu. Ich könnte ohne E-Bike nur noch kurze und flache Strecken bewältigen. Bevor wir unseren Weg fortsetzen, tränken wir unsere Kopftücher in dem kalten Wasser des Brunnens. Das erfrischt die Kopfhaut und kühlt das Gehirn.
Am Dorfbrunnen von Abenberg machen wir Picknick. Die Postbotin gesellt sich in ihrer Pause kurz zu uns. Sie erzählt uns, welche Strecken sie mit ihrem Bio-Rad in den Alpen zurückgelegt hat. Chapeau, rufe ich ihr zu. Ich könnte ohne E-Bike nur noch kurze und flache Strecken bewältigen. Bevor wir unseren Weg fortsetzen, tränken wir unsere Kopftücher in dem kalten Wasser des Brunnens. Das erfrischt die Kopfhaut und kühlt das Gehirn.
Hinter Abenberg tauchen wir in einen tiefen Wald ein. Hohe Kiefern geben uns Schatten und Kühlung. In der Hitze liegt der Duft des Harzes schwer in der Luft. Ich öffne weit meine Lungen, sauge das Aroma möglichst tief ein. Jemand hat vor vielen Jahren einen Gedenkstein am Wegesrand aufgestellt, um an den Tod seines Bruders zu erinnern, der mit 19 Jahren hier an dieser Stelle im Jahr 1943 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen ist. Irgendwie erinnert mich dieser Forstweg an die Birkenhainer Straße im Spessart. Auch hier stehen Grenzsteine am Weg. Es ist wohl die Fortsetzung einer der alten Heerstraßen, die sich an der Weißen Säule von Abendberg kreuzten.

Nürnberg ist nicht weit und Nürnberg ist Bierland. Da verwundert es mich nicht, dass auf einer Lichtung mitten im Wald eine Hopfenplantage steht. Am Ortsrand von Roth weist uns das Zeichen für den Fränkischen WasserRadweg nach rechts, nach Hilpoltstein. Doch einige Kreuzungen weiter haben wir dieses Zeichen verloren und folgen nur noch dem Wegweiser nach Hilpoltstein. Man sollte meinen, dass beide den gleichen Weg nehmen, denn Hilpoltstein ist das nächste Ziel auf dem WasserRadweg. Doch dann ist dieser Wegweiser auch weg und unser Navi etwas hilflos. Wir versuchen, uns nach ihm zu richten und stehen unvermittelt vor einem mit Stacheldraht gesicherten Zaun: Militärischer Sicherheitsbereich. Das Navi weist es als Sonderlandeplatz aus. Militärischer Sicherheitsbereich rechts, Militärischer Sicherheitsbereich links, dazwischen unser Weg. Der PKW, der jenseits des Zauns gerade vorbeifährt, soll uns wohl in Augenschein nehmen. Es geht immer den Zaun entlang, zum Glück meist im Schatten. Flugzeuge gibt es nicht zu sehen, nur einige Bio-Vögel. Endlich kommen wir dann in Eckersmühlen wieder auf ziviles Gelände. Ein freundlicher Radfahrer weist uns den Weg. Schneller ginge es über den geschotterten Weg am Fluss entlang, meint er. Aber von geschotterten Forstwegen habe ich jetzt erst mal genug. Also folgen wir dem ausgeschilderten Weg nach Hilpoltstein entlang der Landstraße.
Im malerischen Zentrum von Hilpoltstein machen wir Pause. Die italienische Eisdiele liegt voll in der Sonne, das Café Grimm gegenüber im Schatten. Da ist bei 36 Grad Celsius die Wahl schnell getroffen. „Darf ich?“, scheint die kleine Wespe zu fragen und sitzt schon, ohne die Antwort abzuwarten, auf meinem Schokoeis. „Wenn das mal deiner Taille guttut“, ist meine ironische Antwort. Aber sie schert sich nicht darum, sondern schleckt munter weiter. Nach dem zweiten Milchshake wollen wir bezahlen. Die nette Chefin bietet uns an, unsere Kopftücher in kaltem Wasser zu tränken. Welch ein Service! Herzlichen Dank nochmals an dieser Stelle.
Der Wind will immer noch nach Windsbach und so müssen wir die letzten fünfundzwanzig Kilometer gegen den Wind radeln. Erst geht es ein paar Kilometer entlang des Main-Donau-Kanals. Das ist nicht gerade das Prunkstück der heutigen Strecke. Dahinter geht es durch das Menschengewühl am Rothsee. Der Fränkische WasserRadweg ist eine Rundstrecke in der Fränkischen Seenplatte und dies ist der erste See, den wir erreichen. Einige Kilometer geht es am See entlang.
Vorbei an der alten Pfarrkirche von Allersberg durchqueren wir den Ort. Eigentlich will ich um diese Uhrzeit noch kein Bier. Aber nun stehe ich mehr oder minder mitten im Festzelt. Der Radweg führt über das Festgelände und da ist erst mal Schluss. Ein Festzelt, so groß wie eine Mehrzweckhalle, versperrt uns den Weg. Bier gibt es auch keins. Arbeiter sind mit dem Aufbau beschäftigt. Überall stehen Materialcontainer. Ein schmaler, grob geschotterter Streifen am Rand des Zeltes, erlaubt uns die Passage. An eine ausgeschilderte Umleitung hat hier niemand gedacht.
Die Sonne brennt und der Schweiß läuft. Lass uns endlich ankommen. Punkt 18:00 Uhr sind wir am Ortsschild von Postbauer-Heng. 100,2 km stehen auf meinen Tacho. Nach dem Ritual im Hotel, Akku laden, Duschen, Wäsche waschen, geht es in die vollbesetzte Pizzeria, wo wir gerade noch den letzten Tisch in der hintersten Ecke bekommen. Umso schöner dann der lange Absacker in der Eisdiele vor unserem Hotel. In Gedanken rekapituliere ich, wie viel ich heute getrunken habe. Ich komme auf fünf Liter, gesoffen wie ein Kamel.
Tag 3
Von Postbauer-Heng nach Amberg
Von Postbauer-Heng nach Amberg
Mit einer leisen Enttäuschung wache ich am Morgen auf. Irgendwie hatte ich mir diesen Ort mit dem ansprechenden Namen original fränkisch vorgestellt: das Hotel in einem großen fränkischen Gasthaus, davor der Maibaum, die Speisekarte im zünftigen Biergarten mit Leberknödelsuppe und Schweins Hax’n mit Semmelknödel, rot karierte Tischdecke und was noch so alles zum gängigen Wissen über Bayern und Franken gehört. Doch hier ist alles anders. Die Gebäude rund um den Marktplatz samt Hotel und Rathaus sind neu. Postbauer-Heng erscheint mir als reine Schlafstadt mit stetig wachsender Einwohnerzahl. Mit diesen Gedanken im Kopf verlassen wir vor 8:00 Uhr das Hotel. Das Thermometer zeigt schon 20 Grad Celsius an. Heute soll es noch heißer werden als gestern.
Mit diesen Gedanken im Kopf verlassen wir vor 8:00 Uhr das Hotel. Das Thermometer zeigt schon 20 Grad Celsius an. Heute soll es noch heißer werden als gestern.Bald erreichen wir Neumarkt und stoßen auf den Ludwig-Donau-Kanal. Hier verlassen wir den Fränkischen WasserRadweg und radeln auf dem Fünfflüsseradweg weiter Richtung Norden. Der Treidelpfad ist gut ausgebaut, anfangs geteert, später wassergebunden. Mal ist er eingebettet in eine Talsohle, mal windet er sich den Hang entlang, mal überquert er auf einem Damm eine Senke. Er folgt immer der Landschaftsform. Wir freuen uns über die langen bewaldeten Abschnitte, in denen wir in einem grünen Tunnel fahren. Angler, Gänse und Enten bevölkern sein Ufer. Ich fühle mich wohl auf dieser schönen, ruhigen Strecke. Es hat etwas von Flair der Kanäle in Frankreich.

Im Jahr 1836 begann auf Geheiß des bayrischen Königs Ludwig I. der Bau des Kanals. Es sollte ein Kanal werden, der Europa verbindet. 1846 wurde er fertiggestellt. Auf 178 Kilometer überwand er 186 Höhenmeter. Der anfänglich rege Frachtverkehr konnte jedoch in der Konkurrenz zu dem neuen Verkehrsmittel, der Eisenbahn, an Geschwindigkeit nicht mehr mithalten. Sein Stern sank recht schnell. 1950 wurde der Betrieb endgültig eingestellt. In kalten Wintern erblüht er aber wieder zu neuem Leben, wenn Schlittschuhläufer kilometerweit ihre Bahnen ziehen.
Ein Umleitungsschild will uns vom Kanal wegleiten. Erfahrungsgemäß weiß ich, dass trotzdem meist ein Durchkommen ist. Wollen wir es versuchen? Bevor wir uns entschlossen haben, kommt eine junge Frau auf ihrem Fahrrad aus der gesperrten Strecke. „Ja“, meint sie, „Ihr könnt durch. Mir haben die Arbeiter mit ihrer Maschine Platz gemacht.“ Na dann, auf geht es. Nach fünfhundert Meter stehen wir vor einem Lastkraftwagen, der mit einer riesigen Gabel den Kanal reinigt. Da ist rechts und links kein Durchkommen. Also geht es wieder zurück auf die Umleitungsstrecke.
Ein Umleitungsschild will uns vom Kanal wegleiten. Erfahrungsgemäß weiß ich, dass trotzdem meist ein Durchkommen ist. Wollen wir es versuchen? Bevor wir uns entschlossen haben, kommt eine junge Frau auf ihrem Fahrrad aus der gesperrten Strecke. „Ja“, meint sie, „Ihr könnt durch. Mir haben die Arbeiter mit ihrer Maschine Platz gemacht.“ Na dann, auf geht es. Nach fünfhundert Meter stehen wir vor einem Lastkraftwagen, der mit einer riesigen Gabel den Kanal reinigt. Da ist rechts und links kein Durchkommen. Also geht es wieder zurück auf die Umleitungsstrecke.
Bei Unterolsbach verlassen wir den Kanal. Der Ort liegt tief im Tal. In Schussfahrt geht es hinunter, um unter der Autobahn A3 hindurch gleich wieder nach Gnadenberg hochzufahren. Der Bildstock am Wegesrand, den wir kurz vor der Autobahnunterführung passieren, passt gut zu diesem Ort, auch wenn das große Klostergebäude in Gnadenberg schon lange eine Ruine ist. Wir folgen auf einer kleinen, verkehrsarmen Landstraße dem lieblichen Tal, auch wenn wir nicht im Talgrund fahren, sondern schön wellig den Hang entlang. Ich mag solche Strecken, in denen von der Hektik des Verkehrs auf der Autobahn plötzlich nichts mehr zu spüren ist. Es ist so, als sei hinter mir eine Türe geschlossen worden.
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Leider ist die Beschaulichkeit nicht von Dauer. Hoch über Unterrieden überquert eine gewaltige Autobahnbrücke der A6 das Tal. Es wird schön sein, das Bauwerk von unten zu betrachten, denke ich mir. Doch mitnichten. Statt tief unten in der Talsohle weiter zu bleiben, müssen wir durch den Ort nach oben klettern. Immer höher steigen wir. Trotz Südhang und Weitsicht haben die Eigenheimbesitzer hier keine beste Wohnlage. Den obersten Bewohnern dieses Ortes fahren die Autos schier durchs Wohnzimmer. Die Talbrücke wird gerade saniert und der Radweg führt uns unter dem Brückenkopf hindurch direkt auf die Autobahnbaustelle. Den LKW, der gerade die Baustelle verlässt, lassen wir erst mal passieren. Er zieht eine dicke Staubwolke hinter sich her. Dann folgen wir ihm vorsichtig. Wer weiß, was uns da noch in die Quere kommt. Hinter der Baustelle haben wir den höchsten Punkt erreicht. Von hier oben sieht die Autobahn recht putzig aus. Einhundertvierzig Höhenmeter liegen hinter uns. Mir qualmen die Beine.
Am Rand der Landstraße, kurz hinter dem höchsten Punkt, steht eine Gruppe von schwitzenden und hechelnden Radfahrerinnen. Ihre Räder sind noch mehr bepackt als unsere. Ich ahne, was jetzt kommt. In Schussfahrt geht es tief ins Tal. Der Fahrtwind kühlt und die Bremsen qualmen schier. Im Ort müssen wir die Landstraße wieder verlassen. Zum Glück, denn wir werden zu einer Kneippanlage geführt. Das ist Erfrischung pur. Nach mehreren Runden Wassertreten ziehe ich mir das im kalten Wasser getränkte Kopftuch über. Wir sind im Tal der Laber angekommen.
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Wieder folgt eine Genussfahrt durch ein schönes Tal. Die Apfelbäume hängen brechend voll mit roten Äpfeln, ein Mirabellenbaum bietet uns seine gelben Früchte an. Wir nehmen dankend an. Manche Szenen reizen mich zum Schmunzeln. Da ist zum Beispiel der Kirchturm in einem der kleinen Dörfer. Irgendwie scheint die Gemeinde ihrer Kirchturmuhr nicht so ganz zu trauen. Vorsichtshalber haben sie darunter noch eine Sonnenuhr angebracht.
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Mit Glockenschlag zwölf erreichen wir Hersbruck. Über die Fußgängerbrücke („Fahrrad bitte schieben“, woran sich aber niemand hält, wie ich an dem wütenden Geklingel erkenne.) geht es gleich in die Altstadt. Wow, das ist es doch, das ist doch das Königlich Bayrische Amtsgericht. Jetzt fehlt nur noch, dass Amtsrichter August Stierhammer aus dem Gebäude kommt. Das ehemalige Schlossgebäude strömt die Autorität aus, die ein Amtsgericht ausmacht, aber ebenso das Sympathische der gleichnamigen Fernsehserie aus den Anfängen der siebziger Jahre. Tatsächlich ist das Schlossgebäude der Sitz des hiesigen Amtsgerichts, was liegt dann näher, als in einem der Biergärten den Amtsrichter August Stierhammer zu suchen. Unsere Suche bleibt vergebens. Dafür gibt es auf dem Marktplatz kühle Getränke, bevor wir entlang der Pegnitz dem Fünfflüsseradweg weiter folgen.
Die nun folgende Strecke ist auch als Goldene Straße bekannt, eine mittelalterliche Handelsroute zwischen Nürnberg und Prag, welche im vierzehnten Jahrhundert die Städte und Gebiete Karls IV. verband. Sie führt uns in die Frankenalb hinein. Die Pegnitz verabschiedet sicher kurz hinter Hersbruck von uns. Das Tal wird enger. Wir folgen dem Högenbach, der munter neben dem Radweg plätschert.
Sicher, der Blick von hier oben ist gewaltig. Meine Flüche auf dem Weg nach oben aber auch. Das mit der Ausschilderung des Radweges hat so seine Tücken. Seit Hersbruck sind wir der Ausschilderung nach Sulzbach gefolgt. Wohlmeinend, dass diese Ausschilderung uns auch auf dem besten Weg dorthin führt, sind wir ihr blind gefolgt. Das war ein Fehler, wie sich spätestens jetzt herausstellt. Denn in Weigendorf zweigt ein Radweg nach rechts ab, nach Neukirchen, und ein weiterer nach links, nach Sulzbach. Dem sind wir gutmütig gefolgt. Hätten wir uns doch nur an dem Symbol des Fünfflüsseradweges orientiert. Das tauchte auf der bisherigen Strecke zwar sehr selten auf, war aber in diesem Fall ausschlaggebend. Auf vielleicht zwei Kilometern haben wir einhundertfünfzig Höhenmeter überwunden. Das ist unsere heutige Bergwertung. Ich brauche lange, um mich von dieser Anstrengung zu erholen. Fünfzehn Prozent Steigung und mehr waren es anfangs. Die Hitze des heutigen Tages ist lähmend. Da kann ich nur noch schieben. Cafer ist weit voraus, ruft mich auf dem Handy an, wo ich bleibe. Ich schnaufe nur. Er wartet geduldig an einem moderaten Streckenabschnitt auf mich. Ich wechsle meinen Fahrradakku und trinke gefühlte zwei Liter Wasser. Dann geht es weiter, bis eine Bank im kühlen Schatten mir einen Ruheplatz anbietet. Danach ist mein Wasservorrat völlig aufgebraucht. Doch es geht weiter bergauf, wir sind schon weit über den letzten Häusern. Irgendwann muss ich doch die Zugspitze erreicht haben. Endlich ist das Ortsschild von Ernbüll erreicht. Ich habe den Kamm der Fränkischen Alb erklommen, bin jetzt auf 530 Meter über NN. Dafür bekomme ich zur Belohnung einen Sitzplatz im steinzeitlichen Panorama-Kino. Der hölzerne Neandertaler daneben schaut mich bemitleidend an. Auch er hasste sicher schon diese Steigung. Auf jeden Fall ist mein Kreislauf nun gewaltig auf Trab gebracht.
Die Fahrt nach Neukirchen hinab ist ein Kinderspiel. Direkt am Radweg hat der Getränkemarkt geöffnet. Welch ein Glück. Ein Energydrink verleiht mir keine Flügel, aber neue Kraft. Wir füllen unsere Wasservorräte auf. Wieder werden wir durch ein traumhaft schönes Tal geführt. Das ist immer gut für Auge und Gemüt. Ich wünsche mir in solchen Momenten eine Drohne, um den idealen Aufnahmewinkel zum Fotografieren eines solch schönen Tales zu finden. Aber dafür ist bei einer solchen Tour auf dem Fahrrad ebenso wenig Platz wie für eine umfangreiche Fotoausrüstung mit Spiegelreflexkamera und mindestens drei verschiedenen Objektiven.
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Mehrere Kirchtürme zeigen mir an, dass wir gleich Sulzbach-Rosenberg erreichen. Vom Radweg aus, mit Blick über die Baumgruppe ist mir klar, dass wir locker in die Stadt hineinrollen. Die Türme sind zum Greifen nah. Doch mitnichten, die Altstadt liegt auf einem steilen Kalksteinfelsen – auf der gegenüberliegenden Seite einer Schlucht. Der schöne Marktplatz mit seinen alten Gebäuden entschädigt uns für den erneuten Anstieg. Am oberen Teil des Platzes soll es eine Eisdiele geben, so hören wir. Auf dem Weg dorthin lädt uns ein Schild in den Innenhof des Hofcafé Minerva mit Fahrradstellplatz ein. Wir nehmen die Einladung gerne an und werden angenehm überrascht. Unter dem großen Walnussbaum lässt es sich bei dieser Hitze gut aushalten. Die dicken Mauern, die den kleinen Hof umschließen, strömen Kühle aus. Schnell sind wir mit anderen Radbegeisterten im Gespräch, schildern unsere Reise, die Mühsal mit der Ausschilderung und lassen uns Tipps für die Weiterfahrt geben. Der Eisbecher ist wirklich lecker. Es dauert nicht lange und ich habe wieder Besuch. Eine kleine Wespe landet auf dem Becherrand und schnuppert. Irgendwie kommt sie mir bekannt vor. Ja, vorgestern in Uffenheim, in der Bäckerei. Ich frage sie nach ihrem Namen, ihr Stimmchen ist sehr leise. Aber ich glaube, es verstanden zu haben: Lisbeth. Ja, das ist Lisbeth. Natürlich darf sie etwas Eis abhaben.
Am Ortsausgang stoßen wir auf den traurigen Rest einer einst blühenden Industrie. Zwischen den Häusern ragt das Skelett des Hochofens der Maxhütte heraus. Die Maxhütte war einmal der größte Stahlbetrieb der Oberpfalz mit über 5000 Beschäftigten. Im Jahr 2002 war nach Insolvenz und verschiedensten Rettungsversuchen endgültig Schluss für das Stahlwerk. Nur das Rohrwerk blieb bestehen. Doch auch dieses rutschte vor nicht allzu langer Zeit in die Insolvenz. Es ist noch keine zwei Monate her, dass die Zeit der Unsicherheit für die 450 Beschäftigten endete. Das Rohrwerk hat einen neuen Investor gefunden. Da ich selbst aus einer Stahlstadt komme, habe ich in den 90er Jahren den Kampf um den Erhalt der Maxhütte mitverfolgt. Umso mehr freue ich mich über die Rettung dieser Arbeitsplätze.
Von Sulzbach-Rosenberg bis Amberg ist es nur noch ein Katzensprung. Noch einmal geht es über eine Anhöhe. Es ist immer noch erkennbar, dass die Region lange Zeit industriell geprägt war. Gleich am Ortseingang von Amberg passieren wir die Luitpoldhütte. Es ist eine beklemmende Industriebrache. Von einstmals 2300 Arbeitern sind heute nur noch knapp 400 in der Gießerei beschäftigt. Entlang der Vils erreichen wir die Altstadt von Amberg und damit unsere Unterkunft für die dritte Nacht.
Tag 4
Von Amberg nach Bad Abbach
Das beste Zeichen für einen Hochsommer ist, wenn es morgens um 8 Uhr schon so warm ist, wie am Nachmittag eines schönen Frühlingstages. Wir starten in den Tag bei 22 Grad Celsius und rollen durch das Zentrum von Amberg. Es macht auf mich einen schönen Eindruck. Es sind weniger die einzelnen Gebäude, die herausstechen, als das Ensemble. Die historische Altstadt ist deutlich abgetrennt von den anderen Teilen. Die Stadtmauer ist weitestgehend erhalten. Vor der Basilika St. Martin werden gerade ein paar Marktstände aufgebaut. Hinter der Basilika fließt die Vils. Sie teilt die Altstadt in zwei Hälften. Nun ist mir klar, warum Amberg auch das Venedig der Oberpfalz genannt wird. Die kleinen Brücken, zum Teil überdacht, spiegeln sich im Wasser. Die Schiffgasse führt direkt am Wasser entlang. Immer wieder bleibe ich stehen, betrachte die Szenerie und mache Fotos. Was die Skulptur eines kupferfarbenen Schlauchbootes symbolisieren soll, bleibt mir verborgen. Ebenso die Bedeutung des verlassenen Kinderwagens daneben. Noch einmal werde ich von einem schönen Motiv gestoppt. Ein Wassertorbau auf zwei Brückenbögen spannt sich über den Fluss. Im Volksmund wird er die Stadtbrille genannt. Amberg hinterlässt bei mir einen sympathischen Gesamteindruck. Die Stadt ist auf jeden Fall eine weitere Reise wert.
Immer entlang der Vils, mal rechts, mal links, geht es durch die Vororte. Der Fluss windet sich durch ein Tal, mal wird es eng, mal öffnet es sich. Seit geraumer Zeit radeln wir gemütlich auf einem breiten Asphaltband. Einundzwanzig Kilometer weit dürfen wir bequem auf einem Bahnradweg rollen. Die Dörfer reihen sich wie Perlen an einer Kette. Fast achtzig Jahre fuhren hier die Züge der Vilstalbahn. Schon kurz nach Einstellung des Zugverkehrs wurde die Strecke zum Bahnradweg umgebaut.
Was war zuerst, das Huhn oder das Ei? In Markt Rieden stellt sich mir die Frage einmal anders: Was war zuerst, die Eisenbahn oder die beiden Wohnhäuser? Die Bahntrasse zwängt sich zwischen den beiden hindurch, nicht gut für die Nachtruhe, wenn die schweren Güterzüge durchrauschten. Immer mehr Radwanderer begegnen uns. Sie machen keinen Lärm, stören keine Nachtruhe. Der Fünfflüsseradweg wird viel beworben und ist dementsprechend auch gut besucht.
Schäfchenwolken ziehen auf, künden vom bevorstehenden Wetterwechsel. In Schmidmühlen endet die ehemalige Bahnlinie. Das Tal wird enger. Zuerst zieht ein blaues Fahrrad mit einer Blumenampel, angelehnt an einen Baum, meine Aufmerksamkeit auf sich, dann das kleine Denkmal daneben. Auf dem Boden sind Fußspuren in Beton gegossen. Sie erinnern an den Todesmarsch tausender KZ-Häftlinge, die hier Anfang April 1945 durchgezogen sind. Es bedrückt mich, daran zu denken. Aber solche Mahnmale sind wichtig gegen das Vergessen der Gräueltaten dieser schrecklichen Zeit.
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Schilder warnen mich alle paar hundert Meter, nicht den Wald rechter Hand zu betreten: „Military Area – Vorsicht Lebensgefahr“. Dahinter liegt der Truppenübungsplatz Hohenfels, mit einhundertsechzig Quadratkilometer einer der größten in Deutschland. Da will ich mich schön fernhalten. Der Blick zur anderen Seite ist dagegen sehr friedlich: kleine Dörfer, grüne Auen und immer wieder der Fluss.
„Da zu wohnen zeugt von Mut“, meint Cafer und deutet auf die hohe Felswand. Gerade haben wir wieder die Vils überquert und radeln entlang einer Reihe von Wohnhäusern direkt unterhalb der Felsen. Wir haben Kallmünz erreicht. Rechts der Hang und die Häuser, links die Vils und dazwischen eine schmale Straße. An einem Brunnen baden wir unsere Kopftücher im kalten Wasser. Schräg gegenüber steht eine Frau an einer Spindel. Es ist Anna, wie ich der Schaufensterscheibe entnehmen kann. Ich gehe lächelnd auf sie zu und sage „Anna spinnt.“ Sie lacht. Ich bescheinige ihr den Mut, den Cafer eben ausgesprochen hat. „Sechshundert Jahre ist dieses Haus alt und nie etwas passiert. Da wird mir auch nichts geschehen“, meint sie, und „Ja“, ich dürfe gerne Fotos für meinen Reisebericht machen, sie brauche auf jeden Fall etwas Werbung.
Je weiter sich der Ort an der schmalen Straße hinzieht, desto schöner wird er. Bald stehen auch am Flussufer Gebäude. Am Marktplatz biegen wir auf die Brücke ab und drehen uns um. Das ist ein toller Wow-Effekt. Auf dem weißen Jurafelsen, hoch über der Kirche, thronen die Reste einer Burg. Von links kommt die Vils, von rechts die Naab und beide vereinen sich an dieser Stelle. Tiefgrün ist das Wasser der Naab, azurblau der Himmel und dazu rote Dächer und Fassaden in vielfältigen Farben. Das ist einer der bislang schönsten Blicke auf unserer Reise. Dieses Licht, das Kallmünz einhüllt, scheint wie geschaffen für Wassily Kandinsky, Maler und Meister großflächiger Farbnuancen. Und tatsächlich lebte er einige Jahre hier. Bis heute hat Kallmünz den Ruf, eine Künstlerkolonie zu sein. Eine von ihnen, Anna-Maria Berninger und ihre Spinnerei, habe ich ja kennengelernt.
Nachdem wir ausgiebig die pittoreske Schönheit von Kallmünz genossen haben, geht es weiter. Hinter Krachenhausen wird der Wind stärker. Ich habe Mühe, mein Rad auf dem Schotterweg in der Spur zu halten. Irgendwann geht es nicht mehr. Ich halte an. Das Hinterrad hat Luft verloren, so viel, dass ich gar nicht mehr richtig fahren kann. Meinen spontanen Ausruf möchte ich hier nicht wiedergeben. Von wegen „unplattbar“. Da hat die Werbung mal wieder völlig übertrieben. Der Reifenhersteller Schwalbe sollte mich mal als Reifentester einstellen. Ich bekomme jeden Reifen platt. Wir sind auf freiem Feld, die Sonne brennt. Hier kann ich nicht bleiben. Ich steige aufs Rad und rolle vorsichtig weiter. Noch geht es. Nach fünfhundert Meter erreichen wir Duggendorf. Im Schatten einer Scheune stelle ich das Rad ab. Siebzehn Kilometer sind es noch bis Regensburg. Alle Fahrradwerkstätten im weiten Umkreis haben bis 15:00 Uhr wegen Mittagspause geschlossen. Jetzt hilft nur noch der ADFC weiter. Es ist Freitagnachmittag und viel los auf den Straßen. Ganze zwei Stunden muss ich warten, bis ein Abschleppwagen kommt und mich nach Regensburg zu einer Fahrradwerkstatt bringt. „Radfahrer in Not“ schreibt der Mechaniker auf den Auftragszettel. Nach einer Stunde Wartezeit ist der Schaden behoben.
Cafer ist inzwischen auch eingetroffen, gemeinsam können wir nun wieder weiterfahren. Inzwischen ist es später Nachmittag. Noch trennen uns viele Kilometer von unserer gebuchten Unterkunft in Bad Abbach. So bleibt uns leider keine Zeit für das Weltkulturerbe Regensburg.
Cafer ist inzwischen auch eingetroffen, gemeinsam können wir nun wieder weiterfahren. Inzwischen ist es später Nachmittag. Noch trennen uns viele Kilometer von unserer gebuchten Unterkunft in Bad Abbach. So bleibt uns leider keine Zeit für das Weltkulturerbe Regensburg.
Endlich an der Donau. Wir bleiben für einen Moment am Ufer stehen. Langsam fließt das Wasser. Der Fluss ist eingeengt in einem schmalen Tal. Auf dem Donauradweg ist viel Verkehr. Eine Gruppe von Radwanderern nach der anderen passiert uns. Noch liegt ein Dutzend Kilometer Wegstrecke vor uns, weiter geht es. Felsen ragen hoch. Einer trägt ein weißes Kreuz. Wir haben unser Tagesziel erreicht, Bad Abbach. Dreihundert fünfundvierzig Kilometer haben wir in den vergangenen Tagen bewältigt. Den Abend lassen wir gemütlich in einer Pizzeria ausklingen. Den obligatorischen Eisbecher gibt es zum Nachtisch. Als ich ins Bett falle, ist es immer noch schwül warm.