Die Vergangenheit ist ein Teil der Zukunft
- eine Reise nach Auschwitz

März 2011
Ein frostiger Wind begleitet die Frühaufsteher, die an diesem Morgen bei strahlender Frühlingssonne und strahlendblauem Himmel die Scheiben ihres laternengaragengeparkten Autolieblings mit klammen Fingern vom nächtlichen Eis befreien.
So frostig wie das Thema, so kalt das Wetter bei der Abreise. Gedrücktes Erstaunen war meist die Reaktion von Freunden, wenn ich in den letzten Wochen von meinem Vorhaben erzählte. „Warum gerade jetzt?“ dann die Frage. „Gerade jetzt!“ war meine Antwort, jetzt in dieser Lebensphase, in der ich mich sehr intensiv mit mir selbst beschäftigte, mich auf mich selbst konzentriere, in mich hineinhorche, mein Geschichte versuche zu verstehen, mein Leben, meine Bedürfnisse, meine Erfahrungen, meine Lebensstrategie, und wo ich mich auch mit so mancher Lebenslüge und so vielen ungelösten Fragen auseinandersetze, und das auch will!
Jetzt liegt mein Leben aufgeschlagen wie ein offenes Buch vor mir, jetzt bin ich offen für viele Gespräche mit Freunden, mit dem einen weniger, mit dem anderen mehr und mit einzelnen sehr intensiv, sehr tief vertraulich. Ein Stück Vergangenheitsbewältigung auch, auch mit Themen, die nie richtig ausgesprochen waren, auch wenn ich keine Antwort mehr von denen bekommen kann, die uns schon verlassen haben. Aber vielleicht kann ich ihr Handeln besser verstehen, besser einordnen, auch damals, in dieser schrecklichen Zeit, die ich nicht selbst miterlebt habe, von der ich nur gehört habe und doch nichts richtig gehört habe. Auschwitz ist mein Ziel.
Ein frostiger Wind begleitet die Frühaufsteher, die an diesem Morgen bei strahlender Frühlingssonne und strahlendblauem Himmel die Scheiben ihres laternengaragengeparkten Autolieblings mit klammen Fingern vom nächtlichen Eis befreien.
So frostig wie das Thema, so kalt das Wetter bei der Abreise. Gedrücktes Erstaunen war meist die Reaktion von Freunden, wenn ich in den letzten Wochen von meinem Vorhaben erzählte. „Warum gerade jetzt?“ dann die Frage. „Gerade jetzt!“ war meine Antwort, jetzt in dieser Lebensphase, in der ich mich sehr intensiv mit mir selbst beschäftigte, mich auf mich selbst konzentriere, in mich hineinhorche, mein Geschichte versuche zu verstehen, mein Leben, meine Bedürfnisse, meine Erfahrungen, meine Lebensstrategie, und wo ich mich auch mit so mancher Lebenslüge und so vielen ungelösten Fragen auseinandersetze, und das auch will!
Jetzt liegt mein Leben aufgeschlagen wie ein offenes Buch vor mir, jetzt bin ich offen für viele Gespräche mit Freunden, mit dem einen weniger, mit dem anderen mehr und mit einzelnen sehr intensiv, sehr tief vertraulich. Ein Stück Vergangenheitsbewältigung auch, auch mit Themen, die nie richtig ausgesprochen waren, auch wenn ich keine Antwort mehr von denen bekommen kann, die uns schon verlassen haben. Aber vielleicht kann ich ihr Handeln besser verstehen, besser einordnen, auch damals, in dieser schrecklichen Zeit, die ich nicht selbst miterlebt habe, von der ich nur gehört habe und doch nichts richtig gehört habe. Auschwitz ist mein Ziel.
Kerzengerade steigt der lila Flieger
von Wizz in den Spätnachmittagshimmel. Der Flughafen Hahn liegt
schon tief unter uns. So klein und überschaubar wie die Portionen
von Bocuse, so ist auch der Flughafen Hahn hoch auf dem Rücken des
Hunsrücks gelegen und noch immer aus der Höhe dominiert von den
alten Militäranlagen, die zerfallen. Oft auf dem Flug nach Brüssel
habe ich ihn von oben schon gesehen, doch am Boden ist er noch viel
kleiner. Vielfältig wirkt der Habitus der Vielzahl der Reisenden
schon am großen Flughafen von Frankfurt, doch hier auf Hahn ist sie
so bunt wie die grellen Farben eines Patchworkteppichs; so bunt wie
die Welt der vorwiegend jungen Reisenden, gar nicht so farbengedämmt
wie die graue Businesswelt, die letztendlich doch den großen Bruder
in Frankfurt dominiert.
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Die Ortschaften liegen verstreut zwischen den Wäldern und Feldern des Hunsrücks, der sich in der Ferne ins Saarland absenkt. Beim weiten Boden des Fliegers nach Norden und dann nach Osten glitzert das Band der Mosel im Sonnenschein und mäandert zwischen Hunsrück und Eifel, fast als könne es sich nicht entscheiden, wen es lieber mag. Und auf den Bergrücken beiderseits des Flusses dreht ein Heer von Windrädern ihre Runden und weit im Norden bei Düren steigen kleine Wölkchen in den Himmel, ausgepafft wie von einem leidenschaftlichen Raucher, der Ringe in die Luft bläst zum Amüsement der Zuschauer. Bald zeigt sich schon das tief eingeschnittene Rheintal, das im dunklen Schatten liegt, während die Hausdächer der Taunusdörfer noch sonnenbaden. Ein leiser Dunst legt sich langsam über die Hügel, während der Flieger höher und höher steigt. Seine Nase zeigt nach Katowice. Ich hatte das Glück, bei der freien Platzwahl einen Fensterplatz zu bekommen, die Extragebühr für das Priority Boarding habe ich mir gern erspart, jeder Extrahandschlag ist bei den Billigfliegern zu zahlen, ein einträgliches Geschäft. Über dem Lahntal wird die Bordverpflegung beworben, ich krame mein Vollkornbrot raus, das Grüngelb der Brotdose von b+b farblich gar nicht so passend zu dem dunklen Lila der Sitzbezüge, ich kaue genüsslich. Direkt vor meinem Fenster kann ich beobachten, wie der Kondensstreifen sich bildet und nach hinten davondriftet. So mancher mag nun von unten nun mit sehnsüchtigem Blick unserem kleinen leuchtenden Punkt am Himmel folgen, der Fernweh weckt. Von Osten schiebt sich langsam eine Wolkendecke heran, während der Steward seinen Cappuccino anpreist.
Der Gedanke, was Menschen so abstumpfen lässt, dass sie Verbrechen wie in Auschwitz geschehen, begehen, lässt mich seit Tagen nicht los. Warum nur? Konnten sie überhaupt noch ruhig schlafen? Hat das Töten sie nicht im Traum verfolgt? Was hat ihr Gewissen gesagt? Ich werde es nie erfahren, es bewegt mich dennoch, ich suche eine Erklärung.
Hinter meinem Rücken bereitet sich die Sonne auf ihren Abschied vor. Das leuchtend orange Band, das sie am Horizont aufgespannt hat, verjüngt sich nach Norden hin wie ein Keil im Nachthimmel und schwingt sich ostwärts in ein Duo aus Violett und dunklem Grau. Die Lebensgeschichte von Nina Simone fesselt mich, ich lese weiter ins Dunkel der vorpreschenden Nacht hinein, während unter dem Flieger schwach das letzte Licht des Tages von den schneebedeckten Hängen des Riesengebirges reflektiert wird. Langsam senkt sich der Flieger, die orange gelben Lichter der Dörfer und Städte leuchten durch die Wolkenlücken, zeichnen die Straßen und Umrisse der Ortschaften nach. Die Wolken scheinen sich in diesem Licht sich wie die Wellen des Meeres auf und ab zu bewegen, rote Warnlampen eines Kraftwerks grüßen rhythmisch blinkend von unten.
Mit den Herren des Wetterberichts muss ich mal ein ernstes Wort reden: es liegt Schnee.Davon war im Wetterbericht nun wirklich nicht die Rede. Minus 0,3 Grad zeigt die große Temperaturanzeige des Flughafenterminals von Katowice und beim Verlassen der Kabine empfängt mich der typische Wintergeruch, der mir noch jahrelang nach der Wende 1989 mir in den Waggons der Reichsbahn schier den Atem raubte, tief eingegraben in den Sitzbezügen: Kohlefeuerung. Dieser Geruch wird mich die nächsten Tage begleiten.
Hinter meinem Rücken bereitet sich die Sonne auf ihren Abschied vor. Das leuchtend orange Band, das sie am Horizont aufgespannt hat, verjüngt sich nach Norden hin wie ein Keil im Nachthimmel und schwingt sich ostwärts in ein Duo aus Violett und dunklem Grau. Die Lebensgeschichte von Nina Simone fesselt mich, ich lese weiter ins Dunkel der vorpreschenden Nacht hinein, während unter dem Flieger schwach das letzte Licht des Tages von den schneebedeckten Hängen des Riesengebirges reflektiert wird. Langsam senkt sich der Flieger, die orange gelben Lichter der Dörfer und Städte leuchten durch die Wolkenlücken, zeichnen die Straßen und Umrisse der Ortschaften nach. Die Wolken scheinen sich in diesem Licht sich wie die Wellen des Meeres auf und ab zu bewegen, rote Warnlampen eines Kraftwerks grüßen rhythmisch blinkend von unten.
Mit den Herren des Wetterberichts muss ich mal ein ernstes Wort reden: es liegt Schnee.Davon war im Wetterbericht nun wirklich nicht die Rede. Minus 0,3 Grad zeigt die große Temperaturanzeige des Flughafenterminals von Katowice und beim Verlassen der Kabine empfängt mich der typische Wintergeruch, der mir noch jahrelang nach der Wende 1989 mir in den Waggons der Reichsbahn schier den Atem raubte, tief eingegraben in den Sitzbezügen: Kohlefeuerung. Dieser Geruch wird mich die nächsten Tage begleiten.
21 März
Dichter Nebel umhüllt die Internationale Jugendbegegnungsstätte, in der wir in dieser Woche Gast sein dürfen. Nur schemenhaft sind die Bäume im Morgenlicht zu erkennen, als ich den ersten Blick aus dem Fenster werfe. Mühsam kämpft sich die Sonne durch den Nebel in den neuen Tag hinein, nur ein runder heller Fleck ist hinter den Bäumen zu sehen. Raureifzäpfchen stehen auf den aufgesprungenen Knospen der kleinen Magnolie im Hof, die 20 Grad vor einer Woche haben ihre Lebensgeister geweckt, bevor Väterchen Frost nochmals sein Haupt reckte und Frau Holle hier im Schatten von Riesengebirge und Karpaten sein Bettzeug ausschütteln ließ. Doch mit zunehmender Stunde wird die Sonne stärker, vertreibt den Nebel und strahlt schließlich vom Firmament. Unser Tagesprogramm beginnt. Die Internationale Jugendbegegnungs-stätte Oswiecim entstand in den 80er Jahren und ist ein Ort der Überwindung von Barrieren und Vorurteilen, berichtet Leszek Szuster, der Leiter des Hauses in einem Vortrag. Damit schmerzliche Erfahrung, die Auschwitz für die Menschheit bedeutet, nie in Vergessenheit gerät und aus der Geschichte Lehren für die Zukunft gezogen werden können, sollen hier im Haus Jugendliche aus der ganzen Welt sich gegenseitig kennenlernen und durch die Beschäftigung mit der Vergangenheit Ängste und Vorurteile abgebaut werden. In der Begegnung soll es möglich sein, Gedanken offen auszusprechen, Offenheit ist ein prägendes Element der pädagogischen Arbeit in diesem Haus, was auch durch die architektonische Gestaltung zum Ausdruck kommt, eine Bauweise, die in den 80er Jahren ganz und gar nicht dem damals herrschenden Stil entsprach. Während er redet, notiere ich meine Gedankensplitter wie die Teile eines Puzzles auf einem Blatt, in der Hoffnung,dass sie sich irgendwann zu einem Bild zusammenfinden. |

Unglaublich. Ich bin wie gelähmt vor
Schock, spüre, dass ich mich mit einem starren Panzer umgebe. Vor
einem Berg von zehntausenden Schuhen zu stehen, sagt mehr über die
Vielzahl der Opfer aus, als jede trockene Statistik. Kinderschuhe und
zerbrochene Puppen schnüren das Herz ein. In mir arbeitet es, es
dreht sich alles. Die Fragen stürmen auf mich ein, gleichzeitig,
eindringlich, dringen durch den Panzer, noch finde ich keine
Antworten. Es bedrückt, am Stacheldraht zu stehen, durch das Tor mit
der zynischen Schrift „Arbeit macht frei“ zu schreiten. Wer von
den Gefangenen zum ersten Mal diesen Weg gegangen ist, erfuhr bei dem
anschließenden Appell das Ende der Welt, das Ende seines Lebens,
hörte, dass der Weg zurück in die Freiheit nur durch den
Schornstein führt. Welcher Sadismus muss die SS-Männer geprägt
haben, die so die Neuankömmlinge begrüßen? Welch ein Charakter
muss sich hinter ihrer im Zivilleben so freundlichen Maske verborgen
haben? Ich laufe durch das Lager. Mechanisch. Wortlos. Lese
Anweisungen zum Pflanzen von Blumen und zum Töten. Nehme nur auf,
die Wahrheit ist zu grausam, braucht ihre Zeit zum Verarbeiten.
Am Nachmittag dann das Gespräch mit
Tadeusz Sobolewicz. 87 Jahre ist er alt, immer noch agil und voller
Lebenskraft, eine eindrucksvolle Persönlichkeit. Er nimmt sich die
Zeit, jeden einzelnen der Gruppe mit Handschlag zu begrüßen, ein
paar Worte auszutauschen, bevor er mit seinen Schilderungen beginnt.
5 Jahre seiner Jugend, seines Lebens wurden im geraubt, durch 7 KZs
wurde der geschleppt, 5 Jahre, die von unsäglichem Leid und Elend
geprägt waren, hat das Sterben seiner Mitgefangenen erlebt,
vielfältig und in brutalster Manier, sinnloses sadistisches Morden,
das mitunter noch belohnt wurde. Langsam gewinnt das System der KZs
Kontur, ein perfides System von wenig Brot und viel Peitsche, von
gegenseitigem Ausspielen und Ausnutzen von Ressentiments zwischen den
Gefangenen, von Günstlingswirtschaft und dem Nähen unerfüllter
Hoffnung, alles mit dem Ziel, die Maschinerie des Tötens am Laufen
zu halten, diesem einmaligen wie irrsinnigsten Systems des
Völkermords. Die Befehle kamen aus Berlin, in klaren Worten gefasst,
für den Dienstweg nach unten ideologisch verbrämt.
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Und umgesetzt von SS-Leuten wie Dr. Heinz Thilo, dessen Daumen auf der Rampe des Lagers Auschwitz II-Birkenau über den Todeszeitpunkt der Neuankömmlinge in wenigen Minuten hundertfach entschied. Daumen rechts hieß sofortiger Tod, auf einem Foto im Schattenwurf eindringlich dokumentiert.
Seine Schlussworte sind ein eindringlicher Aufruf an die Jugend von heute: „Es ist nicht eure Generation, die für diese Taten verantwortlich ist. Die Söhne erben nicht die Schuld der Väter. Deutschland ist eine Kulturnation, die Menschen wie Kant und Goethe hervorgebracht hat, aber auch Menschen wie die SS-Männer Höss, Mengele, Boger und Kaduk. Doch das deutsche Volk hat 10 Millionen Opfer im 2. Weltkrieg gebracht, das darf man auch nicht vergessen.“ Und er wiederholt: „Nie wieder Krieg! Das darf nicht mehr sein. Wir können als Freunde weiterleben und können Freunde sein. Wir müssen die Freundschaft gemeinsam leben.“ Diese versöhnlichen Worte entschuldigen nicht, sie klagen an, und sie reichen die Hand. Mit diesen Worten beginnt sich in mir die Beklemmung vom Lagerbesuch heute morgen zu lösen. Mir fallen die einleitenden Worte von Herrn Szuster ein: „Auschwitz ist ein Ort, der Reflexion und des Dialogs, ein Ort, um Lehren für die Zukunft zu ziehen.“ |
Am Dienstag der zweite Zeitzeuge,
Wilhelm Brasse, der Fotograf von Auschwitz. Fast die meisten Karteifotos von Gefangenen,
die es aus dem Lager gibt, stammen von ihm. 94 Jahre ist er alt, doch
sein Gedächtnis funktioniert noch wie ein Computer. Er redet über
das tagtägliche Töten ebenso wie über Begegnungen, die ihm in angenehmer Weise in WErinnerung geblieben sind, spricht über
Menschlichkeit und Unmenschlichkeit. Seine Schilderungen helfen, ein
Stück mehr das Lagerleben zu begreifen, das Martyrium der Gefangenen
nachzuvollziehen. Als er nach dem Krieg seinen Beruf als Fotograf
weiterführen will, holt ihn die Vergangenheit ein. Wenn er eine junge
Frau fotografieren sollte, sah er hinter ihr das Bild einer nackten
Frau, so wie er diese fotografieren musste für den KZ-Arzt Mengele;
das Trauma lässt ihn nicht mehr los, er gibt den Beruf auf, nimmt nie wieder einen Fotoapparat in die Hand.
Wir befragen die Zeitzeugen nach dem Charakter der SS-Männer. Unsere Zeitzeugen sind nicht alle Juden, sie lebten im KZ Auschwitz I, dem Stammlager, nicht im KZ Auschwitz II-Birkenau, dem Vernichtungslager. Nur, weil sie nicht zum Zwecke der Vernichtung ins Konzentrationslager gekommen sind, hatten sie überhaupt die Chance zum Überleben. 7000 SS-Männer waren im Laufe der Jahre in Auschwitz eingesetzt. Wer einmal dort war, blieb immer dort. Sie waren geschult, auf den Einsatz vorbereitet, handverlesen, gespaltene Persönlichkeiten. Der Alltag war Willkür, Qual, Menschenverachtung, Hungern, Töten der Gefangenen – 3 Tage Sonderurlaub für das Erschießen eines Häftlings auf der "Flucht", Urlaub bei der Familie..... Viele Morde ließ die SS ausführen durch die sogenannten Funktionshäftlinge, meist inhaftiert wegen Mord und grausamen Gewalttaten, charakterlos und für ein zusätzliches Stück Brot bereit zu jeder Schandtat, selbst zum Töten.

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Auf den Sterbeurkunden, die wir bei einem Besuch im Archiv der Gedenkstätte einsehen können, tauchen als häufigste Todesursache von 20-jährigen, 25-jährigen, 30- und 35-jährigen Häftlingen auf: Darmkatarrh, Herzinsuffizienz, Lungenentzündung. Die Diagnose trägt immer wieder die Unterschrift von Dr. Heinz Thilo. Er hätte auch schreiben können: verhungert, entkräftet, erstickt als Folge der unmenschlichen Zustände im Lager.
Wir hören von den Zeitzeugen nur einzelne Berichte von Gräueltaten, spüren, dass sie darüber nicht so gerne reden. Das Thema ist traumatisiert. Sie geben aber Zeugnis davon, wie mit ihnen selbst umgegangen wurde, berichten auch von anderem Umgang mit ihnen, berichten, dass bei den SS-Männer auch solche gab, die ihnen zu Essen gaben, manches tolerierten, wofür sie andere in den Tod schickten. Es bleibt als Resümee dennoch, dass es die dunkle Seite der Menschen ist, die sich in Auschwitz wie in allen KZs offengelegt hat. Und die schockierende Wahrheit: Der SS-Mann, es ist der gute Nachbar von nebenan.
Wir hören von den Zeitzeugen nur einzelne Berichte von Gräueltaten, spüren, dass sie darüber nicht so gerne reden. Das Thema ist traumatisiert. Sie geben aber Zeugnis davon, wie mit ihnen selbst umgegangen wurde, berichten auch von anderem Umgang mit ihnen, berichten, dass bei den SS-Männer auch solche gab, die ihnen zu Essen gaben, manches tolerierten, wofür sie andere in den Tod schickten. Es bleibt als Resümee dennoch, dass es die dunkle Seite der Menschen ist, die sich in Auschwitz wie in allen KZs offengelegt hat. Und die schockierende Wahrheit: Der SS-Mann, es ist der gute Nachbar von nebenan.

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23. März
Der Frühling ist in diesem Teil Europas noch nicht richtig angekommen. Dennoch reckt sich Herr Fasan am frühen Morgen auf dem Deich vor meinem Fenster und plustert sein buntes Gefieder auf, um Frau Fasan auf sich aufmerksam zu machen. Er verspürt schon Frühlingsgelüste. Eine kleine Burg, ein verschlossenes Kloster, ein Marktplatz ohne erkennbare architektonische Individualität, ein idyllischer Flussabschnitt an der Sola, mehr hat Oswiecim touristisch nicht zu bieten. Große Besucherströme kommen an die Gedenkstätte Auschwitz, doch wer von ihnen erinnert sich im Nachhinein an diese kleine Stadt? Ihre Geschichte reicht mehr als 800 Jahre zurück. Hier kreuzten sich schon im Mittelalter bedeutende Handelsstraßen von Dresden nach Krakau und von Wien nach Breslau., eigentlich beste Voraussetzung für Wohlstand. Mit dem Eisenbahnbau entstand ein wichtiger Knotenpunkt. Hier entstand ein wichtiger Handelsplatz zwischen Schlesien und Polen. Als eine der wenigen Städte im weiten Umkreis war Oswiecim offen für die Ansiedlung der jüdischen Kaufleute und galt viele Jahre als reiche Stadt. Es gab florierende Unternehmen vom Sägewerke über Getränke- und Fischkonservenfabriken bis hiun zu Eisenwerken. Der Einmarsch der deutschen Wehrmacht und damit die Ausrottung der jüdischen Bevölkerung, die noch Ende der 30er Jahre 70 Prozent der Einwohnerschaft ausmachten, beendeten die Phase von Wohlstand und Reichtum in Oswiecim. Ohne das Gedenken an die schrecklichen Ereignisse im KZ wäre Oswiecim heute eine namenlose Stadt. Wie die hier lebenden Menschen über die Gedenkstätte und die Bürde der Vergangenheit denken, habe ich nicht erfahren.
Der Frühling ist in diesem Teil Europas noch nicht richtig angekommen. Dennoch reckt sich Herr Fasan am frühen Morgen auf dem Deich vor meinem Fenster und plustert sein buntes Gefieder auf, um Frau Fasan auf sich aufmerksam zu machen. Er verspürt schon Frühlingsgelüste. Eine kleine Burg, ein verschlossenes Kloster, ein Marktplatz ohne erkennbare architektonische Individualität, ein idyllischer Flussabschnitt an der Sola, mehr hat Oswiecim touristisch nicht zu bieten. Große Besucherströme kommen an die Gedenkstätte Auschwitz, doch wer von ihnen erinnert sich im Nachhinein an diese kleine Stadt? Ihre Geschichte reicht mehr als 800 Jahre zurück. Hier kreuzten sich schon im Mittelalter bedeutende Handelsstraßen von Dresden nach Krakau und von Wien nach Breslau., eigentlich beste Voraussetzung für Wohlstand. Mit dem Eisenbahnbau entstand ein wichtiger Knotenpunkt. Hier entstand ein wichtiger Handelsplatz zwischen Schlesien und Polen. Als eine der wenigen Städte im weiten Umkreis war Oswiecim offen für die Ansiedlung der jüdischen Kaufleute und galt viele Jahre als reiche Stadt. Es gab florierende Unternehmen vom Sägewerke über Getränke- und Fischkonservenfabriken bis hiun zu Eisenwerken. Der Einmarsch der deutschen Wehrmacht und damit die Ausrottung der jüdischen Bevölkerung, die noch Ende der 30er Jahre 70 Prozent der Einwohnerschaft ausmachten, beendeten die Phase von Wohlstand und Reichtum in Oswiecim. Ohne das Gedenken an die schrecklichen Ereignisse im KZ wäre Oswiecim heute eine namenlose Stadt. Wie die hier lebenden Menschen über die Gedenkstätte und die Bürde der Vergangenheit denken, habe ich nicht erfahren.
24. März
Krakau - ein Latte Macciato am Neuen Markt. Außen herum sind die Straßencafés, die Fassaden der Häuser verströmen den maroden Charme der Vergangenheit. Auf dem Platz das kreisrunde Marktgebäude mit den kleinen Fenstern, vor denen lange Schlangen von stadtführngsgesclauchten Schülern aus Deutschland, Italien Frankreich und sonst woher aus Europa stehen, umlagert von Tauben, die auf die Reste der Baguettes warten, die unablässig aus den Fenstern in die Bäuche der Jugendlichen wandern. Ich sitze am Rand des Neuen Marktes. Die Füße freuen sich über die Ruhe nach zweieinhalb Stunden Wanderung durch das neue Ghetto in Podgorze, vorbei an Schindlers Fabrik, der Ghettomauer, der Apotheke Adler und dem Selektionsplatz, dann über die Weichsel, den Kopf ob des Windes zwischen die Schulter eingezogen, dann durchs alte jüdische Viertel, das Kazimierz. Nun komme ich zur Ruhe und die im Windschatten frühlingswarme Sonne streichelt meine Wange. Der Apfelkuchen ist vorzüglich.
Das Ghetto von Krakau wird von den heutigen Besuchern links liegen gelassen. Steven Spielberg drehte seinen Film "Schindler's Liste" nicht an den Originalschauplätzen in Podgorze sondern in Kazimierz, dem alten jüdischen Viertel am Rande der Altstadt. Die Touristen wollen diese Plätze sehen, die sie aus dem Film wiedererkennen und so verwundert es nicht, dass im eigentlichen Ghetto kaum Hinweise auf die Zeit von 1941 bis 1943 zu finden sind. Schwarz sind die Häuserfassaden,. verlassen viele Häuser, abweisend gegenüber dem vereinzelten Besucher, der außer der Emaillefabrik von Schindler nur noch die Apotheke Adler und den Platz mit den 70 Stühlen streift, wenn er überhaupt den Weg über die Weichsel findet.
Krakau - ein Latte Macciato am Neuen Markt. Außen herum sind die Straßencafés, die Fassaden der Häuser verströmen den maroden Charme der Vergangenheit. Auf dem Platz das kreisrunde Marktgebäude mit den kleinen Fenstern, vor denen lange Schlangen von stadtführngsgesclauchten Schülern aus Deutschland, Italien Frankreich und sonst woher aus Europa stehen, umlagert von Tauben, die auf die Reste der Baguettes warten, die unablässig aus den Fenstern in die Bäuche der Jugendlichen wandern. Ich sitze am Rand des Neuen Marktes. Die Füße freuen sich über die Ruhe nach zweieinhalb Stunden Wanderung durch das neue Ghetto in Podgorze, vorbei an Schindlers Fabrik, der Ghettomauer, der Apotheke Adler und dem Selektionsplatz, dann über die Weichsel, den Kopf ob des Windes zwischen die Schulter eingezogen, dann durchs alte jüdische Viertel, das Kazimierz. Nun komme ich zur Ruhe und die im Windschatten frühlingswarme Sonne streichelt meine Wange. Der Apfelkuchen ist vorzüglich.
Das Ghetto von Krakau wird von den heutigen Besuchern links liegen gelassen. Steven Spielberg drehte seinen Film "Schindler's Liste" nicht an den Originalschauplätzen in Podgorze sondern in Kazimierz, dem alten jüdischen Viertel am Rande der Altstadt. Die Touristen wollen diese Plätze sehen, die sie aus dem Film wiedererkennen und so verwundert es nicht, dass im eigentlichen Ghetto kaum Hinweise auf die Zeit von 1941 bis 1943 zu finden sind. Schwarz sind die Häuserfassaden,. verlassen viele Häuser, abweisend gegenüber dem vereinzelten Besucher, der außer der Emaillefabrik von Schindler nur noch die Apotheke Adler und den Platz mit den 70 Stühlen streift, wenn er überhaupt den Weg über die Weichsel findet.
Später treffen wir eine Gruppe von 10 ehemaligen KZ-Häftlingen in einer Krankenambulanz, die mit Unterstützung aus Deutschland für die Überlebenden eingerichtet wurde. 600 von ihnen leben noch in Polen, nicht alle waren in Auschwitz, es gab viele Konzentrationslager in Polen. Ziemlich früh fällt das Wort KZ-Syndrom. Ich frage nach und viele berichten, berichten, über Alpträume, die sie nachts verfolgen, über Panikattacken, wenn nebenan eine plötzlich Bewegung ist, über jahrzehntelange Blockaden, selbst mit engsten Angehörigen über das Erlebte zu sprechen. Oft trat das KZ-Syndrom erst viele Jahre, gar Jahrzehnte nach Kriegsende auf, die Vergangenheit holte sie wieder ein. Die psychologische Betreuung in der Krankenambulanz ist sehr gefragt. Die Krankenambulanz wird auch von der Lagergemeinschaft Auschwitz, die diese Reise zweimal jährlich organisiert, unterstützt, sie ist einmalig. Die Ehemaligen sind sehr dankbar für die Unterstützung.
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Wer aus touristischem Interesse in diesen Teil Polens kommt, fährt auch nach Krakau, der zweitgrößten Stadt Polens. Galizien heißt diese Provinz, der Adel hatte sich einst aus Gründen der Erbfolge mit galizischem Adel aus Spanien verbändelt. Ich kam zu spät, für eine Besichtigung des Schlosses auf dem Wawelhügel hoch über der Weichsel gelegen, der Portier deutete nur stumm auf den Zettel mit den Öffnungszeiten. Schade, denn von hier oben hat Krakau by night sicher seinen besonderen Reiz. Krakau ist eine sehr alte Stadt, dies zeigt sich auch beim Gang über den Rynek Glowny, dem Hauptmarkt. 200 Meter im Quadrat ist er groß, Treffpunkt der Jugend Krakaus wie der Touristen aus aller Welt. Die Pferdedroschken und Elektro-Rischkas drehen ihre Runden um die Tuchhalle. Die Glocken schlagen vom Turm der Marienbasilika. Hier auf diesem Platz schlägt seit 1257 das Herz von Krakau. Prachtvoll zeigen sich die Gebäude, schade nur, dass schon in den kleineren Seitenstraßen und erst recht im weiten Kreis drumrum das Geld für die behutsame Renovierung fehlt. Irgendwann wird auch der Rest der Stadt in diesem Glanz wieder erstrahlen.
25. März
Pünktlich um 17:00 Uhr landet der rosa Flieger der Wizz-Air auf dem Flughafen Hahn. Bei dem Landeanflug empfängt uns ein sanftes Grün auf den Wiesen und Feldern, ein angenehmer Kontrast zu dem Winterbraun der galizischen Landschaft in dieser Jahreszeit.
Die vollständige Antwort auf meine Fragen habe ich nicht erhalten. Das habe ich auch nicht erwartet. Meine Gedanken kreisen und kreisen, sie werden noch lange damit beschäftigt sein. Die Verarbeitung des Erlebten braucht ihre Zeit. Aber unter dem unmittelbaren Eindruck des Tatorts, den vergilbten Dokumenten und den beeindruckenden Gesprächen mit den Zeitzeugen bin ich der Antwort ein Stück näher gekommen.
Pünktlich um 17:00 Uhr landet der rosa Flieger der Wizz-Air auf dem Flughafen Hahn. Bei dem Landeanflug empfängt uns ein sanftes Grün auf den Wiesen und Feldern, ein angenehmer Kontrast zu dem Winterbraun der galizischen Landschaft in dieser Jahreszeit.
Die vollständige Antwort auf meine Fragen habe ich nicht erhalten. Das habe ich auch nicht erwartet. Meine Gedanken kreisen und kreisen, sie werden noch lange damit beschäftigt sein. Die Verarbeitung des Erlebten braucht ihre Zeit. Aber unter dem unmittelbaren Eindruck des Tatorts, den vergilbten Dokumenten und den beeindruckenden Gesprächen mit den Zeitzeugen bin ich der Antwort ein Stück näher gekommen.
Nachwort:
Dies war eine Reise, die mich sehr bedrückt hat. Es ist der Bericht einer Reise NACH Auschwitz und nicht ÜBER Auschwitz. Ein schweres Thema, für jeden. Ich habe mich ihm bewußt gestellt. Umso mehr interessiert mich eure Rückmeldung.