Sommerausklang am Lago Maggiore
September 2016
Welch ein Blick, und dazu diese Stille. Ach wäre ich nur der große Dichterfürst Goethe, dann würde ich die wohlfeilsten Worte finden, um meine Empfindungen auszudrücken. Selten war ich so beeindruckt von solch einer schönen Aussicht. Irgendwo ruft eine Krähe, mehr nicht. Dabei sind wir überhaupt nicht allein hier oben. Unablässig bringt der Sessellift neue Besucher heran. Um uns herum überall Menschen, so wie wir. Doch auch sie sind eingenommen von der friedvollen Ruhe auf dem Dach des Lago Maggiore, dem Mottarone.
Der Panoramablick ist einmalig. Heute gibt es Kaiserwetter mit einer fantastischen Fernsicht. Im Süden verliert sich die Poebene weit in der Ferne. Breit und flach breitet sie sich vor mir aus. Der große Flughafen von Malpenso sticht aus dem Grün der Ebene hervor. Nach Westen bauen sich die Hügel und Berge des Piemont auf, rahmen den Ortasee ein, der zu meinen Füßen liegt. Das schneebedeckte Massiv der Grajischen Alpen mit dem Gran Paradiso markiert den südlichen Punkt des Alpenkamms, der sich mit weiteren Schneekronen nach Norden wendet. Es ist das Halbrund der Berge, das Italien und Frankreich trennt. Wie ein Schiffsbug ragt daneben das Matterhorn heraus, vielleicht ist es auch die ähnlich geformte Dufourspitze. Bläulich leuchtet seine Wand aus Granit. Der Alpenkamm wendet sich weiter nach Osten. Irgendwo dort liegt der St. Gotthard, ich weiß nicht, welche der zahlreichen Spitzen er ist. Davor erstreckt sich der Nationalpark Val Grande mit seinen tiefen Schluchten und schroffen Berggraten. Doch bevor der Blick weiter nach Osten schweifen kann, zieht mich das Postkartenmotiv des Lago Maggiore an. Tiefblau kommt er zwischen den Berghängen von Norden her, weitet sich zu meinen Füssen aus, bevor er sich nach Südosten der Poebene zu wendet. Die borromäischen Inseln liegen wie herbstliche Blätter im Wasser. Rot sind die Ziegeldächer. Ich kann die einzelnen Häuser von hier oben gar nicht ausmachen. Rechter Hand, hinter dem Ostufer, erstrecken sich weitere Seen. Jetzt weiß ich, warum dies der Sieben-Seen-Blick ist. Ich möchte hier einfach nur verweilen und den grandiosen Ausblick genießen. Ich könnte mich wie im Karussel drehen und bei jeder Rundfahrt Neues entdecken.
So langsam müssen wir uns doch von diesem fantastischen Ausblick lösen. Wir bitten einen der vielen Fotografen, ein Erinnerungsfoto für uns zu machen. Viele Besucher fahren wieder mit dem Sessellift hinunter zur Seilbahnstation. Dann schultern wir unsere Rucksäcke und nehmen den Fußweg.
Siebenhundert Höhenmeter sind es bis zur Mittelstation der Seilbahn. Drei Stunden haben wir uns für diesen Weg vorgenommen. Anfangs führt uns der Wanderweg durch einen halbschattigen Wald. Blumen mit blauen Glockenblüten begleiten uns. Sanft führt der Weg am Berghang entlang. Dann zweigt der Wanderweg von dem Hauptweg ab und führt auf eine steile Rampe. Schnurgerade führt sie abwärts. Der Weg ist geschottert. Es ist die Trasse der ehemaligen Zahnradbahn, die bis 1961 auf den Mottarone fuhr. Nach etwa 500 Metern treffen wir auf eine Gruppe von Wanderern. Sie fragen uns, wie weit es noch bis oben sei. Als ich ihnen sage, dass nach etwa 500 Metern der Abzweig auf einen Waldweg führt, leuchtet ihr angestrengtes Gesicht auf. Später weiß ich, warum.
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Gut acht Kilometer ist die Trasse lang, immer steil abwärts und immer geschottert. Es ist ein Gefälle von 13 bis 15%. Ich muss beim Gehen dauernd auf den Boden und meine Füße schauen, um nicht zu stolpern. Rechtzeitig für die letzte Gondel erreichen wir schließlich die Seilbahnstation. Unsere Waden und Oberschenkelmuskulatur danken uns die nächsten Tage mit einem ausgiebigen Muskelkater.
La Belle Epoque: Die Reichen Europas entfliehen der rauen Witterung der Heimat und finden am Lago Maggiore ein mildes und gesundes Klima. Der König von Württemberg, Elisabeth von Sachsen, die Herzogin von Genua und die ungekrönten Häupter des englischen Königshauses kommen gerne im Sommer nach Stresa. Im "Grand Hotel Des Iles Borromees" geben sie sich die Klinke in die Hand. Selbst Hemingway stieg im Grand Hotel ab, bevor er als Fischer auf der Isola Superiore arbeitet. Hier an der Südküste des borromäischen Golfes, wo schon seit Jahrhunderten der italienische Adel seine Sommerresidenzen hat, entsteht ein Bauboom sondergleichen. Villen schießen wie Pilze aus dem Boden, eine neben der anderen, mit prächtigen Parks umgeben, das ganze Seeufer entlang.
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Granit- und Marmorsteinbrüche liegen nahe, bestes Baumaterial. Aus dem kleinen Fischerdorf Stresa wird ein mondänes Städtchen. Der Charme dieser Zeit hat sich in die heutige Zeit hinüber gerettet. Es ist kein maroder Charme, sondern ein nostalgischer. Selbst neuere Bauten, die sich hinter den alten Villen am Hang hoch ziehen, passen sich in dieses nostalgische Bild ein. Unser Reiseführer preist Stresa als die "unangefochtene Königin des Lago Maggiore".
Eng sind die Gassen der Altstadt und verwinkelt. Kleine Einkaufsmeilen durchziehen den Ort. Das Angebot und die Preise sind derart mondän geblieben, dass mir bisweilen der Atem stockt. Wohin gehen nur die Menschen, die hier seit Genartionen leben, wenn sie mal außer Haus feiern wollen? Ich weiß es nicht. Zumindest die kleine unscheinbare Bar in der Seitengasse, in der wir uns einen Espresso genehmigen, hat noch zivile Preise. Hier treffen sich wohl Antonio und Maria und all die anderen, die nicht in einer Villa wohnen und hier auch nicht ihren Urlaub verbringen. Wir verzehren zum Espresso eine der süßen Verführungen von Stresa, eine "margaritine, ein wundervoll süßes Gebäck in Margheritenform. |
Es ist erstaunlich still, obwohl viele Menschen unterwegs sind. Die Passanten sprechen gedämpft, ich höre vor allem deutsche Laute, aber auch englische, holländische, französische russische und andere. Wenn jedoch zwei Ortsansässige in die Gasse einbiegen, höre ich sofort, dass ich in Italien bin. Italiener sprechen laut und gerne, mit hoher und einschneidender Stimme. Das Smartphone in ihrer Hand ist ein Statusmerkmal, das man einfach mit sich führen muss, ohne es zu benutzen, denn ihre Stimme ist sicher auch am gegenüberliegenden Ufer deutlich zu vernehmen. Das behaupte ich jetzt einfach mal so.
Das Stadtbild ist einheitlich, mit den unvermeidlichen Geranientöpfen auf den Treppenstufen und der Wäsche auf dem Balkon, kein Gegensatz zu den mondänen Fassaden am Seeufer, einfach Bella Italia. Noch eins fällt mir am Stadtbild auf: Die vielen Türmchen, die alte Villen schmücken. Hoch oben ist ein luftiger Dachgarten, und dort vielleicht auch, gut geschützt vor den Augen der Menschen unten auf der Gasse, ein Bett für die Zeit der hochsommerlichen Hitze.
Das Stadtbild ist einheitlich, mit den unvermeidlichen Geranientöpfen auf den Treppenstufen und der Wäsche auf dem Balkon, kein Gegensatz zu den mondänen Fassaden am Seeufer, einfach Bella Italia. Noch eins fällt mir am Stadtbild auf: Die vielen Türmchen, die alte Villen schmücken. Hoch oben ist ein luftiger Dachgarten, und dort vielleicht auch, gut geschützt vor den Augen der Menschen unten auf der Gasse, ein Bett für die Zeit der hochsommerlichen Hitze.
Seitdem die Autobahn weiter oben am Berghang gebaut wurde, ist die Uferstraße zu einer ruhigen Zone geworden. Ladenpassagen ziehen sich die Straße lang, ab und zu unterbrochen vom Zaun eines der großen altehrwürdigen Hotels. Ein prächtiges Tor führt zum Eingang des "Grand Hotel Des Iles Borromees". Es steht weit offen und gibt den Blick auf eine parkähnliche Gartenanlage frei. Unsere Neugierde lenkt unsere Schritte hinein. Kein Portier bewacht das Tor. Die beiden Gartenarbeiter, die fleissig den Rasen stutzen und jedes Blättchen, das auf ihm liegt, davon jagen, haben auf diesem Gelände sicher Arbeit bis zu ihrem Lebensende. An den Bäumen hängen jede Menge Blätter.
Eine liebliche Melodie ertönt und dazu Wasserplätschern. Ich folge den Geräuschen und finde mich auf einer kleinen Plattform mit Wasserspielen wieder. Zu klassischer Musik umspülen Fontänen klassizistische Marmorstatuen. Im Jahr 2004 fand hier im Grand Hotel die Bilderberg-Konferenz statt. Dies sind informelle, privat bezeichnete Treffen von einflussreichen Personen aus Wirtschaft, Politik, Militär, Medien, Hochschulen, Hochadel, Geheimdiensten und christlichen Kirchen. Es ist eine illustre Gesellschaft handverlesener Persönlichkeiten, bei denen Gedanken über aktuelle politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Themen ausgetauscht werden, ein jährlicher Austausch, der politisch wie wirtschaftlich weitreichende Auswirkungen hat. Wie so oft finden Konferenzen an Orten statt, die diese Persönlichkeiten vom Urlaub her kennen und wo sie sowieso unter sich sind.
Überhaupt, Konferenzen in Stresa: Dieser kleine Ort mit nicht einmal 5000 Einwohnern ist den einflussreichsten Menschen in Europa bekannt. Als 1906, nach der Fertigstellung des Simplon-Eisenbahntunnels, Züge Paris mit Mailand verbanden, hielten diese in Stresa. Und bald war Stresa auch über den Simplon-Orient-Express direkt mit London auf der einen Seite und Athen und Istanbul auf der anderen Seite verbunden. Auf der„Konferenz von Stresa“ zur Schaffung eines stabilen Agrarmarktes verständigten sich 1958 die Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) darauf, jeweils einzelne produktbezogene Marktorganisationen zu schaffen. Dieser Konferenz war 1951 die „Konvention von Stresa“ vorangegangen, die erste internationale Vereinbarung über die Herkunftsbezeichnung in Käsenamen, ein mir persönlich sehr wichtiges Abkommen, |
Zurück auf der Seepromenade schlendern wir zum Anlegesteg. Von hier führen Fähren zu vielen Orten entlang des Lago Maggiore. Am Steg liegt die Fähre zu den Borromäischen Inseln. Es ist Nachmittag. Um nicht in Stress zu geraten beschränken wir uns auf einen Trip zur "Isola Superiore dei Pescatori". Kurz entschlossen kaufen wir uns ein Ticket . Um diese Tageszeit fahren nicht mehr viele auf die Inseln, so dass wir einen schönen Sitzplatz bekommen. Langsam steuert das Boot auf die erste der Inseln zu, die "Isola Bella". Ein prächtiger Terrassengarten erhebt sich auf dem östlichen Teil der Insel. Pompöse Statuen zieren die Brüstungen. Am gegenüber liegenden Teil der Insel steht der prachtvolle Palast, den Carlo III. Borromeo im 17. Jahrhundert errichten ließ. Langsam zieht die Fähre an der Insel vorbei und steuert die "Isola Superiore dei Pescatori" an.
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Eine kleine Stadt im Meer, so scheint mir diese Insel. Nur am Anlegesteg ballen sich die Tagesbesucher. Auf dem Rundweg und in den kleinen Gassen verlaufen sich die Menschen, werden von der beschaulichen Ruhe dieses Ortes eingesogen. Nur das dumpfe Stampfen der Dieselmotoren der zahlreichen Ausflugsboote unterbricht immer wieder diese Stille. Sie halten kurz am Steg, spucken Menschen aus, saugen Menschen ein und ziehen weiter.
Eine Platanenallee führt zur Westspitze. Hoch auf einem Schifffahrtszeichen steht ein Kormoran, seine Flügel in die Sonne gespreizt. Es sieht aus wie eine dieser römischen Standarten, die die Legionäre vor sich her getragen haben. Von dort wandert mein Blick hinüber nach Baveno, das am Fuß eines gewaltigen Steinbruchs liegt. Der rote Granit, aus dem die mondäne Einkaufsmeile "Galleria Vittorio Emanuele II" in Mailand erbaut ist, wurde dort gebrochen. Heute ist es diesig. Die Bergkette dahinter zerfließt im Ungewissen. Über dem Kamm baut sich eine gewaltige Gewitterwolke auf.
Etwa 60 Einwohner hat die Insel noch. Einige verdienen sich ihren Lebensunterhalt mit dem Fischfang, Die übrigen sind damit beschäftigt, den fangfrischen Fisch in einer der zahlreichen Pizzerias und Restaurants an die Touristen zu verkaufen oder letzteren mit allerlei Souvenirs die nach dem Essen verbliebenen Euros aus der Tasche zu locken. Die Insel ist schmal und lang gestreckt. Über die gesamte Länge zieht sich die Hauptstraße, wenn man so den einzigen an eine Straße erinnernden Fußweg zwischen den Häusern bezeichnen kann. Rechts wie links drängen sich die Häuser aneinander, gegenseitig verschoben, so dass sich die Hauptstraße ihren Weg wie ein mäandernder Fluss suchen muss. Hier hat der kalte Wind des Winters keine Chance. Wie Fischgräten zweigen immer wieder kurze Gassen zwischen den Häusern hindurch zum Seeufer ab. Ich gewinne den Eindruck dass es gefühlt mehr Restaurants als Einwohner gibt. Am Ende der Hauptstraße stoße ich auf eine kleine Kirche. Wir verzichten auf die Besichtigung, da eine Sopranistin im Inneren gerade zu Ehren eines Brautpaares im gehobenen Alter das Ave Maria singt.
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Hinter der Kirche liegt der kleine Inselfriedhof. Ein Schild bittet uns, das eiserne Tor hinter uns zu schließen. Die Hälfte der Einwohnerschaft scheint der Familie Gottardi anzugehören, so oft wie dieser Name auf den Grabsteinen auftaucht.
Der Bootsverkehr rund um die Insel hat spürbar nachgelassen. Die Schatten werden länger. Das Hochzeitspaar aus der Kirche lässt sich vor der Kulisse der Isola Bella ablichten. Hochzeitsfotografen scheinen auf den Inseln und in Stresa gutes Geld zu verdienen. Das ist heute schon das dritte Brautpaar, das wir mit Fotografen im Tross sehen. Wir wünschen dem Brautpaar alles Gute für ihre gemeinsame Zukunft und schlendern zur Fähre.
Der Bootsverkehr rund um die Insel hat spürbar nachgelassen. Die Schatten werden länger. Das Hochzeitspaar aus der Kirche lässt sich vor der Kulisse der Isola Bella ablichten. Hochzeitsfotografen scheinen auf den Inseln und in Stresa gutes Geld zu verdienen. Das ist heute schon das dritte Brautpaar, das wir mit Fotografen im Tross sehen. Wir wünschen dem Brautpaar alles Gute für ihre gemeinsame Zukunft und schlendern zur Fähre.
Gegenüber von Stresa liegt Verbania. Der Ortsteil Intra zieht uns an. Schon auf der Herfahrt war uns dieser Ort aufgefallen. Die Fähre ist die günstigste Verbindung. Also zieht es uns wieder einmal aufs Wasser. Jede Insel steuert das Fährboot an, bevor hinter der Landzunge Punta della Castagnola mit dem botanischen Garten der Villa Taranto Intra auftaucht. Gerade legt neben uns eine der großen Autofähren an, die das Westufer mit dem Ostufer verbinden.
Es ist heute wieder ein heißer Tag. Nach dem kühlenden Fahrtwind auf dem Schiff erscheinen mir die Temperaturen auf der Piazza Daniele Ranzoni doppelt so hoch. Da kommt mir ein kühlendes Eis gerade recht. |
Es ist heute wieder ein heißer Tag. Nach dem kühlenden Fahrtwind auf dem Schiff erscheinen mir die Temperaturen auf der Piazza Daniele Ranzoni doppelt so hoch. Da kommt mir ein kühlendes Eis gerade recht. Jetzt sind wenige Menschen unterwegs. Von der Piazza führt der Weg direkt auf die schmucke Einkaufsmeile. Neuere Gebäude sind hübsch in das Ambiente barocker Fassaden eingebettet. Das typische Markenzeichen Italiens, die Wäsche auf den zahlreichen Balkons, ist überall zu sehen. Die meisten Geschäfte sind geschlossen, nur eine Parfümerie hat ihre Türen weit geöffnet. Bei den schweißtreibenden Temperaturen heute gibt es sicher Deodorants im Sonderangebot.
Die Fußgängerzone führt direkt zur Basilika San Vittore mit der großen grünen Kuppel. Diese ist mir schon vom Schiff her aufgefallen. Sie steht am höchsten Punkt des Ortskerns. Bereits im 11. Jahrhundert stand hier eine Kirche. Am Fuß des Glockenturms, der getrennt dahinter steht, ist es laut. Eine Gruppe halbwüchsiger Schüler verbringt dort im Schatten ihre Mittagspause. Auch wir halten nun Siesta mit Blick auf den Platz.
Die Fußgängerzone führt direkt zur Basilika San Vittore mit der großen grünen Kuppel. Diese ist mir schon vom Schiff her aufgefallen. Sie steht am höchsten Punkt des Ortskerns. Bereits im 11. Jahrhundert stand hier eine Kirche. Am Fuß des Glockenturms, der getrennt dahinter steht, ist es laut. Eine Gruppe halbwüchsiger Schüler verbringt dort im Schatten ihre Mittagspause. Auch wir halten nun Siesta mit Blick auf den Platz.
Mir fällt auf, dass überwiegend Einheimische unterwegs sind. Intra zählt nicht gerade zu den herausragenden touristischen Zentren am See, obwohl die Altstadt recht hübsch ist. Vielleicht auch aus diesem Grund sind die Preise hier nicht so hoch, wie in anderen Orten, von Stresa ganz zu schweigen. Die Atmosphäre ist irgendwie italienischer. Das macht Intra sehr sympathisch. Und noch eins fällt mir auf. Fast jede Person, die den Platz überquert, hat das Smartphone am Ohr. Mittagszeit scheint Telefonzeit zu sein. Selbst die alte Dame, die wohl schon an die 80 Lenze zählt, kommt nicht ohne aus. Die Szenerie sieht fast so aus, als seien alle ferngesteuert.
Langsam schlendern wir zum Hafen zurück. Vor einem kleinen Laden gibt es ein Gedränge. Ein Schuhladen, gerade ist Ausverkauf. Jetzt weiß ich auch, warum so viele Italienerinnen mit Plateauschuhen herum laufen, bei diesen Preisen!
Langsam schlendern wir zum Hafen zurück. Vor einem kleinen Laden gibt es ein Gedränge. Ein Schuhladen, gerade ist Ausverkauf. Jetzt weiß ich auch, warum so viele Italienerinnen mit Plateauschuhen herum laufen, bei diesen Preisen!
Ein unscheinbares Schild an einer kleinen Kapelle weist den Weg zur Ponta Romana. Wir folgen dem alten Maultierpfad und müssen sehr auf den Weg achten. Stufen sind in den felsigen Untergrund geschlagen, dazwischen grobes Pflaster aus dem Granit des Berges. Manchmal sichert ein Geländer zum steil abfallenden Hang hin ab. Das Rauschen des Bergbachs tief unten in der Talsohle ist das einzige Geräusch in der Schlucht. Nach einer Viertelstunde kommen wir an. Gut fünfzig Höhenmeter sind wir abgestiegen. Jetzt um die Mittagszeit erreicht auch die Sonne den tiefen Grund. Vor mir spannt sich die alte Brücke zum anderen Ufer. Was mag die Römer vor zweitausend Jahren bewogen haben, an dieser schwer zugänglichen Stelle eine Brücke über den Wildbach zu schlagen?
Tief unter der Brücke plätschert der kleine Bach mit dem großen Namen San Bernardino. In Jahrmillionen hat sich das Wasser in den Fels eingegraben, hat im Frühjahr mit der Schneeschmelze die Wände abgeschliffen, hat Steine durch sein Bett gerollt und zerkleinert, und wird sein Werk noch in den nächsten Jahrmillionen fortsetzen. |
In den zweitausend Jahren seit dem Bau der ersten Brücke durch die Römer waren es vielleicht nur Millimeter, aber das Werk des Wassers geht unaufhörlich weiter. Eine Zeile aus einem Lied kommt mir in den Sinn: "Weiches Wasser bricht den Stein." Ja, so ist es.
Das kleine Mäuerchen vor der Brücke bietet sich für unser Picknick an. Oben, im Dorfladen von Cossogno, haben wir uns mit Schinken und Wasser versorgt. Wohl an!.Ein Schmetterling fliegt den Sonnenstrahl entlang und schon leuchten die Moose auf der Brüstung im satten Grün. Der Herbst nähert sich mit kleinen Schritten.
Lautlos löst sich ein welkes Blatt von der Eiche und segelt herab. Ich verfolge seinen Fall. Sachte landet es auf dem Wasser und zeigt mit einem kleinen Wellenkranz die geglückte Ankunft an. Nach einem Moment der Ruhe erfasst die Strömung den Gast und reißt das Blatt mit sich. Leben entsteht, Leben vergeht. Mit diesen Gedanken verlasse ich die alte Brücke. Wenn sie reden könnte, würde sie diesen Gedanken aus ihrer zweitausendjährigen Erfahrung sicher vertiefen.
Das kleine Mäuerchen vor der Brücke bietet sich für unser Picknick an. Oben, im Dorfladen von Cossogno, haben wir uns mit Schinken und Wasser versorgt. Wohl an!.Ein Schmetterling fliegt den Sonnenstrahl entlang und schon leuchten die Moose auf der Brüstung im satten Grün. Der Herbst nähert sich mit kleinen Schritten.
Lautlos löst sich ein welkes Blatt von der Eiche und segelt herab. Ich verfolge seinen Fall. Sachte landet es auf dem Wasser und zeigt mit einem kleinen Wellenkranz die geglückte Ankunft an. Nach einem Moment der Ruhe erfasst die Strömung den Gast und reißt das Blatt mit sich. Leben entsteht, Leben vergeht. Mit diesen Gedanken verlasse ich die alte Brücke. Wenn sie reden könnte, würde sie diesen Gedanken aus ihrer zweitausendjährigen Erfahrung sicher vertiefen.
Nomen est omen. Hoch in den Bergen, am Ende des langen Tales, liegt Cicogna, oder auf Deutsch: das Storchennest. Eine einspurige Straße führt entlang des Berghangs und über gefühlte 100 Serpentinen in dieses in 730 Meter Höhe gelegene Bergdorf. Vor jeder Kurve halte ich den Atem an, ob uns ein Fahrzeug entgegen kommt. Die Zahl der Ausweichstellen ist gering. Ich habe Glück, dass auf dem kleinen Platz vor der Kirche gerade ein Parkplatz frei wird. Fast jedes Auto hier hat ein deutsches Kennzeichen. Cicogna ist Ausgangspunkt von Bergwanderungen in diesem Naturschutzgebiet. Die Wirtin der kleinen Bar weiß es zu schätzen und ihr hausgemachter Kuchen mundet ausgezeichnet zur Cioccolata calda und Capuccino. Cicogna liegt im einzigartigen Naturschutzgebiet Val Grande, dem größten Italiens. Schon in der Bronzezeit war diese Region besiedelt. Alm- und Waldwirtschaft waren die Ernährungsquellen der Menschen, bis im Mai 1944 die deutsche SS zusammen mit Einheiten der faschistischen Repubblica Sociale Italiana das Val Grande im Kampf gegen die Resistenza durchkämmten. Ihr Kampf war so blutig, dass sie leere Bergdörfer hinterließen, die sich von diesem Aderlass nie mehr erholten und in Vergessenheit gerieten. Nur Cicogna, das Storchennest, hat diesen Vernichtungsfeldzug überlebt.
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Der altehrwürdige Bahnhof von Stresa hat schon bessere Zeiten gesehen. Gerade braust ein moderner Expresszug durch, der Simplon-Orientexpress hält hier schon lange nicht mehr. Dennoch legt man Wert auf Gastlichkeit. Eine Mitarbeiterin der italienischen Staatsbahn säubert penibel die Abfallkörbe. Auch hier ist Mülltrennung angekommen. Wir müssen nicht lange warten, bis wir in den Regionalzug nach Domodossola einsteigen können.
Domodossola, der Name faszinierte mich schon, als ich ihn in jungen Jahren auf einer Landkarte las. Nun bin ich da. Mein Mund modelliert die Melodie dieses Wortes. Langsam lasse ich das "Domo" im Mund zerfließen, setze einen zusätzlichen Akzent auf das "do" bis das doppelte "s" in einen langen Zischlaut mündet, um dann im "ola" genüsslich auszulaufen: DOMO - DO - SS - OLA |
Domodossola ist eingerahmt von Bergen. Granitsteinplatten statt Ziegel bedecken die Dächer. In den verwinkelten Gassen hält sich die Kühle des Winters bis in den Sommer hinein. Der alte Stadtkern ist ebenso schön wie der Name. Wir lassen uns am Piazza Marcato zu einem Cappuccino und einer Cioccolata calda nieder. Heisse Schokolade ist hier genau das, was ich auch bestellt habe: heiße, zäh fließende Schokolade und kein dünnes deutsches Kakaowasser. Cioccolata calda, das passt doch wunderbar zu Domodossola. Heute ist Markttag, kein wüstes Gedränge wie auf vielen südländischen Märkten. Es herrscht Gemächlichkeit, so wie die alten Gemäuer mit ihren steinbedeckten Dächern um mich herum, die schon seit Jahrhunderten in Geduld ausharren. Arkaden säumen den Platz, geben Schutz vor der Sommerhitze und sicher auch vor den Regenfällen der kalten Jahreszeit. Es ist eine merkwürdige Mischung aus Bruchstein und Fachwerk, das den Charme dieser Stadt ausmacht.
Auf dem Markt trifft Maria jede Woche ihre Freundin Anna. Sie tauschen die alltäglichen Neuigkeiten aus, wer gestorben ist, welche Hochzeit ansteht, dass der alte Gorgio immer noch lebt, und dass es am Stand von Forcio heute köstliche Pfirsiche gibt, die Steige für 5 Euro. So ein Gespräch dauert halt seine Zeit, aber die hat man hier. Moderne Geschäfte verbergen sich hinter alten Fassaden im Flair des leicht Maroden. Nicht jedes Gewerbe zeigt sich am Eingang mit einer Werbung, einem Firmenschild oder einem Schaufenster. Hinter einer offenen Tür höre ich laute Worte. Als meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt haben, erkenne ich, dass hinter einer Ladentheke der Schuster arbeitet. Er reicht einer älteren Dame gerade feine Schuhe, wohl mit neuen Absätzen. Die braucht frau bei dem rauen Pflaster dieser Stadt sicher häufiger. |
Mir gefällt es hier. Ich könnte einfach den ganzen Tag sitzen bleiben und das Treiben auf dem Marktplatz beobachten. Junge Leute sitzen am Tisch neben uns, scherzen, lachen und lassen dabei ihr Smartphone in der Tasche. Es ist wohltuend, fast nur italienische Sprache um mich herum zu hören, statt babylonischem Sprachgewirr, auch wenn es dadurch etwas lauter ist. Der Harfenspieler, auch wenn er nicht aus Italien kommt, passt sich gut in die Marktatmosphäre ein.
Kurve um Kurve schraubt sich die Centovallibahn den Berghang hoch. Domodossola liegt bald tief unten im flachen Ossola-Tal. Der Panoramawagen gibt freien Blick in tiefe Schluchten und auf steile Abhänge, auf Weingärten und ausgedehnte Wälder mit Esskastanien. Schwer hängen die Reben am Weinstock, blaue Trauben für roten Wein. Grün und stachelig zeigen sich die Früchte der Esskastanie, halten ihren Schatz noch im Inneren verborgen.
Als wir den Zug bestiegen, freuten wir uns über das ruhige Abteil. Doch die Freude währte nicht lange. Eine Jugendgruppe besetzte den Waggon. Ihr Dialekt vrät sie als Schweizer. Wir sind schnell im Gespräch. Sie kommen aus dem Luzerner Oberland. Bei ihrer Gemeinde haben sie für nicht mal 20 Schweizer Franken eine 24-Stundenkarte gekauft, mit der sie alle Regionalzüge in der Schweiz und dem angrenzenden Oberitalien nutzen können. Seit dem frühen Morgen sind sie schon unterwegs und wollen noch bis zum Luganersee und dann natürlich noch zurück nach Hause. Und ganz so laut sind sie dann doch auch nicht. Die Bergdörfer, an denen der Zug hält, sind klein. Nur Schüler steigen aus. Hier möchte ich kein Schüler sein. Coimo ist eines dieser Bergdörfer. Es liegt am gegenüberliegenden Hang. Bis zum Bahnhof muss ein tief eingeschnittenes Tal durchquert werden. Diese Bahnstrecke ist eine Besonderheit, die nur durch geschickte touristische Vermarktung am Leben erhalten wird. Der Panoramablick auf das Vigezzo-Tal ist sehenswert. Sommerflieder säumt die Strecke und immer wieder fällt mein Blick in schwindelerregend tiefe Schluchten, die die Centovallibahn quert. Mitunter winken Wanderer aus der Talsohle hoch. |
Zum Gedenken an die "Schwarzen Brüder" wird seit 35 Jahren das Kaminfegerfest gefeiert. Hunderte von Schornsteinfeger aus der ganzen Welt sind zusammen gekommen und bevölkern nun Santa Maria Maggiore. Zwei Schornsteinfeger aus Augsburg, die in den Zug einsteigen, erzählen mir diese Geschichte. Zu spät zum Aussteigen.
Ach ja, Santa Maria Maggiore hat auch einen berühmten Sohn, Johann Maria Farina. Du kennst ihn nicht? Sein Name ruft bei dir nur Rätselraten und Stirnrunzeln hervor? Vielleicht war es die Erinnerung an den Duft der hochsommerlichen Bergalme, den Duft von Blüten und Kräutern, der ihn im frühen 18. Jahrhundert zu einer neuen Duftkreation inspiriert hat, in Köln übrigens. Von dort hat sie auch ihren Namen: Eau de Cologne. |
Nach einer Stunde erreichen wir Santa Maria Maggiore, den höchsten Punkt der Strecke. Eigentlich wollen wir aussteigen. Aber als ich die große Zahl von Campmobilen auf den Wiesen sehe und den überfüllten Biergarten, da entscheide ich mich doch für den Verbleib im Zug, ein Fehler, wie ich später feststelle. An diesem Wochenende ist der große Festtag der Gemeinde, das internationale Treffen der Schornsteinfeger. In früheren Jahrhunderten galt diese Bergregion als eine der ärmsten Italiens. In ihrer Not verdingten die Bauern ihre kleinen Buben im Alter von 5 bis 7 Jahren im Winterhalbjahr nach Mailand, wo sie als Schornsteinfeger arbeiten mussten. Kein leichter Job und gefährlich obendrein für die Kleinen. Sie mussten in den schmalen Kaminen hoch klettern und dabei den Ruß von den Steinen abkratzen. Damit sie im Kamin nicht stecken bleiben, mussten sie schmal und klein sein, und bekamen daher auch wenig zu essen. Viele Unfälle passierten bei dieser unmenschlichen Arbeit. Erst Mitte des 20. Jahrhunderts, als moderne Heizanlagen die Holzfeuerung ablösten, wurde diese Tätigkeit beendet. |
Nach kurzem Aufenthalt in Santa Maria Maggiore setzt der Zug sich wieder in Bewegung. Nun geht es durch das Centovalle talabwärts. Immer wieder überquert der Zug tief eingeschnittene Schluchten. Hundert Täler sollen es sein. Ich habe sie nicht gezählt. In Camedo bleibt der Zug auf der hohen Talbrücke stehen. Zwei Zöllner durchstreifen den Zug. Jenseits der Brücke liegt die Schweiz, und die mag keine Einwanderer aus Afrika und Asien.
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In den Aussenbezirken von Locarno taucht der Zug ins Dunkel eines Tunnels ein. Wie in Domodossola endet die Fahrt im Tiefbahnhof. Wir verabschieden uns von der Jugendgruppe, sie nehmen den nächsten Zug nach Lugano und werden erst tief in der Nacht wieder ihren Heimatbahnhof erreichen. Vom Treppenaufgang her grüßt die Sonne. Das erste, was ich feststelle: Locarno ist ein teures Pflaster. Wären wir nur in Santa Maria Maggiore geblieben! Keine Pizza unter 15 Euro und Salat wird mit Gold aufgewogen. Die Stadt ist geprägt von neuen modernen Gebäuden. Die Uferpromenade spiegelt den Ruf wieder, den das Tessin hat. Hier wohnt, wer Geld hat.
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Wir lassen uns den Weg in die Altstadt zeigen. Ein langgestreckter Platz mit prachtvollen Patrizierhäusern, die der Sonne zugewandt sind. Auch wenn die Marktplätze von Domodossola und Locarno im alten Glanz wetteifern, erscheint mir Locarno wie der reiche Onkel aus Amerika. Hinter der Altstadt zieht sich die Bebauung weit den Berg hinauf. Fürwahr ein Sonnenhügel. Ich möchte nicht wissen, wieviel dort der Quadratmeter Bauland kostet.
Langsam werden die Villen und Hotels von Locarno kleiner und verschwinden hinter der Schaumkrone, die die Schiffsschraube aufwirbelt. Im dritten Abschnitt unserer Rundreise wird uns der "Lago Maggiore Express" in einer dreistündigen Fahrt über den See zurück nach Stresa bringen. Das Nachmittagslicht und die Schwüle verwandeln die Berge in mattblaue Riesen, die den See belagern. Die Wellen leuchten im gleißenden Licht hell auf.
Eine Insel taucht auf, eigentlich zwei, wie ich beim Näherkommen sehe. Am Ufer weht die rote Fahne mit dem weißen Kreuz der Schweiz. Es ist die Isola Brisage und gleichzeitig die Grenze zu Italien. Die Inseln haben eine wechselvolle Geschichte: Zufuchtsort der Christen in der Römerzeit, ein Kloster im Mittelalter, das im 16. Jahrhundert vom Papst wegen "zu grosser Degenerierung und Entfernung von der christlichen Botschaft" aufgelöst wurde, Dynamitfabrik während des Baus des Gotthardtunnels, Künstlertreffpunkt unter der russischen Baronin Antoinette de St. Lèger, extravagante Spielwiese des Hamburger Kaufmanns Max Emden und schließlich botanischer Garten des Kantons Tessin. Am Strand plantschen Kinder und Jugendliche und von irgendwo her zieht der Duft von Grillfleisch in meine Nase.
Das Schiff legt nach kurzem Halt ab und nimmt wieder Fahrt auf. Die große Fahne Italiens am Bug steht steif im Wind. Kleine Dörfer kleben an den Berghängen. Der Kirchturm scheint wie die Stecknadel, mit der der Flecken am Berg angeheftet ist. Lang zieht sich der See. Nun verstehe ich, warum er auf Deutsch Langensee genannt wird. 80 Kilometer ist er lang und die breiteste Stelle misst gerade mal 4500 Meter. Cannobio, Cannera, Luino, Verbania, der Lago Maggiore Express bringt uns zu all den großen Orten am See, die sich von der Wasserseite her im besten Licht zeigen. Bevor das Schiff Stresa erreicht, werden noch die drei borromäischen Inseln angefahren und dort die letzten Tagesbesucher eingesammelt.
Das Schiff legt nach kurzem Halt ab und nimmt wieder Fahrt auf. Die große Fahne Italiens am Bug steht steif im Wind. Kleine Dörfer kleben an den Berghängen. Der Kirchturm scheint wie die Stecknadel, mit der der Flecken am Berg angeheftet ist. Lang zieht sich der See. Nun verstehe ich, warum er auf Deutsch Langensee genannt wird. 80 Kilometer ist er lang und die breiteste Stelle misst gerade mal 4500 Meter. Cannobio, Cannera, Luino, Verbania, der Lago Maggiore Express bringt uns zu all den großen Orten am See, die sich von der Wasserseite her im besten Licht zeigen. Bevor das Schiff Stresa erreicht, werden noch die drei borromäischen Inseln angefahren und dort die letzten Tagesbesucher eingesammelt.
Das Apartment neben uns wurde heute Morgen in aller Frühe an den Vermieter übergeben. Noch im Halbschlaf höre ich die Maklerin mehrfach "ok" sagen. Stühle werden gerückt. Dann ist es still, mucksmäuschenstill. Das Apartment hat eine Sonnenterrasse und golfplatzgepflegten Rasen. All das unterscheidet es schon von dem unsrigen. Während wir es uns zum Frühstücken auf unserer Terrasse gemütlich machen, sehe ich ab und zu die Putzfrau, wenn sie sich eine Zigarettenpause gönnt. Gegenüber lauscht ein Nachbar gedämpfter klassischer Musik. Dann schlagen Autotüren, Männerstimmen werden laut, drei Arbeiter rücken mit schwerem Gerät an: Benzinrasenmäher, Rasentrimmer und Laubgebläse. Dann geht es los. Der Rasen wird um gefühlte zwei Millimeter gekürzt, die vorwitzigen Grashalme an der Terrassenkante zurecht gestutzt und jedes trockene Blättchen aus seinem Versteck mit ohrenbetäubendem Lärm weggeblasen. Aufgeschreckt flüchten die Stechmücken hilfesuchend zu uns. Nach einer Stunde ist der Spuk vorbei. Die Putzfrau saugt nochmals das letzte Stäubchen von der Terrasse. Endreinigung! Die neuen Gäste können kommen.
Auch für uns ist der letzte Abend angebrochen. Am Strand packen die letzten Badegäste ihre Sachen zusammen. Die Sonne ist schon hinter dem Berg verschwunden. Nur ihre Strahlen liegen noch auf dem Hang oberhalb von Baveno und treffen auf die letzte Fähre vor der Isola Bella. Wir schlendern zum Strand-Café. Nun hat auch der letzte Fährmann sein Wassertaxi am Liegeplatz verankert und stakt hoch aufgerichtet auf seinem Kahn dem Ufer zu. Stille breitet sich über dem See aus.