Der Hessische BahnRadweg - Teil 1:
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Schloß Philippsruhe
„Und so was tust du dir an?“ war die Frage von Peter, als ich ihm am Vorabend von meinem Vorhaben erzählte. „Ja, das tue ich mir an.“ Ein strahlend blauer Himmel begrüsst mich an diesem Montag Morgen. Die Sonne verspricht heute ihr bestes zu geben und ich glaube bemerkt zu haben, daß der jüngere der Brüder Grimm auf dem Sockel vor dem Neustädter Rathaus den obersten Knopf seines Fracks gerade geöffnet hat, als wir den Platz überqueren. Ist ja auch kein Wunder, stehen sie doch an solchen Tagen in der prallen Sonne und Schwitzen ist nicht jedermanns Leidenschaft. Ich bleibe noch etwas eingepackt in meiner Zwiebelkleidung und markiere damit den roten Fleck vor dem Startschild für den Hessischen Bahnradweg unten am Mainufer. Die Goldspitzen des Tores zum Schloß Philippsruhe funkeln im Sonnenlicht und geben Zeugnis von Hanau als Stadt der Goldschmiedekunst und der edlen Metalle, eine übergroße Visitenkarte vor ebenso schöner Kulisse.
Hanau hat auch eine Burgruine, ein Kuriosum aus dem Rokoko. Es entsprach der Mode der Zeit, eine Burgruine sein eigen zu nennen und wer keine aus dem Mittelalter hatte, baute sich halt eine. So geschehen bei der Anlage des Kurparks von Wilhelmsbad. In dem auf alt gestylten Gemäuer ist ein Lustschlösschen versteckt mit einem versteckten Ein- und Ausgang für die Mätresse des Grafen von Hanau. Man gönnt sich ja sonst nichts.
Hanau hat auch eine Burgruine, ein Kuriosum aus dem Rokoko. Es entsprach der Mode der Zeit, eine Burgruine sein eigen zu nennen und wer keine aus dem Mittelalter hatte, baute sich halt eine. So geschehen bei der Anlage des Kurparks von Wilhelmsbad. In dem auf alt gestylten Gemäuer ist ein Lustschlösschen versteckt mit einem versteckten Ein- und Ausgang für die Mätresse des Grafen von Hanau. Man gönnt sich ja sonst nichts.
Am Ortsausgang von Mittelbuchen beginnt der erste Anstieg. Erstaunlich locker trotz der 20 Kilo Gepäck geht es bergauf. Gern hätte ich oben von der Hohen Straße aus nochmals das Auge im weiten Blick übers Rhein-Main-Gebiet wandern lassen, vom Hahnenkamm am Spessartrand über die Spitze des Otzbergs, der den nördlichen Rand des Odenwaldes überragt, im Westen der gewaltige Donnersberg jenseits von Mainz bis hin zum Feldberg, dem Frankfurter Hausberg. Selbst im Nordosten ist heute nicht die Spargelspitze des Hoherodkopfes zu sehen, der Fernsehturm hoch oben auf dem Vogelsberg. Diesig und schwammig präsentiert sich der Rundblick, kein schöner Land heute. Also unterlasse ich auch das beliebte Singen an dieser Stelle.
Die Hohe Straße erwacht wieder zu neuem Leben. Nicht nur, weil wir heute hier lang radeln. Einst verband sie als Via Regia Paris über Frankfurt mit Krakau und Riga, in Leipzig kreuzte sie die Via Imperii, die von Rom nach Stettin führte. Sie zählte zu den wichtigsten Straßen des deutschen Reiches und stand unter der hoheitlichen Aufsicht des Kaisers, was ihr den Namen „Hohe Straße“ einbrachte. Heerscharen von Kaufleuten und Soldaten zogen viele Jahrhunderte hier lang. Und weil man hier so gut laufen konnte, wurde sie dann auch in das Geflecht des Jakobsweges eingebunden. Wenn Harpe Kerkelings das gewußt hätte. Kunstobjekte zum Anfassen säumen den Weg und die riesigen Rotoren der Windenergieräder, die seit kurzem den Bergkamm krönen, brummen leise vor sich hin. Derweil laden die Kunstobjekte, welche die Hohe Straße säumen, zum Verweilen ein. Mal eine Himmelsschaukel, die wochenends von Familien umlagert ist, mal eine überdimensionierte Bank als Lesecke, in der man, in eine kuschelige Decke eingehüllt, so manche Stunde verbringen kann, immer wieder den Blick von den Buchstaben lösend über die Landschaft gleitend und den Tag ausklingen lassend.

die Burg Lißberg vom Kneippbecken aus gesehen
Der Vulkanradweg ist das Rückgrat des Hessischen Bahnradweges, der vom Mainufer in Hanau über Altenstadt, Gedern, Lauterbach, Fulda bis nach Bad Hersfeld führt. Er verläuft über die Bahntrasse der ehemaligen Oberwaldbahn, die zwischen 1888 und 1907 zum Abtransport des Erzes aus dem Vogelsberg gebaut worden war. Sie zählte auch zu den ersten Bahnstrecken, die stillgelegt wurden.
Von Eichen bis Ortenberg ist die Strecke schön flach, familienfreundlich würden die Marketingexperten sagen. Am Ortseingang von Ortenberg steht eine Gruppe von Stelen, ein Kunstobjekt von Wilfried Klaus. Jede Stele findet sich entlang der Strecke an einem besonderen "Haltepunkt" wieder.
Hinter der Burg von Ortenberg beginnt nun der Anstieg. Das Angenehme an diesen ehemaligen Bahntrassen, die ich gerne fahre, ist die geringe Steigung von 2 bis 2,5%.
Von Eichen bis Ortenberg ist die Strecke schön flach, familienfreundlich würden die Marketingexperten sagen. Am Ortseingang von Ortenberg steht eine Gruppe von Stelen, ein Kunstobjekt von Wilfried Klaus. Jede Stele findet sich entlang der Strecke an einem besonderen "Haltepunkt" wieder.
Hinter der Burg von Ortenberg beginnt nun der Anstieg. Das Angenehme an diesen ehemaligen Bahntrassen, die ich gerne fahre, ist die geringe Steigung von 2 bis 2,5%.
Die Dampfloks können keine größere Steigung bewältigen, sonst verlieren die Räder den Kontakt zu den Schienen. Abseits der Straßen führt nun die Trasse über Wiesen und Felder, an Sportplätzen und Kläranlagen vorbei, am schattigen Rand der hochstrebenden Berghänge und gibt immer wieder den Blick auf frei auf eine schöne Dorfkulisse, eine sprudelnde Quelle oder einen verspielt tanzenden Wasserstrudel in einem kleinen Bach.
Die sanfte aber stetige Steigung lädt mich sowieso nicht zu schnellen Geschwindigkeiten ein und für ein Päus’chen bin ich immer zu haben, sei es um das Reh zu beobachten, das elegant am Waldesrand flüchtet, bis es seinen Durchlaß in den dichten Wand findet, oder um Jürgen zu lauschen, der ungeahnte Fähigkeiten preis gibt, mal ein gedicht fehlerlos und wohl akzentuiert vorträgt, mal bei der Stele „Stimmgabel“ seine Mundharmonika aus der Tasche zieht und ein Liedchen zum Besten gibt. So wird der 10 Kilometer lange Anstieg zu einem kurzweiligen Vergnügen, das wir bei unserer Gastgeberin Regina mit Quetschekuchen und Kaffee zwischen Schmetterlingen und Wespen beschließen. |
Vulkanradexpress bis in 770 Meter hoch zum Hoherodskopf chauffieren lassen und dann je nach Temperament gemächlich oder stürmisch ins Tal rollen. Wenn ich mal älter bin, werde ich mich da auch mal reinsetzen.
15 Kilometer lang ist der Anstieg bis zum Sattel in Hartmannshain, dessen Gaststätte wir heute inks liegen lassen, denn unsere Begleiter für den heutigen Nachmittag warten schon in Grebenhain, das wir in eleganter Schußfahrt erreichen. Ein herrlicher Tag ist heute, Kaiserwetter sagt man dazu. Weiße Schönwetterwolken triften über einen tiefblauen Himmel. Die Dächer der Ortschaften, sauber gewaschen von dem Regen der vergangenen Tage, strahlen in ihrem herrlichsten Rot und Heerscharen von gelben Blüten geben den grünen Wiesen einen sommerlichen Anstrich. |
Mit einer weitausladenden S-Kurve, die uns immer schönere Ausblicke auf Gedern beschert, beginnt der zweite Tag und damit auch der Anstieg auf den Scheitelpunkt des Vulkanradweges. 280 Höhenmeter sind zu überwinden und ich bin Regina dankbar, daß sie den Gepäcktransport für uns übernommen hat.
Der Vogelsberg ist das größte zusammenhängende Vulkangebiet in Mitteleuropa. Er ist kein Einzelvulkan sondern eine ganze Gruppe von Vulkanen, die ihre Basaltschichten übereinander gestapelt haben, so daß er sich heute als Treppenlandschaft mit der Größe des Saarlandes darstellt. Wer die Mühe das Anstiegs scheut, kann sich im Sommer mit dem |
Von Grebenhain führt der Vulkanradweg über eine Hochebene, die sanft gewellt hinter dem Taufstein liegt. Die Eisenbahntrasse nimmt jede Biegung und jedes Talrund mit, um möglichst alle Steigungen zu vermeiden. Goldgelb die Getreidefelder, in mattem Rot der Mohn an den Ackerränder. Weit schweift der Blick, die Gedanken wandern.
Ein Märchenschloß erwartet uns, Schloß Eisenbach. Abseits der großen Straßen gelegen war es in den Dornröschenschlaf fallen, bis die Radler des Vulkanradweges die Gaststätte entdeckten. Ein warmes Süppchen ist heute mein Mittagsmahl.
Ein Pfau ist und bleibt ein Pfau, auch wenn er schon in gehobenem Alter ist und seine Federpracht arg gerupft. Doch vor den versammelten Gästen lässt er es sich nicht nehmen, sich mit stolzer Brust auf die Treppe zu stellen, die von der Gaststube in den Biergarten führt, und die beiden hübschen jungen Mädels zu beäugen, welche die Gäste bedienen Er stört sich auch nicht daran, daß auf der Tafel Putenbrust angepriesen wird. Schließlich ist ein stolzer Pfau ja auch keine dumme Pute.
Ein Märchenschloß erwartet uns, Schloß Eisenbach. Abseits der großen Straßen gelegen war es in den Dornröschenschlaf fallen, bis die Radler des Vulkanradweges die Gaststätte entdeckten. Ein warmes Süppchen ist heute mein Mittagsmahl.
Ein Pfau ist und bleibt ein Pfau, auch wenn er schon in gehobenem Alter ist und seine Federpracht arg gerupft. Doch vor den versammelten Gästen lässt er es sich nicht nehmen, sich mit stolzer Brust auf die Treppe zu stellen, die von der Gaststube in den Biergarten führt, und die beiden hübschen jungen Mädels zu beäugen, welche die Gäste bedienen Er stört sich auch nicht daran, daß auf der Tafel Putenbrust angepriesen wird. Schließlich ist ein stolzer Pfau ja auch keine dumme Pute.

Auf dieser Strecke begegnen uns immer wieder Radwanderer, ebenso gepäckbeladen wie wir. Meist sind es Grauköpfe, wie Regina lächelnd anmerkt und schon schlägt sie vor, dass wir eine Reiseagentur gründen: RRR - Rüstige Rentner Reisen. Die Stimmung ist gut.
Vom Schloß Eisenbach führt der Weg dann hinunter nach Lauterbach direkt in die Eisdiele am Marktplatz. Ein Eis in Lauterbach, das muß sein, das ist inzwischen schon Tradition und selbst Kuschel und Stups freuen sich schon den ganzen Tag darauf.
In Lauterbach verlassen uns dann auch wieder unsere Begleiter. Fulda ist nun unser Ziel. Vorbei an Bad Salzschlirf immer entlang der Lauter, bis sie hinter Schlitz in die Fulda mündet.
In einem Prospekt wird dieser Weg als familienfreundlich beschrieben: „Man fährt flußaufwärts, was wohl niemand dank der geringen Strömung des Flusses bemerken wird.“ Und dann anderer Stelle „Man radelt sehr angenehm in der flachen Talmude.“ Der Autor dieser Zeilen muß die Druckvorlagen des Prospektes verwechselt haben. In einem Boot sitzend wird man sicher kaum bemerken, daß man flußaufwärts fährt, aber Talmulden haben die unangenehme Eigenschaft, daß sie auch Ränder haben und die Planer des Radweges haben ähnlich der Arena des Sechstagesrennens den Radweg immer wieder die Muldenränder auf und abwärts geführt. 90 Kilometer hat mein Sitzfleisch am heutigen Tag schon hinter sich, da geben solche Zeilen zu allerlei Kommentaren Anlaß, die ich hier nicht wiederholen möchte. Die Familienfreundlichkeit dürfen wir nach dem letzten Anstieg studieren. Eigentlich ein schönes Panorama der Stadt Fulda hier auf der letzten Anhöhe, die Spitzen des Doms funkeln im Spätnachmittagslicht und die Augen des kleinen Buben, der erschöpft über seinem Fahrradlenker hängt, funkeln arg dunkel, die Eltern wagen nicht in anzusprechen, das ist Familienfreundlichkeit pur.
Vom Schloß Eisenbach führt der Weg dann hinunter nach Lauterbach direkt in die Eisdiele am Marktplatz. Ein Eis in Lauterbach, das muß sein, das ist inzwischen schon Tradition und selbst Kuschel und Stups freuen sich schon den ganzen Tag darauf.
In Lauterbach verlassen uns dann auch wieder unsere Begleiter. Fulda ist nun unser Ziel. Vorbei an Bad Salzschlirf immer entlang der Lauter, bis sie hinter Schlitz in die Fulda mündet.
In einem Prospekt wird dieser Weg als familienfreundlich beschrieben: „Man fährt flußaufwärts, was wohl niemand dank der geringen Strömung des Flusses bemerken wird.“ Und dann anderer Stelle „Man radelt sehr angenehm in der flachen Talmude.“ Der Autor dieser Zeilen muß die Druckvorlagen des Prospektes verwechselt haben. In einem Boot sitzend wird man sicher kaum bemerken, daß man flußaufwärts fährt, aber Talmulden haben die unangenehme Eigenschaft, daß sie auch Ränder haben und die Planer des Radweges haben ähnlich der Arena des Sechstagesrennens den Radweg immer wieder die Muldenränder auf und abwärts geführt. 90 Kilometer hat mein Sitzfleisch am heutigen Tag schon hinter sich, da geben solche Zeilen zu allerlei Kommentaren Anlaß, die ich hier nicht wiederholen möchte. Die Familienfreundlichkeit dürfen wir nach dem letzten Anstieg studieren. Eigentlich ein schönes Panorama der Stadt Fulda hier auf der letzten Anhöhe, die Spitzen des Doms funkeln im Spätnachmittagslicht und die Augen des kleinen Buben, der erschöpft über seinem Fahrradlenker hängt, funkeln arg dunkel, die Eltern wagen nicht in anzusprechen, das ist Familienfreundlichkeit pur.
100 Kilometer zeigt mein Tacho an, als wir endlich das Hotel erreichen. Die nette Dame am Telefon der Touristeninformation von Fulda war so freundlich, es für mich ausfindig zu machen. Eine kühle Dusche, eine kurze Stärkung im Biergarten, dann falle ich ins Bett. Ich bin schlags kaputt. So ausgeprägt wie das Höhenprofil, so tief ist mein Schlaf in dieser Nacht.
Wenn ich mir auf der Übersichtskarte den Hessischen Bahnradweg anschaue, dann sehe ich, dass er sich wie eine Acht schlingt. Spontan kommt mir ein neues Schlagwort für diese Strecke in den Sinn: