Eine Reise ins Hanauerland
Juli 2012
am Ortseingang von Dossenheim sur Zinsel kündigt sich das Hanauerland an
Wenn ich in einem Satz vom Hanauerland und vom Elsass spreche, dann ernte ich oft ungläubige Blicke. „Was erzählt der denn da für dummes Zeug“, scheinen sie zu sagen. Genauso verwundert habe ich geschaut, als ich in den 70er Jahren auf dem Weg nach Südfrankreich durch das nördliche Elsass fuhr und plötzlich das „Hotel aux Comtes de Hanau“, die „Rue de Hanau“ und die „Pressing Hanau“ sah. Ich stellte damals keine Verbindung zu der Stadt Hanau östlich von Frankfurt her, wieso auch. Obwohl. Interessiert hat mich der Ursprung dieser Namensidentität schon damals.
Ich wohnte schon einige Jahre in Hanau, als ich durch Hubert Zilch auf das Hanauerland aufmerksam wurde und dann immer wieder mal für ein Wochenende hinfuhr, und jetzt werden es zwei Wochen sein..
In diesem Landstrich sind nicht die bekannten und die wohlklingenden Namen der elsässer Puppenstubenromantik zu finden, so wie Obernai, Riquewihr oder Ribeauvillé. Solche wohlklingenden Namen sind in unserem Elsassbild eng verwoben mit der Weinstraße und ihrem schmackhaften Gewürztraminer und Pinot Noir. Doch hier ins Hanauerland verirren sich nur wenige Touristen. Wie eine grün gescheckte Samtdecke, mit der Hand leicht zusammengeschoben zu sanften Wellen, ohne schroffe Falten, so präsentiert sich diese Region meinem Auge vor den Höhen der Nordvogesen, dort, wo an einem Aussichtspunkt sich ein freier Blick in die Rheinebene öffnet. Die Grafen von Hanau-Lichtenberg beherrschten diese Ebene, während die Fleckensteiner und die Grafen von la Petite Pierre die Herren der dunklen Wälder waren, die sich über die Vogesenberge ziehen.
Ich wohnte schon einige Jahre in Hanau, als ich durch Hubert Zilch auf das Hanauerland aufmerksam wurde und dann immer wieder mal für ein Wochenende hinfuhr, und jetzt werden es zwei Wochen sein..
In diesem Landstrich sind nicht die bekannten und die wohlklingenden Namen der elsässer Puppenstubenromantik zu finden, so wie Obernai, Riquewihr oder Ribeauvillé. Solche wohlklingenden Namen sind in unserem Elsassbild eng verwoben mit der Weinstraße und ihrem schmackhaften Gewürztraminer und Pinot Noir. Doch hier ins Hanauerland verirren sich nur wenige Touristen. Wie eine grün gescheckte Samtdecke, mit der Hand leicht zusammengeschoben zu sanften Wellen, ohne schroffe Falten, so präsentiert sich diese Region meinem Auge vor den Höhen der Nordvogesen, dort, wo an einem Aussichtspunkt sich ein freier Blick in die Rheinebene öffnet. Die Grafen von Hanau-Lichtenberg beherrschten diese Ebene, während die Fleckensteiner und die Grafen von la Petite Pierre die Herren der dunklen Wälder waren, die sich über die Vogesenberge ziehen.
Ein zusammenhängendes Gebiet war die Grafschaft Hanau-Lichtenberg nie, eher ein Flickenteppich auf der Landkarte, der neben der Region rund um Hanau aus vielen einzelnen Gemeinden, seinerzeit "Ämter" genannt, rechts und links des Rheins bestand, zwischen denen sich dann auch Gemeinden tummelten, die zu anderen Grafschaften gehörten. Das war damals so üblich.
Und noch etwas markant Historisches: Wenn ich dieses Land mit einem anderen griffigem Begriff kennzeichnen sollte, dann würde ich es „Land der Napoleonbänkchen“ nennen. Sie sind allgegenwärtig, stehen am Straßenrand wie kleine Denkmäler aus Sandstein und sind es auch. Heutzutage sind viele von ihnen Mittelpunkt einer kleinen, von der Gemeinde adrett gestalteten Grünfläche am Ortsrand oder auf halbem Weg zum nächsten Ort. Im Volksmund heißen sie „Ruehbank“. 448 von ihnen wurden im Jahr 1854 im nördlichen Elsass zur Erinnerung an die Hochzeit der Kaiserin Eugenie mit Napoleon III aufgestellt und sie heißen ganz offiziell "Ruhebank der Kaiserin". Für die Bauern eine ganz wichtige Einrichtung, denn auf dem Weg zum Markt, konnten sie hier eine kurze Rast einzulegen und die schwere Last mal abzusetzen. Die Körbe mit ihren Waren, die sie auf dem Kopf trugen, wurden bequem auf dem oberen Querbalken abgesetzt, während der untere Querbalken zum Sitzen diente.
die Burg Lichtenberg, wo alles begann
So mancher hofft vergebens aufs große Erbe des Onkels aus Amerika. Anderen fällt hingegen qua Geburt, gepaart mit glücklichen Umständen ein großes Erbe zu. Graf Philipp I von Hanau verbandelte sich im Jahre 1458 im Begehren, das Aussterben seines edlen Geschlechts zu verhindern, mit der Gräfin Anna von Lichtenberg. Ein männlicher Erbe ward geboren und sein Ziel war erreicht. Nach dem Tode von Annas Onkel, Jakob im Jahr 1480, dem letzten männlichen Nachkommen jener von Lichtenberg starb das Geschlecht der Herren von Lichtenberg aus. Dem Sohn von Philipp I und Anna fiel das daraufhin das gemeinsame Erbe seiner Eltern zu. Damit beginnt die Geschichte der vereinten Grafschaft Hanau-Lichtenberg, bis sie nach 200 Jahren das gleiche Schicksal ereilt derer von Lichtenberg. Auf Dauer geblieben ist der Name "Hanau" in dieser Region.
Ungemütlich ist es. Der Wind treibt mir die Regentropfen in den Nacken und im wehrhaften Tunnel, der vom Tor mit der Zugbrücke zur Burg hoch führt, zieht es gewaltig. Die Burg Lichtenberg liegt hoch auf einem Sandsteinsporn und überragt die umliegenden Berge im Naturpark Nördliche Vogesen.
Ein breiter Burggraben ist zwischen die gewaltige, wohl fünfzehn oder gar zwanzig Meter hohe Burgmauer und den Berghang gezogen, breit und tief genug, um mögliche Angreifer von der Mauer fern zu halten. Ein Hirtenjunge soll dem Herren von Lichtenberg irgendwann im 12. oder 13. Jahrhundert den Tipp für diesen Platz gegeben haben, strategisch eine ausgezeichnete Lage. Die Burg wuchs schnell in ihrer Bedeutung, so dass der am Fuße der Burg gelegene gleichnamige Ort schon 1305 die Stadtrechte zuerkannt bekam. Daniel Specklin, der bekannte Straßburger Architekt, baute 1580 die Burg zu einer wehrhafter Festung aus. Vauban, der Festungsbauer des Sonnenkönigs, setzte dieses Werk fort.
Doch gegen die modernen Waffen sind die gewaltigen Mauern aus gewachsenem und gemauertem Sandstein machtlos geworden. Im Feuer der Granaten und Gewehrmunition versinken die Gebäude im Inneren des Burghofes im Krieg von 1870 in Rauch und Asche. Wie Pockennarben übersähen heute noch die Einschläge die übrig gebliebenen Mauern. Der moderne Krieg hat nach vielen Jahrhunderten die Trutzburg Lichtenberg in die Knie gezwungen.
Die deutsche Verwaltung setzte die Burg schon 1878 unter Denkmalschutz. Dadurch blieb ihr das Schicksal zahlreicher anderer Burgen erspart, welche nach Zerstörung und Vertreibung der Feudalherren zum Steinbruch für die ortsansässigen Bauherren wurden. Aus dem Trümmerfeld des Krieges wurden Teile der Burganlage wieder aufgebaut. Ihre Silhouette zeugt heute noch von Weitem von der einstigen Macht der Grafen von Hanau-Lichtenberg.
Die deutsche Verwaltung setzte die Burg schon 1878 unter Denkmalschutz. Dadurch blieb ihr das Schicksal zahlreicher anderer Burgen erspart, welche nach Zerstörung und Vertreibung der Feudalherren zum Steinbruch für die ortsansässigen Bauherren wurden. Aus dem Trümmerfeld des Krieges wurden Teile der Burganlage wieder aufgebaut. Ihre Silhouette zeugt heute noch von Weitem von der einstigen Macht der Grafen von Hanau-Lichtenberg.
Frei schweift mein Blick von der Burgmauer über das weite Land. Im Norden und Westen kann ich die einzelnen Berge und Bergrücken der Vogesen zählen. Das Tal der Moder windet sich zwischen ihnen hindurch. Im Osten räkelt sich der langgezogene Rücken des Schwarzwaldes, der sich irgendwo im Süden verliert. Zum Südwesten hin habe ich an schönen Tagen schon bis zur Burg Haut Barr bei Saverne blicken können Ein wahrlich weit schweifender Blick. Doch dem von der Ebene Herannahenden verdeckt ein etwas niedrigerer Bergrücken den Blick auf die Burg. Die saftig grünen Hügel des Hanauerlandes wellen sich sachte zwischen diesem Bergenrund. Des Abends sieht man den Rauch aus den Schornsteinen der in den Tälern versteckten Dörfer hochsteigen. Ja, an schönen Tagen ist es so. Aber heute haben die Regenwolken einen Schleier über die dunklen Vogesenwälder gelegt, ein leichter Nieselregen malt die Szenerie in einem tristen Graublau. Dagegen hebt sich das Rosaweiß des Steinbrech, das leuchtende Violett der Bergnelke und das tiefe Blau der Statitzen, die auf der breiten Mauer siedeln, wohltuend ab. Ein warmer Kaffee tät jetzt gut.
Auf dem kleinen Platz vor dem Bistro im Burghof ist eine Bühne aufgebaut. Heute Abend wird wieder das Stück „de gross Màkàber“ von der Laienspielgruppe des Theaters von Lichtenberg aufgeführt. Ein kurzer Blick zwischen uns und auf den Himmel. Schade, dass ausgerechnet heute das Wetter nicht mitspielt, es hätte noch Karten gegeben. Seit über dreißig Jahren finden jedes Jahr die Theaterspiele statt. Die Burg ist heute zum kulturellen Zentrum geworden. Ein Museum für die geologische Geschichte der Vogesen und der Rheinebene, ein großer Ausstellungsraum und ein Auditorium sind in der Burganlage untergebracht.
Oft habe ich die trutzige Burganlage schon besucht, doch immer wieder entdecke ich Neues. Die Revolutionäre von 1789 sollen an der Burgkapelle eine Inschrift hinterlassen haben: „Dies ist der Tempel der Vernunft“. Diesmal habe ich die Schrift noch nicht gefunden, aber den entscheidenden Hinweis habe ich schon. Ich muss also wieder hin.
Auf dem Weg zurück nach Ingwiller sehe ich in einer Biegung der Straße noch einmal hoch auf dem Bergsporn die Burganlage liegen. Trutzig steht sie da im wechselnden Licht des Sonnenspiels. Ihre eindringliche Macht als Festung und Sitz der Herrscher dieser Region hat sie bis heute nicht verloren.
Oft habe ich die trutzige Burganlage schon besucht, doch immer wieder entdecke ich Neues. Die Revolutionäre von 1789 sollen an der Burgkapelle eine Inschrift hinterlassen haben: „Dies ist der Tempel der Vernunft“. Diesmal habe ich die Schrift noch nicht gefunden, aber den entscheidenden Hinweis habe ich schon. Ich muss also wieder hin.
Auf dem Weg zurück nach Ingwiller sehe ich in einer Biegung der Straße noch einmal hoch auf dem Bergsporn die Burganlage liegen. Trutzig steht sie da im wechselnden Licht des Sonnenspiels. Ihre eindringliche Macht als Festung und Sitz der Herrscher dieser Region hat sie bis heute nicht verloren.
Weiterswiller - wo die Häuser noch Geschichte ausatmen
Ein Klappern weckt mich des morgens in aller Früh. Eine Ahnung führt mich zum Fenster. Unweit unseres Ferienhauses habe ich gestern ein Storchennest gesehen. Vielleicht kann ich einen Blick in des Storchen Kinderstubb erhaschen. Doch der Blick zum Nest ist versperrt, ein schönes altes Schindel gedecktes Dach nimmt mir die Sicht. Schönheit ist halt nicht immer praktisch. Da klappert es wieder – diesmal von rechts. Auf dem First des Nachbarhauses steht er, der Storch, auf einem Bein, so wie es sich gehört. Und er blickt immer in Richtung Nest, offensichtlich ein Single. Da bildet sich spontan ein kleines Verslein in meinem Sinn:
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Weiterswiller, einer der vielen kleinen Orte voller Historie
Weiterswiller liegt am Ausgang der nördlichen Vogesen. Die Berge tragen deutsche Namen, Relikte aus der 800-jährigen Zugehörigkeit dieser Region zu dem deutschen Reich. Erst mit dem westfälischen Frieden von 1648 wurde das Elsass Frankreich zugesprochen. Der Ort hat immer noch seine dörfliche Struktur. Neue Häuser fügen sich in alte Bausubstanz, die erhalten und gepflegt wird. Bis tief ins Mittelalter reicht die geschriebene Geschichte zurück. Hier, am Fuße der Berge der Nordvogesen, kreuzten sich schon früh eine West-Ost- und eine Nord-Süd-Verbindung. Auf der Ost-West-Verbindung führt heute noch die Straße nach La Petite Pierre hoch. Doch die großen, stark frequentierten Landstraßen und Autobahnen durchqueren einige Kilometer weiter südlich die Vogesen. So ist Weiterswiller die Gelassenheit der Abgeschiedenheit erhalten geblieben.
Ein römischer Tempel, dem Gott Mercurius geweiht, soll hier einmal gestanden haben. Auf dem Fundament des Tempels errichteten später die Christen ihre erste Kapelle. Sie wurde im Jahre 1338 etwas unterhalb durch eine romanische Kirche ersetzt. Diese kleine Kirche mit Fresken aus dem 15. Jahrhundert weiß sicher viel über das Leben der Menschen, über Glück und Leid und über wechselnde Herrschaften zu berichten. Der Geschichte erlebte 1648 ihren Tiefpunkt, als der dreißigjährige Krieg und die Pest die Bevölkerung auf 4 Personen reduzierte. Aber das Schicksal vieler umliegender Dörfer blieb Weiterswiller erspart. Das Dorf verfiel nicht, aus der Schweiz und dem südlichen Frankreich kam Zuzug, und die Bevölkerung erholte sich langsam wieder.
Mal waren es die Grafen zu La Petite Pierre, mal die zu Fleckenstein, mal die zu Hanau-Lichtenberg, die die Gemeinde ihr Eigen nannten. Die Fleckensteiner errichteten sogar ein kleines Schloss, von dem heute nur noch ein Mauerrest übrig geblieben ist. Ihre Herrschaft drückte den Bewohnern auch ihre Religion auf. So kommt es, dass heute in diesem 550-Seelen-Dorf eine katholische und eine protestantische Kirche stehen.
Ein römischer Tempel, dem Gott Mercurius geweiht, soll hier einmal gestanden haben. Auf dem Fundament des Tempels errichteten später die Christen ihre erste Kapelle. Sie wurde im Jahre 1338 etwas unterhalb durch eine romanische Kirche ersetzt. Diese kleine Kirche mit Fresken aus dem 15. Jahrhundert weiß sicher viel über das Leben der Menschen, über Glück und Leid und über wechselnde Herrschaften zu berichten. Der Geschichte erlebte 1648 ihren Tiefpunkt, als der dreißigjährige Krieg und die Pest die Bevölkerung auf 4 Personen reduzierte. Aber das Schicksal vieler umliegender Dörfer blieb Weiterswiller erspart. Das Dorf verfiel nicht, aus der Schweiz und dem südlichen Frankreich kam Zuzug, und die Bevölkerung erholte sich langsam wieder.
Mal waren es die Grafen zu La Petite Pierre, mal die zu Fleckenstein, mal die zu Hanau-Lichtenberg, die die Gemeinde ihr Eigen nannten. Die Fleckensteiner errichteten sogar ein kleines Schloss, von dem heute nur noch ein Mauerrest übrig geblieben ist. Ihre Herrschaft drückte den Bewohnern auch ihre Religion auf. So kommt es, dass heute in diesem 550-Seelen-Dorf eine katholische und eine protestantische Kirche stehen.
Auch eine jüdische Synagoge steht im Ort. Vor den Fensterscheiben sind Holzplatten angebracht, an der Eingangstür hängt ein Schild, das auf Bauarbeiten hinweist. Uns interessiert die Vorgeschichte. Durch die geöffnete Tür treten wir ein. Im Inneren wird gewerkelt. Wir bitten um Erlaubnis, uns umsehen zu dürfen. „Gerne“ sagt ein sympathischer Mann „aber bitte stören Sie die Arbeiten nicht.“ Als er spürt, dass wir Interesse an der Geschichte haben, führt er uns durch das Gebäude. Er ist der Bürgermeister von Weiterswiller. Er erzählt uns, dass die jüdische Gemeinde die Synagoge nach dem 2. Weltkrieg verkauft hatte. Seine Augen sprühen vor Begeisterung, als er uns erzählt, dass die Gemeinde das Gebäude im Jahr 2004 von Privatleuten erworben hat und nun die Wohnräume wieder entfernt und der ursprüngliche Zustand so weit es geht wieder hergestellt wird. Bis zum Jahresende soll es zu einer Begegnungsstätte für die Gemeinde umgebaut werden. Er weist uns auf erhaltene Überbleibsel aus der Zeit der religiösen Nutzung hin, wie die 9 Lampenrosetten aus bemaltem Stuck an der Decke, die mit der achteckigen Form des Gebäudes korrespondieren. Ein alter bulliger Ofen steht im Eingang. Er hofft, dass der Ofen im Winter die Räume wieder heizen kann. Wir wünschen ihm viel Erfolg bei seinem Vorhaben.
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Früher lebten die Menschen von Weiterswiller vor allem von der Waldwirtschaft, der Landwirtschaft und den Steinbrüchen. 104 Gewerbetreibende wurden 1921 noch gezählt, Handwerker und Händler, vom Bäcker, über Schuhmacher, Schmied, Steinmetz und Küfer bis zum Treppenbauer. Weiterswiller war ein reiches Dorf. Knapp 1000 Menschen lebten zwischen 1826 und 1885 hier, 136 von ihnen waren jüdischen Glaubens. Es war der Höhepunkt in der Geschichte von Weiterswiller. Am Dorfbrunnen traf man sich beim Wasserholen, am Waschhaus zur gemeinsamen Wäsche und in der Dorfkneipe zum Dämmerschoppen. Hier wurden die Neuigkeiten ausgetauscht und die alten Geschichten weitergegeben. Der Dorfbrunnen ist schon lange versiegt, häusliche Waschmaschinen ersetzen das Waschhaus, die Handwerker und Händler sind ausgestorben, nur noch eine Friseurin wartet auf Kunden und morgens um 9 lässt der Bäckerwagen seine Fanfare laut erklingen, damit jeder sein frisches Baguette für den Tag bekommt. Auf den Dorfstraßen spielen keine Kinder mehr. Nur noch Autos beleben die Straße, besonders zur Zeit des Berufsverkehrs, wenn sie ein und aus schwärmen zu den Arbeitsplätzen in Bouxwiller, Saverne und Straßburg.
Lang ist der Rundgang durch das Örtchen nicht. Gegenüber der Synagoge geht es durch einen Durchbruch in die Judengasse. Eine Skulptur ist oben am Eingang angebracht, ein Hirschmännchen. Man sagt, dass es die bösen Geister vom Zutritt ins Dorf abhalten sollte. Durch schmale Gassen gelangen wir immer wieder auf die Hauptstraße, die das Oberdorf vom Unterdorf trennt. Auffallend sind die Hauseingänge, die ein Vordach aus Glas tragen. Ebenso auffallend die Wasserwannen aus Sandstein in jeder Straße, vor denen noch die große gusseiserne Pumpe mit dem großen Schwengel steht. In den Trögen sind meist Blumen gepflanzt. Auch die Fensterläden fallen uns ins Auge: mal alt und fast schon am Auseinanderfallen, mal restauriert, mal komplett neu, aber oft mit einem Ausguck versehen, einem Herzchen, einer Raute, einem Fünfeck, einem Pferdekopf oder gar einem kleinen Tannenhain.
Ein Bub fährt gelangweilt mit seinem Fahrrad durch die Gassen. Drei Katzen beobachten unser Interesse für die alten Häuser, die oft noch Jahreszahlen aus dem 16. und 17. Jahrhundert im Türsturz tragen. Im ersten Stock ragt ein alter Backofen aus einer Fassade heraus. Über den Eingangstüren zum Schutz vor dem Regen oft ein verspielt gestaltetes gläsernes Vordach. Die Waldregion ist seit alters her für ihr Glashandwerk bekannt, bedeutende Namen der Glaskunst wie Lalique haben hier ihren Ursprung. Die grell blaue Fassade eines Neubaus beißt sich mit der ebenso grellen grünen Fassade eines anderen und ein Reiter einer passierenden Reitergruppe fordert mich zu einem Foto auf, während er stolz sein Ross hoch aufsteigen lässt. Damit kennen wir nun schon fast das ganze Dorf.
Lang ist der Rundgang durch das Örtchen nicht. Gegenüber der Synagoge geht es durch einen Durchbruch in die Judengasse. Eine Skulptur ist oben am Eingang angebracht, ein Hirschmännchen. Man sagt, dass es die bösen Geister vom Zutritt ins Dorf abhalten sollte. Durch schmale Gassen gelangen wir immer wieder auf die Hauptstraße, die das Oberdorf vom Unterdorf trennt. Auffallend sind die Hauseingänge, die ein Vordach aus Glas tragen. Ebenso auffallend die Wasserwannen aus Sandstein in jeder Straße, vor denen noch die große gusseiserne Pumpe mit dem großen Schwengel steht. In den Trögen sind meist Blumen gepflanzt. Auch die Fensterläden fallen uns ins Auge: mal alt und fast schon am Auseinanderfallen, mal restauriert, mal komplett neu, aber oft mit einem Ausguck versehen, einem Herzchen, einer Raute, einem Fünfeck, einem Pferdekopf oder gar einem kleinen Tannenhain.
Ein Bub fährt gelangweilt mit seinem Fahrrad durch die Gassen. Drei Katzen beobachten unser Interesse für die alten Häuser, die oft noch Jahreszahlen aus dem 16. und 17. Jahrhundert im Türsturz tragen. Im ersten Stock ragt ein alter Backofen aus einer Fassade heraus. Über den Eingangstüren zum Schutz vor dem Regen oft ein verspielt gestaltetes gläsernes Vordach. Die Waldregion ist seit alters her für ihr Glashandwerk bekannt, bedeutende Namen der Glaskunst wie Lalique haben hier ihren Ursprung. Die grell blaue Fassade eines Neubaus beißt sich mit der ebenso grellen grünen Fassade eines anderen und ein Reiter einer passierenden Reitergruppe fordert mich zu einem Foto auf, während er stolz sein Ross hoch aufsteigen lässt. Damit kennen wir nun schon fast das ganze Dorf.
Es ist der 14. Juli, der französische Nationalfeiertag. Die romanische Kirche liegt im Sonnenlicht, daneben das kleine Beinhaus. Über dem Eingang zur Kirche begrüßen uns die Symbole von Sonne und Mond, die Tür steht offen.
Innen empfängt uns Herr André Dorschner, Präsident des Vereins der Freunde der Historischen Kirche von Weiterswiller. „Ja, wir haben alle Zeit dieser Welt“, ist unsere Antwort auf seine Frage, wie ausführlich er uns informieren darf. Seine Augen zeigen sein Engagement, als er tief in die Geschichtskiste greift und zu dezenter geistlicher Musik aus dem Mittelalter die Ursprünge, die wechselvolle Historie und die heutige Bedeutung der Kirche erläutert. Es waren die Grafen zu Fleckenstein, die dem Ort die Reformation aufzwangen. „Wie der Herr, so's Gescherr“ bewahrheitet sich mal wieder eine alte Weisheit. Mit der Reformation wurden die Wände weiß gekalkt, lediglich fromme Sprüche wurden unter der Decke als Fries angebracht. Die zahlreichen Herren drückten der Kirche ihre Eigenarten auf. Von den romanischen Fenstern ist nur noch eins im Original erhalten geblieben. Im Chor wurde gotisches Maßwerk eingebaut, auch Fenster wurden mit gotischem Maßwerk versehen oder sogar neu ins Mauerwerk gebrochen. In den Wirren der Revolution zerschlug man die Wandreliefe der Herren von Fleckenstein, später wurden Kanzel und Altäre vor die Überreste gesetzt. Und dennoch wirkt die Kirche im Inneren sehr einheitlich, dank der Entdeckung, die ein junger Priester Anfang des 20. Jahrhunderts machte. Durch Zufall stellte er fest, dass unter der ergrauten Kalkschicht aus der Reformationszeit gut erhaltene Fresken aus dem frühen 14. Jahrhundert sind. Die Bilder der Fresken sind die Bibel der des Lesens unkundigen Dorfbevölkerung. Das alte wie das neue Testament sind bildlich dargestellt, über dem Chor das jüngste Gericht. Lange Zeit war es üblich, dass in dieser Kirche sowohl die katholische als auch die evangelische Gemeinde ihre Gottesdienste abhielten, eine Form der Ökumene, mit der sich in unserem Land so manche heute noch schwer tun. Mit dem Bau der katholischen Kirche im Jahre 1782 endete diese Tradition vorübergehend, heute ist sie in beiden Kirchen wieder aufgenommen. Uns begeistert die Leidenschaft, mit der Herr Dorschner uns erzählt. Ich verspreche ihm, einen Ausdruck meines Reiseberichtes zu zusenden.
Einer der Berge, an den sich der kleine Ort anlehnt, ist der Altenkirchberg mit dem Pfannenfelsen. Am „Zollstock“ zweigt der Wanderweg von der Straße ab. Ein freundliches „Bonjour“ ruft uns eine Bäuerin zu, während sie mit ihrem Handwagen Holzscheite für den Winter vom Hof hinter das Haus bringt. Die Teerstraße ist schon nach wenigen Metern zu Ende und ein Hohlweg öffnet sich. Wir müssen immer wieder die Seite wechseln, da die Wassermassen der starken Regengüsse der letzten Wochen sich durch den Hohlweg ihren Weg ins Tal gegraben haben, mal mäandernd, mal auf direktem Wege. Immer höher steigt der Weg, immer heller wird es zwischen den bemoosten Bäumen. Am Wegesrand findet sich so mancher Pilz. Korallenpilze und selbst eine Gruppe kleiner Pfifferlinge lachen uns an. Wir lehnen dankend ab, denn zu klein sind sie noch, um uns ein Abendessen zu bescheren. In Gestalt von Baumstümpfen und Wurzelgehölz begegnen uns Zwerge und wildes Getier. Stetig führt der Weg nach oben, ich folge ihm in meinem Rythmus. Nach einer halben Stunde führt uns die gelbe Wandermarkierung vom Hohlweg auf einen schmalen Pfad in ein Nadelgehölz. Efeu rankt sich die schmalen Stämme hoch, es wird immer steiler. Bald erkennen wir, dass wir auf einem Grat wandern. Erste Blicke öffnen sich in das schon tief liegende Tal und auf die gegenüberliegenden Berghänge. Vorbei an roten Sandsteinfelsen erreichen wir schließlich die Berghöhe. Die Wanderbeschreibung hat uns von einer Bank aus einen herrlichen Blick versprochen. Die Bank steht noch da, der Ausblick ist auch noch da, aber dazwischen ist inzwischen ein kleiner Wald hochgewachsen, so dass wir mit uns und der Bank alleine sind. 418 Meter sind wir hier hoch, 200 Meter Höhenunterschied gestiegen, und den brummenden Hubschrauber wünschen wir zurück in seinen Hangar. Dies ist ein kleiner verwunschener Platz mit einem Schuss Romantik. Nachts tanzen sicher die Elfen zwischen den bemoosten Felsen und lassen ihr leises Lachen im Spiel erklingen.
Da wir nur leichte Sportschuhe an den Füßen haben, verzichten wir auf die Klettertour zu dem Pfannenfelsen und dürfen dafür etwas unterhalb doch noch den herrlichen Blick in ein Seitental und auf die nördlichen Vogesenberge bis hinüber zum Pfälzerwald genießen.
Mitten im Ort haben wir ein kleines Ferienhaus gefunden. Die Vorfreude auf unsere Gemüsepfanne und den leckeren Käse treibt unsere Schritte auf dem Rückweg an. Wir sind begeistert, hier in Weiterswiller unsere Unterkunft gefunden haben. Als wir im güldenen Schein der Abendsonne durch den Ort gehen und die Fassade der Gebäude sich im Abendlicht altrosa färben, beschleicht uns das Gefühl, vom Dorf aufgenommen und angenommen zu sein.
Mitten im Ort haben wir ein kleines Ferienhaus gefunden. Die Vorfreude auf unsere Gemüsepfanne und den leckeren Käse treibt unsere Schritte auf dem Rückweg an. Wir sind begeistert, hier in Weiterswiller unsere Unterkunft gefunden haben. Als wir im güldenen Schein der Abendsonne durch den Ort gehen und die Fassade der Gebäude sich im Abendlicht altrosa färben, beschleicht uns das Gefühl, vom Dorf aufgenommen und angenommen zu sein.
Bouxwiller: der Charme der früheren Residenzstadt
Die Mauern atmen den Charme eines kleinen Provinzstädtchens mit viel Historie. Einst war Bouxwiller die Residenzstadt der Grafen von Hanau-Lichtenberg. Ein Schloss stand auf dem großen Platz, der jetzt der Schulhof des Lycée ist. Nur einige wenige Nebengebäude sind von dem Schloss übrig geblieben, doch viele Häuser aus dieser Zeit ducken sich noch an die Stadtmauer, die weitgehend noch intakt ist.
Am Eingang der Grande Rue, der zentralen Achse, ist eine Gedenktafel angebracht, die an den Aufenthalt von Johann Wolfgang von Goethe im Jahr 1770 erinnert. Die Fassaden der Fachwerkhäuser ziehen das Auge an, kaum eine Bausünde stört den Augenschmaus. Immer wieder fällt mein Auge auf ein kleines Detail: mal die Jahreszahl auf dem Schlussstein des Türsturzes, mal ein Zunftzeichen, eine Schnitzerei im einfachen Fachwerk, mal eine Fassade mit dem reichen Ornament des Schini-Fachwerkes, mal ein alter Fensterladen, ein tief führender Kellereingang mit rundem Türbogen. Es gibt so viel zu entdecken, während wir mit wachem Auge den Ort durchwandern. Auch die Nebengassen stehen hinter der Hauptstraße nicht zurück. Ein schmaler dreistöckiger Fachwerkbau biegt sich schier vor der Last der Jahrhunderte, zwei ebenso schmale Häuser in einer anderen Gasse wirken wie falsch zusammengesetzt, weil die Bauleute vom vortägigen Rausch noch benebelt waren, und im freigelegten Fachwerk eines alten Hauses sind spannende Konstruktionsdetails zu entdecken.
„Bonjour“, zwei alte Frauen, ich nenne sie der Einfachheit halber mal Claire und Marie, nehmen den Kontakt zu uns auf. Marie schaut aus ihrem Fenster, während Claire im Hauskittel vor ihr auf der Straße steht. Das nachbarschaftliche Gespräch über die Straße ist hier noch üblich. Die beiden interessiert, warum wir so viel vor den scheinbar alltäglichen Fassaden fotografieren, wo doch das eigentlich Interessante die gegenüberliegende lutherische Kirche sei. „Uns gefallen die Fassaden, die im alten Stil renoviert sind“ und „Ich komme aus Hanau“, sage ich. Zu Letzterem ernte ich einen unverständigen Blick. Hanau, das erlebe ich hier immer wieder, ist als Stadt in Deutschland trotz der gemeinsamen Jahrhunderte alten Geschichte nicht bekannt. Eine Großstadt sogar mit 90.000 Einwohnern, das wird mit einem „Ui“ quittiert. Noch ein paar freundliche Worte, dann ziehen wir weiter, um von der Ballustrade auf der Stadtmauer einen Blick über die alten Dächer von Bouxwiller zu werfen.
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An auffallend vielen Häusern hängt das Schild
„A Vendre“ - „Zu Verkaufen“. Auf dem Rückweg schauen wir uns die Immobilienangebote im Schaufenster von „Immobilière Hanau“ an. Ich schlackere angesichts der Preise mit den Ohren. Die Preise sind, so erfahren wir, in den letzten Jahren drastisch in die Höhe geschossen. Seit Paris dank einer neuen Schnellzugverbindung von Straßburg aus nur noch 2 Stunden entfernt ist, legen sich wohlbetuchte Pariser Bürger im Elsass ihren Zweitwohnsitz zu. |
Der Fernseher läuft im leeren Raum. Daneben hat ein unbekannter Künstler Duke Ellington, Carlos Santana, Freddy Mercury, Eric Clapton und Dizzy Gillespie zu seiner Idealband zusammengeführt. Der Kaffee im Relais de la Poste tut gut. Von der Terrasse aus blicke ich zwischen Post und Rathaus hindurch auf den Place du Chateau und den dahinter liegenden Hang. Dort ließ die Landgräfin Caroline im 18. Jahrhundert eine viel gerühmte Gartenanlage anlegen. Leider ist davon nicht mehr als eine Zeichnung zurück geblieben. Auf dem Platz, rund um den „Tellerschlecker“, spielen Kinder, die Mütter sitzen im Schatten der alten Linden. Die Skulptur des „Tellerschlecker“ erinnert an die unrühmliche Rolle der Bürger, die um eines kleinen Vorteils willen dem Grafen in den Allerwertesten krochen. Aber das soll es ja heute auch noch geben.
die Synagoge von Bouxwiller ist heute ein jüdisches Museum
Schon ausserhalb der Stadtmauer steht die Synagoge. Sie ist zu einem Museum des jüdischen Lebens in dieser Region umgewidmet. In vielen Bildern werden Details und Szenen gezeigt, die die Geschichte, die religiösen Riten und das alltägliche Leben der Gemeindemitglieder darstellen. Rund im Bouxwiller finden sich in vielen Gemeinden Spuren jüdischen Lebens, die Judengasse, der Friedhof, eine Synagoge, hebräische Schriftzeichen an den Häusern. Hier waren sie geduldet, nachdem das Elsass im westfälischen Frieden Frankreich zugesprochen worden war. Ihnen war der Zugang zu den großen Städten verwehrt, so dass sie sich in den ländlichen Regionen niederlassen mussten. Erst mit der französischen Revolution wurde auch ihnen die bürgerliche Gleichheit zuerkannt. Heute spielt sich das jüdische Leben wieder in den großen Städten ab, doch ihr Erbe im Hanauerland ist erhalten geblieben.
Ich kenne Bouxwiller und das Hanauerland schon von vielen Besuchen in den letzten 15 Jahren und komme immer wieder gerne hierher. Die Warmherzigkeit der Menschen, die Ursprünglichkeit des Lebens und die weitgehend unberührte Natur sind drei gewichtige Argumente.
Ich kenne Bouxwiller und das Hanauerland schon von vielen Besuchen in den letzten 15 Jahren und komme immer wieder gerne hierher. Die Warmherzigkeit der Menschen, die Ursprünglichkeit des Lebens und die weitgehend unberührte Natur sind drei gewichtige Argumente.
Mystik, Ausblick und Einblick in die Erdgeschichte - der Bastberg
Weit reicht der Blick ins Land. Die Atmosphäre ist klar, regenschauergereinigt. Wir stehen auf der Kuppe des Bastberges. Während das Band des Schwarzwaldes im blauen Licht der Mittagssonne den östlichen Horizont abgrenzt, wandert eine schwarz drohende Gewitterwolke über die lang gestreckte Kette der nördlichen Vogesen. Bedrohlich sticht die Silhouette der Burg Lichtenberg aus diesem Ensemble heraus. Würde ich die Burg nicht kennen, dann könnte ich diesen „Scherenschnitt“ auch für eine Gruppe hoch aufragender Bäume halten. Durch ein blaues Wolkenloch hebt das Licht der Sonne das kleine Städtchen Neuwiller wie mit einem Spotlight aus der Landschaft heraus. Ein Moment der einkehrenden Stille erfasst mich. Der starke Wind treibt die Wolken vom Westen her über das Hanauerland und weiter in nordöstlicher Richtung nach Hanau. Mal sind es schwarze Wolken, aus denen der Regen in der Ferne in Schlieren zu Boden fällt, mal sind es lichte helle Wolkengestalten, die sich zu Walen, Bären und Gnomen formen, mal sind es amorphe Pakete, die über den Himmel geschoben werden, im dauernden Wechsel von Licht und Schatten und so manches Regentröpfchen wird auch uns benetzen.
Petrus hat ein Einsehen mit uns und lässt die Schauerwolken rechts und links an uns vorbei wandern. Wenn sich ein einsamer Sonnenstrahl zu uns verirrt, leuchten uns seltene wie bekannte Wiesenblumen entgegen: Hornklee, Johanniskraut, Wiesen-Platterbse, Große Braunelle, Wiesen-Salbei, Orientalischer Bocksbart, Zottiger Klappertopf, Acker-Witwenblume, Wiesen-Labkraut, Knäuel-Glockenblume und viele mehr. Schmetterlinge tanzen um uns herum. Die Reneclauden haben ihre Reife schon erreicht, so manches Früchtlein wandert in den Magen.
Wir lassen uns Zeit, lassen uns einnehmen von dem wechselnden Licht, das bisweilen auch die Burg Lichtenberg erleuchten lässt, oder eines der kleinen Dörfchen oder einfach nur ein goldenes Kornfeld in der Ferne. Vom Parkplatz aus führt der Weg eine Zeit lang auf halber Höhe. Hätte die Landstraße unten im Tal einen Belag aus Flüsterasphalt, dann würde des Rauschen des Verkehrs nicht zu uns hoch schallen. Aber es ist wie es ist und ich schalte diese Frequenz in meinem Gehörgang einfach auf Durchzug. Vor lauter Fotografieren verlieren wir die Wegmarkierung aus den Augen und stehen vor einer Herde Rinder, bewacht von einem gewaltigen Stier, der uns abschätzend beäugt.
Irgendwie schwant uns, dass wir den Weg verloren haben. Hoch über uns am Berghang erkennen wir das „Ei“, eine der Chorten. Ein steiler Weg führt hoch. Die Regenschauer der vergangenen Tage sind an der Spur des herab geschwemmten Gerölls noch deutlich zu erkennen. Aber es ist trocken genug zum hoch steigen. Nach wenigen Metern führt der Pfad in einen Märchenwald. Lianen der Waldrebe hängen von den Bäumen, Moos bedeckt die Steine, Farne säumen den Pfad. Im Zickzack des Weges glaube ich einen Gnom zu entdecken, der uns voraus eilt.
Schließlich öffnet sich der Wald. Die kahle Kuppe des Bastbergs liegt vor uns. Ein gewaltiges Kreuz markiert den höchsten Punkt. Der Bastberg war schon immer ein mystischer Ort, magischer Anziehungspunkt und Quell mythischer Geschichten. In der Nacht des 30. April treffen sich hier die Hexen zum Tanz und wehe, ein Mensch kommt ihnen zu nahe. Man sagt, dass sie bisweilen auch nächtens in den Dörfern ihr Unwesen treiben. So mancher hat schon ihre Schatten gesehen, wenn sie vorbei schlurfen. Die Legende der Hexen vom Bastberg soll Goethe zu der entsprechenden Passage im Faust inspiriert haben, so sagt man hier.
Oft war ich schon auf dieser Höhe, habe das verwunschene Licht eines herbstlichen Sonnenaufgangs mit erleben, Sommersonnenstimmung und Abendgeläut der Glocken aus den umliegenden Ortschaften erfahren dürfen, habe das Violett der frühlingshaften Krokusse auf dem östlichen Hang in mich aufgenommen und das zarte Blau der Orchideen, die nur an wenigen Tagen zu Anfang Juni an einer schmalen Platte ganz oben erblühen.
die 150-jährige Goethe-Linde
Weit schweift der Blick von oben über das sanfte Hügelland. Die Dörfer ducken sich in den Senken. Mal lugt ein spitzer Kirchturm über den Kamm, mal schimmert das rote Dach eines einsamen Gehöftes durch einen Hain. Nur an den Hängen der Vogesen ziehen sich die Hausreihen hoch. Immer wieder allgegenwärtig zeigt sich die Burg Lichtenberg.
Ein eindrucksvoller Wolkenhimmel bildet heute die Kulisse für schöne Fotos und Aquarelle. Im Westen stauen sich die schwarzen Wälder der nördlichen Vogesen, die im Norden in die Bergspitzen des Pfälzer Waldes übergehen. Das Band des Schwarzwaldes markiert den östlichen Horizont, verliert sich bis weit in den Süden, wo er sich scheinbar mit den Ballons der Vogesen vereint. Ich stehe hier ergriffen von der Schönheit der Landschaft, so wie der junge Goethe. Selbst der Sonnenkönig Ludwig der XIV. soll angesichts der Tiefe und Eindringlichkeit dieses Blickes von der Höhe der Burg Haut-Barr bei Saverne ausgerufen haben „Welch schöner Garten.“
Bisweilen begegnen wir Spaziergängern. Mit einem „Bonjour“ beginnt das Gespräch und mit einem „Auf Wiedersehen“ endet es. Hier sprechen sehr viele Menschen deutsch; in der jungen Generation nimmt es gerade wieder zu, erfahren wir.
Auf dem Rückweg dann eine Überraschung: eine gewaltige, altehrwürdige Linde, eingezäunt und honigduftend. Einhundertfünfzig Jahre ist sie alt, überragt alle Bäume auf halber Höhe zwischen dem Bastberg und Bouxwiller. Es ist die Goethe-Linde, gepflanzt seinerzeit zur Erinnerung an seinen Besuch in dieser Region und an diesem Ort. Welches Mädel er wohl an dieser Stelle in romantischem Abendlicht geküsst haben mag? Es sei ihm posthum gegönnt.
Ein eindrucksvoller Wolkenhimmel bildet heute die Kulisse für schöne Fotos und Aquarelle. Im Westen stauen sich die schwarzen Wälder der nördlichen Vogesen, die im Norden in die Bergspitzen des Pfälzer Waldes übergehen. Das Band des Schwarzwaldes markiert den östlichen Horizont, verliert sich bis weit in den Süden, wo er sich scheinbar mit den Ballons der Vogesen vereint. Ich stehe hier ergriffen von der Schönheit der Landschaft, so wie der junge Goethe. Selbst der Sonnenkönig Ludwig der XIV. soll angesichts der Tiefe und Eindringlichkeit dieses Blickes von der Höhe der Burg Haut-Barr bei Saverne ausgerufen haben „Welch schöner Garten.“
Bisweilen begegnen wir Spaziergängern. Mit einem „Bonjour“ beginnt das Gespräch und mit einem „Auf Wiedersehen“ endet es. Hier sprechen sehr viele Menschen deutsch; in der jungen Generation nimmt es gerade wieder zu, erfahren wir.
Auf dem Rückweg dann eine Überraschung: eine gewaltige, altehrwürdige Linde, eingezäunt und honigduftend. Einhundertfünfzig Jahre ist sie alt, überragt alle Bäume auf halber Höhe zwischen dem Bastberg und Bouxwiller. Es ist die Goethe-Linde, gepflanzt seinerzeit zur Erinnerung an seinen Besuch in dieser Region und an diesem Ort. Welches Mädel er wohl an dieser Stelle in romantischem Abendlicht geküsst haben mag? Es sei ihm posthum gegönnt.
Ingwiller - "Hanau" ist allgegenwärtig
Ingwiller war früher ein ebenso hübsches Städtchen wie Bouxwiller, mit Fachwerk und einer den Ortskern umgebenden Stadtmauer. Doch Kriege, Zerstörungen und unbedachter Umgang mit der historischen Bausubstanz zu Zeiten, als deren Bewahrung noch niemanden interessiert hat, haben dem Städtchen den Charme der alten Zeiten genommen. Bausünden erdrücken die wenigen Fachwerkhäuser. Dort, wo die alte Bausubstanz aus der Renaissance noch nicht renoviert ist, haben bedenkenlose Bauherren bisweilen ein zerstörerisches Werk hinterlassen. Eigentlich schade, denn wirtschaftlich scheint es dem Ort nicht schlecht zu gehen. Die Kleidung der Passanten drückt einen bürgerlichen Wohlstand aus. Die zwiebelförmige Kuppel der alten Synagoge hat uns schon von weitem angezogen. Nun stehen wir vor dem Hoftor. Leider ist es heute verschlossen. Erst in einer Woche findet wieder eine Führung statt, zu spät für uns.
Im Gewerbegebiet wimmelt es vor „Hanau“. Auffallend viele Firmen tragen den Begriff „Hanau“ in ihrem Namen. Fehlt nur noch, dass auch Lidl sich „Lidl de Hanau“ nennt. Im Tourismusbüro hatte man mich vor Jahren dorthin verwiesen, als ich mit dem Fotoapparat auf der Suche nach Spuren der Vergangenheit der Grafschaft Hanau-Lichtenberg war.
Eine Stadt spielt Theater
„Revolution!“, laut schallt der Ruf über den Platz. „Liberté, égalité, fraternité“ antwortet das Echo aus vielen Kehlen. Vierzig Störche gibt es in Neuwiller-lès-Saverne, gut die Hälfte davon haben sich heute Abend auf den Dachfirsten eingefunden, um sich dieses Schauspiel nicht entgehen zu lassen. Eine Stadt spielt Theater!
die ehemalige Abteikirche St. Peter und Paul in Neuwiller-les-Saverne. Mit der karolinigischer Krypta (8. Jahrhundert), den romanische Kapellen (11. Jahrhundert), einen Chor und ein Querhaus im Übergangsstil zur Gotik (spätes 12. Jahrhundert), ein rein gotisches Langhaus (13. Jahrhundert) und einer klassizistische Fassade mit Turm vereint sie eine Vielzahl von Baustilen aus 1000 Jahren.
Vor der Kulisse der ehemaligen Abteikirche St. Peter und Paul lassen wir uns gemeinsam mit zweihundert Bewohnern der Region von Marschall Clarke, Mitstreiter von Napoleon, seine Memoiren vortragen. Vierzig Laienschauspieler lassen uns an ihrer Freude am Schauspiel teilhaben, der jüngste vielleicht 7 Jahre alt, der älteste vielleicht 70. Nicht das übliche Staatstheaterpublikum hat sich auf den Rängen versammelt, sondern die einfachen Menschen aus dem Ort. Sie sind gekommen in ihren Alltagskleidern, mit Kissen und Wolldecken, und so manchem Baby, das in der abendlichen Kühle weint. Jeder kennt jemanden auf der Bühne. Die Erlebnisse aus den Proben haben sie sicherlich gemeinsam schon gehört und besprochen und doch spüre ich ihre Aufgeregtheit jetzt, wo es ums Ganze geht. Heute ist der Abend des 14. Juli, des französischen Nationalfeiertages. Die Plätze sind alle belegt und die Schauspieltruppe besonders gut gelaunt.
In vielen Bildern werden die Geschichten aus den Memoiren in der Zeit der Revolution, des Empire und der Restauration vorgetragen. Patriotische Szenen spielen auf dem Schlachtfeld, in der Schule, dem Arbeitszimmer des Marschalls und den Kaffeekränzchen der Bürgerinnen. Als zwei Mütter auf der Bühne ihre Kinder verbandeln wollen, eifert das Publikum mit, und weiß sehr wohl, dass die Fluntsch, die der Sohnemann bei diesem vergeblichen Kuppelversuch zieht, nur gespielt ist, denn die beiden verlassen nach dem letzten „Vorhang“ Arm in Arm die Bühne. Das „Aiaiaiaiaiaiai“ der Putzfrau des Marschalls wird mit schallendem Lachen begleitet, denn sie hat es sicher schon häufig in den letzten Wochen in der Dorfkneipe hören lassen und es wird sie in Zukunft weiter begleiten. Wir spüren, mit welchem Spaß sie es erschallen lässt. Nachdenklich das Publikum und eindringlich die Zweifel des Marschalls an der Sinnhaftigkeit der Krieges, nachdem eine junge werdende Mutter die Nachricht erhält, dass ihr Geliebter gefallen sei. Gewiss, wir haben nicht alles verstanden, was auf der Bühne in Französisch gesprochen wurde. Aber die Atmosphäre und die Leidenschaft der Schauspieler haben den Sinn des Theaterspiels zu einem Mosaik zusammengeführt, das uns beeindruckt und gefällt.
Tief in der Bergwelt verborgen
Burg und Städtel von La Petite Pierre
Es ist ruhig, unglaublich ruhig. Die frühsommerliche Sonne auf ihrem Weg zum Abend taucht über La Petite Pierre in eine dicke Wolke ein. Der betörende Duft der Lindenblüten dringt tief in die Lungenflügel ein. Ein Liebespärchen verlässt verstört das kleine Plateau, von dem aus ich einen herrlichen Blick auf den Südflügel der Burg habe. Auf dem kleinen Platz vor der Burg plätschert der Brunnen und ein Mückenschwarm tanzt den letzten Reigen des Tages.
Das Städtel, wie der alte Teil des Städtchens seit alters her heißt, ist menschenleer. „A Vendre“, so manches Haus mit der lothringischen Türeinfassung aus Sandstein wartet auf neue Besitzer - „Zu Verkaufen“. Es sind auffallend viele in dieser kurzen Straße. „Liewer a Bütiq às gar Keni“ warb einmal eine Boutique trotzig um Kundschaft. Eine tiefe Wahrheit liegt in diesem Spruch, ebenso wie die Tragik, dass er nicht geholfen hat, denn auch dieses Ladenlokal steht schon wieder leer. Ich sauge tief die Stille des ausgehenden Tages mit dem süßlichen Lindenblütenduft in mich ein. Die Fassaden atmen immer noch den Charme der frühen Jahre, als das Städtel Zentrum einer ganzen Region war. Ich könnte mir gut vorstellen, wie schön diese Straße aufblühen würde, wenn Künstler in die Häuser einziehen, in ihren Ateliers Ton und Leinwand gestalten und ihr damit neues Leben einhauchten. Tagesbesucher gibt es ja genügend. Die Burg ist schon ein Zentrum für bildende und gestaltende Künstler, die hier ausstellen, nun fehlt nur noch das Leben im Städtel.
Das Städtel, wie der alte Teil des Städtchens seit alters her heißt, ist menschenleer. „A Vendre“, so manches Haus mit der lothringischen Türeinfassung aus Sandstein wartet auf neue Besitzer - „Zu Verkaufen“. Es sind auffallend viele in dieser kurzen Straße. „Liewer a Bütiq às gar Keni“ warb einmal eine Boutique trotzig um Kundschaft. Eine tiefe Wahrheit liegt in diesem Spruch, ebenso wie die Tragik, dass er nicht geholfen hat, denn auch dieses Ladenlokal steht schon wieder leer. Ich sauge tief die Stille des ausgehenden Tages mit dem süßlichen Lindenblütenduft in mich ein. Die Fassaden atmen immer noch den Charme der frühen Jahre, als das Städtel Zentrum einer ganzen Region war. Ich könnte mir gut vorstellen, wie schön diese Straße aufblühen würde, wenn Künstler in die Häuser einziehen, in ihren Ateliers Ton und Leinwand gestalten und ihr damit neues Leben einhauchten. Tagesbesucher gibt es ja genügend. Die Burg ist schon ein Zentrum für bildende und gestaltende Künstler, die hier ausstellen, nun fehlt nur noch das Leben im Städtel.
Ganz anders dagegen das neue La Petite Pierre. Hier drängeln sich die Besucher im "Lion d'Or", im "Trois Roses" und in weiteren Restaurants, Bistros und Cafés. Motorradcliquen auf ihrer Bergroute haben ihre chromglänzenden Maschinen in Reih und Glied zur Bewunderung aufgestellt, und die Kellner haben alle Hände voll zu tun, die durstigen Kehlen zu stillen, von den hungrigen ganz zu schweigen. Tief eingeschnittene durchziehen den Naturpark Nördliche Vogesen, steil führen die Straßen auf die Bergkuppen hoch. Auch wenn die Berge noch lange nicht die Höhe der südlichen Vogesen erreichen, war es viele Jahrhunderte ein unwegsames Gebiet, in dem einige Adelsfamilien sich mit beeindruckenden Burgen niedergelassen hatten. Westlich von La Petite Pierre gehen die Berge des Nationalparks in die sanften Hügel des Krummen Elsass über, das an dieser Stelle den Vogesenkamm überschritten hat und sich nach Lothringen hinein beugt.
La Vallée dès écluses - ins Tal der Schleusen
bei Saverne zwängt sich der Rhein-Marne-Kanal ins Tal der Zorn ein
Saverne liegt am Ausgang eines schmalen gewundenen Tales, durch das die Zorn die Vogesen verlässt. Unser Auto haben wir schon am Bahnhof von Steinbourg etwas ausserhalb von Saverne abgestellt. Mit wenigen Tritten sind wir auf dem Radweg, der von Straßbourg her kommend den Rhein-Marne-Kanal begleitet. Wir sind ausgeruht, der Gegenwind macht uns nicht zu schaffen und so streben wir geruhsam Saverne zu. Radeln am Kanal ist auch für Ungeübte nicht anstrengend, denn nur an den Schleusen ist eine Rampe zu überwinden, um dann wieder geruhsam auf flachem Weg zu radeln. Freizeitkapitäne bevölkern in dieser Ferienzeit zu Hauf den Kanal. Sie brauchen Zeit, denn auf den nächsten 22 Kilometer müssen sie 20 Schleusen und ein Schiffshebewerk passieren. Immer wieder rufen wir ein freundliches „Bonjour“, ein „Grüetzi“, ein „Guten Tag“ oder ein „Hallo“ rüber, je nachdem, welche Fahne am Heck weht. Ich muss aufpassen, dass meine Augen nicht zu sehr den tanzenden Schmetterlingen folgen, denn der Radweg ist schmal und das Wetter nicht direkt zum ungewollten Baden geeignet. Die violetten Blüten des wilden Thymians, ergänzt durch die rosafarbene Schafgarbe, stehen in angenehmen Kontrast zu dem dunklen Grün des Wassers. Bewundernd recken wir unsere Gesichter der wärmenden Sonne entgegen.
In Saverne tauchen wir in das enge Tal der Zorn ein. Der Wald fällt den Berghang steil hinab und reicht bis an den Kanal heran. Mal fahren wir durch den Schatten des Talbogens, tauchen unter tiefhängenden Zweigen durch, mal beäugt uns ein einsamer Graureiher vom gegenüberliegenden Ufer aus. Er bleibt unbeeindruckt sitzen, weiß, dass wir nicht zu ihm rüber kommen können. Einige Kilometer weiter verabschiedet sich das Elsass mit freundlichem Gruß und Lothringen empfängt uns. In Lützelbourg versorgen wir uns mit Käse, Brot und Ansichtskarten. Schließlich wollen auch die Lieben zu Hause wissen, wo wir stecken. Eigentlich sind mir nun auf der Suche nach einem schönen Picknickplatz, denn der Hunger meldet sich. Am Schiffshebewerk wird es sicher ein lauschiges Bänkchen geben. Dort, wo der neue Kanal, der zu eben diesem Schiffshebewerk führt, von der alten Route abzweigt, empfiehlt uns eine Radlerin, dem neuen Kanal zu folgen, auch wenn ein Stück des Weges über die Landstraße führe. Die alte Route sei zu anstrengend. Trotzig, wie wir nun mal sind, schlagen wir diesen Ratschlag in den Wind. Der alte Kanal ist auf Sichtweite trocken gelegt und der Radweg führt flach weiter.
In Saverne tauchen wir in das enge Tal der Zorn ein. Der Wald fällt den Berghang steil hinab und reicht bis an den Kanal heran. Mal fahren wir durch den Schatten des Talbogens, tauchen unter tiefhängenden Zweigen durch, mal beäugt uns ein einsamer Graureiher vom gegenüberliegenden Ufer aus. Er bleibt unbeeindruckt sitzen, weiß, dass wir nicht zu ihm rüber kommen können. Einige Kilometer weiter verabschiedet sich das Elsass mit freundlichem Gruß und Lothringen empfängt uns. In Lützelbourg versorgen wir uns mit Käse, Brot und Ansichtskarten. Schließlich wollen auch die Lieben zu Hause wissen, wo wir stecken. Eigentlich sind mir nun auf der Suche nach einem schönen Picknickplatz, denn der Hunger meldet sich. Am Schiffshebewerk wird es sicher ein lauschiges Bänkchen geben. Dort, wo der neue Kanal, der zu eben diesem Schiffshebewerk führt, von der alten Route abzweigt, empfiehlt uns eine Radlerin, dem neuen Kanal zu folgen, auch wenn ein Stück des Weges über die Landstraße führe. Die alte Route sei zu anstrengend. Trotzig, wie wir nun mal sind, schlagen wir diesen Ratschlag in den Wind. Der alte Kanal ist auf Sichtweite trocken gelegt und der Radweg führt flach weiter.
Nach wenigen hundert Metern führt der Weg auf eine Stahlkonstruktion, die auf Stelzen mitten durch den alten Kanal geht. Etwas oberhalb, dort, wo sich Regenwasser im Kanalbett gefangen hat und violetter Blutweiderich wurzelt, braust gerade ein Eisenbahnzug über die schmale Brücke. Drunter eine schmale Durchfahrt neben einer Schleuse. 5 oder 6 Meter mag die Schleuse überwunden haben, die Tore stehen halb offen, als wollten sie zur Einfahrt einladen. Nun führt der Radweg gut ausgebaut wieder entlang des alten Kanals. Zwölf oder 14 Schleusen sind es hintereinander, die auf 2 Kilometer Länge die Berghöhe erklimmen. An jeder Schleuse das alte Schleusenwärterhaus, meist behutsam renoviert und wieder bewohnt, bisweilen auch zerfallen. Eine himmlische Ruhe nimmt uns ein. Dies ist das „vallée des écluses“, das Tal der Schleusen, das die Gemeinde Phalsbourg gerade zu einem Naherholungsgebiet ausbaut. Mal ist ein Abschnitt des Kanals mit Wasser gefüllt und das Zuhause einer Plesshuhnfamilie, mal ist es ein Sumpf mit Kolbenschilf und schnatternden Enten, mal ist es ein kurzes Becken mit trockenem Steinboden, an dem man Konstruktion des Kanals erkennen kann. Unseren Picknickplatz finden wir an Schleuse Nr.2, dort wo ein weites Becken den wartenden Booten Raum gab und heute ein kleiner See angelegt ist. Nein beschwerlich ist der Aufstieg entlang der Schleusen keineswegs, dafür interessant und spannend und die anschließende Abfahrt dann locker und lustig. Wie gut, wenn der Trotz die Bequemlichkeit besiegt.
Nachwort
Es waren 2 schöne Wochen, dort, im Hanauerland.
Es ist ein kleines Refugium im nördlichen Elsass geblieben, abseits der Hektik der großen Städte wie auch der rauschenden Verkehrsadern. Es war mit Sicherheit nicht meine letzte Reise ins Hanauerland und das nördliche Elsass. Viel gibt es hier noch zu entdecken. Paffenhoffen, Obermodern, der Hanauer See, das Land der Marie Hart und und und ... Abschließend ein Dankeschön an die Familie Hansmann in Weiterswiller, in deren Ferienhaus wir diese schöne Zeit verbracht haben. Und wenn ihr selbst euch mal dort hin verirrt und seht im Vorbeifahren einen gedankenversunkenen Schreiber, dann wisst ihr, dass euch bald darauf ein neue Reisebericht erreichen wird. |