El Hierro - die Stille
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El Golfo, ein gewaltiger Talkessel im Nordwesten von El Hierro
. Sanft wie auf den weiten Schwingen eines Albatros ist der Flug von Gran Canaria nach EL Hierro. Der Flughafen ist nichts für große Flugzeuge. Ich greife unwillkürlich nach der Schwimmweste. Die Wellen des Atlantiks kommen beim Anflug bedrohlich nahe. Doch kurz vor der Wasserlandung setzt die Maschine der kanarischen Fluggesellschaft Binter auf und muss sofort hart bremsen, um nicht über die kurze Landebahn hinaus zu schießen. Auch das gehört zum Flugstil des Albatros. Nach der Landung lädt mich der Pilot ins Cockpit ein, lässt mich auf dem Platz des Co-Piloten Platz nehmen und erklärt mir einiges zu seinem Job. Für diesen Flughafen braucht er eine gesonderte Lizenz, gerade wegen der kurzen Landebahn. Die Stewardess hat mir, nach dem langen Gespräch mit Renate während des Fluges, diese Überraschung bereitet. Noch ein Abschiedsfoto, und wir sind in El Hierro angekommen.
Übersichtlich ist der Flughafen. Die Mitarbeiterin der Mietwagenfirma nimmt sich alle Zeit dieser Welt für uns, ebenso wie die Mitarbeiterin am Touristeninformationsschalter. Selten hatte ich bei all meinen Reisen das Gefühl, sofort so willkommen und aufgenommen zu sein. El Hierro ist ganz weit im Westen gelegen und die kleinste der sieben bedeutenden Inseln des Archipels. In vielen Kurven führt uns die Straße nach Valverde hoch. Immer wieder neue Ausblicke, überraschende Bilder und eine erstaunliche Vielfalt der Natur. Rot blüht der Klatschmohn am Straßenrand und azurblau leuchtet das Meer.
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Ausfahrt aus dem Tunnel mit Blick in den Talkessel El Golfo
Die Straße umrundet die Nordspitze der Insel und taucht in einen Tunnel ein. Steil führt sie nach unten, schwingt sich nach rechts und nach links, bis Licht am Ende des Tunnels auf taucht. Noch im Rund der Tunnelmündung sehe ich staunend, wie sich ein weites grünes Tal öffnet. Ein hoher Steilhang schließt es im Halbrund ein. Blau leuchtet davor das Meer.
Inmitten dieses Tales liegen wie kleine Spielzeughäuser Ansiedlungen, deren Größte La Frontera ist. Oberhalb des Ortes ragt ein Vulkankegel aus dem ansteigenden Hang, gekrönt von einer weißen Kirchturmspitze. Ich bin in El Golfo, begrenzt vom langen Bergrücken des Cumbre, der das Rückgrat von El Hierro bildet. . „Esero“ haben die Bimbaches, die Ureinwohner von El Hierro, ihre Heimat getauft: „Fester Fels“.
Der Blick in das weite Tal von EL Golfo ist wie der Blick in eine Schüssel. Steil fallen die Hänge nach unten, werden im Bogen abgefangen und münden in den flachen Boden der Schüssel. Vom Rand herab ziehen sich am Steilhang dichte Wälder. Ob wohl schon jemals ein Mensch seinen Fuß dort hinein gesetzt hat? Darunter folgt blanker Fels. Wo der Bogen zwischen Rand und Boden in eine leichte Schräge übergeht, liegen die Ortschaften entlang einer Straße, im Mittelpunkt des Tales La Frontera. Unten am Boden ziehen sich weitläufige Obst- und Gemüseplantagen. Soweit der Vergleich mit der Schüssel, mit dem kleinen Unterschied, dass irgend jemand die Schüssel in zwei Hälften zerbrochen hat. Der Blick zum Atlantik nach Westen hin ist weit offen.
Inmitten dieses Tales liegen wie kleine Spielzeughäuser Ansiedlungen, deren Größte La Frontera ist. Oberhalb des Ortes ragt ein Vulkankegel aus dem ansteigenden Hang, gekrönt von einer weißen Kirchturmspitze. Ich bin in El Golfo, begrenzt vom langen Bergrücken des Cumbre, der das Rückgrat von El Hierro bildet. . „Esero“ haben die Bimbaches, die Ureinwohner von El Hierro, ihre Heimat getauft: „Fester Fels“.
Der Blick in das weite Tal von EL Golfo ist wie der Blick in eine Schüssel. Steil fallen die Hänge nach unten, werden im Bogen abgefangen und münden in den flachen Boden der Schüssel. Vom Rand herab ziehen sich am Steilhang dichte Wälder. Ob wohl schon jemals ein Mensch seinen Fuß dort hinein gesetzt hat? Darunter folgt blanker Fels. Wo der Bogen zwischen Rand und Boden in eine leichte Schräge übergeht, liegen die Ortschaften entlang einer Straße, im Mittelpunkt des Tales La Frontera. Unten am Boden ziehen sich weitläufige Obst- und Gemüseplantagen. Soweit der Vergleich mit der Schüssel, mit dem kleinen Unterschied, dass irgend jemand die Schüssel in zwei Hälften zerbrochen hat. Der Blick zum Atlantik nach Westen hin ist weit offen.
Ich wandere entlang des alten Wasserkanals, der einst das kostbare Gut von einer Quelle bis nach Sabinosa brachte. Der Blick in einen Garten zeigt den Reichtum des Tals. Erdbeeren reifen neben Zucchinis, Ananas neben Bananen. Und all das, was ich in diesem Garten sehe, findet sich in großen Feldern und Gewächshäusern weiter unten wieder. Bananen, Ananas, Papayas und Avocados tragen zum bescheidenen Wohlstand der Insel bei. Heute bringen die dicken Rohre das Wasser zu den Gewächshäusern, der alte Kanal hat ausgedient.
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Alpenglühen im Atlantik
Alpenglühen im Atlantik. Die steilen Hänge des Cumbre leuchten im Abendlicht. Immer wieder reißen die Wolken an der 14 Kilometer langen, gebogenen Kante auf und geben den Blick frei auf ein Zipfelchen blauen Himmels. Einsam wie eine Riege von Wachsoldaten steht eine Baumreihe ganz oben. Aus 1300 Metern blicken sie auf mich herab. Sage nie Nie. Es regnet selten auf El Hierro. Aber wenn es regnet, dann können Wassermassen vom Himmel fallen. Ich blicke auf den Steilhang des Cumbre. Herabstürzendes Wasser hat lange Spuren am Fels hinterlassen, Wunden in den Berg gerissen und Rinnen gebildet, die das Wasser sammeln und zu Tal bringen.
Jeden Morgen, jeden Tag, jeden Abend ein anderes Spiel. Oben an der Abbruchkante des Cumbre fangen sich die Passatwolken. Sie sind nicht dick, über ihnen fegt der Antipassat, der aus dem Süden kommt, trocken und wolkenlos.
Man kennt es ja. Wenn der Hahn kräht auf dem Mist, ändert sich das Wetter, oder es bleibt wie es ist. Ich setze jeden Morgen von Neuem große Hoffnung auf den ersten Teil dieser Volkswahrheit. Wenn der erste Schein des neuen Tages den Schritt über den Kraterrand gewagt hat und dabei den Hahn in Las Puntas weckt, streckt und reckt sich dieser und begrüßt den Tag mit einem lauten Kikeriki. Um diese Uhrzeit ballen sich die feuchten Wolken grau und wasserreich am Bergkamm. Es sieht dann sehr nach Regen aus. Doch Hähne mögen Sonnenschein, wirkt dabei doch ihr buntes Gefieder besonders glänzend und schön. Das schmeichelt sie in ihrer Eitelkeit. Und so so nimmt der nächste Hahn den Ruf des Ersten auf und gibt ihn weiter. Es gibt sehr viele Hähne hier im Tal. Schon bald haben sie sich im Chor vereint und versuchen gemeinsam, mit ihrem Kikeriki die Wolkendecke über den Bergkamm zurück zu drängen. Zumindest gelingt es ihnen, meinen Schlaf zu verscheuchen.
Jeden Morgen, jeden Tag, jeden Abend ein anderes Spiel. Oben an der Abbruchkante des Cumbre fangen sich die Passatwolken. Sie sind nicht dick, über ihnen fegt der Antipassat, der aus dem Süden kommt, trocken und wolkenlos.
Man kennt es ja. Wenn der Hahn kräht auf dem Mist, ändert sich das Wetter, oder es bleibt wie es ist. Ich setze jeden Morgen von Neuem große Hoffnung auf den ersten Teil dieser Volkswahrheit. Wenn der erste Schein des neuen Tages den Schritt über den Kraterrand gewagt hat und dabei den Hahn in Las Puntas weckt, streckt und reckt sich dieser und begrüßt den Tag mit einem lauten Kikeriki. Um diese Uhrzeit ballen sich die feuchten Wolken grau und wasserreich am Bergkamm. Es sieht dann sehr nach Regen aus. Doch Hähne mögen Sonnenschein, wirkt dabei doch ihr buntes Gefieder besonders glänzend und schön. Das schmeichelt sie in ihrer Eitelkeit. Und so so nimmt der nächste Hahn den Ruf des Ersten auf und gibt ihn weiter. Es gibt sehr viele Hähne hier im Tal. Schon bald haben sie sich im Chor vereint und versuchen gemeinsam, mit ihrem Kikeriki die Wolkendecke über den Bergkamm zurück zu drängen. Zumindest gelingt es ihnen, meinen Schlaf zu verscheuchen.
Aber schon bald ziehen sich die Wolken an den Rand des Cumbre zurück. Mal geben sie einen Blick auf den dahinter liegenden blauen Himmel frei, mal fallen sie wieder etwas ins Tal. Nie sehr tief, denn hier unten ist es warm, die Wolken lösen sich auf. Oben an der Abbruchkante steht eine Reihe markanter Kiefern. Vom Balkon aus beobachte ich das Licht- und Wolkenspiel dort oben. Eindrucksvoll ist es, wie binnen Minutenfrist die Wolkendecke etwas aufreißt und den Gipfel des Malpaso, des höchsten Berges, vor blauem Himmel frei gibt. Ich habe ein kostenloses und doch höchst abwechslungsreiches Spektakel, von Gewitterstimmung, über Alpenglühen bis hin zu strahlend blauem Himmel. Und so wache ich jeden Morgen mit der Sicherheit auf, dass diese grauen Wolken keinen Regen bringen.
Früher mussten die Einwohner über eine steile und beschwerliche Straße hoch auf den Berg, um zu dem anderen Orten der Insel zu kommen. Seit kurzem wird diese Straße kaum mehr benutzt. Der lange Tunnel hat den Weg nun bequemer gemacht. Ein Spaziergang am ersten Abend führt uns von unserer Unterkunft in der kurzen Einkaufsstraße durch den oberen Teil der Gemeinde. Wir werden immer wieder gegrüßt. Die Herrenios sind offene und freundliche Menschen. „Buenos Tardes“, grüßt er mich am Eingang der Bar. Mit meinen geringen Sprachkenntnissen verstehe ich, dass er von Deutschland redet. Der Herreno ist inzwischen ein alter Mann. Aber er kennt viele deutsche Städte, war oft als Busfahrer in Deutschland, und natürlich auch zur Fußballweltmeisterschaft in Frankfurt. Sein Gesicht strahlt, als ich ihm erzähle, dass ich aus der Nähe von Frankfurt komme. Am Wochenende gibt es „Ziege“ in unserer Bar. Zum Abschluss dieses Tages genehmigen wir uns eine Portion.
El Hierro ist eigentlich ein 5500 Meter hohes Bergmassiv, aber viertausend Meter davon liegen unter der Meeresoberfläche. Auf einer Fläche von 268 Qudratkilometer finden sich 1000 Vulkane, das ist die größte Dichte auf den Kanaren. Der Vulkanismus ist hier ebenso präsent wie auf Lanzarote. Jung ist die Insel, erst 3 Millionen Jahre alt. Sie ist die Jüngste im Kreis der Inselgruppe.
Früher mussten die Einwohner über eine steile und beschwerliche Straße hoch auf den Berg, um zu dem anderen Orten der Insel zu kommen. Seit kurzem wird diese Straße kaum mehr benutzt. Der lange Tunnel hat den Weg nun bequemer gemacht. Ein Spaziergang am ersten Abend führt uns von unserer Unterkunft in der kurzen Einkaufsstraße durch den oberen Teil der Gemeinde. Wir werden immer wieder gegrüßt. Die Herrenios sind offene und freundliche Menschen. „Buenos Tardes“, grüßt er mich am Eingang der Bar. Mit meinen geringen Sprachkenntnissen verstehe ich, dass er von Deutschland redet. Der Herreno ist inzwischen ein alter Mann. Aber er kennt viele deutsche Städte, war oft als Busfahrer in Deutschland, und natürlich auch zur Fußballweltmeisterschaft in Frankfurt. Sein Gesicht strahlt, als ich ihm erzähle, dass ich aus der Nähe von Frankfurt komme. Am Wochenende gibt es „Ziege“ in unserer Bar. Zum Abschluss dieses Tages genehmigen wir uns eine Portion.
El Hierro ist eigentlich ein 5500 Meter hohes Bergmassiv, aber viertausend Meter davon liegen unter der Meeresoberfläche. Auf einer Fläche von 268 Qudratkilometer finden sich 1000 Vulkane, das ist die größte Dichte auf den Kanaren. Der Vulkanismus ist hier ebenso präsent wie auf Lanzarote. Jung ist die Insel, erst 3 Millionen Jahre alt. Sie ist die Jüngste im Kreis der Inselgruppe.
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probate Mittel gegen Heimweh führt der Supermarkt
Wie daheim! Wenn ich hier auf El Hierro mal Heimweh verspüren sollte, dann gehe ich in den Supermarkt. Vor diesem einen Regal ist das Heimweh schnell vergangen. Weizenauszugsmehl mit dem Sonnenstern, Nusskuchen und Kartoffelpuffer als Anrührmischung, Vanillepudding und dergleichen mehr. Alle überlebenswichtigen deutschen Produkte sind hier vereint. Ich frage mich jetzt nur, wie es zur Fürsorge des Marktleiters für die heimwehkranken Deutschen kommt? Bei 10.000 endemischen Bewohnern der Insel und gefühlten 30 wandernden Touristen kann sich diese Lagerhaltung gar nicht lohnen? Oder habe ich da etwas übersehen? Ja. Ich höre, dass 80 Deutsche auf El Hierro leben. Neben dem deutschen Heimatregal im Supermarkt kann auch der Bioladen oben an der Hauptstraße offensichtlich überleben.
Wir haben als Unterkunft auf allen Inseln Apartments mit Kochgelegenheit zur Selbstverpflegung gebucht. Über deren Einrichtung möchte ich mich nicht im Detail auslassen. Sie ist bisweilen sehr spärlich und ein vernünftiges Küchenmesser habe ich immer dabei. Die lokalen Produkte sind günstig und schmackhaft. Darf ich euch ein Brot anbieten mit Paprikamarmelade, rot und süß-pikant? Oder lieber Zwiebelmarmelade? Ein Stück Ziegenfrischkäse mit Quittengelee? Loben kann ich auch den fangfrischen Fisch, auch wenn ich ihn leider nicht essen kann. Papayas gibt es frisch vom Baum und Bananen von der Plantage unterhalb des Ortes. Da verzichte ich doch liebend gerne auf Libby's Obstsalat aus der Dose.
Wir haben als Unterkunft auf allen Inseln Apartments mit Kochgelegenheit zur Selbstverpflegung gebucht. Über deren Einrichtung möchte ich mich nicht im Detail auslassen. Sie ist bisweilen sehr spärlich und ein vernünftiges Küchenmesser habe ich immer dabei. Die lokalen Produkte sind günstig und schmackhaft. Darf ich euch ein Brot anbieten mit Paprikamarmelade, rot und süß-pikant? Oder lieber Zwiebelmarmelade? Ein Stück Ziegenfrischkäse mit Quittengelee? Loben kann ich auch den fangfrischen Fisch, auch wenn ich ihn leider nicht essen kann. Papayas gibt es frisch vom Baum und Bananen von der Plantage unterhalb des Ortes. Da verzichte ich doch liebend gerne auf Libby's Obstsalat aus der Dose.
Die Glocken läuten zum Abendgebet. Ein milder Wind streicht durch meinen Bart. Ich stehe auf dem Vulkankegel von Tigaday, direkt neben dem Glockenturm der alten Kirche. Piratenüberfälle waren über Jahrhunderte an der Tagesordnung. 1615 wurde die Kirche bei den Häusern im Schutz des Kegels gebaut, der Glockenturm getrennt davon auf der Spitze des Kegels. Dieser war gleichzeitig auch Wachturm. Die Piratenschiffe konnten von Weitem erkannt werden. Bis die Piraten an Land kamen, hatte sich die Bevölkerung schon in Sicherheit gebracht. Ich schrecke auf. Die Glocke ruft mit rauem Ton zur Abendmesse. Heute sind es die Alten, die sich gerade zur Messe versammeln.
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Dunkel ist es im Raum. Ich kann kaum etwas erkennen. Langsam gewöhnen sich meine Augen an das wenige Licht, das durch die niedrige Tür herein fällt. Ein grob gezimmertes Holzbett, ein dicker Strohsack darauf, ein dicke Wolldecke. Eine Axt, noch ein paar Arbeitsgeräte, sonst ist nicht viel im kleinen Raum zu sehen. Die Herrenos des 17. Jahrhunderts waren arm. Ich bin in Guinea, einem Wanderdorf, in dem die Menschen den Winter verbrachten.
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versteckt im Lavafeld liegt das Wanderdorf
Das Dorf duckt sich am Rande einer Geröllhalde in das Lavafeld. Die fruchtbaren Felder und Weiden liegen oben in den Bergen in rund 1100 Meter Höhe, dort, wo es ausreichend Wasser aus den Passatwolken gibt. Doch die Winter können rau sein und so wanderten sie im November mit ihrem Vieh steile Pfade hinab ins milde Tal von El Golfo. An dieser Stelle, an der ein paar Dutzend alte Häuser stehen, siedelten bereits die Ureinwohner, die Bimbaches. Schutz fanden sie hier in einer langgestreckten Höhle, die einer der vielen Vulkanausbrüche hinterlassen hat. Zwei Süßwasserquellen liegen in der Nähe, zwei der ganz wenigen Quellen auf der Insel. Die ersten Häuser wurden aus dem schwarzen Lavastein gebaut, mit Palmwedeln gedeckt. Granit, Basalt, Lava gibt es im Überfluss auf der Insel, aber keinen Kalk. Die Mauern sind aus grob behauenen Steinen zusammengefügt. Zum Schutz gegen den Wind sind die Dachbalken mit Seilen im Mauerwerk verankert. Vieh und Mensch lebten eng beieinander. Über eintausend Jahre ist diese Ansiedlung alt. 1960 verließen die letzten Bewohner das Dorf, zogen in komfortablere Häuser. Danach verwaiste es, die Gärten verwilderten, Eidechsen bezogen die Häuser. Im Zuge der Tourismusförderung hat man sich wieder dieses alten Dorfes erinnert und ein Museum daraus gemacht.
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träge lag er auf dem Stein, ein Legato in der Zuchtstation
Müde schaut er mich an und rührt sich nicht vom Fleck. Auf der grauen Mauer mit den gefleckten Steinen muss ich schon genau hin schauen, um die Echse zu sehen. Sie hat es da mit mir leichter, aber weiß auch, dass ich durch das Fenster ausreichend Abstand zu ihr halten werde. „Eidechsen so groß wie Katzen.“ Das war der erste Bericht, der aus El Hierro nach Europa drang. Die Ureinwohner der Insel, die Bimbaches, schätzten sie als Leckerbissen. Die spanischen Siedler sahen in ihnen dagegen nur Schädlinge, die ihnen die Felder kahl fraßen. So kam, was kommen musste. Ihre Zahl nahm spürbar ab. Für Ratten und Katzen waren sie auch Leckerbissen und die frisch geschlüpften Echsen lockten so manchen Falken an. Selbsternannte Naturfreunde des 19. und 20. Jahrhunderts gaben den Rieseneidechsen schließlich den Rest, indem sie sie einfingen, um sie als ausgestopfte Exemplare ihrer Sammlung einzuverleiben. So was macht sich zu Hause sehr gut und nach mir die Sintflut. Seit 1930 gilt diese Art der Rieseneidechsen als ausgestorben. 1975 fand ein Ziegenhirte an einem schwer zugänglichen Hang wieder eine Riesenechse. Es handelt sich um eine Unterart, nicht ganz so groß wie seinerzeit, so verstehe ich die Mitarbeiterin in der Zuchtstation. Immerhin misst diese Art ausgewachsen auch gute 60 Zentimeter Länge, ist aber keineswegs „so groß wie ein Katze“. Seit einiger Zeit werden sie wieder auf den Felsen draußen im Meer und auf der schwer zugänglichen Geröllhalde hinter dem Dorf ausgewildert. Die größten Sorgen bereiten den Züchtern allerdings die wildernden Katzen. Sie wissen die Echsen immer noch als Leckerbissen zu schätzen.
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Tigaday, ein Stadtteil von La Frontera
Sein Gesang ist herzzerreißend. Sein ganzer Schmerz liegt in den Worten und ich sehe seine Tränen in Wellen ins Meer fließen. Heute ist Feiertag. Bayern München spielt gegen Barcelona. Die Bar La Frontera ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Fußballzeit. In der Pause liegt Barcelona 1:0 zurück. Er geht zum Mikrofon. Zum Glück gibt es Karaoke und der Text fließt vom Bildschirm. Eine Stunde später hat Barcelona mit 3:0 verloren. Die Herrenos sind stumm, verlassen langsam die Bar. Er greift wieder zum Mikrofon. Noch schmerzhafter ist sein Ausdruck. Was ihm an Sangeskunst fehlt, ersetzt die Verstärkeranlage durch Stimmgewalt. Ich glaube, dass an solch einem traurigen Abend die Gallier in dem streitbaren Dorf von Asterix und Obelix ausnahmsweise ihrem Sänger Troubadix die Leier gelassen hätten. Gestern war Real Madrid schon aus dem Wettbewerb ausgeschieden, auch gegen eine deutsche Mannschaft. Irgend jemand muss der Volkstrauer ja schließlich Worte geben.
Auch El Hierro hatte es einmal in das Guinness Buch der Rekorde geschafft. Nicht etwa mit dem südlichsten Hafen Europas oder dem schönsten halben Talkessel. Nein. Sie schmückten sich mit dem kleinsten Hotel der Welt. Es gibt an der Küste von El Hierro kaum einen richtigen Sandstrand oder einen Naturhafen. Der erste Hafen war im Süden, dort wo das Meer am ruhigsten ist. Der zweite Hafen war dann Las Puntas im Nordwesten. Hier versenkt sich die Abbruchkante des Cumbre ins Meer. Eine kleine Mole, der Steilküste abgetrotzt, ein Kran, ein Lagerhaus aus schwarzem Stein, mehr nicht. Die Schiffe lagen draußen im Meer vor Anker und mit kleinen Booten wurde die Ladung an Land gebracht. Ein schmaler in den Fels gehauener Hohlweg war der Zugang zum Wasser. So manche Ladung ging auf diesem Weg verloren und so baute man im 20. Jahrhundert schließlich einen neuen Hafen an der Ostküste. Der Verladekran steht immer noch und daneben das Lagerhaus, von dem aus ein schmaler Weg an Land führt. Ein findiger Mensch hat es aufgekauft und zum Hotel umgebaut, das „Punta Grande“. Groß prangt die Schrift „Hotel“ an der markanten Giebelfront des Gebäudes. Den Schlüssel, so lese ich an der Tür, könnte ich bei Miguel abholen. Rechts und links toben die Wellen an die Mole, bei stürmischem Wetter mag sich so mancher Gast unwohl in seinem Bett fühlen. Gutes Marketing war gefragt, um die 4 Zimmer zu vermarkten. Da half der Eintrag ins Guinness Buch der Rekorde. Die Nachfrage war so groß, dass schon bald darauf nebenan eine Apartment-Anlage entstand. In Frankreich habe ich zu dieser Zeit in Zwei- und Drei-Zimmer-Hotels übernachtet. Aber denen fehlte das geschickte Marketing.
Auch El Hierro hatte es einmal in das Guinness Buch der Rekorde geschafft. Nicht etwa mit dem südlichsten Hafen Europas oder dem schönsten halben Talkessel. Nein. Sie schmückten sich mit dem kleinsten Hotel der Welt. Es gibt an der Küste von El Hierro kaum einen richtigen Sandstrand oder einen Naturhafen. Der erste Hafen war im Süden, dort wo das Meer am ruhigsten ist. Der zweite Hafen war dann Las Puntas im Nordwesten. Hier versenkt sich die Abbruchkante des Cumbre ins Meer. Eine kleine Mole, der Steilküste abgetrotzt, ein Kran, ein Lagerhaus aus schwarzem Stein, mehr nicht. Die Schiffe lagen draußen im Meer vor Anker und mit kleinen Booten wurde die Ladung an Land gebracht. Ein schmaler in den Fels gehauener Hohlweg war der Zugang zum Wasser. So manche Ladung ging auf diesem Weg verloren und so baute man im 20. Jahrhundert schließlich einen neuen Hafen an der Ostküste. Der Verladekran steht immer noch und daneben das Lagerhaus, von dem aus ein schmaler Weg an Land führt. Ein findiger Mensch hat es aufgekauft und zum Hotel umgebaut, das „Punta Grande“. Groß prangt die Schrift „Hotel“ an der markanten Giebelfront des Gebäudes. Den Schlüssel, so lese ich an der Tür, könnte ich bei Miguel abholen. Rechts und links toben die Wellen an die Mole, bei stürmischem Wetter mag sich so mancher Gast unwohl in seinem Bett fühlen. Gutes Marketing war gefragt, um die 4 Zimmer zu vermarkten. Da half der Eintrag ins Guinness Buch der Rekorde. Die Nachfrage war so groß, dass schon bald darauf nebenan eine Apartment-Anlage entstand. In Frankreich habe ich zu dieser Zeit in Zwei- und Drei-Zimmer-Hotels übernachtet. Aber denen fehlte das geschickte Marketing.
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der kleine Bettler wird belohnt
Drei weiße Streifen zieren die Rückseite meiner roten Jacke. Nein, es ist nicht das Adidas-Logo. Auf einer kleinen Plattform stehen zwei Bänke. Damit sie bei Sturm nicht abhanden kommen, sind sie festgeschraubt. Die feuchte Meeresluft schlägt sich nieder und hinterlässt ihre Spuren. Es ist reines Meeressalz, das Markenzeichen des Meeres, das nun meinen Rücken ziert. Wir machen ein kleines Picknick, bevor es weiter geht. Bettler haben wir auf allen Inseln schon kennengelernt. Die Atlashörnchen auf Fuerteventura, der kleine Vogel am Strand von Lanzarote, die Karthäuserkatze auf Gran Canaria. Nun können wir unsere Sammlung erweitern. Sie huschen uns zwischen den Beinen durch, stecken den Kopf zwischen den Bodenbrettern heraus, wagen sich langsam immer näher, um dann genüsslich den kleinen Brocken Käse zu verspeisen. Es sind Eidechsen, die hier leben. Für so viel Nettigkeit belohne ich sie mit einem weiteren Stückchen.
18
Ein tiefer Atemzug und meine Lungen füllen sich mit der salzigen Luft, die der Atlantik herbei trägt. Zwanzig Meter tief fallen die Klippen ins Meer, blank gescheuert von der Brandung, die den weiten Lauf der Wellen an den Felsen beendet. „Das weiche Wasser bricht den Stein“, dieses Lied kommt mir in den Sinn. Von Punta Grande aus führt ein Wanderweg 2460 Meter weit durch ein Lavafeld entlang der Klippen. Der größte Teil ist mit Holzplanken ausgelegt, um die Füße vor der scharfkantigen Lava zu schützen. Es ist Brockenlava, die aus vielfältigen Ausbrüchen stammt. Mal hat sie sich bis ins Meer ergossen und die Küstenlinie neu gestaltet, mal ist sie auf halbem Wege stecken geblieben wie eine eiszeitliche Endmoräne. Jahrtausende liegt die letzte Eruption zurück. Wolfsmilchgewächse und Kleinerien haben sich in den Spalten angesiedelt. Kleine hart blättrige Blumen sind gefolgt, mit Blüten, die an die Erika erinnern. Die gelben Blätter eines Verwandten des Meeressalates leuchten aus dem dunklen Steinfeld heraus. An manchen Stellen ist es auch nur eine rostfarbene Flechte, die stets der erste Bote von Leben im Lavafeld ist. Aber insgesamt dominiert die dunkle Farbe des Gesteins, von Schwarz über Grau bis hin zu Rotbraun. All die Kristalle und Erze, die der Lavastrom aus der Tiefe unserer Erde mit gebracht hat, zeigen sich in den Farbnuancen.
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Ein tiefer Atemzug und meine Lungen füllen sich mit der salzigen Luft, die der Atlantik herbei trägt. Zwanzig Meter tief fallen die Klippen ins Meer, blank gescheuert von der Brandung, die den weiten Lauf der Wellen an den Felsen beendet. „Das weiche Wasser bricht den Stein“, dieses Lied kommt mir in den Sinn. Von Punta Grande aus führt ein Wanderweg 2460 Meter weit durch ein Lavafeld entlang der Klippen. Der größte Teil ist mit Holzplanken ausgelegt, um die Füße vor der scharfkantigen Lava zu schützen. Es ist Brockenlava, die aus vielfältigen Ausbrüchen stammt. Mal hat sie sich bis ins Meer ergossen und die Küstenlinie neu gestaltet, mal ist sie auf halbem Wege stecken geblieben wie eine eiszeitliche Endmoräne. Jahrtausende liegt die letzte Eruption zurück. Wolfsmilchgewächse und Kleinerien haben sich in den Spalten angesiedelt. Kleine hart blättrige Blumen sind gefolgt, mit Blüten, die an die Erika erinnern. Die gelben Blätter eines Verwandten des Meeressalates leuchten aus dem dunklen Steinfeld heraus. An manchen Stellen ist es auch nur eine rostfarbene Flechte, die stets der erste Bote von Leben im Lavafeld ist. Aber insgesamt dominiert die dunkle Farbe des Gesteins, von Schwarz über Grau bis hin zu Rotbraun. All die Kristalle und Erze, die der Lavastrom aus der Tiefe unserer Erde mit gebracht hat, zeigen sich in den Farbnuancen.
Irgendwann hat sich ein Riese mit einem Messer an den Klippen zu schaffen gemacht. Er hat Kerben hinein geschnitzt und tiefe Einschnitte hinterlassen. Tosend werfen sich die Wellen in solche Einschnitte, rollen weit nach hinten, werfen den weißen Schaum hoch, der sich als Gischt über die schmale Schlucht legt. Wie eine Orgel ist eine Basaltformation aufgereiht, schön herausgearbeitet vom fleißigen Wasser, und das Meer spielt darauf seine eigene Weise. Tauben nisten hoch in den Felsen, Schwalben jagen durch die Luft. Eine einsame Möwe segelt vorbei. Immer wieder sauge ich die Luft tief ein. Ein herrlicher Fleck Erde ist dies hier.
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beim Sonnenbaden kann es bei Flut schnell nass werden
Der Wanderweg endet am Playa Maceta. Wer einen Sandstrand als Playa erwartet hat, wird enttäuscht sein. Abrupt endet die Straße auf einem Parkplatz. Ein paar Schritte zum Geländer und dann ein Oh. Tief unter mir liegt ein Meeresschwimmbad. Die Flut steht so hoch wie die Sonne. Weiße Brecher schlagen über die Mauer des Schwimmbeckens, halten das Wasser in den drei Becken frisch. Bei Ebbe liegt das Bassin zwei Meter über dem Meeresspiegel. Dann ist das Wasser ganz ruhig. Immer wieder kommen Einheimische zu einer kurzen Erfrischung, um danach zu ihrer Arbeit zurück zu kehren. Natürlich trifft sich hier auch die Jugend. Die Gemeindeverwaltung hat mit diesem Schwimmbad ein Glanzstück vollbracht und der Eintritt ist kostenlos.
Ein Moment der Berührung erfasst mich. Hier taucht Europa seine Fußspitze ins Meer. Vor mir tauchen Felsen ins Wasser, werden von Wellen umspült, hinterlassen eine weiße Spur auf ihrem Unterwasserweg nach Süden. Über dem Meer lösen sich die letzten Passatwolken in Nichts auf und geben dem blauen Himmel viel Raum. Ich bin am südlichsten Punkt unserer Reise.
La Restinga, ein kleiner Fischerort, ein Taucherparadies, der südlichste Ort Europas. Es ist kein alter Ort. Vor kurzem feierte man hier den siebzigsten Geburtstag. Mit viel staatlicher Unterstützung wird versucht, den Tourismus zu puschen. Hinter der Handvoll Häuser ragen kleine, schwarze Vulkanspitzen hoch. Um hierher zu kommen, haben wir den steilen Hang des Cumbre erklommen, den Lorbeerwald durchquert, die Lichtungen des Waldes mit den hohen Bäumen der Kanarenkiefer und ihrem Nadelteppich hinter uns gelassen, haben die fruchtbaren Hänge von El Pinar durchfahren, sind den breiten Lavastrom herabgerutscht, um schließlich nach 40 Kilometern festzustellen, dass die im Reiseführer für 15 Uhr angekündigte und hoch gelobte Fischauktion aus drei schmalen Kisten mit vielleicht acht Fischen besteht. |
Ein Café con leche auf der Terrasse der einzigen Bar, die geöffnet hat. Der Tresen ist durch ein offenes Fenster einfach bis nach draußen verlängert. Alte Fischer sitzen hier bei einem Gläschen Wein. Nacheinander kommen zwei kleine Fischerboote in den Hafen. Auch ihr Fang beschränkt sich auf je eine Kiste. Still ist es hier, so still wie auf der ganzen Insel. Dieser Hafen war die letzte Station von Kolumbus, bevor er Europa hinter sich ließ. Mein Blick schweift hinaus aufs weite Meer. Ich kann Amerika nicht sehen. Es ist ein paar Meter weiter, als ich schauen kann. Ich denke an die Seefahrer zur Zeit von Kolumbus. Welches Gefühl mag sie vor fünfhundert Jahren in ihren kleinen Nussschalen bewegt haben, als sie El Hierro im Dunst schwinden sahen. Vor ihnen lag nur die schnurgerade Linie des Horizonts. Sie fuhren hinaus mit der vagen Hoffnung auf Wiederkehr. Ich verliere mich in der Unendlichkeit des Ozeans.
IIch schaue hinaus aufs Meer. Dort draußen, einige Kilometer vor der Küste, glaube ich schemenhaft im Wasser einen Vulkankrater zu erkennen. Wasserblasen scheinen aus ihm hoch zu steigen, er ist noch nicht erloschen. Ja, 2011 war er ausgebrochen. Man erwartete, dass er eine neue Insel im kanarischen Archipel bildet. Doch seine Kraft erlosch, bevor er mit seiner Spitze die Wasseroberfläche erreichte. Noch vor kurzem, im März 2013, gab es eine ganze Serie von Erdbeben. Sie richteten jedoch keine Schaden an und wurden kaum wahrgenommen. Der Riese hat sich im Schlaf nur in seinem Bett gewälzt. Dennoch fühle ich mich hier sicher. Vielleicht liegt es an der friedlichen Stille, die mich umgibt.
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zum Strand von Tacarona
Die junge Dame in der Touristeninformation schwärmt: „Es ist der schönste Strand von El Hierro. Der Sonnenuntergang ist fantastisch.“ Da wir nun schon in Restinga sind, folgen wir ihrem Rat. Luftlinie sind es gerade mal fünf Kilometer. Doch auf dieser Insel hat dies nichts zu sagen. Die Straße sucht sich ihren eigenen Weg durch das Lavafeld, führt uns erst einmal dreihundert Meter in die Höhe, um dann wieder abwärts zu steigen. Um uns herum scheint mal wieder ein Konditor seine Arbeitsstelle fluchtartig verlassen zu haben. Erstarrte Fließlava, ich nenne sie inzwischen Rührteiglava, türmt sich in fantastischen Formen. An der geringen Besiedlung durch Wolfsmilchgewächse und Kleinerien erkenne ich, dass sie von einem relativ jungen Vulkanausbruch her rührt. Tief unten wie Spielzeug ein Parkplatz, eine kleine Bar, ein paar Autos. Sechs enge Serpentinen überwinden die letzte Steilwand. Ein schön angelegter Fußweg führt die letzten Meter zur Badebucht. Die Anlage wurde vor kurzem mit finanzieller Hilfe der Europäischen Union neu angelegt und verbessert. Hoch und nieder schwappt das Wasser an den edelstählernen Leitern, die ins erfrischende Nass führen. Der salzige Geschmack des Meerwassers legt sich auf meine Lippen. Dreißig Meter weiter brechen sich schäumend die heranrollenden Wellen an einem quer liegenden Riff. Vereinzelt kommen Badegäste, drehen ein paar Runden im Wasser und verschwinden wieder. Die Cala de Tacaron gilt unter Insidern als die schönste Badebucht hier auf El Hierro. Eine Bäuerin betreibt die kleine Strandbar. Wir lassen uns ein Pfund feldfrischer Kartoffeln einpacken und machen uns in Vorfreude auf die Papas Arrugadas auf den Rückweg. Angesichts der langen Wegstrecke über den Gebirgszug des Cumbre verzichten wir auf den viel gerühmten Sonnenuntergang. Lange noch höre ich das Rauschen der Wellen in meinem Ohr und sehe den Schaum, der sich an den Klippen des Riffs bricht.
Die Luft ist trocken und mit einem Hauch von Harz angereichert. Hinter mir ballen sich die grauen wasserreichen Passatwolken. Doch sie bleiben an der Höhe des Cumbre hängen, geben ihre Fracht sachte an den üppigen Lorbeerwald ab. Hier, nur 200 Meer tiefer, ist es spürbar trockener. Ich schreite weich wie auf einem Teppichboden durch das Spalier der hohen Kiefern. Der Boden ist bedeckt mit den langen brauen Nadeln. Dort, wo es etwas feuchter ist, haben sich kleine Blumen angesiedelt, Bodendecker, die mit ihren gelben Blüten das Grün der Kiefern ergänzen. Wie einzeln stehen die Bäume, sind von Kopf bis Fuß in Nadeln gehüllt, und bilden doch in ihrem Ensemble einen prächtigen Wald.
Kaum vorstellbar, dass sich auf so engem Raum derart unterschiedliche Vegetationen finden. Der Lorbeerwald braucht viel Feuchtigkeit, die kanarische Kiefer mag es hingegen trocken. Über mir triften die letzten weißen Wolken vor einem strahlend blauem Himmel. Ich setze mich auf einen Baumstamm, der am Hang liegt. Die Stille ist unendlich. Von Ferne höre ich nur das Rauschen des Meeres. Ab und zu ein Vogelgesang, ansonsten nur friedliche Stille. Stille, das ist das Gefühl, das ich mit El Hierro verbindet.
Vor mir liegt eine grüne Lichtung. Dahinter sind verkohlte Baumstämme aufgeschichtet. Der Kiefernwald ist licht, ohne Unterholz. Die vertrockneten Nadeln sind ein leichter Raub für offenes Feuer. Vor einiger Zeit ist ein Waldbrand durch den Wald gezogen, hat seine Spuren hinterlassen. Die kanarische Kiefer kann mit ihrer starken Rinde mehrere Tage dem Feuer widerstehen. |
Verkohlte Rinde sehe ich an vielen Bäumen. Aber ebenso sehe ich das Grün der Blüten, die neue Zapfen bilden werden. Ich muss in mich hinein grinsen. Die Blüten sehen aus wie die Babyananasfrüchte, die ich unten im Tal von El Golfo auf den Plantagen gesehen habe. Grob gescheckt ist die Rinde der Kiefer, so wie das Fell eines Leoparden. Aus der großen Zahl der Bäume stechen die „Senioren“ hervor. Ich kann ihren Stamm nicht umfassen, da braucht es drei meiner Statur. Knorrig sind sie, haben gewaltige Äste zur Seite ausgetrieben. Als gealterte Riesen ragen sie aus dem Wald heraus.
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sie tanzen den ganzen Tag, die Bailarins von El Pinar
Bumm Bummbumm, Bumm Bummbumm, Bumm Bummbumm Bumm Bummbumm. Der tiefe Ton der Trommeln dringt durch die Straßen von El Pinar. Die Leute um mich herum werden unruhig, schauen eine schmale Straße hoch. Es ist 14:00 Uhr. Wenig später dringen Flötentöne an mein Ohr, erst leise, dann immer stärker. Sie nehmen den Rhythmus der Trommeln auf, führen ihn fort. Nun mischt sich ein anderer Ton hinein, ein hölzernes Klappern. Ich schaue erwartungsvoll die enge Straße hoch. Zwei Schäfer mit hohen, spitzen Wollmützen biegen um die Ecke. Sie führen den langen Stab mit sich, womit sie das Lavafeld durchqueren können, dazu die traditionelle gebogene Wasserflasche aus Leder. Ein Tänzer, ein Bailarin, wirbelt um die Ecke, weiß und rot gekleidet, dreht sich um seine Achse im Rhythmus seiner Kastagnetten. Erst einer, dann zwei, dann drei, dann immer mehr. Alle tragen die Gorros, die traditionelle bunte Mütze. Sie bilden eine Gruppe, tanzen im Kreis, springen und hüpfen, bilden eine Kette und drehen sich im hellen Sonnenschein. Schon bald kommen weitere Tänzer von oben, bilden unterhalb der Gruppe einen neuen Kreis und lösen langsam die andere Gruppe ab. Wie eine Welle kommen die Tänzer die Straße herunter, bevor die Flötenspieler um die Ecke biegen. Langsam folgen diesen die Trommler. Große Instrumente haben sie, tragen sie fast auf Schulterhöhe und geben der ganzen Gruppe den Takt. Nun steigert sich der Zug zum Höhepunkt. Auf einer Lade tragen junge Frauen ein großes weißes Kreuz. Es ist behangen mit Ringen und Amuletten. Eine zweite Lade folgt, ein rosafarbenes Kreuz. Und dahinter die weiße Madonna, gefolgt von dem Priester.
Seit drei Stunden ist die Prozession schon unterwegs. Heute ist der 3. Mai. Es ist der Tag des Kreuz-Festes in El Pinar. Um 11:00 Uhr haben sie begonnen, eine Gruppe in der Kirche von Las Casas, die andere in der Kirche von Taibique. Die beiden Kreuze werden von jungen, unverheirateten Frauen getragen. Männer dürfen nur bei der Madonna helfen. Auf ihrem Weg durch den Ort haben sich die beiden Gruppen getroffen und vereint, haben in einer weiteren Kirche die Madonna abgeholt und wieder gemeinsam durch den Ort getragen. El Pinar liegt am steilen Hang. Bergauf und bergab zieht die Gruppe, immer tanzend. Steil sind die Straßen. Da fließt so mancher Schweißtropfen.
Wir folgen der Prozession den steilen Weg bergab zur Kirche. Sie nehmen nicht den kürzesten Weg. Durch alle Straßen müssen die Kreuze getragen werden, bis die Madonna endlich wieder an ihrem Platz in der Kirche angekommen ist. Eine gute halbe Stunde dauert der Tanz rund um die kleine Kirche, in die Kirche hinein und wieder zurück auf den Vorplatz. Die Schäfer reichen den Tänzern immer wieder Wasser, aus ihren Lederflaschen ebenso wie aus banalen Plastikflaschen. Ob ich Reporter sei, werde ich gefragt. Meine Kamera kommt nicht zur Ruhe. Eben werden die beiden Kreuze wieder aus der Kirche getragen. Vor dem Portal drehen die vier jungen Frauen sich einmal im Kreis, damit jeder das Kreuz sehen kann. Alles klatscht. Für die jungen Frauen ist es eine Ehre, das Kreuz zu tragen. Aber bierernst geht es nicht zu. Es wird viel gelacht und viel gesprochen. Frömmigkeit zeigt hier eigene Züge. Die Prozession zieht weiter. Am Abend wird ein großes Fest gefeiert, mit Musik und Tanz. Die jungen Frauen wollen schließlich nicht ihr ganzes Leben lang Jungfrau bleiben.
Der Ton der Trommel entfernt sich von mir. Wir gehen den steilen Weg zurück zur Hauptstraße. Unterwegs ein Blick in eine Garage. Es scheint eine Schreinerwerkstatt zu sein. Doch das Holz, das dort liegt passt so gar nicht zu einem Schreiner. Es sind kurze Baumscheiben und Wurzelstücke, keine Bretter und Latten. Wir fragen den Schreiner, der gerade das Tor schließen will. Nein, Schreiner sei er nicht, sondern Kunsthandwerker. Ob wir wohl seine Sammlung sehen wollten? „Ja, natürlich“ sage ich und folge ihm. Es ist Ivan Montero, ein bekannter Holzkünstler aus El Pinar. Stolz zeigt er uns seine Sammlung: Holzmesser, die sein Vater gefertigt hat, Mörser aus dem schweren Holz des Maulbeerbaumes und dem leichten Holz des Avocadobaumes. Ein Krug fällt mir besonders auf. Aus dem Ast, der aus dem Stamm ragt, hat er nach der einer Seite den Kopf einer Eidechse geformt, nach der anderen Seite sieht man nur den Ast heraus wachsen.
Wir verabschieden uns und fragen noch nach dem Haus von Brigitte Hoyer. „Gerade mal die Straße hoch, dann am kleinen Platz links halten und dann das letzte Haus“, so erklärt er der Weg. Ich schnaufe ganz schön, als wir bei dem Haus an kommen. Wir sind ganz oben in El Pinar. Ich habe einen schönen Blick über den Ort bis weit hinaus aufs Meer, wo sich vor mir die schnurgerade Grenze zwischen Passat und Antipassat, den beiden widerstreitenden Winden, abzeichnet. In den umliegenden Gärten stehen noch alte Bauernhäuser aus dem schwarzen Stein, so wie wir sie in Guinea gesehen haben. In einem Garten erntet ein alter Bauer gerade Kartoffeln. In anderen hängen gelb die Früchte der Mispel im Baum. Brigitte Hoyer zeigt uns gerne ihr Atelier. Mit Renate hat sie eine Frau vom Fach vor sich. Da wird gleich gefachsimpelt. Sie lebt seit 1982 auf El Hierro. Eigentlich ist sie Kunsterzieherin. Aber sie hat den Schuldienst gegen ein Leben als Töpferin eingetauscht. Wer die Beschaulichkeit dieser kleinen Insel liebt, kann sich bei ihr gleich in ein Apartment ein mieten.
Wir verabschieden uns und fragen noch nach dem Haus von Brigitte Hoyer. „Gerade mal die Straße hoch, dann am kleinen Platz links halten und dann das letzte Haus“, so erklärt er der Weg. Ich schnaufe ganz schön, als wir bei dem Haus an kommen. Wir sind ganz oben in El Pinar. Ich habe einen schönen Blick über den Ort bis weit hinaus aufs Meer, wo sich vor mir die schnurgerade Grenze zwischen Passat und Antipassat, den beiden widerstreitenden Winden, abzeichnet. In den umliegenden Gärten stehen noch alte Bauernhäuser aus dem schwarzen Stein, so wie wir sie in Guinea gesehen haben. In einem Garten erntet ein alter Bauer gerade Kartoffeln. In anderen hängen gelb die Früchte der Mispel im Baum. Brigitte Hoyer zeigt uns gerne ihr Atelier. Mit Renate hat sie eine Frau vom Fach vor sich. Da wird gleich gefachsimpelt. Sie lebt seit 1982 auf El Hierro. Eigentlich ist sie Kunsterzieherin. Aber sie hat den Schuldienst gegen ein Leben als Töpferin eingetauscht. Wer die Beschaulichkeit dieser kleinen Insel liebt, kann sich bei ihr gleich in ein Apartment ein mieten.
Zum Abschluss ein Café con leche in einer der zahlreichen Bars an der Hauptstraße. Der Kaffee hier ist gut. Irgendetwas stört mich aber an dem kanarischen Ambiente der Bar. Dann fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Neben Fan-Schals der bekannten spanischen Fußballmannschaften prangt ein roter Schal: Bayern München. Der Besitzer ist stolz auf seine Trophäe. Nein, von Borussia Dortmund will er keinen. Er ist Bayern-Fan.
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Ein Bild wie von Monet
Monet muss hier gewesen sein. Östlich des Cumbre zieht sich eine sanft wellige Hochebene. Fruchtbare Felder und Wiesen liegen entlang der Straße von El Pinar nach Valverde. Ein Gerstenfeld ist gesprenkelt mit rotem Klatschmohn. Dahinter zieht sich eine Baumkette über eine kleine Kuppe. Am Straßenrand blühen Zottenwicke und Wiesenplatterbse. Wir machen Rast in San Andres. Ein altes Fass, ein moderner Zapfhahn, darunter die digitale Kühlanzeige: 9 Grad. Auch hier ist die Zeit nicht stehen geblieben. Mich stört das Geräusch des Spielautomaten in der Ecke. Ab und zu macht der Spieler einen kleinen Gewinn, mit großem Getöse. Der Losverkäufer, der gerade herein kommt, verspricht dagegen den ganz großen Gewinn. Lotteriespiel ist in ganz Spanien eine Volksleidenschaft, auch hier im abgeschiedenen El Hierro.
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Arbol Santo, der Heilige Baum
Ein Weg führt mich um den Hang herum in die Einkerbung eines Tales. Früher ging ein Viehtrieb durch dieses Tal zu den Wanderdörfern auf der Hochebene. Der Talgrund verästelt sich vor mir, ein Ast endet in einem kleinen Talkessel. Kreisrund ist der Fels ausgehöhlt, einige Meter hoch die senkrechten Wände, an denen Farne und Moos siedeln. Flach ist der Boden, vielleicht zehn Meter im Durchmesser. Zum Tal öffnet sich der Kessel wie mit einem Tor. Und mitten in diesem Kessel der Arbol Santo. Ehrfurcht ergreift mich. Ich bin an der heiligsten Stelle der Bimbaches angekommen. Dieser Baum ist seit Jahrtausenden das Symbol für Leben auf dieser wasserarmen Insel. Die Passatwolken geben ihre Feuchtigkeit nicht durch Regen ab, sondern durch Kondensation. Die Ureinwohner nannten es den „horizontalen Regen“. An den Blättern des Baumes sammelt sich die Feuchtigkeit. Der Baum nimmt sie nicht nur auf, sondern lässt das Wasser auch von den Blättern tropfen. Ich spüre die Feuchtigkeit in diesem Kessel. Der ganze Lorbeerwald lebt von diesem Phänomen, aber in dieser Stelle wird es sichtbar. Unterhalb des Arbol Santo sammelt sich das Wasser in vielen natürlichen Becken. Mit diesem Wasser wurden die Einwohner der Insel noch bis vor kurzem versorgt.
Grün bemoost ist der Stamm des Baumes. Ich fasse ihn an, streife mit der Hand über das Moos. Weich ist es, wie Samt. Sein Stamm ist nach Norden geneigt, folgt dem Weg des Windes. Er zieht sich hinter dem Kessel den Hang hinauf. Kleine „Kinder“ hat er ausgesät, die am Hang rechts und links seiner Krone leben. Es ist nicht mehr der alte Baum der Bimbaches. Aber immer, wenn der alte Baum fällt, wird ein neuer gepflanzt, auch heute noch.
Wir sind allein an diesem Ort. Ich kann die Atmosphäre in mich auf nehmen, kann die Ehrfurcht und den Naturglauben der Bimbaches, der aus diesem Baum genährt wurde, erahnen, kann mir Legenden und Fabeln ausdenken, die sich an solch einem mystischen Ort bilden.
Wir sind allein an diesem Ort. Ich kann die Atmosphäre in mich auf nehmen, kann die Ehrfurcht und den Naturglauben der Bimbaches, der aus diesem Baum genährt wurde, erahnen, kann mir Legenden und Fabeln ausdenken, die sich an solch einem mystischen Ort bilden.
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ein Kreuz steht am Ende einer langen Gefällstrecke
Rückfahrt im Sonnenuntergang. Ich habe die kurze Nebenstraße gewählt, die direkt nach Mocanal führt, um von dort zum Tunnel nach La Frontera zu kommen. Eigentlich hätte ich es mir denken können. Schnurgerade heißt schnurstracks den Berg runter. Mögen es 20 oder 30 Prozent Steigung sein, ich habe es nicht gemessen. Ich sehe nur das Kreuz vor der weißen Wand, an der diese Straße auf die Hauptstraße mündet. Die Bremsen haben heute ihren Dienst geleistet.
Ich höre im Abendlicht wieder den Schlag der Trommeln und die Melodie der Flöten. El Pinar liegt jenseits des Berges. Am 6. Juli findet die größte Inselprozession statt, die Bajada de la Virgen de Los Reyes, der Abstieg der Jungfrau. Sie beginnt weit im Süden und führt 28 Kilometer weit entlang des Cumbre bis nach Valverde. Tänzer und Jungfrauen der ganzen Insel werden dann die Madonna ein Stück des Weges begleiten. In allen Ortschaften wird an diesem Wochenende schon fleißig geübt. Ein romantischer Sonnenuntergang beschließt diesen schönen und erlebnisreichen Tag.
Treffpunkt der internationalen Bevölkerung von El Hierro ist der Sonntagsmarkt von La Frontera. Neben Obst und Gemüse vom Bauern, Ziegenkäse, Honig, Marmelade und Wein aus dem Tal bieten auch Residenten (so heißen amtlich die Bewohner der Kanaren) aus anderen europäischen Ländern Waren an. Man trifft sich am Bücherstand, wo gelesene Literatur schnell eine neue Leserin findet, und tauscht den neuesten Klatsch aus.
Dulce Maria ist gerührt, als Renate ihr von ihrem Leben in Australien erzählt. Dulce Maria bietet eigene Strickwaren und handgearbeitete Körbe an. Letzteres hat sie vom alten Herreno am Stand nebenan gelernt. Er hat uns schon seine Körbe aus Dattelzweigen gezeigt, seinen ganz speziellen trockenen Wein probieren lassen und zu sich nach Hause eingeladen. Leider haben wir nur beschränkte Zuladung beim Gepäck. Noch liegen drei weitere Inseln vor uns. Dulce Maria ist Herrena, lebte lange in Australien, wo heute noch ihre Kinder sind. Dulce Maria ist eine echte Herrena, daher feiert sie auch leidenschaftlich gern. Mit leuchtenden Augen erzählt sie uns vom Schäferfest am vergangenen Wochenende (wir sind leider einen Tag zu spät gekommen) und dem Fest des Kreuzes in El Pinar. Und hoffentlich, sagt sie, können wir noch die große Bajada Anfang Juli mit erleben. Traurig schaut sie, als wir ihr sagen, dass es übermorgen auf die nächste Insel weiter geht. Wir tauschen die Emailadressen aus. Vielleicht sieht man sich ja irgend wann einmal wieder. Heute ist Muttertag. Vier junge Frauen bieten selbst gebackenen Kuchen an. Wir setzen uns mit zwei köstlichen Stücken Apfelkuchen in unsere Bar zu einem café con leche.
Ich höre im Abendlicht wieder den Schlag der Trommeln und die Melodie der Flöten. El Pinar liegt jenseits des Berges. Am 6. Juli findet die größte Inselprozession statt, die Bajada de la Virgen de Los Reyes, der Abstieg der Jungfrau. Sie beginnt weit im Süden und führt 28 Kilometer weit entlang des Cumbre bis nach Valverde. Tänzer und Jungfrauen der ganzen Insel werden dann die Madonna ein Stück des Weges begleiten. In allen Ortschaften wird an diesem Wochenende schon fleißig geübt. Ein romantischer Sonnenuntergang beschließt diesen schönen und erlebnisreichen Tag.
Treffpunkt der internationalen Bevölkerung von El Hierro ist der Sonntagsmarkt von La Frontera. Neben Obst und Gemüse vom Bauern, Ziegenkäse, Honig, Marmelade und Wein aus dem Tal bieten auch Residenten (so heißen amtlich die Bewohner der Kanaren) aus anderen europäischen Ländern Waren an. Man trifft sich am Bücherstand, wo gelesene Literatur schnell eine neue Leserin findet, und tauscht den neuesten Klatsch aus.
Dulce Maria ist gerührt, als Renate ihr von ihrem Leben in Australien erzählt. Dulce Maria bietet eigene Strickwaren und handgearbeitete Körbe an. Letzteres hat sie vom alten Herreno am Stand nebenan gelernt. Er hat uns schon seine Körbe aus Dattelzweigen gezeigt, seinen ganz speziellen trockenen Wein probieren lassen und zu sich nach Hause eingeladen. Leider haben wir nur beschränkte Zuladung beim Gepäck. Noch liegen drei weitere Inseln vor uns. Dulce Maria ist Herrena, lebte lange in Australien, wo heute noch ihre Kinder sind. Dulce Maria ist eine echte Herrena, daher feiert sie auch leidenschaftlich gern. Mit leuchtenden Augen erzählt sie uns vom Schäferfest am vergangenen Wochenende (wir sind leider einen Tag zu spät gekommen) und dem Fest des Kreuzes in El Pinar. Und hoffentlich, sagt sie, können wir noch die große Bajada Anfang Juli mit erleben. Traurig schaut sie, als wir ihr sagen, dass es übermorgen auf die nächste Insel weiter geht. Wir tauschen die Emailadressen aus. Vielleicht sieht man sich ja irgend wann einmal wieder. Heute ist Muttertag. Vier junge Frauen bieten selbst gebackenen Kuchen an. Wir setzen uns mit zwei köstlichen Stücken Apfelkuchen in unsere Bar zu einem café con leche.
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nur 8 Serpentinen
El Hierro ist klein und übersichtlich. Um so erstaunlicher ist die landschaftliche und klimatische Vielfalt. La Sabinosa ist der westlichste Ort auf El Hierro. Ich steuere den Wagen eine steile Serpentinenstraße nach unten auf die Küstenebene. Am letzten Haus ein Schild: „schlechte und gefährliche Wegstrecke“. Die Straße führt nun direkt am Meer durch ein Feld mit Erstarrungslava. Ich fühle mich wie auf einem Bauhof, auf dem man wahllos Schutt abgeladen hat. Faustgroß und kantig sind die Brocken und ganz leicht. Vom Berghang kommen von ganz oben Geröllhalden. Die Brocken, die dort häufiger runter fallen, möchte ich nicht auf den Kopf bekommen. Sie sind tonnenschwer und finden erst im Lavafeld ihre Ruhe. Dann ein banales Schild: „Kurven auf 2 Kilometer“. Wir verlassen die Ebene. Acht Serpentinen führen von Null auf 350 Meter hoch.
Abenteuerlich bisweilen die Straßenführung. Die Straße ist schmal, gerade breit genug für ein entgegen kommendes Fahrzeug. Meine Aufmerksamkeit gilt mehr der Straße als der wilden Landschaft. Ich bin froh, dass uns nur an einer breiten Stelle ein PKW entgegen kommt. Leitplanken? Fehlanzeige. Erst am Aussichtspunkt „Lomo Negro II“ kann ich mich wieder der Landschaft widmen. Platt wie ein Teller liegt das Lavafeld nun tief unter uns. Der Vulkan Lomo Negro hat seine Lava oft zu Tal geschickt, das letzte Mal im Jahr 1793, und dem Meer die Fläche dieser Ebene abgerungen. Es war der jüngste Vulkanausbruch auf El Hierro, so sagt mir die Informationstafel. Einiges lerne ich hier auch über den Unterschied von Fließlava und Erstarrungslava. Blau ist der Himmel und blau das Meer. Über mir treibt der Passat eine Wolke ins Nichts.
Abenteuerlich bisweilen die Straßenführung. Die Straße ist schmal, gerade breit genug für ein entgegen kommendes Fahrzeug. Meine Aufmerksamkeit gilt mehr der Straße als der wilden Landschaft. Ich bin froh, dass uns nur an einer breiten Stelle ein PKW entgegen kommt. Leitplanken? Fehlanzeige. Erst am Aussichtspunkt „Lomo Negro II“ kann ich mich wieder der Landschaft widmen. Platt wie ein Teller liegt das Lavafeld nun tief unter uns. Der Vulkan Lomo Negro hat seine Lava oft zu Tal geschickt, das letzte Mal im Jahr 1793, und dem Meer die Fläche dieser Ebene abgerungen. Es war der jüngste Vulkanausbruch auf El Hierro, so sagt mir die Informationstafel. Einiges lerne ich hier auch über den Unterschied von Fließlava und Erstarrungslava. Blau ist der Himmel und blau das Meer. Über mir treibt der Passat eine Wolke ins Nichts.
![Bild](/uploads/5/3/0/2/5302925/915428.jpg?389)
Blick vom Wacholderbaum auf den Krater des Lomo Negro
Die Serpentinen liegen hinter mir, aber die Straße schraubt sich weiter hoch. Wir nähern uns der westlichen Spitze von El Hierro. Wir sind am Rande der Dehesa, der windigsten Ecke der Insel. Es ist die Heimat der knorrigen Wacholderbäume, die den Namen El Hierros in die Welt hinaus getragen haben. Rechts und links der Straße stehen sie als Solitär. Der Wind diktiert die Richtung ihres Wuchses, beugt sie tief nach unten. Sie zeigen Rückgrat im wahrsten Sinne des Wortes: ihr Stamm wächst horizontal, streckt trotzig das Grün der Blätter nach Südwesten. Ein Wacholderbaum bietet uns einen Sitzplatz an. Im Stamm sind zwei Sitzmulden, natürlich nur für uns. Seine Beeren liegen breit verstreut. Es riecht nach Wacholder. Tief unten liegt die Caldera des Lomo Negro. Weiter oben schließen sich die Wacholderbäume zu einem Wald zusammen, der letzte seiner Art auf den Kanaren. Der Wind fegt den Berghang herunter. Menschen, die hier leben, nehmen irgendwann wohl auch die trotzige Haltung der Wacholderbäume an.
In der Ferne grüßt der Leuchtturm von Orchilla, knapp daneben steht das Monument für den Messpunkt des Null-Meridians. Ptolemäus hat im zweiten Jahrhundert nach Christus El Hierro zum Ende der Welt erklärt und hier den Null-Meridian verortet. Ludwig der XIII wies seine Geografen 1634 an, von diesem Null-Meridian aus die Längengrade zu ziehen. Die Kanarischen Inseln waren nach der Entdeckung Amerikas durch Kolumbus der strategisch wichtigste Punkt für die weitere Landeroberung in der Neuen Welt. Der Seeräuber Francis Drake holte sich einige Male eine blutige Nase, er als im Auftrag Ihrer königlichen Majestät von England versuchte, die Kanarischen Inseln zu erobern. Als kleine Rache haben die Engländer sich dann 1884 den Null-Meridian nach Greenwich geholt.
Wie Pockennarben auf der Haut eines Erkrankten reiht sich unter mir ein Vulkankrater an den anderen. Es müssen Hunderte sein. Ich denke unwillkürlich an die Schilderung des Vulkanausbruchs von 1730 auf Lanzarote, wo an einem einzigen Tag 32 Vulkane aufgebrochen sind. |
Weiter oben beginnt der Kiefernwald. Weiß leuchtet die Ermita Virgen de Los Reyes aus dem Grün hervor. Eine alte Herrena sitzt ergriffen vor der Madonna. In zwei Monaten ist die Bajada, die große Prozession, bei der die Madonna über die ganze Insel bis nach Valverde getragen wird. Es ist das wichtigste Fest der Herrenos. Sicher denkt sie gerade an die Zeit, als sie als junge Frau vor 60 Jahren selbst einmal die schwere Lade mit der Madonna auf ihrer Schulter getragen hat.
Wir folgen dem Lauf der Straße durch den Wald. Plötzlich treibt der Aufwind von unten graue Wolkenfetzen an uns vorbei. Sie streichen über die Straße, hüllen mich für einen kurzen Moment ein. Ich rieche die harzige Feuchtigkeit. Die Kiefern freuen sich. Mit ihren langen Nadeln melken sie die Feuchtigkeit aus den Wolken.
Ein Pickup kommt mir entgegen, die Fahrerin hält ganz rechts am Hang. Da passt kein Blatt Papier mehr dazwischen. Sie weiß warum. „Sigua“ ruft sie „Sigua“, „Fahr weiter“. Vorsichtig fahre ich an ihr vorbei. Eng wird es bei den Spiegeln, aber es klappt. Rechts von mir geht es 50 Meter in die Tiefe. Leitplanke? Fehlanzeige. Da hilft nur Gefühl und Gottvertrauen. Ein freundlicher Gruß zum Dank, dann geht die Fahrt weiter. Mal wieder hat die Straßenkarte etwas anderes versprochen. Die Straße führt am Steilhang von El Julan mehr als zehn Kilometer durch den Kiefernwald. Ich bewundere die Kiefern, wie sie am steilen Hang ihr Leben lang stehen können. Sie müssen wohl schwindelfrei sein.
![Bild](/uploads/5/3/0/2/5302925/9920349.jpg?416)
ein ganz besonderer Picknickplatz
Die Herrenos feiern gerne und ausgiebig. Überall auf der Insel gibt es Picknickplätze. Ein ganz Besonderer ist der „Hoya del Morcillo“. Wir sind schon spät dran. In Scharen verlassen die Herrenos den Platz. Vollgepackt sind sie, so als hätten sie die halbe Kücheneinrichtung mit gebracht. Licht ist auf diesem Hochplateau der Kiefernwald. Es gibt Feuerstellen für halbe Schinken und ganze Schafe. Ein Spielplatz, Wasserzapfstellen, massive Holztische und Toiletten. Selbst ein Fußballplatz und eine Ringkampfarena sind vorhanden. Der Oberhit ist der Kaffeeautomat. El Hierro liegt mir regelrecht zu Füßen. Besonders stolz sind die Herrenos auf die Landkarte ihrer Insel, die aus dünnen und dickeren Ästen geformt auf dem Boden aufgebaut ist. Schilder markieren die Ortschaften und Sehenswürdigkeiten und selbst an den Hafen und den Flughafen haben sie gedacht. Kinder haben aus Stein den Fels von Bonanza hinzu gefügt. Wir packen unser für diesen Platz sicher spärliches Picknick aus. Vielleicht erbarmt sich ja eine Mutter und gibt uns etwas von ihrem Muttertagskuchen ab. Ach ja, „Wifi Free“ gibt es hier auch.
Der Wettergott belohnt uns zum Abschluss dieses Tages noch mit einem seltenen Schauspiel. Kurz hinter dem Pass am Cumbre halten wir an und staunen. Eine dicke weiße Wolkendecke liegt unter uns. Die darüber liegenden Höhen zeichnen sich klar ab. Weit im Norden ragen die beiden Höcker der Insel La Palma aus den Passatwolken. Ein wunderschöner Anblick. Wir bleiben lange stehen. Einfach nur schauen.
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der Blick auf La Gomera und Teneriffa von Valverde aus
Heute ist ein klarer Tag. Ich stehe auf dem Plaza de Quintero Nunez in Velverde. Die Sonne scheint. Vier Wochen sind wir nun schon unterwegs, vier spannende und erlebnisreiche Wochen. Heute ist Halbzeit. Vier weitere Wochen liegen noch vor uns. Vor mir steht die Kirche Iglesia de Nuestra Senora de la Coneception. Valverde liegt am Hang, hoch über dem Meer. So hoch, dass selbst der Seeräuber Francis Drake angesichts des steilen Berges auf den Aufstieg und die Plünderung der Stadt verzichtet hat. Der Platz führt über mehrere Ebenen bis zum Kirchenportal. Weiß liegt die Kirche in der Sonne. Über dem Dach der Kirche erhebt sich in der Ferne majestätisch die markante Spitze des Teide, des höchsten Berges auf Teneriffa, und darunter der Buckel der Insel La Gomera. Heute ist ein klarer Tag. Ein solcher Blick ist selten. Ich wende den Kopf nach links und sehe durch den Taleinschnitt auch noch den Bergrücken von La Palma, ein Vier-Insel-Blick heute. An solchen Tagen, so sagen die alten Herrenos, taucht aus dem Meer eine weitere Insel auf, San Borondon. Ob das das sagenhafte Atlantis ist?
Valverde ist die Inselhauptstadt. Die Hauptstraße vermittelt mir nicht den Eindruck einer Hauptstadt sondern eher einer Kleinstadt irgendwo in Spanien. Aber im Vergleich zu El Pinar und La Frontera ist sie richtig städtisch.
Valverde ist die Inselhauptstadt. Die Hauptstraße vermittelt mir nicht den Eindruck einer Hauptstadt sondern eher einer Kleinstadt irgendwo in Spanien. Aber im Vergleich zu El Pinar und La Frontera ist sie richtig städtisch.
Viel Verkehr gibt es nicht auf der Straße von Valverde hinunter zur Ostküste. Und wenn, dann ist die Fähre angekommen. Eine regelmäßige Fährverbindung gibt es erst seit 1991. Über sie werden die Ananas, Papayas und Bananen exportiert und die Fernseher, die Movils und die Milch importiert.
Einen groß ausgebauten Hafen versprach die spanische Regierung den Herronos vor vielen Jahren. Dazu breite Straßen über die ganze Insel und Arbeitsplätze. Doch die Herronos haben ihren Stolz. Sie sagen „Nein“ und bleiben stur, wie die Wacholderbäume. Dabei bräuchten sie nur ein leises „Ja“ zum Bau einer zivilen Raketenbasis für die Europäische Weltraumbehörde zu sagen. Trotz der hohen Arbeitslosigkeit wollen sich die Menschen den friedlichen und naturnahen Charakter ihrer Insel nicht nehmen lassen und setzen lieber auf sanften Tourismus, zumindest in der Mehrheit.
Einen groß ausgebauten Hafen versprach die spanische Regierung den Herronos vor vielen Jahren. Dazu breite Straßen über die ganze Insel und Arbeitsplätze. Doch die Herronos haben ihren Stolz. Sie sagen „Nein“ und bleiben stur, wie die Wacholderbäume. Dabei bräuchten sie nur ein leises „Ja“ zum Bau einer zivilen Raketenbasis für die Europäische Weltraumbehörde zu sagen. Trotz der hohen Arbeitslosigkeit wollen sich die Menschen den friedlichen und naturnahen Charakter ihrer Insel nicht nehmen lassen und setzen lieber auf sanften Tourismus, zumindest in der Mehrheit.
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diw wohl einzigste Ampel auf El Hierro regelt die Einfahrt in den Tunnel
Jetzt weiß ich, warum mich hier so viele Lachmöwen umkreisen und ihr lautes Lachen hören lassen. Sie lachen über den Gesichtsausdruck des Ausländers, der wie alle anderen vor ihm etwas dumm auf die rote Ampel schaut. Es ist wohl die einzige Ampel auf der ganzen Insel und regelt die Durchfahrt durch einen Tunnel. Einige Minuten schaue ich dumm, dann darf ich hinein fahren. Hinter dem Tunnel erwartet mich ein wunderschöner Blick in den Golf von Las Playas. Nur wenige Häuser stehen in dem gewaltigen Kessel. Es ist der kleine Bruder von El Golfo. Vier Kilometer im Durchmesser, lese ich. Die Steilwände reichen 1000 Meter hoch. Wer einen komfortablen Urlaub in Einsamkeit sucht, der ist hier richtig. Hier endet die Küstenstraße. Ein Parador der staatlichen Hotelkette steht hier. Nur Hotelgäste haben Zugang zum schwarzen Sandstrand. Eigentlich sind es nur sechs Kilometer bis nach La Restinga, der Südspitze. Doch der Kessel ist so steil, die Küste so schroff, dass nicht mal ein Wanderweg oder ein alter Ziegenpfad dort hin führt. Der nächste Weg wäre der alte Hirtenpfads hoch nach El Pinar. Er ist auch angezeigt. Doch ein Schild warnt: „Geschlossen“. Der Weg ist wohl irgendwo oben bei einem Erdrutsch abgestürzt. Unkluge Wanderer finden dort nur das sprichwörtliche Ende der Fahnenstange.
Für den Parador wurde der Tunnel gebohrt. Die alte Küstenstraße ist gesperrt. Sie umrundet den Felsen. Ich folge dem alten Weg um den schönsten Fotoblick auf den Roque de Bonanza zu finden. Geröll erschwert mir den Weg auf der alten Teerdecke, Steinschlag. Etwas weiter hat ein Erdrutsch gleich die ganze Straße begraben. Oft war das Tal früher von der Außenwelt abgeschlossen, wenn im Gebirge Regen fiel und das Wasser in Sturzbächen zu Tal stürzte, Geröll und Stein mit sich reißend.
Tief unter mir rauscht die Brandung, umspült mit weichem Schaum den Felsen von Bonanza. Heute ist das Meer still. Es nagt mal nicht an dem löchrigen Fels. Ich sehe es genau: Ein Bär und ein Elefant stehen im Wasser und messen ihre Kräfte, Tatze gegen Kopf. Die friedliche Ruhe um mich herum ist wohltuend.
Tief unter mir rauscht die Brandung, umspült mit weichem Schaum den Felsen von Bonanza. Heute ist das Meer still. Es nagt mal nicht an dem löchrigen Fels. Ich sehe es genau: Ein Bär und ein Elefant stehen im Wasser und messen ihre Kräfte, Tatze gegen Kopf. Die friedliche Ruhe um mich herum ist wohltuend.
Für die weiteren Fährfahren haben wir unsere Tickets im Reisebüro in La Frontera gekauft. Damit wollten wir uns das lange Anstehen am Fährschalter ersparen. So dachten wir. Die paar Euro mehr als Gebühr fürs Reisebüro war es uns wert. Nun sitze ich auf der schattigen Bank mit einem schönen Blick auf die Fähre im Sonnenschein, derweil Renate im muffigen Schalterraum Schlange steht. Der Schein aus dem Reisebüro ist nur die Reservierung. Er muss gegen die Tickets eingetauscht werden. Die Zeit fließt dahin. Da hätte ich die Tickets auch selbst im Internet buchen können und ihr das Anstehen erspart. Auch in meinem hohen Alter lerne ich nie aus. Der Ticketkontrolleur an der Fähre beruhigt mich: die Fähre fährt nicht ohne uns. Uff, wieder mal Glück gehabt.
Langsam versinkt die Insel im Dunst der Ferne. Ich stehe an der Reling des Oberdecks. Der weiße Strang des Kielwassers verbindet mich noch wie eine Nabelschnur mit der Insel. Wir unterhalten uns mit Taji von La Palma und Corinna aus dem Friaul über El Hierro. Unsere Erfahrungen sind ähnlich. Ich denke zurück an die Momente im Kiefernwald, die Ruhe, den Geruch des Harzes, denke an die Stunden am Meer, den salzigen Geschmack der Luft, die milde Berührung des Windes und fühle die Melodie der Natur, die auf El Hierro allgegenwärtig ist.
Ein Schwarm Brieftauben, befreit aus der Enge ihrer Transportkiste, erhebt sich mit lautem Flügelschlag vom Mitteldeck, dreht ein paar Runden über der Fähre und wendet sich dann nach El Hierro. Ein Stück meines Herzens zieht mit ihnen. |