die Bewohner während einer Belagerung den Turm mit Buttermilch bestrichen haben um zu zeigen, dass sie noch ausreichend Lebensmittel für eine lange Belagerung haben. Allein der Geruch der Buttermilch nach einigen Tagen hätte sicher alle Feinde in die Flucht geschlagen. Aber es ist eher so, dass der Name von dem im Mittelalter üblichen Anstrich mit einer weißen Farbe auf Milch/-Kasein-Basis zurückzuführen ist. Nach der Reformation im Jahr 1531 wurde das Kirchengebäude nur noch für Begräbnisse genutzt. Das führte dann zu dem ungewöhnlichen Namen der Kirche. Als im 19ten Jahrhundert Teile des Daches als Folge eines Blitzeinschlages einstürzten, begann der Verfall des imposanten Gebäudes. Eine denkwürdige Geschichte eines alten Baudenkmales. Ein kleiner Park ist um die Ruine angelegt. Sie wird inzwischen für Open-Air-Veranstaltungen genutzt.
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Angeblich sollen ja viele Kinder in Deutschland schon glauben, dass Rotkäppchen der Geist aus der gleichnamigen Flasche aus Sachsen ist. Aber nein, der wohlbekannte Sekt ist es nicht, der dieser Region im Norden von Hessen den Namen verliehen hat. Es ist das Land der Ahnen der Gebrüder Grimm und das Land, dem sie viele ihrer Märchen verdanken.
Schon am Ortsanfang von Treysa beginnt die gute Ausschilderung zum Startpunkt des "Bahnradweges Rotkäppchenland". Schwalmstadt Treysa liegt, um es geographisch zu verorten, westlich von Bad Hersfeld und nördlich von Alsfeld. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde Treysa mit einer Eisenbahnlinie an Bad Hersfeld angebunden, die Knüllbahn. Ich beginne mit einer kleinen Rundfahrt durch den alten Stadtkern von Treysa. Das Rathaus markiert den höchsten Punkt der kleinen Kuppe, auf der die Stadt liegt. Etwas abseits steht die Ruine der Totenkirche. Ein ungewöhnlicher Name für eine Kirche ist es schon. Ursprünglich hieß diese Kirche aus dem 12. Jahrhundert Martinskirche. Der hohe Kirchturm wirkt mächtig. Er ist der Buttermilchturm. Angeblich sollen |
Neben mir rauscht ein langer Güterzug vorbei. Die Gleise, die vom Bahnhof in Treysa kommend auf die Knüllbahn abzweigten, sind demontiert, das Gelände, auf dem wohl früher mal der Lokschuppen stand, ist planiert, der Schotter gut für die Anlage des großen Parkplatzes. Ich packe mein Fahrrad vom Ständer auf der Anhängerkupplung und radle los. Der Asphalt ist noch recht neu, erst im Jahr 2013 wurde die Strecke von Treysa bis Neukirchen für den Radlerverkehr freigegeben. Schon bald lasse ich das kleine Gewerbegebiet, das am Rande des Radweges liegt, hinter mir. Mit fällt auf, wie vorbildlich der Bahnradweg angelegt ist. Der Schotter ist, wie allerorts, eine gute Grundlage für den Asphalt, auf dem mein Rad gut rollen kann. An den Stellen, an denen es steil hinunter geht, sind Geländer angebracht. Immer wieder überquert die alte Trasse Landstraßen. Die Kreuzungsstelle ist deutlich ausgeschildert und an der viel befahrenen Bundesstraße ist sogar eine Ampel angebracht. Auch an Ruhebänken fehlt es nicht, versehen mit Informationstafeln zu dem Geschehen drum herum. Eine solche Infrastruktur wünsche ich mir auf allen Radwegen.
Wenig später taucht dann auch schon Rotkäppchen auf. Im Bauch des Wolfes steht sie, mit einer großen Schere in der Hand. Ein Künstler hat die Figur aus einem großen Holzstamm geschnitzt.
Ich begegne wenig Radlern auf dem Radweg. Für Wanderradler liegt der Rotkäppchenweg zu abseits, auch wenn er Teil des Fernradweges D4 von Dresden nach Aachen ist. Dafür erlebe ich idyllische Flecken in den Dörfern, die sich in die Senken des Berglandes ducken. Hier scheint noch so manches Märchen lebendig, wie die "Gänsemagd", die an einem kleinen Tümpel Gänse hütet. Die Gänse schnattern wie eh und je, nur scheint mir, dass die Gänsemagd gerade in die Scheune gegangen ist.
Weniger laut sind die drei Jungstörche, die auf dem hohen Schornstein der alten Molkerei von Loshausen in Reih und Glied aufgereiht stehen, als seinen sie von einem Künstler dahin gestellt. Doch auf ein Zeichen der abseits wachenden Storchenmutter fangen sie an, sich ihre Federn zu putzen, derweil auf dem Reiterhof zu Füßen des Schornsteins die Reiterinnen ihre Runden drehen.
Ich begegne wenig Radlern auf dem Radweg. Für Wanderradler liegt der Rotkäppchenweg zu abseits, auch wenn er Teil des Fernradweges D4 von Dresden nach Aachen ist. Dafür erlebe ich idyllische Flecken in den Dörfern, die sich in die Senken des Berglandes ducken. Hier scheint noch so manches Märchen lebendig, wie die "Gänsemagd", die an einem kleinen Tümpel Gänse hütet. Die Gänse schnattern wie eh und je, nur scheint mir, dass die Gänsemagd gerade in die Scheune gegangen ist.
Weniger laut sind die drei Jungstörche, die auf dem hohen Schornstein der alten Molkerei von Loshausen in Reih und Glied aufgereiht stehen, als seinen sie von einem Künstler dahin gestellt. Doch auf ein Zeichen der abseits wachenden Storchenmutter fangen sie an, sich ihre Federn zu putzen, derweil auf dem Reiterhof zu Füßen des Schornsteins die Reiterinnen ihre Runden drehen.
Das Teilstück von Treysa bis Neukirchen ist erst im letzten Jahr fertig gestellt worden. Noch vor vier Jahren war hier nur blanker Schotter. Damals war ich das erste Mal auf dieser Route unterwegs. Es war genauso warm wie heute, nur dass damals ein reiner blauer Himmel die Landschaft überspannte, während heute die Sonne mit den dicken weißen Wolken um die Vorherrschaft am Himmel kämpft. Neben dem Radweg kräuselt der Wind das Wasser in den Pfützen, die vom heftigen Unwetter der letzten Nacht übrig geblieben sind. Die Sonne, so weit sie mal die Wolken bei Seite geschoben hat, saugt das Wasser der Pfützen regelrecht auf. Es ist ein heisser Tag heute.
Viel ist heute nicht los auf dem Rotkäppchenradweg. Doch sie stehen am Wegesrand, wie jeden Tag, und schauen. Es sind die "Zuschauer", eine Gruppe von Skulpturen, vom ortsansässigen Bildhauer Kurt Makowskis aus alten Bahnschwellen geschaffen, eine Remeniszenz an die Zeit, als hier noch die Bahn fuhr. Die Kuturinitiative "Kunst und Dunst" hat dieses Projekt "Kunst am Radweg" initiiert. Kurz zuvor bin ich schon "Kottreng" begegnet, der alten Katharina, die in Schwälmer Tracht am Wegesrand steht. Ich erinnere mich an meinen ersten Besuch in der Schwalm Anfang der 70er Jahre. Damals habe ich werktags noch alte Frauen in den Ortschaften in dieser Tracht gesehen. Ich habe nicht nach gezählt, aber habe gelesen, dass die Frauen damals bis zu 15 Röcke übereinander trugen. Heute sieht man solche Bekleidung nur noch bei Festlichkeiten. |
Klein ist der Bahnhof von Loshausen. Die Informationstafeln am Wegrand geben mir wieder erstaunliche Informationen. Der Niedergang der Bahnlinien abseits der Rennstrecken zwischen den Großstädten begann ja schon in den 60er Jahren. Hier, auf der Teilstrecke Treysa-Oberaula fand noch bis ins Jahr 1995 hinein Personenverkehr statt. Die kleinen Bahnhöfe waren für die Menschen in der Region von großer Bedeutung, konnten sie doch darüber die Arbeitsplätze in Kassel und Gießen erreichen. Bedeutende Industrie gab es nie in dieser abgelegenen Region und so dauerte es lange, bis auch hier ein bescheidener Wohlstand einkehrte, deutlich länger als in Industrie nahen Regionen.
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Für Festlichkeiten bietet sich das Restaurant "Zum hungrigen Wolf" in Neukirchen an. Es liegt direkt am Radweg. Gerade eben habe ich bei einer Pause mitbekommen, wie ein Radler dem anderen dieses Restaurant empfohlen hat. Angesichts des Schicksals der Großmutter von Rotkäppchen ist eine solche Empfehlung im fortgeschrittenen Alter möglicherweise jedoch nur mit Vorsicht zu begegnen.
Auf Neukirchen folgt Nausis. Der Ort ist mir sofort aufgefallen. Nicht dass er außergewöhnlich schön wäre. Das kann ich nicht sagen, da er sich abseits des Radwegs in eine Senke duckt. Aber zuerst merke ich die Steigung, die hier beginnt. Ich muss nun schon stärker in die Pedale treten. Dann fallen mir die vielen Ruhebänke auf. Kleine Tafeln weisen auf das Besondere des Blickes auf das Tal und den Ort hin. Und schließlich ist das alte Bahnhofsgebäude besonders schön renoviert und strahlt in alter Pracht. In diesem Dörfchen weiß man, wie man auf sich aufmerksam macht. Ich wünsche Nausis für diese Mühe viele Besucher. |
Der Radweg taucht nun in einen dichten Wald ein. Auf dem bisherigen Weg war es immer schon eine Abwechslung aus freiem Feld und schattigem Baumbestand. Letzteres schätze ich an einem solch heissen Tag besonders. Doch nun bin ich im dichten Wald. Bemooste Baumstämme stehen im fahlen Licht, ab und zu eine Lichtung, in der die Sonne ein Strahlenspiel veranstaltet. Ich schrecke einen Grünspecht auf, der vor mir in Augenhöhe ins Dunkel flüchtet.
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Ein Kaninchen kommt aus dem Gebüsch gehoppelt, setzt sich weit vor mir auf den Radweg. Als es mich gewahr wird, stellt es seine Lauscher hoch und kommt mir noch etwas entgegen. Doch ich scheine ihm nicht geheuer und so duckt es sich am Wegrand ins Gras in der Hoffnung, dass ich es nicht sehe. Auch andere Tiere queren meinen Weg, Hamster, huschende Eidechsen, ein Wiesel oder dergleichen. Selbst eine Schlange, deren Mittagsruhe auf dem warmen Asphalt ich störe, räumt unwillig ihren Platz. Nur die Weinbergschnecke zieht unbeirrt ihre Spur, ohne mich eines Blickes zu würdigen.
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Immer wieder geben Lichtungen den Blick frei auf das hügelige Bergland. Der Mais steht schon in sattem Grün, viele Getreidefelder haben nur noch goldgelbe Stoppel und der Raps wartet graubraun auf seine Ernte. Bei Kilometer 28 erreiche ich den Bahnhof Olberode. Ein kleiner Kiosk lädt zum Rasten ein. Mit 420 Metern Höhe ist es der höchste Punkt dieses Bahnradweges. Dahinter geht es in Schussfahrt bergab. Nun merke ich erst, welche Steigung ich überwunden habe. Mehr als 2,8 % sind es nicht, aber das über viele Kilometer.
Zwei große Schleifen macht die ehemalige Bahntrasse. Vorbei an dem verlassenen Bahnhof von Oberaula, stehe ich unvermittelt in Wahlshausen vor dem Ende der Bahntrasse. 35 Kilometer nur auf der alten Bahntrasse liegen hinter mir. Von hier ab führt nun der Radweg über Wirtschaftswege weiter bis Niederaula, wo er auf den Fuldaradweg trifft. Ich aber kehre um, geniesse in der langsamen Fahrt bergauf noch einmal die schönen Blicke von der Bahntrasse auf das Knüll-Köpfchen und die ihn umgebende Landschaft. Es lohnt sich diesen Weg in beide Richtungen zu radeln, denn es sind nun ganz andere Blickwinkel, die ich auf die Landschaft habe, einer schöner als der andere.
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Auf dem Rückweg biege ich in Weißenborn in den alten Ortskern ab. Ein Jahrhunderte altes Fachwerkhaus, eher eine Scheune, lockt mich hierher. Ich muss schon genau hin sehen, um es als das Gesuchte zu erkennen.. Es ist das Haus, in dem der Großvater der Brüder Grimm geboren ist. Auch der Urgroßvater wurde dort schon geboren, ein unscheinbares Haus mit einer kleinen Tafel davor. Doch nun lerne ich, warum das Rotkäppchen eigentlich Rotkäppchen genannt wird. Die Brüder Grimm beginnen das Märchen mit den Worten: "Es war einmal ein kleines Mädchen. Die Großmutter schenkte ihm ein Käppchen von rotem Samt, und weil ihm das so wohl stand, und es nichts anders mehr tragen wollte, hiess es nur das Rotkäppchen."
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Hier lerne ich nun, dass das rote Käppchen in der Schwalm eine besondere Bedeutung hat. Junge, unverheiratete Frauen trugen in früheren Jahrhunderten dieses rote Käppchen als Zeichen der Jungfräulichkeit. Aber das ist inzwischen Geschichte. Während meiner Radtour habe ich keine Rotkäppchen mehr gesehen. Na ja, ich will nun nicht weiter darüber räsonieren, was der Wolf vom Rotkäppchen eigentlich wollte. Aber so eine Radtour, die ist schon sehr lehrreich.