Entlang des Rhein-Marne-Kanals
auf den Spuren von Sigerich dem Ernsten
August 2016
Sigerich der Ernste, reiste einst im Jahr 990 von Canterbury über Straßburg nach Rom. Ihn erwartete dort die Ernennung zum Erzbischof durch den Papst. Seine Rückreise dauerte 80 Tage, pro Tag legte er 20 km zurück. Seine Erlebnisse beschrieb er in einem Manuskript. Diese Aufzeichnung verlockte zahlreiche Gläubige, es ihm gleich zu tun und nach Rom zu pilgern. Damit war der erste große Pilgerweg geboren, die "Via Francigena". Ist schon erstaunlich, was man auf einer Radtour so alles lernt. Der Pilgerweg selbst ist in Vergessenheit geraten, wer will heute schon von Canterbury nach Rom pilgern, wo es doch den Jakobsweg gibt!
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Doch bei der Planung des EuroVelo 5 hat der Europäische Radfahrer-Verband ECF diese historischen Spuren wieder entdeckt. Nun sitze ich hier im Hafen von Straßburg, um mich selbst mit dem Fahrrad auf einen kleinen Teil dieser historischen Route zu begeben. Den Reisebericht von Sigerich dem Ernsten habe ich leider nicht lesen können. Er liegt gut behütet in der Nationalbibliothek des Vereinigten Königreichs in London. Nun muss ich wieder selbst schreiben.
Die Optik um mich herum ist nicht gerade berauschend. Der gute Sigerich würde diesen Platz sicher meiden. In der kleinen Bar sitzen Hafenarbeiter und Tagelöhner. Tabakrauch schwängert die Atemluft und lässt den Kaffee muffig riechen. Ich lasse mich zu einem kühlen Getränk nieder. Das Hafengebiet ist im Umbruch begriffen. Alte Häuser mit marodem Charme verstecken sich neben hochmodernen Glaspalästen, dazwischen verlassene Lagerflächen, die auf neue Bestimmung warten. Mir gegenüber wird eine neue Kirche errichtet. Heller Sichtbeton gestaltet orthodoxe Formen. Gerade biegt ein Freizeitboot in die Einmündung eines Kanals. Ich steige aufs Rad und folge ihm.
Die Optik um mich herum ist nicht gerade berauschend. Der gute Sigerich würde diesen Platz sicher meiden. In der kleinen Bar sitzen Hafenarbeiter und Tagelöhner. Tabakrauch schwängert die Atemluft und lässt den Kaffee muffig riechen. Ich lasse mich zu einem kühlen Getränk nieder. Das Hafengebiet ist im Umbruch begriffen. Alte Häuser mit marodem Charme verstecken sich neben hochmodernen Glaspalästen, dazwischen verlassene Lagerflächen, die auf neue Bestimmung warten. Mir gegenüber wird eine neue Kirche errichtet. Heller Sichtbeton gestaltet orthodoxe Formen. Gerade biegt ein Freizeitboot in die Einmündung eines Kanals. Ich steige aufs Rad und folge ihm.
Gedanken schießen in meinen Kopf: Straßburg, Hauptstadt des Elsass, Co-Kapitale der Europäischen Union, Straßburger Münster, Petite France, eine herrliche Stadt. Man möge mir verzeihen, dass ich diese Schönheit heute sprichwörtlich links liegen lasse und ihr so wenig Aufmerksamkeit schenke. Für diese Stadt braucht man Tage, um ihren Flair und ihre Geschichte auf zu nehmen. Ich streife nur ihre nördlichen Stadtviertel auf meiner Reise.
Während diese Gedanken mich einnehmen, radele ich an Hausbooten vorbei und lande unvermittelt im Europaviertel. "Conseil d'Europe" wird mir am Ufer angezeigt. Durch den gläsernen Tunnel einer Brücke eilen EU-Beamte und Parlamentarier von einem Ufer zum anderen, dorthin, wo das gläserne Palais des Europäischen Parlamentes sich im Halbrund erhebt. Die Fahnen der Mitgliedsstaaten hängen heute schlaff an den Fahnenmasten. Direkt neben mir, vor dem Gebäude der Europäischen Kommission für Menschenrechte, hält eine moderne Straßenbahn. Der wilde Wein an der Mauer beginnt, sich bunt zu färben, erste Anzeichen des nahenden Herbstes an diesem warmen Augusttag. Eine Zeltstadt ist neben dem Radweg aufgebaut, ein Protestcamp im Angesicht der europäischen Behörden. Am Zaun zur Straße hin sind zahlreiche Bitt- und Protestschreiben aufgehängt, kleine und große. Hoffentlich nimmt einer der Parlamentarier sich mal die Zeit, sie durch zu lesen.
Während diese Gedanken mich einnehmen, radele ich an Hausbooten vorbei und lande unvermittelt im Europaviertel. "Conseil d'Europe" wird mir am Ufer angezeigt. Durch den gläsernen Tunnel einer Brücke eilen EU-Beamte und Parlamentarier von einem Ufer zum anderen, dorthin, wo das gläserne Palais des Europäischen Parlamentes sich im Halbrund erhebt. Die Fahnen der Mitgliedsstaaten hängen heute schlaff an den Fahnenmasten. Direkt neben mir, vor dem Gebäude der Europäischen Kommission für Menschenrechte, hält eine moderne Straßenbahn. Der wilde Wein an der Mauer beginnt, sich bunt zu färben, erste Anzeichen des nahenden Herbstes an diesem warmen Augusttag. Eine Zeltstadt ist neben dem Radweg aufgebaut, ein Protestcamp im Angesicht der europäischen Behörden. Am Zaun zur Straße hin sind zahlreiche Bitt- und Protestschreiben aufgehängt, kleine und große. Hoffentlich nimmt einer der Parlamentarier sich mal die Zeit, sie durch zu lesen.
Straßburg hat sich dem sanften Verkehr verschrieben. Breite Radwege säumen das Kanalufer, ziehen sich durch die Stadt. Der Fußweg ist vom Radweg getrennt. Daneben fährt die neue Straßenbahn. Die Stadtverwaltung hat die Wiedereinführung der Tram im Jahr 1994 erfolgreich mit einer urbanen Neugestaltung verbunden und gilt heute als Vorbild für andere Städte.
Der Kanal beschreibt eine weite Kurve, vor mir fährt ein Hausboot. Mit kräftigem Schwung zieht einer auf dem Boot an einem Seil, das über den Fluss gespannt ist. Im Näherkommen sehe ich die Tafel daran: "Tirer - Ziehen - Pull". Damit gibt der Schiffer das Zeichen, dass er in die Schleuse einfahren will. Ein Lichtsignal zeigt ihm noch "Rot" an. Er muss abbremsen und warten, dümpelt langsam auf dem Kanal. Das alte Häuschen des Schleusenwärters ist verlassen. Für die Schiffe aus der Gegenrichtung heißt es umgekehrt "Ne pa tirer - nicht ziehen", also Finger weg, sonst gerät das System durcheinander. Mit Signalanlagen und Videoüberwachung wird der Schleusenverkehr von einer zentralen Stelle aus geregelt. Auch für mich gibt es eine Ampel. Die Straße, die hier in Souffel Weyersheim über den Kanal führt, ist stark frequentiert. Mittels Knopfdruck verschaffe ich mir Grün und damit Respekt von den Autofahrern.
Rechts und links liegen Mais- und Getreidefelder. Das stille Wasser im Kanal strahlt Ruhe aus. Über ihm braust der Verkehr auf der Autobahn A4. Diese beiden Verkehrsadern symbolisieren für mich die alte und die neue Zeit. Schnelligkeit und sofortige Verfügbarkeit sind heute Trumpf. Nicht dass ich der guten alten Zeit huldigen möchte. Mit dem Bau des Kanals vor 160 Jahren kam neues Leben in die Dörfer. Es war eine Zeit des Umbruchs, in jeglicher Hinsicht. Für die damalige Zeit brach Unruhe in die Beschaulichkeit des dörflichen Lebens herein. Viele mögen sich auch damals die "gute alte Zeit" zurück gewünscht haben. Für mich stehen heute beide Verkehrsadern für ihre Zeit. Aus heutiger Sicht steht die Wasserstraße für Ruhe. Vor mir liegt eine lange Gerade. Endlich kann ich richtig in die Pedale treten.
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"Vogel Gryff" hat Schotter geladen. Langsam zieht das Frachtschiff seine Bahn. Es ist nicht das erste seiner Art, das mir heute begegnet. Hinter ihm schwänzelt aufgeregt ein Freizeitkapitän mit seinem Boot. Doch er muss Geduld haben. Überholen ist nicht erlaubt. Dem Angler am Ufer ist es recht. Er braucht seine Angel nicht einzuholen. Überhaupt, die Angler: Immer häufiger sehe ich welche, die eifrig mit ihrem Smartphone beschäftigt sind, während der Köder still im Wasser ruht. Eine SMS an die Freundin, die neusten Ergebnisse der Pferdewetten, der aktuelle Medaillenstand bei der Olympiade in Rio, die Welt ist voller Informationen. Aber vielleicht tue ich ihnen ja auch unrecht und die allerneueste App zeigt ihnen an, welcher Fisch gerade an ihrem Köder schnuppert.
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Vor der Schleuse von Vendenheim liegt eine einspurige Drehbrücke über dem Kanal. Zwei Polizisten regeln den Verkehr. Gleich zwei für diese kleine Brücke. Das ist ungewöhnlich. Auch ich muss warten, bis ich das Zeichen zur Überquerung erhalte. Ich bedanke mich mit einem freundlichen Lächeln.
Der Kanal zieht sich nun schnurgerade hin. "Hélène", "Bonnechance", "Bleu de Fer" und all die anderen Frachtschiffe sind schon zu Hausbooten umgerüstet und fristen hier ihr neues Leben, quasi als Altersruhesitz an der Schleuse Nr. 47. Immer wieder treffe ich an den Schleusen eine ganze Reihe von Hausbooten, die auf Dauer am Kai liegen, so wie hier.
Der Kanal zieht sich nun schnurgerade hin. "Hélène", "Bonnechance", "Bleu de Fer" und all die anderen Frachtschiffe sind schon zu Hausbooten umgerüstet und fristen hier ihr neues Leben, quasi als Altersruhesitz an der Schleuse Nr. 47. Immer wieder treffe ich an den Schleusen eine ganze Reihe von Hausbooten, die auf Dauer am Kai liegen, so wie hier.
Lang zieht sich der Kanal durch die Ebene. Mais, nichts als Mais, rechts wie links. Mit Wasserkanonen wird er beregnet. Das ist nun der absolute Gegensatz zu der Großstadt, die gerade mal 30 Minuten hinter mir liegt. Doch es täuscht. Ich erinnere mich an die Pyramide, die ich unmittelbar hinter der Autobahnbrücke passiert habe. Sigerich der Ernste hätte sie sicher als Sakralbau wahrgenommen und wäre dann erschrocken zurück gewichen. Es ist ein Gewerbebetrieb. Frankreichs Architekten und Bauherren begeistern mich immer wieder mit ihrem Mut und ihrer Kreativität beim Bau gewerblicher Immobilien.
Mir schien beim Vorbeifahren, dass ich weit weg jeglicher größerer Zivilisation wäre. Doch mitnichten! Hinter der Pyramide erstreckt sich ein mehrere Quadratkilometer großes Gewerbegebiet, vom Radweg am Kanal aus jedoch nicht zu erkennen. Mir kommt es bisweilen so vor, dass der Kanal ein eigener Mikrokosmos ist. Auf seinem Lauf meidet er Ortschaften und kleinere Städte so weit als möglich. Nur wenn die Zahl der Radfahrer zu nimmt, weiß ich, dass eine Siedlung in der Nähe ist. |
Ein unwilliges Krächzen erreicht von hinten mein Ohr. Ein Zeichen, dass ich mich sofort hart am rechten Rand des Radweges halten muss, auch nicht absteigen oder mit dem Fahrrad schwänzeln darf. Die Franzosen sind ein vom Radsport besessenes Volk. Nicht umsonst gibt es hier die Tour de France. Manchmal denke ich mir, dass die regionalen Radsportler den Radweg nutzen, um neue Geschwindigkeitsrekorde aufzustellen. Jedes Gramm wird dabei am Rad eingespart, die Klingel ist nur unnützes Gewicht. Sie setzen auf den siebten Sinn und die göttliche Eingebung der anderen Benutzer des Radweges und jagen ohne Vorankündigung vorbei.
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Ups, das wäre beinahe schief gegangen. Gerade noch rechtzeitig erkenne ich, dass der Radweg über die Brücke die Uferseite wechselt. War in Straßburg der Radweg noch nach Saverne ausgeschildert, so wird im Moment nur die nächste Ortschaft angegeben. Als ich vor zwei Jahren das erste Mal hier war, habe ich mich so heftig verfahren, dass ich fünf Kilometer zurück radeln musste. Jetzt sind es nur fünfzig Meter.
Eine Entenfamilie hat es sich auf dem Radweg bequem gemacht. Mutter Ente wacht über die munteren Halbwüchsigen. Nur gut, dass der Papa die Familie schon verlassen hat, sonst hätte er das Ergebnis eines Seitensprungs seiner holden Gattin gesehen. Eines der Kleinen hat ein schwarzes Federkleid, mit weißem Schlips. Wenn da mal keine Krähe ... Ein anderes Entchen steht irritiert daneben. Mutter Ente jagd es dauernd davon. Ein Waisenkind wohl auf der Suche nach Anschluss. Mir traut es jedoch nicht den rechten Familiensinn zu. Als ich mich nähere, sucht es sein Heil im rettenden Wasser.
Eine Entenfamilie hat es sich auf dem Radweg bequem gemacht. Mutter Ente wacht über die munteren Halbwüchsigen. Nur gut, dass der Papa die Familie schon verlassen hat, sonst hätte er das Ergebnis eines Seitensprungs seiner holden Gattin gesehen. Eines der Kleinen hat ein schwarzes Federkleid, mit weißem Schlips. Wenn da mal keine Krähe ... Ein anderes Entchen steht irritiert daneben. Mutter Ente jagd es dauernd davon. Ein Waisenkind wohl auf der Suche nach Anschluss. Mir traut es jedoch nicht den rechten Familiensinn zu. Als ich mich nähere, sucht es sein Heil im rettenden Wasser.
Die Kühle des Waldes hüllt mich ein. Die stramm stehenden Bäume zehren den Schall der nahen Autobahn völlig auf. Hier wie fast überall am Kanal stehen noch die alten Brückenbauwerke aus dem 19. Jahrhundert. Ich habe mich schon immer gefragt, wie die großen Frachtschiffe durch die schmalen Schleusen und Brückendurchfahrten kommen. Ein Frachtschiff nähert sich gerade der Brücke. Ob es wohl durchpasst? Dumme Frage. Natürlich! Der Kapitän hat sich aus seinem Steuerhaus heraus gelehnt und steuert das Boot mit voller Fahrt hindurch. Rechts und links sind vielleicht noch je 20 cm Platz. Gelernt ist gelernt! Ich wünsche ihm weiterhin gute Durchfahrt.
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Mord am Kanal? Geschah gar Schröckliches in der Nacht? Hat ein unschuldiger Vogel an dieser Stelle sein Leben ausgehaucht in den Fängen eines Greifvogels? Weiße Federn bedecken den Radweg, bewegen sich leicht im sachten Wind. Die Wahrheit liegt, wie so oft, haarscharf daneben. So wie hier sieht es aus, wenn ein Schwan sein Federkleid putzt. Aber er hätte ja wenigstens seine alten Federn weg fegen können, oder?
Von Süden her schiebt sich ein Berg an den Kanal heran. Ein Dorf liegt an der Anhöhe. Im eleganten Bogen umrundet der Kanal den Bergrücken. Gute Gartenzwerge sind bekanntlich aus Gips. Dieser wird wohl hier in einer Gipsgrube gewonnen, von Zwergen wohl, wie ich es einer lustigen Wandmalerei entnehme. Die reifen Hopfenfelder auf der Höhe jenseits des Kanals künden es schon weitem an: Ich nähere mich Hochfelden, der Stadt der Bierbrauer. Mit "Meteor" ist hier einer der ganz großen Bierbrauereien Frankreichs beheimatet.
Von Süden her schiebt sich ein Berg an den Kanal heran. Ein Dorf liegt an der Anhöhe. Im eleganten Bogen umrundet der Kanal den Bergrücken. Gute Gartenzwerge sind bekanntlich aus Gips. Dieser wird wohl hier in einer Gipsgrube gewonnen, von Zwergen wohl, wie ich es einer lustigen Wandmalerei entnehme. Die reifen Hopfenfelder auf der Höhe jenseits des Kanals künden es schon weitem an: Ich nähere mich Hochfelden, der Stadt der Bierbrauer. Mit "Meteor" ist hier einer der ganz großen Bierbrauereien Frankreichs beheimatet.
Ich lerne die neue Bedeutung von B+B kennen, nicht "Bed and Breakfast", sondern "Beton und Blumen". Eine Peniche ankert am Betonwerk. Aus ihrem Bauch wird Sand ausgeladen. Geranien schmücken ihr grünes Kleid. Am Kanal steht eine kleine Bar. In den vielen Jahrzehnten, als der Kanal die wirtschaftliche Schlagader der Region war, spielte sich das öffentliche Leben an der Schleuse ab. Dort stand das Café des Dorfes und so manches dieser Cafés hat bis heute überlebt. Die Schiffer brachten Neuigkeiten aus Straßburg und der großen Welt mit. Im Café wurden sie weiter gegeben, diskutiert und kommentiert.
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Die Landschaft ist nun welliger geworden. Ich habe die große Ebene hinter Straßburg verlassen. Vor mir taucht die blaue Kette der Vogesen auf, der Turm der Burg Haut-Barr hebt sich markant hervor. Nun weiß ich auch, dass ich im Elsass bin. Vier Störche stolzieren über die Wiese, lassen sich von mir nicht stören. Wie Kühe in der Herde weiden sie, welch ein Bild.
Schon wieder Polizei und das an der Schleuse. Die Beamten lassen sich die Schiffspapiere zeigen. Schwerbewaffnet sind sie, der Anlass wird wohl kaum eine Geschwindigkeitskontrolle auf dem Kanal sein. Seit den Anschlägen in Paris und Nizza ist das Land im Ausnahmezustand. Gefahr kann überall lauern, auch am Kanal.
Welch ein gewaltiger Brocken! Glatt wie ein Kinderpopo ist das Wasser. Da springt er direkt vor meinen Augen hoch, fällt mit einem Platsch zurück und hinterlässt einen Wellenkreis, der sich bis zum Ufer zieht. So einen großen Fisch wünscht sich jeder Angler auf seinem Sonntagstisch. Aber dieser Kerl mit seinem silber schillernden Leib ist klug und die Libelle, die er gefangen hat, mundet ihm sicher vorzüglich.
Die Abstände zwischen den Schleusen werden kürzer, die Berge der Vogesen rücken näher. Auch die Zorn, das kleine Flüsschen, das mich schon seit Brumath begleitet, schmiegt sich immer enger an den Kanal. Am späten Nachmittag erreiche ich mein Hotel in Steinbourg. Es liegt direkt am Kanal.
Welch ein gewaltiger Brocken! Glatt wie ein Kinderpopo ist das Wasser. Da springt er direkt vor meinen Augen hoch, fällt mit einem Platsch zurück und hinterlässt einen Wellenkreis, der sich bis zum Ufer zieht. So einen großen Fisch wünscht sich jeder Angler auf seinem Sonntagstisch. Aber dieser Kerl mit seinem silber schillernden Leib ist klug und die Libelle, die er gefangen hat, mundet ihm sicher vorzüglich.
Die Abstände zwischen den Schleusen werden kürzer, die Berge der Vogesen rücken näher. Auch die Zorn, das kleine Flüsschen, das mich schon seit Brumath begleitet, schmiegt sich immer enger an den Kanal. Am späten Nachmittag erreiche ich mein Hotel in Steinbourg. Es liegt direkt am Kanal.
„Guten Morgen“ grüßen mich gleich an der ersten Schleuse zwei Radfahrer in meinem Alter im unverkennbaren Elsässer Dialekt. Hier spricht man deutsch. „Es ist erfrischend, bei den morgendlichen Temperaturen zu radeln.“ antworte ich und sie pflichten mir bei. Wir wünschen uns gegenseitig einen schönen Tag, dann starte ich in den Tag.
Vor mir tauchen die ersten Häuser von Saverne auf. Es herrscht Bilderbuchwetter. Moosgrün das Wasser, hellgrün die Seitenstreifen, eingerahmt vom Dunkelgrün der Bäume, die sich auch hinter den roten Dächern den Hang hinauf ziehen. Hoch oben prangen vor blauem Himmel die Ruinen der Burg Haut-Barr. Sie war Jahrhunderte lang ein bedeutendes strategisches Bauwerk. Von dort oben reicht der Blick über das gesamte nördliche Elsass bis hin zum Rhein. Schon die Römer wussten die strategische Bedeutung zu schätzen.
Vor mir tauchen die ersten Häuser von Saverne auf. Es herrscht Bilderbuchwetter. Moosgrün das Wasser, hellgrün die Seitenstreifen, eingerahmt vom Dunkelgrün der Bäume, die sich auch hinter den roten Dächern den Hang hinauf ziehen. Hoch oben prangen vor blauem Himmel die Ruinen der Burg Haut-Barr. Sie war Jahrhunderte lang ein bedeutendes strategisches Bauwerk. Von dort oben reicht der Blick über das gesamte nördliche Elsass bis hin zum Rhein. Schon die Römer wussten die strategische Bedeutung zu schätzen.
Nach wenigen Minuten habe ich Saverne erreicht. Der Kanal knickt ab und weitet sich zu einem breiten Becken, dem Freizeithafen. Das Schloss Rohan liegt gegenüber im Sonnenschein. Die langgezogene neoklassizistische Fassade und die imposanten Säulen, alles im dunklen Rot des Vogesen-Sandsteins, zeugen vom Reichtum früherer Jahre. Der Namensgeber, Kardinal René de Rohan, ließ im 18. Jahrhundert das alte Schloss durch einen Neubau ersetzen. Dank der Fassade und den Gartenanlagen wurde es zum „Versailles vom Elsass“ erkoren. Nach der Revolution verfiel es jedoch, bis es Napoleon III zum Altersruhesitz für die Witwen gefallener Offiziere machte. Später wurde es Museum, danach deutsche Kaserne und wieder Museum. 1952 übernahm schließlich die Stadt Saverne den Bau und führte ihn vorerst endgültig zivilen Zwecken zu. Die Zeit der Feudalherren ist dahin gegangen. Nach wechselvoller Geschichte sind heute öffentliche Einrichtungen im Schloss untergebracht: eine Grundschule, ein Museum, ein Kulturzentrum und die Jugendherberge.
Der Kanal biegt im rechten Winkel um das Schloss herum. An der Schleuse, welche die Schiffe um gut fünf Meter hebt, überbrückt eine belebte Straße den Kanal. Rechts und links von Geschäften gesäumt, in denen jetzt reger Betrieb herrscht. Linker Hand führt die Straße am alten Schlossplatz, den man vor längerer Zeit Charles de Gaulle gewidmet hat, eine Anhöhe hoch. Hier finde ich das berühmte Maison Katz aus dem Jahr 1605 mit seinen prachtvollen Fachwerkschnitzereien und drum rum gruppiert ausreichend viele Touristenlokale. Statt Elsässisch und Französisch höre ich plötzlich Englisch und Holländisch. Markant drapiert für die Touristen baumeln an einem Verkaufsständer Dutzende von flauschigen Störchen und erinnern daran, dass wir im Elsass sind.
Unablässig springen die weißen Rösser auf und ab, und die Kinder haben ihren Spaß daran. Seit vielen Jahren dreht sich das Karussell schon auf dem Schlossplatz, vielleicht schon länger, als der Namenswechsel her ist. Bei diesem Spätsommerwetter bereitet es besonders Spaß. Ich schaue dem Treiben einen Moment lang zu, bevor ich mich am Rande des Kanals in einem Bistro nieder lasse. „Nein!“, sagt die Wirtin, „Ein Croissant habe ich nicht. Das holen Sie sich aber einfach beim Bäcker um die Ecke, derweil ich Ihnen den Kaffee mache.“ Ob ich auch mein Rosinenbrötchen vom Bäcker Bretag vertilgen dürfe, frage ich. „Selbstverständlich“ ist die Antwort. Das ist halt französische Lebensart. In Deutschland bin ich bei einem derartigen Ansinnen schon des Lokals verwiesen worden mit den Worten: „Das gibt es doch nirgends auf der Welt!“ Doch, in Frankreich!
Saverne ist für seinen Rosengarten bekannt, 8500 Rosenstöcke, 580 Rosensorten. Für Rosenfreude ein Eldorado. Ich widme ihm einen Abstecher. Eigentlich habe ich ihn mir spektakulärer vorgestellt. Gewiss, der Rosenduft ist intensiv, überstrahlt sogar die Abgase, die von der Route Nationale, die an ihm vorbei führt. Mir erscheint er eher wie das Pflanzfeld einer gut sortierten Gärtnerei. Sicher ist die Vielzahl der Rosen für Liebhaber derselben ein Genuss sonders gleichen. Und so möchte ich ihm nicht die Faszination absprechen, die er in seinen Kreisen ausübt.
Unablässig springen die weißen Rösser auf und ab, und die Kinder haben ihren Spaß daran. Seit vielen Jahren dreht sich das Karussell schon auf dem Schlossplatz, vielleicht schon länger, als der Namenswechsel her ist. Bei diesem Spätsommerwetter bereitet es besonders Spaß. Ich schaue dem Treiben einen Moment lang zu, bevor ich mich am Rande des Kanals in einem Bistro nieder lasse. „Nein!“, sagt die Wirtin, „Ein Croissant habe ich nicht. Das holen Sie sich aber einfach beim Bäcker um die Ecke, derweil ich Ihnen den Kaffee mache.“ Ob ich auch mein Rosinenbrötchen vom Bäcker Bretag vertilgen dürfe, frage ich. „Selbstverständlich“ ist die Antwort. Das ist halt französische Lebensart. In Deutschland bin ich bei einem derartigen Ansinnen schon des Lokals verwiesen worden mit den Worten: „Das gibt es doch nirgends auf der Welt!“ Doch, in Frankreich!
Saverne ist für seinen Rosengarten bekannt, 8500 Rosenstöcke, 580 Rosensorten. Für Rosenfreude ein Eldorado. Ich widme ihm einen Abstecher. Eigentlich habe ich ihn mir spektakulärer vorgestellt. Gewiss, der Rosenduft ist intensiv, überstrahlt sogar die Abgase, die von der Route Nationale, die an ihm vorbei führt. Mir erscheint er eher wie das Pflanzfeld einer gut sortierten Gärtnerei. Sicher ist die Vielzahl der Rosen für Liebhaber derselben ein Genuss sonders gleichen. Und so möchte ich ihm nicht die Faszination absprechen, die er in seinen Kreisen ausübt.
Nach einem frisch gepressten Vitaminstoß verweile ich noch etwas an der Schleuse und schaue beim Schleusen zu. Dabei erfahre ich auch, dass ursprünglich die Schiffe von Menschen getreidelt wurden, später von Pferden und dann von Elektrolokomotiven. Und dabei konnte jedesmal eine größere Tonnage bewegt werden.
Es passiert viel an und rund um die Schleuse. Ich muss mich regelrecht los reißen. Ein Schild am Ortsende gibt die Regeln für den Radweg an: Nachts ist die Durchfahrt verboten. Gefahr von Steinfall. Schon bald erkenne ich, warum. Der Hang engt den Platz für den Radweg bedrohlich ein. Das enge Tal muss das Flussbett der Zorn, den Kanal, die Landstraße, die Eisenbahn und schließlich noch den Radweg aufnehmen. Letzterer nimmt den letzten Rang ein. Er ist ja auch als Letzter dazu gekommen. Der Kanal ist an den Hang angebaut, bisweilen drei bis fünf Meter über der Landstraße und dem kleinen Flüsschen.
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Mit dem Verlassen der Stadt tauche ich sofort in die Stille der Vogesen ein. Eben noch der Lärm der Route National, die Saverne durchquert und jetzt diese Ruhe, die das enge Tal ausstrahlt. Und plötzlich bin ich auch ziemlich alleine, nur ab und zu ein oder zwei Radler, ein Jogger, eine Hundeausführerin oder eine Wanderer. In sanften Wellen windet sich der Kanal durch das Tal, nimmt jede Biegung mit. Es herrscht ein lebhafter Freizeitverkehr auf dem Wasser. Fast an jeder Schleuse herrscht Betrieb. Bei Stambach wechselt der Kanal mit der Zorn die Bergseite. Die Zorn ist ein kleines, wildes Flüsschen. Sie benötigt nur einen schmalen Durchlass unter dem Kanal.
Entlang der Strecke sehe ich die Spuren der wirtschaftlichen Bedeutung, die der Kanal einst hatte. Immer wieder passiere ich Anlegestellen mit einem breiten Lagerplatz. Hier wurde das wertvolle Brennholz gesammelt, bevor es nach Straßburg verschifft wurde. An anderer Stelle bemüht sich die Natur, die Wunde zu schließen, die in den Berg geschlagen wurde. Sie heilt nur zögerlich. Es ist ein still gelegter Steinbruch. Welch herrschaftliches Schloss mag hier wohl seinen Baustoff bezogen haben?
Entlang der Strecke sehe ich die Spuren der wirtschaftlichen Bedeutung, die der Kanal einst hatte. Immer wieder passiere ich Anlegestellen mit einem breiten Lagerplatz. Hier wurde das wertvolle Brennholz gesammelt, bevor es nach Straßburg verschifft wurde. An anderer Stelle bemüht sich die Natur, die Wunde zu schließen, die in den Berg geschlagen wurde. Sie heilt nur zögerlich. Es ist ein still gelegter Steinbruch. Welch herrschaftliches Schloss mag hier wohl seinen Baustoff bezogen haben?
„Herzlich willkommen in Lothringen!“ Kurz vor Lützelbourg überquere ich die Grenze zwischen Elsass und Lothringen. Seit der Reform der Regionen vor Kurzem gibt es Elsass und Lothringen als politische Einheiten jedoch nicht mehr. Die beiden wurden mit der Champagne und der Region Ardennen zusammen geschlossen. Die Geschichte der Regionen bleibt aber erhalten und wird ihnen auch in Zukunft ihre Identität und ihren Namen geben.
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Einen kleinen Service am Wegesrand bieten die Bewohner eines Schleusenhäuschens. Für die vielen Bootsfahrer, die entlang des Kanals wenige unmittelbare Versorgungsmöglichkeiten haben, bieten sie Honig, Marmelade eingemachte Früchte und Sirup aus eigenen Herstellung an, in Selbstbedienung auf Vertrauensbasis. Der Verkaufsstand hatte heute schon sichtbar viele Kunden. Der Platz ist auch ideal. Die potentiellen Kunden haben in der Wartezeit vor der Schleuse und beim Schleusen selbst ausreichend Zeit zum Auswählen und Kaufen.
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Nach 12 Kilometern erreiche ich den kleinen Flecken Lützelbourg. „Kleine“ Burg kann man zu der Ansammlung von Ruinen auf den hohen Sandsteinformationen sicher nicht sagen. Sie prangt hoch über dem Tal im Sonnenlicht. Mit seinem pittoresken Anblick in der Talsohle ist der Ort eben typisch französisch. Lützelbourg gehört zu jenen Dörfern in der französischen Provinz, die mit der Sommersaison und den dann einfallenden Touristen für zwei, drei Monate wieder Leben eingehaucht bekommen. Ansonsten verlassen die jungen Männer und Frauen das Städtchen, um in Saverne, Straßburg oder Sarrebourg zu arbeiten und höchstens zum Schlafen nach Hause zu kommen. Das Dorfleben spielt sich rund um Kirche, Bäcker, Bierstubb und Tabakladen ab.
Ein alter Lastkran am Kai fristet sein Rentnerdasein. Neben ihm eine Handvoll leibhaftiger Rentner und eine Flaschenbatterie vom Treffen der Dorfjugend am Vorabend. Eine kleine grüne Schmalspurlokomotive steht dekorativ in der Nähe. Sie träumt von den alten Zeiten, als sie die Lastkähne oben bei Arzviller durch den Kanaltunnel führte.
Ein alter Lastkran am Kai fristet sein Rentnerdasein. Neben ihm eine Handvoll leibhaftiger Rentner und eine Flaschenbatterie vom Treffen der Dorfjugend am Vorabend. Eine kleine grüne Schmalspurlokomotive steht dekorativ in der Nähe. Sie träumt von den alten Zeiten, als sie die Lastkähne oben bei Arzviller durch den Kanaltunnel führte.
Etwa zwei Kilometer hinter Lützelbourg verzweigt sich der Kanal. Ein schmaler Teil endet unvermittelt an einer alten Schleuse, über die eine kleine Holzbrücke führt. Dem breiteren Abschnitt folgt gerade ein Boot. Ich schließe mich auf dem Landweg an. An einer alten Glasfabrik endet der Radweg. Ich muss die Kanalseite wechseln. Auf der Landstraße geht es gut 1500 Meter weit, bis das Schiffshebewerk von Saint Louis/Arzviller auftaucht.
„Wasch foddografiere Schie denn da?“ tönt es im waschechten Schwäbisch zu mir herüber. „Nur das Motiv Ihres Schiffsbugs mit dem Schiffshebewerk im Hintergrund“ rufe ich zurück. So kommen wir ins Gespräch. Die beiden haben bereits 750 Kilometer auf Rhein, Mosel, Saar und Saarkohlenkanal hinter sich und warten gerade auf ihre Freunde. Und wie bestellt setzt sich der große Trog des Schiffshebewerkes mit zwei oder drei Booten, ich kann es von unten nicht genau erkennen, in Bewegung. Langsam rutscht der Trog auf der schrägen Ebene mit einem Gefälle von 41% nach unten. Ein Schwarm von Touristen beobachtet oben wie unten das Schauspiel, das ganze vier Minuten dauert. Das Schiffshebewerk ist ein technisches Wunderwerk, das seit 1969 in Betrieb ist. Es überwindet einen Höhenunterschied von gut 44 Metern. Das Prinzip ist einfach: Hinter dem Trog gibt es zwei Gegengewichte. Talwärts ist der Trog schwerer, bergwärts leichter als die Gegengewichte. Zwei gerade mal 120 PS starke Motoren unterstützen diesen Prozess. Ich habe Glück, dass das Schiffshebewerk wieder funktioniert. Bei einem Unfall im Juli 2014 liefen mehrere tausend Kubikmeter Wasser aus dem oberen Kanal in den unteren. Über ein Jahr dauerten die Reparaturarbeiten. Nun ist alles wieder im grünen Bereich. Die wirtschaftliche Bedeutung, die das Bauwerk in den 60er Jahren noch hatte, ist inzwischen obsolet. Die Aufgabe der Frachtkähne haben Züge und Lastkraftwagen übernommen. Bleibt nur noch der Zeitgewinn von einem Tag für die Freizeitkapitäne, die den Kanal umso eifriger nutzen.
Über eine kleine Brücke erreiche ich den alten Kanal. Ein unscheinbarer Weg führt mich ins Tal der Schleusenwärter. Schon bald komme ich über eine Stahlkonstruktion, die auf Stelzen mitten im alten Kanal steht. Einige Hundert führt so der Weg, bevor er wieder auf den Treidelpfad abknickt. Etwas oberhalb, dort, wo sich Regenwasser im Kanalbett gefangen hat und violetter Blutweiderich wurzelt, braust gerade ein Eisenbahnzug über die schmale Brücke, darunter für mich eine schmale Durchfahrt neben der Schleuse. Die Tore stehen halb offen, als wollten sie zur Einfahrt einladen, doch das Kanalbett ist trocken. Der Kanal ist in diesem Abschnitt in eine Schlucht eingebettet. Der Radweg ist nun erstaunlich gut ausgebaut. Die Schleusen kommen in schneller Folge.
Gleich das erste Schleusenwärterhäuschen ist verfallen. Mich verwundert, dass kein Schild "Zu Verkaufen" dran prangt. Auch die beiden nächsten sind in keinem deutlich besseren Zustand. Das Bett des Kanals liegt ausgetrocknet neben mir. Tiefe Risse durchziehen den lehmigen Boden. Hier fängt sich das Wasser nach Regenfällen. Das folgende Schleusenwärterhaus ist nun schon bewohnt. Wäsche hängt auf der Leine. Der dunkelrote Sandsteinfels hoch über dem Haus wirkt nicht gerade einladend. Ich bewundere den Mut der Birke, die auf diesem Überhang wächst.
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Das "Restaurant du Canal" an der Schleuse Nr. 5 hat seine guten Zeiten auch schon hinter sich. Für mich ist die Tür verschlossen. Nur noch die Gartenzwerge, die nach langer Arbeit nach Hause kommen, dürfen ins Lokal. Dafür hegen und pflegen sie den Garten. Ab und zu wird die Ruhe in der Schlucht durch einen vorbeihastenden Zug oder ein Auto gestört. Doch diese Geräusche sind gedämpft durch die dichte Bewaldung. Mal ist hier ein Abschnitt des Kanals mit Wasser gefüllt und das Zuhause einer Plesshuhnfamilie, mal ist es ein Sumpf mit Kolbenschilf und schnatternden Enten, mal ist es ein kurzes Becken mit trockenem Steinboden, an dem ich die Konstruktion des Kanals erkennen kann. Zwischen Schleuse Nr. 3 und Nr. 4, dort wo ein weites Becken den wartenden Booten Raum gab, weitet sich die Schlucht. Ich bin jetzt schon fast ganz oben angekommen. Aus dem Wartebecken für die Schiffe ist heute ein kleiner See mit Rastplätzen geworden. Die Gemeinde Phalsbourg hat das Tal der Schleusenwärter zu einem Naherholungsgebiet ausgebaut, eine gute Investition denke ich mir. Ich stelle mir vor, wie entzückt Sigerich der Ernste über diesen landschaftlich reizvollen Aufstieg war, ihm möglicherweise sogar ein kleines zufriedenes Lächeln auf die Lippen gezaubert hat, auch wenn es damals noch keinen Kanal gab.
Bald erreiche ich die Schleuse Nr. 1. Eine stählerne Barriere trennt den alten und den neuen Kanal. Auf dem Treidelpfad liegen noch die Schienen für die kleine Elektrolokomotive von Lützelbourg.
Bald erreiche ich die Schleuse Nr. 1. Eine stählerne Barriere trennt den alten und den neuen Kanal. Auf dem Treidelpfad liegen noch die Schienen für die kleine Elektrolokomotive von Lützelbourg.
Dort wo der alte und der neue Kanal sich treffen, ist eine Schiffsanlegestelle. Der Radweg ist schlecht ausgeschildert. Eh ich mich versehe, bin ich auf dem Kanalstück, das zum oberen Einlass des Schiffshebewerkes führt. Na ja. Wenn schon, denn schon! Das Wasser fließt in einer breiten, sauber eingefassten Betonrinne. Die Trasse wurde in den Berg hinein gesprengt. Steil ragen die Felsen an der Bergseite hoch. Neben mir fällt es umso tiefer nach unten. Doch die starken Bäume am Hang geben mir Sicherheit. Wer in diese Wanne fällt, hat keine Chance, raus zu kommen. Dreieinhalb Kilometer lang ist der Weg vom Anfang bis zum Ende. Das wäre für die meisten zu viel. Daher ist vorgesorgt. Alle paar hundert Meter hängt eine Kette vom Ufer aus ins Wasser. Ein kleines Schild weist darauf hin, wie lebenswichtig diese Kette ist. Als ich es mir näher anschaue, schreckt mich ein lautes Klingeln auf. Ein Bimmelbähnchen, so wie ich es aus vielen touristischen Städten kenne, kommt mir auf dem Radweg entgegen. Die Fahrerin schenkt mir zum Dank ein freundliches Lächeln, als ich mein Rad auf den schmalen Grasstreifen ziehe. Es wird eng, aber sie kommt vorbei.
Am Schiffshebewerk angekommen, muss ich feststellen, dass ich nicht sonderlich viel sehe. Ein breites Tor versperrt mir den Zugang. Immerhin kann ich sehen, wie wartende Boote in den Trog einfahren. Ich halte mich nicht länger auf, fahre wieder zurück. Unten im Tal pfeift eine Lokomotive. Die Zugstrecke von Nancy nach Straßburg ist eine wichtige Magistrale. Im gefühlten Minutentakt fahren die Züge. Da es für sie kein Hebewerk und keine Schleuse gibt, wurde sozusagen im Untergeschoss des Kanals ein Tunnel für die Züge gegraben. Und vor jeder Tunnelfahrt ein Pfiff.
Am Schiffshebewerk angekommen, muss ich feststellen, dass ich nicht sonderlich viel sehe. Ein breites Tor versperrt mir den Zugang. Immerhin kann ich sehen, wie wartende Boote in den Trog einfahren. Ich halte mich nicht länger auf, fahre wieder zurück. Unten im Tal pfeift eine Lokomotive. Die Zugstrecke von Nancy nach Straßburg ist eine wichtige Magistrale. Im gefühlten Minutentakt fahren die Züge. Da es für sie kein Hebewerk und keine Schleuse gibt, wurde sozusagen im Untergeschoss des Kanals ein Tunnel für die Züge gegraben. Und vor jeder Tunnelfahrt ein Pfiff.
Es hilft nichts, ich muss auf die Straße ausweichen, um auf den Radweg zu kommen, der jenseits des neuen Kanals weiter führt. Der Angler mit seiner langen Rute lässt sich von den Freizeitkapitänen nicht stören. An der Anlegestelle lasse ich mich zur Rast nieder und beobachte ein kleines Schauspiel: Ein Pärchen kämpft mit seinem Boot, das partout nicht an den Kai gebunden sein will. Fleißige Hände sind sofort zur Stelle, um das störrige Boot zu bändigen. Mit fällt auf, dass ich seit Lützelbourg keinen Radfahrer mehr getroffen habe. Es ist Mittagszeit, und die ist den Franzosen und den Tunnelwärtern heilig. Von meinem Rastplatz aus sehe ich direkt in den Tunnel von Arzviller hinein. Die Ampel zeigt schon längere Zeit Rot. Warum wohl? Also schlendere ich zum Häuschen des Tunnelwärters. Er hat inzwischen das Fenster wieder geöffnet, Pause vorbei.
„Im Tunnel müssen Sie zügig fahren“, sagt der Tunnelwärter. Doch er meint nicht mich, sondern hinter mir den ungeduldig wartenden Freizeitkapitän vom störrigen Boot. Der Kanal verliert sich im Dunkel des Tunnels. Schnurgerade ist er gebohrt, 2300 Meter lang. Ich sehe sogar das sprichwörtliche Licht am Ende des Tunnels. Leider darf ich nicht durch den Tunnel. Der Treidelpfad ist gesperrt, leider. Endlich springt die Tunnelampel auf Grün und der ungeduldige Freizeitkapitän beeilt sich, um die Grünphase noch zu schaffen.
Ein schwerer Bulle schaut mich verwirrt an. Radfahrer erwartet er hier auf der Hochebene wohl keine. Vielleicht war Sigerich der Ernste auch der letzte Mensch, den er hier gesehen hat, außer seinem Bauern natürlich. Irgendwie muss ich die Abfahrt verpasst haben. Ich folgte meinem an und für sich guten Orientierungssinn, um die viel befahrene Landstraße zu meiden. Auf der Landkarte ist ein direkter Weg über den Berg zum nächsten Ort und damit zum Kanal eingezeichnet. Doch aus einem geteerten Wirtschaftsweg wurde ein Weg mit Split, dann mit grobem Schotter, der in tief im Lehm eingefurchte Fahrrillen übergeht.
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Nun sitze ich neben einem alten Wegkreuz, erneuert 1930, auf einer Bank, gestiftet von der örtlichen Sparkasse und genieße den herrlichen Panoramablick zwischen Strohrollen hindurch auf die Landschaft zwischen Phalsbourg und Sarrebourg. Weit hinten rollen LKWs über die Autobahn, und dazwischen, im tiefen Tal, muss wohl der Kanal liegen. Langsam beschleicht mich das Gefühl, dass mich mein Orientierungssinn im Stich gelassen hat. Der schmale. kaum erkennbare Pfad steil abwärts ins Tal scheint mir nicht vertrauenswürdig. Da kehre ich doch lieber zur Landstraße zurück. Als ich wieder an dem Bullen vorbei komme, schaut er genauso deppert drein. Ich möchte nicht ergründen, was in seinem Kopf gerade vor sich geht. Hunderte von Fliegen umschwirren ihn. Mögen sie doch bitte bei ihm bleiben und nicht mich belästigen. Die letzten 10 Kilometer bis zur Mündung des Saarkohlenkanals in den Rhein-Marne-Kanal führen nur noch über Landstraße. Ein Ausbau des verwilderten Treidelpfades zum Radweg ist nicht erkennbar.
Hier ist die Reise zu E N D E
Nachtrag:
70 Kilometer bin ich dem Kanal vom Rhein bis hierher gefolgt, weitere 220 Kilometer zieht er sich noch bis zur Marne. Im Jahr 1853 wurde der Bau abgeschlossen. Heute hat der Gütertransport keine Bedeutung mehr. Der Kanal wird aber intensiv für den Wassertourismus mit Sport- und Hausbooten genutzt. Leider ist der Treidelpfad aber nur in dem Abschnitt vom Rhein bis ins lothringische Arzviller zu einem Radweg ausgebaut.
Empfehlung für Interessenten:
Für einen gemütlichen knapp zweiwöchigen Radurlaub empfehle ich eine Rundstrecke, die von Straßburg aus über den Rhein-Marne-Kanal und den Saarkohlenkanal bis Saargemünd an der lothringisch-saarländischen Grenze führt. Dort schliesst der Glan-Blies-Radweg an, der an der Nahe endet. Über den Nahe-Radweg geht es dann bis Bingen und dann den Rhein-Radweg wieder flussaufwärts bis Straßburg. Fast durchgehend führt diese Rundstrecke über gut ausgebaute und geteerte Radwege. Teile davon habe ich in meinen Reiseberichten zum Saarkohlenkanal und zum Glan-Blies-Radweg beschrieben.