Der lange Weg zu Monsieur Hulot
Teil 1 - entlang der Loire vom Burgund bis Blois
Juli 2018
"Mit dem TGV, ja mit dem TGV ginge es schneller" schießt es mir durch den Kopf, als zum wiederholten Mal der TGV, der französische Hochgeschwindigkeitszug, über die Kanalbrücke rauscht.
Kein Lüftchen bewegt das Wasser zwischen der "Schleuse 1 Méditerranée" und der "Schleuse 1 Océan", dem höchsten Punkt des CAnal du Centre. Es ist Mittagszeit. Die Sonne steht hoch am Zenit. Wir stehen auf der Brücke über dem Kanal, machen ein Selfie, schlagen uns in die Hand und steigen auf die Räder. Dieter, mein Begleiter, fährt auf einem herkömmlichen Rad, ich auf meinem Pedelec.
Kein Lüftchen bewegt das Wasser zwischen der "Schleuse 1 Méditerranée" und der "Schleuse 1 Océan", dem höchsten Punkt des CAnal du Centre. Es ist Mittagszeit. Die Sonne steht hoch am Zenit. Wir stehen auf der Brücke über dem Kanal, machen ein Selfie, schlagen uns in die Hand und steigen auf die Räder. Dieter, mein Begleiter, fährt auf einem herkömmlichen Rad, ich auf meinem Pedelec.

Der Canal du Centre ist seit über 200 Jahren das wichtige Verbindungsstück der Wasserwege in Frankreich zwischen dem Atlantik einerseits und dem Mittelmeer wie auch dem Rhein andererseits. Der Radweg entlang des Kanals ist auch Teil des europäischen Radwanderweges EuroVelo 6, der vom Atlantik bis zum Schwarzen Meer führt. Vor einigen Jahren bin ich bereits die Strecke zwischen der deutschen Grenze und dieser Brücke geradelt. Nun möchte ich mir meinen lang ersehnten Traum vollenden, mit dem Fahrrad Frankreich von Ost nach West zu durchqueren.
In lang gezogenen Schleifen windet sich der Kanal durch die hügelige Landschaft. Die Gedanken wandern. Gut sechs Autostunden ist unser Startort von zu Hause entfernt. Schon in aller Frühe waren wir aufgebrochen. Nun kehrt Ruhe in mich ein. Die sanfte Landschaft des auslaufenden Morvan-Gebirges, das stille Wasser des Kanals, die Ruhe um mich herum, das alles trägt zur Entschleunigung bei. Ich fließe dahin.
Im Wasser spiegeln sich die Häuser am Ufer. "Bonjour", der Kapitän eines Freizeitbootes winkt uns zu, während wir mit dem Schwung des Gefälles der letzten Schleuse an ihm vorbei fahren. Dann geht es wieder in ruhige Fahrweise über. Wir haben es nicht eilig. Der Weg ist das Ziel.
Im Wasser spiegeln sich die Häuser am Ufer. "Bonjour", der Kapitän eines Freizeitbootes winkt uns zu, während wir mit dem Schwung des Gefälles der letzten Schleuse an ihm vorbei fahren. Dann geht es wieder in ruhige Fahrweise über. Wir haben es nicht eilig. Der Weg ist das Ziel.
Ein See liegt neben dem Kanal, ein Ausgleichsbecken für den Wasserbedarf der Schifffahrt, schließlich hat der Kanal keine Quelle, keinen natürlichen Zulauf. Eine junge Familie bereitet sich am Seeufer auf das Mittagessen vor, derweil Papa noch hofft, dass ihm ein dicker Fisch an die Angel geht. Doch Mutti hat wahrscheinlich vorgesorgt und die Kühltasche ausreichend gefüllt, damit die Schar der drei Kinder auch satt wird. Ein Denkmal steht dort, wo der See den Kanal nährt, ein Denkmal für die Gefallenen der Gruppe Edouard. Wer mag die Gruppe Edouard wohl gewesen sein?
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Jenseits des Kanals baut sich ein riesiges Fabrikgebäude auf. Die Fensterscheiben sind zerborsten, eine Industriebrache, Zeuge einer lang vergangenen wirtschaftlichen Blütezeit in dieser abgelegenen Region.
Ein gewaltiges Gebäude baut sich vor uns auf, mehr Turm als Burg. Wir stehen vor der Mauer, die das große Anwesen umgibt und rätseln: Ist es ein Schloss, eines der vielen Chateaus in Mittelfrankreich, oder ist es ein Bunker, Überbleibsel des letzten Krieges? Ich entdecke keine Fenster, nur zwei mannshohe Tunnels, die ins Innere führen. Das Tor zum gepflegten Anwesen ist |
versperrt und mit Videokamera gesichert. Wo sonst überall touristische Informationstafeln stehen, herrscht hier gähnende Leere. Ratlos radeln wir weiter bis zur kommunalen Informationstafel, die an der Schleuse steht. Auch dort kein Hinweis. Dafür werden wir auf Deutsch begrüßt: "Herzlich Willkommen in Blanzy" ,Hettenleidelheim ist die Partnerstadt von Blanzy, erfahre ich sogleich. Dieser kleine Ort mit gut 6000 Einwohnern beherbergt auch ein Grubenmuseum. Mir schwant, dass dieses gewaltige Bauwerk, das wir eben bestaunt haben, möglicherweise Teil einer Mine war.
Hinter Blanzy verlässt der ausgeschilderte Radweg den Kanal. Es ist Ferienzeit, die Straßen sind leer. Wir entscheiden uns, auf der kleinen Landstraße, die entlang des Kanals führt, zu bleiben. Nach kurzer Zeit erreichen wir Montceau-les-Mines. Sonntag, Mittagszeit und Ferienzeit - die Stadt ist wie ausgestorben. Keine Bar, die unsere durstigen Kehlen zur Rast einlädt. Während sich halb Frankreich gerade in den Wellen des Mittelmeers abkühlt und den Urlaub genießt, und die Touristen Paris besetzt halten, ist die französische Region ausgestorben. Kein Tourist, von uns Radwanderern abgesehen, verirrt sich hier her. Nach einem Schlenker durch ein ebenso menschenleeres Kultur- und Medienzentrum auf dem Gelände der alten Grubenverwaltung ziehen wir weiter.
Meine Augen werden immer größer angesichts des Bauwerkes, das sich jenseits eines Hafenbeckens zeigt. Wir bleiben stehen und informieren uns an den bereitstellten Tafeln. Montceau-les-Mines war über 200 Jahre Zentrum des Kohleabbaus in dieser Region. Erst 2002 schloss die letzte Zeche. Das Gebäude vor uns war die Kohlewaschanlage. Bis zu 840 Tonnen pro Stunde (!) konnte sie leisten. Im 19. Jahrhundert muss ein reger Schiffsverkehr auf dem Kanal statt gefunden haben, der erst durch die Eisenbahn an Bedeutung verlor. Bis zu 50 Schiffe pro Tag verließen den Hafen. Ich lausche Dieters Erläuterungen, der seine Wurzeln im Ruhrgebiet hat. Die Arbeitsbedingungen in den Gruben und Grubenanlagen waren unvorstellbar. Es bildeten sich verschiedene gewerkschaftliche Gruppierungen bis hin zu anarchistischen Zellen, die dagegen ankämpften. Die Grubenschließung stieß schließlich die gesamte Region ins Abseits.
Hinter Blanzy verlässt der ausgeschilderte Radweg den Kanal. Es ist Ferienzeit, die Straßen sind leer. Wir entscheiden uns, auf der kleinen Landstraße, die entlang des Kanals führt, zu bleiben. Nach kurzer Zeit erreichen wir Montceau-les-Mines. Sonntag, Mittagszeit und Ferienzeit - die Stadt ist wie ausgestorben. Keine Bar, die unsere durstigen Kehlen zur Rast einlädt. Während sich halb Frankreich gerade in den Wellen des Mittelmeers abkühlt und den Urlaub genießt, und die Touristen Paris besetzt halten, ist die französische Region ausgestorben. Kein Tourist, von uns Radwanderern abgesehen, verirrt sich hier her. Nach einem Schlenker durch ein ebenso menschenleeres Kultur- und Medienzentrum auf dem Gelände der alten Grubenverwaltung ziehen wir weiter.
Meine Augen werden immer größer angesichts des Bauwerkes, das sich jenseits eines Hafenbeckens zeigt. Wir bleiben stehen und informieren uns an den bereitstellten Tafeln. Montceau-les-Mines war über 200 Jahre Zentrum des Kohleabbaus in dieser Region. Erst 2002 schloss die letzte Zeche. Das Gebäude vor uns war die Kohlewaschanlage. Bis zu 840 Tonnen pro Stunde (!) konnte sie leisten. Im 19. Jahrhundert muss ein reger Schiffsverkehr auf dem Kanal statt gefunden haben, der erst durch die Eisenbahn an Bedeutung verlor. Bis zu 50 Schiffe pro Tag verließen den Hafen. Ich lausche Dieters Erläuterungen, der seine Wurzeln im Ruhrgebiet hat. Die Arbeitsbedingungen in den Gruben und Grubenanlagen waren unvorstellbar. Es bildeten sich verschiedene gewerkschaftliche Gruppierungen bis hin zu anarchistischen Zellen, die dagegen ankämpften. Die Grubenschließung stieß schließlich die gesamte Region ins Abseits.
Auch hinter Monceau-les-Mines ist die Strecke von Industriebrachen gesäumt. Eine alte Ziegelei lädt zur Besichtigung ein. Viele Schleusenhäuser am Kanal stehen leer. Der Zahn der Zeit nagt an ihnen. Im Unterschied zu den Kanälen im nördlichen Burgund scheint es in dieser Region wenig Interesse zu geben, sich ein Schleusenhaus zu kaufen und zum Wochenenddomizil auszubauen.

"La Ligne de Démarcation" steht groß auf einem Hinweisschild, auf Deutsch "Demarkationslinie". Ich kenne den Begriff nur zu gut. Uns interessiert, wie dieses Wort in diese abgeschiedene Region kommt. Wir betreten das Informationszentrum zur "La Ligne de démarcation" in Génelard und werden freundlich begrüßt. Im Saal führt uns eine große Ausstellung durch die Geschichte der Widerstandsbewegung gegen die deutsche Besetzung Frankreichs im Zweiten Weltkrieg. Auf Originaldokumenten der Wehrmacht finde ich das Wort "Demarkationslinie". Hier hat es seinen Ursprung. Entlang des Kanals zog sich die Grenze zwischen dem besetzten und dem freien Teil Frankreichs. Nun schließt sich auch der Kreis zur "Gruppe Edouard". Es war eine der vielen Partisanengruppen, die gegen die deutsche Besatzung gekämpft haben. Viele Bilder in der Ausstellung erinnern an Bilder von Szenen an der Grenze zwischen der Bundesrepublik und der DDR. Die Geschichte wiederholt sich.
Als wir das Museum verlassen wollen, bittet uns die Angestellte noch in einen zweiten, kleineren Saal. Welch Überraschung. Hier findet sich ein kleines Museum der Stereographie. Ein Sammler im Ort hat sie der Gemeinde zur Verfügung gestellt. Die Angestellte zeigt uns immer weitere Exponate, gerade so, als sei es ihre eigene Sammlung. Spannend, was man da alles findet.
Als wir das Museum verlassen wollen, bittet uns die Angestellte noch in einen zweiten, kleineren Saal. Welch Überraschung. Hier findet sich ein kleines Museum der Stereographie. Ein Sammler im Ort hat sie der Gemeinde zur Verfügung gestellt. Die Angestellte zeigt uns immer weitere Exponate, gerade so, als sei es ihre eigene Sammlung. Spannend, was man da alles findet.
Die Zahl der Freizeitboote in dem großen Hafenbecken neben dem Museum ist klein. Auf diesem Kanal scheint der Schiffstourismus keine große Bedeutung zu haben. Unser Weg führt uns weiter am Kanal entlang. Das Thermometer zeigt 28 Grad. Es wird Zeit für eine Pause. In Palinge werden wir belohnt. Endlich eine Bar, die offen hat. Ich bestelle mir mein französisches Sommergetränk, Diabolo Menthe. Es ist giftgrün, kühlt und erfrischt bei diesen Temperaturen.
Die Landstraße scheint kein Ende zu finden. Zur Linken zieht sich eine lange Weide hoch. Oberhalb der Weide ragen die beiden Kuppel eines Schlosses zwischen den Baumkronen empor. Es ist das Château de Pontamailly. Weiße Rinder ziehen langsam grasend ihren Weg über die Weide. Diese Rinderrasse ist bei Kennern sehr beliebt. Wir sind im Charolais angekommen. Bourbince heißt der kleine Fluss, der uns neben dem Kanal schon seit geraumer Zeit begleitet. Während er weiter durch die Talsenke mäandert, verläuft der Kanal auf immer längeren Strecken geradeaus. Er verlässt nun die Ausläufer des Morvan-Gebirges und teilt sich das Talbecken mit der Bourbince, der Landstraße, ausgedehnten Weizenfeldern und den Charolais-Rindern. An einer Schleuse liegt "Nemo", eine alte zu einem Wohnschiff umgebaute Peniche. Langsam fällt das Wasser in der Schleuse und nimmt das Boot mit nach unten. |
Nun haben wir den südlichsten Punkt unserer Reise erreicht. Der Kanal wendet sich in einem 90-Grad-Bogen nach Norden und führt uns an einer geisterhaft leeren Zeltstadt vorbei. Dahinter erhebt sich ein großes Kirchenschiff über den Dächern einer kleinen Stadt. Der Durst führt uns ins Stadtzentrum. Vor der prächtigen Renaissance-Fassade des Rathauses kehren wir ein. Rund um uns herum reihen sich alte Gebäude, aus gelbem Sandstein errichtet. Klassische Baustile von Romanik bis Renaissance geben sich ein Stelldichein. "Welch ein Fest wird denn hier gefeiert?" frage ich die Kellnerin. "Ein religiöses" ist ihre knappe Antwort. Sie ist jung und wohl nicht religiös. Ich google gleich unter dem Namen der Stadt und werde fündig.: Paray-le-Monial ist einer der meistbesuchten Pilgerorte Frankreichs. Hier wurde im 17. Jahrhundert die Nonne Margareta Maria Alacoque geboren und begraben. Ihre Visionen führten zur Herz-Jesu-Verehrung. Heute ist ihr Geburtstag. Aber wo bleiben die Pilger? Letztere Frage bleibt unbeantwortet.
Der fröhliche Gesang von Mädchenstimmen weckt meine Aufmerksamkeit. Vor uns marschiert eine Gruppe junger Pfadfinderinnen. Sie werden begleitet von einem jungen Pater, kaum älter als die Mädchen, in Kutte und Sandalen gekleidet. Er hält sich am Rand der Gruppe, eher schüchtern und unsicher. So ganz wohl scheint er sich offensichtlich nicht in seiner Haut zu fühlen. Sein Abt hat ihn vielleicht mit der Gruppe auf Pilgerreise geschickt, um seinen priesterlichen Willen zu stärken.
Welch ein Anblick! Vor mir liegt die Loire in ihrem breiten Sandbett. Eine Brücke überquert sie. Doch es ist nicht einfach nur eine Brücke. Sie führt den Canal du Centre über die Loire. Wie auf Bestellung fährt ein Freizeitboot über die Brücke. Sie ruht auf 11 Bögen und ist 243 Meter lang. Ich staune über diese Ingenieursleistung aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Jenseits der Brücke stößt der Canal de Central auf den Loire-Seitenkanal, der uns den weiteren Weg zeigen wird.
Welch ein Anblick! Vor mir liegt die Loire in ihrem breiten Sandbett. Eine Brücke überquert sie. Doch es ist nicht einfach nur eine Brücke. Sie führt den Canal du Centre über die Loire. Wie auf Bestellung fährt ein Freizeitboot über die Brücke. Sie ruht auf 11 Bögen und ist 243 Meter lang. Ich staune über diese Ingenieursleistung aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Jenseits der Brücke stößt der Canal de Central auf den Loire-Seitenkanal, der uns den weiteren Weg zeigen wird.
Zurück auf dem Radweg fällt mir auf einer Beschilderung ein Aufkleber auf, ein Mönch in Kutte. Hier also führt der Pilgerweg nach Paray le Monial entlang. Aber nicht nur Pilger nutzen diesen Weg. Kurz vor unserer Unterkunft treffen wir auf Marianne. Sie sitzt am Wegesrand und bietet uns Pastis an. Aus Freude über die Fußballweltmeisterschaft hat sie sich mit einer Schärpe geschmückt. Neben ihr auf der Ruhebank steht "Bank der Wahrheit." Was auch immer sie damit sagen will, uns gefällt es und wir bitten zwei Buben vom Ort, ein Erinnerungsfoto für uns zu machen. Wenig später erreichen wir unsere Unterkunft direkt am Kanal gelegen.
Der Abend klingt mit einer philosophischen Diskussion aus. Die junge hungrige Pilgerin Theresa aus Würzburg bittet im Restaurant um ein Abendessen, gegen Bezahlung natürlich. Doch der Wirt verweist darauf, dass heute das Restaurant geschlossen sei und es nur für Hotelgäste ein Mahl gebe. Auf Dieters Bitte hin lässt er sich erweichen. Theresa setzt sich zu uns an den Tisch. Aus einem Smalltalk entwickelt sich eine spannende Diskussion über den Sinn von Glauben und Religion. Ich muss gestehen, dass sich die Theologin und Mathematikerin Theresa gegen den Agnostiker Dieter und den Atheisten Manfred wacker behauptet. Sie ist von Würzburg bis hierher mit dem Fahrrad gekommen und will weiter nach Santiago de Compostella. Für ihren weiteren Weg wünschen wir ihr viel Glück.
Glatt wie eine Fensterscheibe ist das Wasser des Kanals, als wir am nächsten Morgen aufbrechen. Schnurgerade liegt der Kanal vor uns, das Hotel spiegelt sich im Wasser. Wir haben uns ausreichend mit Wasser und Verpflegung im kleinen Markt an der Hauptstraße versorgt. Heute liegt eine lange Strecke vor uns.
In der Kühle des Morgens radelt es sich angenehm auf dem ausgebauten Treidelpfad. Einige Kilometer geht es gerade aus. Die Räder rollen. Schon bald erreichen wir Diou. Ich hatte hinter der Baustelle einer neuen Brücke den Abzweig des Radweges ignoriert, nun müssen wir wieder etwas zurück und die Loire überqueren. Das kostet mich einen Kaffee für Dieter.
In der Kühle des Morgens radelt es sich angenehm auf dem ausgebauten Treidelpfad. Einige Kilometer geht es gerade aus. Die Räder rollen. Schon bald erreichen wir Diou. Ich hatte hinter der Baustelle einer neuen Brücke den Abzweig des Radweges ignoriert, nun müssen wir wieder etwas zurück und die Loire überqueren. Das kostet mich einen Kaffee für Dieter.

Jenseits des Flusses lief früher eine Bahnstrecke. Sie ist jetzt zu einem "Voie Verte" ausgebaut. Als "Voie Verte", also "Grüner Weg", bezeichnen die Franzosen Radwege, die nur Fahrradfahrern und Wanderern vorbehalten sind. Mit einem "Bonjour" gegrüßen wir Radwanderer und Anwohner, die uns entgegen kommen. Dieser "Voie Verte" ist zu einem Prachtstück ausgebaut, so gut, dass ich immer wieder ins Staunen komme, wieviel Schilder und Drängelgitter man auf wenigen Metern aufstellen kann. Da führt von der Landstraße eine kurze Einfahrt quer über den Radweg zu einem Anwesen. Zuerst kommt auf dem Radweg das Drängelgitter, dann ein Hinweisschild, dass der Radweg endet und schließlich ein Stopp-Schild. Hinter der querenden Einfahrt ein Verbotsschild für motorisierte Fahrzeuge, Ausnahme Servicefahrzeuge, aber verboten für Reiter und der Hinweis, dass der Radweg wieder beginnt, von der Gegenseite her genau das Gleiche. Damit nicht genug: Zwanzig Meter weiter kreuzt der Radweg die Straße, der Schilderwald beginnt von Neuem. Mir scheint, dass sich hier ein Beamter mit EU-Geldern sein bürokratisches Meisterstück verdient hat.
Geschafft, wir haben die vier Drängelgitter und den Schilderwald ohne Schaden überwunden und tauchen in den grünen Tunnel des dahinter liegenden Waldes ein. Rechter Hand baut sich ein hoher hölzerner Zaun, ähnlich einer Lärmschutzwand auf. Keine Autobahn in Sicht und Radfahrer verursachen bekanntlich wenig Lärm. Was mag dahinter versteckt sein? Am Ende findet sich ein Durchlass mit einem Tor. Durch das Gitter sehen wir eine prachtvolle Parkanlage, die zum Chateau Saint Aubin gehören. "Mal schauen, ob offen ist." meint Dieter und rüttelt an dem Tor. Der Gärtner, der uns sieht, ist nicht so verschlossen. wie das Tor. Er weist uns freundlich auf den Eingang auf der gegenüberliegenden Seite des Parks hin und die Öffnungszeiten. Da wir nicht bis zum Nachmittag warten wollen, So verabschieden wir uns mit einem "Au revoir".
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Das breite Flusstal liegt hinter uns. Die kleine Landstraße ist gerade mal so breit, dass ein Auto und ein Fahrrad aneinander vorbei kommen. Kaum ein Auto stört uns. Hügel auf und ab folgen wir ihr. Weizenfelder und Weiden, große Höfe und kleine Weiler lösen sich ab. Rinder liegen im Schatten unter dem Blätterdach großer Bäume. Weit reicht der Blick über das Loiretal hinweg. Im Osten ist ganz schwach im Dunst die Höhe von Haut Folin zu sehen. die mit 901 Metern größte Erhebung des Morvanmassivs. Darüber schwebt eine dicke weiße Wolke.
Mich begeistern die kleinen Idyllen, die wir immer wieder am Straßenrand finden. Mal ist es ein kleiner Weiher, mal ein aufgehübschtes altes Fahrrad, mal der Blick auf ein herrschaftliches Anwesen mit dem Charme der Jahrhunderte und mal die einträchtig aufgehängten Fahnen der Finalisten der Fußballweltmeisterschaft.
Mich begeistern die kleinen Idyllen, die wir immer wieder am Straßenrand finden. Mal ist es ein kleiner Weiher, mal ein aufgehübschtes altes Fahrrad, mal der Blick auf ein herrschaftliches Anwesen mit dem Charme der Jahrhunderte und mal die einträchtig aufgehängten Fahnen der Finalisten der Fußballweltmeisterschaft.
Schließlich verlassen wir bei Cronat die Hügellandschaft. Eigentlich ist Cronat nicht besonders erwähnenswert, hätte ich da nicht den Unterleib jener Dame gefunden, die sich früher auf Jahrmärkten zur Schau stellte. Und noch eins ist mir in diesem Ort aufgefallen: Viele Regionen Frankreichs zeichnen sich durch eine typische Bauweise aus. Elsass, Lothringen, Provence, Burgund, Bresse, sie sind auf Fotos auf Grund ihres Baustils sofort zu identifizieren. Nicht so in dieser Region. Irgendwie ist der Baustil langweilig, charakterlos. lediglich ein paar geschichtsbeladene Häuser heben sich durch ihre Fenster- und Türeinfassungen mit rotem Sandstein hervor. Eine Inschrift an einem Kellerfenster zieht mich an. Es ist ein Grundstein, gesetzt im Jahr 1780.
Kurz hinter Cronat erreichen wir wieder das Loire-Ufer. Es ist heiß, die Sonne hat den Zenit überschritten, unsere Wasservorräte neigen sich dem Ende zu. Vor uns liegt ein Dorf, Thareau. Da gibt es sicher eine Bar. Beim Näherkommen schrumpft die Zahl der Dächer, übrig bleibt eine Handvoll verlassener Häuser. Die Loire beschreibt davor einen weiten Bogen. Breite Sandbänke liegen vor dem Gleithang. Die Flusslandschaft wirkt mediterran. Die Loire ist der letzte ungezähmte Fluss Europas. Auf einer Schautafel können wir sehen, wie sich hier ihr Lauf seit 70 Jahren verändert hat. In der Zeit der Schneeschmelze steigt der Wasserspiegel und trägt Geröll und Sand mit sich. Sandbänke verändern sich immer wieder.
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Dennoch hatte die Schifffahrt in der Zeit des Feudalismus eine hohe Bedeutung. In diesem kleinen Weiler gab es seinerzeit einen bedeutenden Hafen. Außer einer Informationstafel deutet heute nichts mehr darauf hin. Damals gab es sicher eine Bar, wahrscheinlich sogar mehrere, denn Schiffsleute sind sehr durstig. Aber diese Zeiten sind im Fluss der Geschichte versunken. Keine Königin mehr, die ihren Fuß an dieses Ufer setzt, kein Wein mehr, der auf dem Weg nach Paris hier umgeschlagen wird, kein Bier, das die Kehle herunter rinnt. Still fliesst der Fluss. |
Wir hoffen auf das nächste Dorf. Die Fahrt führt uns durch einen schönen Auenwald entlang eines Altarms der Loire. Einige Angler warten geduldig auf das Abendessen für ihre Familie. Schließlich erreichen wir das Dorf. Ja, es gibt eine Bar. Sie ist geschlossen "Aus Urlaubsgründen". Auch im nächsten Dorf, ein paar Kilometer weiter über schattenlose Felder, das gleiche Spiel: "Fermé", geschlossen. Ich frage eine Familie, die im Schatten ihrer Pergola am Mittagstisch sitzt, wo es wohl eine offene Bar gäbe. In Devay, meint das Familienoberhaupt, und zeigt in die Ferne

Vor den Lohn hat der liebe Gott die Arbeit gesetzt. Devay liegt hoch auf der Böschung des Urstromtales. Eine steile Straße windet sich hoch. Der Weg nach oben ist schweißtreibend, auch mit meinem Pedelec, dessen Energievorräte sich gefährlich dem Ende zu neigen. Doch wir werden belohnt. Die kleine Bar an der Landstraße hat geöffnet, das Restaurant ist geschlossen. In Frankreich kein Problem. Wir dürfen unsere Vorräte auspacken. Der Patron bringt uns die Getränke. Selten hat mir der Diabolo Menthe so gut geschmeckt wie in dieser Minute. Zum Abschluss füllt uns der Patron unsere Wasserflaschen mit kühlem frischem Wasser auf und wünscht uns eine gute Weiterfahrt. Wir sind ihm sehr dankbar.
Die Sonne brennt vom Himmel. Wir stehen vor der Entscheidung, ob wir den schnellen Weg entlang der Landstraße oder den Bogen nehmen, der für die Radwanderer ausgeschildert ist. Da uns Letzterer mehr Schatten verspricht und viel Verkehr auf der Landstraße herrscht, lassen wir uns von dem Radweg abwärts ins Tal führen. Nach drei oder vier Kilometern stoßen wir auf den Kanal du Nivernais. Ich erinnere mich an die Radtour mit Renate vor zwei Jahren entlang des Canal du Nivernais, als wir bei gleichen Temperaturen bis zu diesem Punkt gekommen waren. Wir haben in der Hitze gestöhnt und geächzt, aber geblieben sind von jener Reise die Erinnerung an schöne Begegnungen und Erlebnisse. Gerade arbeitet Renate an einer Skulptur, die stilisiert eine Frau zeigt, der wir damals begegnet sind.
Schließlich erreichen wir das kleine Städtchen Decize. In einer Schleife umrunden wir die Altstadt, die sich um einen majestätischen Palast auf einer Anhöhe reiht und stoßen wieder auf den Loire-Seitenkanal. Nach meiner Rechnung sind es noch 27 Kilometer bis zu unserem Tagesziel. Doch die Kilometerangaben auf den Schildern sagen mir, dass es zehn Kilometer mehr sind. Irgendwie muss ich mich verrechnet haben.
Endlos zieht sich der Kanal dahin. Kein Lüftchen regt sich. Alle fünf Kilometer machen wir eine kurze Wasserrast. Große Weizenfelder bestimmen das Landschaftsbild. Die Stoppel glänzen gülden in der Sonne, dicke Wolkenpakete segeln über den blauen Himmel. Die Strohrollen warten auf den Traktor, der sie in die Scheune bringt.

"Ein Königreich für ein Bier" soll einmal ein Alpenwanderer ausgerufen haben. Uns würde schon eine Bar mit einem Glas kühlen Wassers genügen. Ein Königreich hätten wir sowieso nicht zu vergeben. Doch der Kanal vermeidet über eine weite Strecke den Kontakt mit Ortschaften. Hohe Bäume säumen den Kanal. Zu allem Überfluss führt der Radweg auf der Sonnenseite des Kanals. Wenn zu solch heißen Tagen zusätzlich noch eine abwechslungsarme Landschaft hinzu kommt, stelle ich mir schon die Frage, warum ich mich dieser Strapaze aussetze. Doch dann lasse ich die Gedanken wandern und schon beginnt die Seele an zu baumeln. Der Gedanke an meine Liebste zu Hause lässt mich durchhalten.
Endlich sehen wir auf der gegenüber liegenden Seite einen Festplatz. Dahinter ragt ein Kirchturm in die Höhe. Doch die Freude währt nur kurz. Während der Fußballweltmeisterschaft war hier täglich geöffnet, jetzt steht nur noch ein Farbeimer vor der Tür. Zumindest spenden die Festzelte Schatten. An der Anlegestelle für die Freizeitboote steht auch ein Wasserspender. Das kalte Wasser kühlt Kopf, Nacken und Brust und füllt unsere leeren Flaschen. Nur noch zehn Kilometer!
Am frühen Abend erreichen wir Nevers. Die Kathedrale liegt hoch über dem Fluss. Auf einer Sandbank vergnügen sich Jugendliche. Da wären wir jetzt auch gerne. Doch das Hotelzimmer und die kühle Dusche rufen. Durch die Porte du Croux, einem Teil der mittelalterlichen Befestigungsanlagen, erreichen wir das Zentrum. 107,5 Kilometer liegen heute hinter uns.
Eine gute Stunde brauche ich, bis ich bereit zum Ausgehen bin: Duschen, Fahrrad-Akku aufladen, Wäsche waschen, eine Nachricht zu meiner Liebsten schicken, die Kleidung für den nächsten Morgen bereit legen, und das alles in Ruhe.
Am frühen Abend erreichen wir Nevers. Die Kathedrale liegt hoch über dem Fluss. Auf einer Sandbank vergnügen sich Jugendliche. Da wären wir jetzt auch gerne. Doch das Hotelzimmer und die kühle Dusche rufen. Durch die Porte du Croux, einem Teil der mittelalterlichen Befestigungsanlagen, erreichen wir das Zentrum. 107,5 Kilometer liegen heute hinter uns.
Eine gute Stunde brauche ich, bis ich bereit zum Ausgehen bin: Duschen, Fahrrad-Akku aufladen, Wäsche waschen, eine Nachricht zu meiner Liebsten schicken, die Kleidung für den nächsten Morgen bereit legen, und das alles in Ruhe.
"Gestern Abend haben wir französisch gespeist. Lass uns heute abend italienisch essen." schlägt Dieter vor, auch in Erinnerung an die Andouliette, die die ganze Nacht in seinem Magen geschaukelt hat, "Pasta füllt den Kohlehydratspeicher auf. Die Italiener sind nicht umsonst gute Radfahrer." Den Tag lassen wir dann in einer Pizzeria auf dem großen Place Carnot ausklingen. Gegenüber prunkt die Sparkasse mit einem Prachtbau aus der Renaissance. Das Rathaus ist bescheidener. Nur noch der Herzogspalast in der Oberstadt kann mithalten.
Am nächsten Morgen: Wir schätzen die Kühle des frühen Tages und machen uns schon bald nach dem Frühstück auf. Am gestrigen Tag ist mir das Schutzschild des Vorderreifens kaputt gegangen. Der Klebestreifen, der es fixieren soll, hat gegen Abend seinen Geist aufgegeben. Auf dem Weg aus der Stadt heraus finde ich einen Fahrradladen. "Nein", sagt mir der Auszubildende vor der verschlossenen Tür, "Es ist nicht offen. Der Chef kommt erst in einer Stunde." Dumm gelaufen.
Schnurgerade führt die Straße durch das übliche Gewerbegebiet mit Supermärkten, Tankstellen, Handwerksbetrieben, Speditionen und Lagerhallen aus Nevers heraus. Gerade, als wir am Kanal ankommen und auf den Radweg einbiegen, sehe ich aus den Augenwinkeln heraus eine Werkstatt für Landwirtschaftsmaschinen. Das Tor ist zwar verschlossen, aber der Mechaniker macht sich auf dem Hof schon zu schaffen. Er ist gerne bereit, mir zu helfen. Nach verschiedenen Versuchen befestigt er schließlich das Schutzschild mit neuen Nieten.
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Der Radweg führt uns nun am Ufer der Loire entlang. Langsam steigt die Sonne höher, so dass ich mich über den Schatten der Uferbepflanzung freue. Immer finde ich schöne Blicke auf die Loire. Vor mir taucht eine kleine Stadt auf. Es ist La Charité sur Loire. Der spitze Turm einer Kirche weist uns den Weg. Das Städtchen liegt auf dem gegenüberliegenden Ufer.
Vor der Brücke staut sich der Verkehr. Der Straßenbelag der Brücke wird erneuert. Wir nutzen eine Lücke im Verkehr und haben freie Fahrt ins kleine Zentrum hinein. Die Straße führt direkt auf die Treppe der Kirche zu. Rechts und links sind kleine Bistros und Cafés. Ein Buchhändler hat schon einen Ramschtisch vor seinem Laden aufgebaut. Die Überraschung kommt hinter der 180 Grad Kurve. Das Kirchenportal ist Fassade. Nur der hintere Teil der Kirche steht noch. Im Zwischenteil sind inzwischen Wohnungen entstanden. Die Sarazenen waren schon hier und Jeanne d'Arc. Aber nicht die französische Revolution hat ganze Arbeit an Kirche und Kloster geleistet, sondern ein Feuer. Die Mönche fielen wenig später im Religionskrieg den Hugenotten zum Opfer.
La Charité schmückt sich mit dem Beinamen "Stadt der Bücher". Eine Druckerei, eine Buchbinderei und ein Dutzend Antiquariate sind im Stadtzentrum angesiedelt. Nun muss ich Buße tun, denn auf dem Tisch des Buchhändlers liegt natürlich kein Ramsch sondern Antiquarisches. Wir lassen uns in einem der Cafés daneben nieder. Ich nutze die Ruhepause, um unsere Unterkunft für den Abend zu buchen. Auf dem Tischlein neben uns wird Lektüre zum Lesen angeboten. Der Café Crème und das Croissant munden uns in dieser Atmosphäre besonders.
La Charité schmückt sich mit dem Beinamen "Stadt der Bücher". Eine Druckerei, eine Buchbinderei und ein Dutzend Antiquariate sind im Stadtzentrum angesiedelt. Nun muss ich Buße tun, denn auf dem Tisch des Buchhändlers liegt natürlich kein Ramsch sondern Antiquarisches. Wir lassen uns in einem der Cafés daneben nieder. Ich nutze die Ruhepause, um unsere Unterkunft für den Abend zu buchen. Auf dem Tischlein neben uns wird Lektüre zum Lesen angeboten. Der Café Crème und das Croissant munden uns in dieser Atmosphäre besonders.
Unsere Fahrt führt uns weiter entlang der Loire. "Bonjour, Bonjour." Auf dem Radweg grüßt man sich. Im Vergleich zu den beiden Vortagen hat die Zahl der Radwanderer inzwischen zugenommen. Der Radweg ist gut ausgebaut, es fehlen aber Rastplätze. Inzwischen ist es schon so warm, dass das kühle Wasser der Loire zu einer Badepause lockt. Doch auf unserer Seite ist das Hochufer. So erfreue ich mich an den Pracht eines Sonnenblumenfeldes und winke den Kanuten auf der Loire fröhlich zu. So ein Sonnenblumenfeld reizt mich und meine Kamera immer wieder. Gerade Letztere bekommt nicht genug davon. Ich muss mich zwingen, den Finger vom Ausläser zu nehmen und weiter zu radeln. Dieter ist schon außer Sichtweite. Doch ich weiß, dass er geduldig auf mich warten wird.
Panne! Zum, Glück sind wir gerade in einer schattigen Siedlung. Die Reparatur am Schutzblech war nicht richtig. Einer der erfolglosen versuche des Mechanikers war, die Haltestangen zu kürzen. Das rächt sich jetzt. Dauernd schleift das Schutzblech am Reifen. Ich fixiere ich die Halterung der Stangen mit Dieters Reparaturband so gut es geht. Hoffentlich hält der Kleber in der Hitze. |
So schön, wie die Sonnenblumenfelder sind, so selten sind sie. Stattdessen begleiten uns vor allem Mais und abgeerntete Weizenfelder. Weit voraus liegt auf einem 150 Meter hohen Felssporn eine Stadt. Langsam nähern wir uns. Es ist Sancerre und der gleichnamige Wein gedeiht gerade zu ihren Füßen.
Saint Thibault liegt unterhalb, direkt am Fluss. Eine lange Reihe von Häusern steht am Ufer. Vor einem dieser Gebäude steht eine Bücherkiste. Das macht uns neugierig. Nehmen und Geben, das ist auch hier die Devise. Etwas weiter wird mit Plakaten auf eine Fotoausstellung mit Street-Aufnahmen von Christian Louis aufmerksam gemacht. Er gilt als ein Avantgarde der Streetfotografie in Frankreich. Seine letzten Tage verbrachte er hier. Gerne hätte ich mir diese Ausstellung angeschaut, aber die Öffnungszeiten ließen es nicht zu.
Am Ende von Saint Thibault lassen wir uns im Biergarten eines Campingplatzes unmittelbar am Ufer der Loire nieder. Ach wie herrlich schmeckt schon wieder der Diabolo Menthe. Schon das Giftgrün des Getränks lässt an solchen Tagen mein Herz höher schlagen. Beim Auffüllen meiner Wasserflaschen verabschiedet sich die junge Bedienung von mir mit den Worten "Auf Wiedersehen". Ich stutze und frage sie, woher sie Deutsch kann. An ihrer Reaktion merke ich sogleich, dass sie mit dem Gruß schon mit ihrem Latein am Ende ist. Ich nehme es als eine schöne Geste mit auf die weitere Reise.
Am Ende von Saint Thibault lassen wir uns im Biergarten eines Campingplatzes unmittelbar am Ufer der Loire nieder. Ach wie herrlich schmeckt schon wieder der Diabolo Menthe. Schon das Giftgrün des Getränks lässt an solchen Tagen mein Herz höher schlagen. Beim Auffüllen meiner Wasserflaschen verabschiedet sich die junge Bedienung von mir mit den Worten "Auf Wiedersehen". Ich stutze und frage sie, woher sie Deutsch kann. An ihrer Reaktion merke ich sogleich, dass sie mit dem Gruß schon mit ihrem Latein am Ende ist. Ich nehme es als eine schöne Geste mit auf die weitere Reise.
Direkt hinter dem Campingplatz führt der Radweg auf einen Golfplatz. Dieter stutzt, aber da wir beide wissen, dass öffentliche Wege oft Golfplätze durchqueren und ein Golfer, den wir fragen, uns noch darin bestätigt, rollen wir weiter. Das Gras ist gut gepflegt, doch der Weg wird immer schlechter. Ein großes Schild ermahnt mich, nicht den Rasen zu betreten. Es sei zu gefährlich. Nun ja, mein Fahrradhelm ist hoffentlich ein guter Schutz. Mir schwant angesichts des Kartoffelackers, über den ich inzwischen radle, dass es doch nicht der richtige Weg ist. Vor mir verliert er sich im hohen Gras. Daneben durchstreifen zwei Golfer ein Gebüsch auf der suche nach ihrem Ball. Ich frage sie, ob der Weg hier weiter führt. "Mon dieu, Non!" sagt einer von ihnen. Er zeigt auf einen Trampelpfad und meint, dass ich über ihn auf den richtigen Weg komme.
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Im Schatten hoher Bäume erreiche ich dann auch den Radweg am Loire-Seitenkanal. Irgendwie haben wir vor dem Golfplatz den Abzweig verpasst. Dieter wartet schon geduldig auf mich. Leider zeigt sich hier, wie schon einige Male zuvor, dass die Beschilderung des Radweges nicht konsequent ist. Wir erfreuen uns an den Schatten spendenden Bäumen, die uns entlang des Kanals. begleiten
Eine merkwürdige Kirche taucht vor mir auf. Die Apsis ist nicht kleiner sondern höher als das Kirchenschiff. Ganz so, als sei sie nachträglich angebaut. In der Tat ist die Kirche romanisch und die Apsis gotisch. Doch warum? Diesmal gibt es keine Info-Tafel, die mir Antwort gibt. |
Es ist früher Nachmittag und es sind noch neun Kilometer bis zu unserem Tagesziel. In Les Fouchards entschließen wir uns, nach Cosne-Cours hinein zu fahren. Der Radweg führt am Rande einer langgezogenen Landstraße. Wir werden mit einem kühlen Getränk und einem kleinen Einkaufsmarkt belohnt. Letzteres ist besonders erwähnenswert, da es selbst in kleineren Städten oft keinen innerörtlichen Einkaufsmarkt mehr gibt, von Dörfern ganz zu schweigen.
Léré, unser Tagesziel kündigt sich schon von Weitem durch zwei mächtige Kühltürme an. Es ist das Kernkraftwerk von Belleville, das zu einer Serie von drei Kernkraftwerken gehört, die rund um Orleans an der Loire stehen.
Kleine Häuser kauern sich hinter den Damm. Wir fahren locker die letzten Kilometer. Ich nehme mit der Kamera einen sehr alten Wegweiser in meine Sammlung auf. Diese freistehenden Betonschilder sieht man in Frankreich nur noch sehr selten. Es ist die dritte Generation von Straßenschildern seit der Motorisierung, die ich kenne. Die erste Generation waren aus Gusseisen, die zweite aus Kacheln.
Léré, unser Tagesziel kündigt sich schon von Weitem durch zwei mächtige Kühltürme an. Es ist das Kernkraftwerk von Belleville, das zu einer Serie von drei Kernkraftwerken gehört, die rund um Orleans an der Loire stehen.
Kleine Häuser kauern sich hinter den Damm. Wir fahren locker die letzten Kilometer. Ich nehme mit der Kamera einen sehr alten Wegweiser in meine Sammlung auf. Diese freistehenden Betonschilder sieht man in Frankreich nur noch sehr selten. Es ist die dritte Generation von Straßenschildern seit der Motorisierung, die ich kenne. Die erste Generation waren aus Gusseisen, die zweite aus Kacheln.
Mein Tacho zeigt 80 Kilometer, als wir bei unserer Unterkunft, einem Gästezimmer, ankommen. Der Ort ist dominiert von einem gesichtslosen Allerweltsbaustil. Doch es gibt auch ein paar Kleinode. Neben einem Fachwerk mit Rauten stehen Schindel gedeckte Häuser finden sich auch einzelne Gebäude mit den an der Loire häufig zu sehenden Sandsteineinfassungen an Fenster und Türen, Die Kirche St. Martin ist im gleichen Doppelstil von Gotik und Romanik erbaut wie die Kirche von Bannay. Auf dem Platz vor der Kirche stehen große Lindenbäume. Sie sind gerade am Abblühen und haben wunderschöne gelbe Teppiche zu ihren Füßen gebildet.
Wieder haben die Wetterfrösche einen heißen Tag angesagt und so starten wir so früh wie möglich. Der Radwegeführer sagt uns, dass der Radweg direkt zum Eingang des Kernkraftwerkes und von dort weiter zur Loire führt. Gestern Abend habe ich in einem Werbeprospekt des Kraftwerksbetreibers gelesen, dass dort täglich Führungen angeboten werden, kostenlos selbstverständlich, und mit anschließender Diskussion über die Zukunft der Energieversorgung. Das Faltblatt war viersprachig, auch in perfektem Deutsch. Wir widerstehen der Versuchung und nehmen die Landstraße nach Belleville. In dieser Frühe herrscht noch wenig Verkehr und so erreichen wir schnell den Kanal hinter Belleville.
Welch ein Anblick. Während sich hinter mir noch die weißen Fahnen der beiden Wassertürme des Kraftwerkes um Wolkenbildung bemühen, tut sich vor mir eine kleine Idylle auf, ein Weiler, in dem die Zeit stehen geblieben zu sein scheint, liegt am Kanal. Ich halte für einen Moment inne, um diese Atmosphäre der Stille aufzunehmen, sie in mir zu speichern.
Welch ein Anblick. Während sich hinter mir noch die weißen Fahnen der beiden Wassertürme des Kraftwerkes um Wolkenbildung bemühen, tut sich vor mir eine kleine Idylle auf, ein Weiler, in dem die Zeit stehen geblieben zu sein scheint, liegt am Kanal. Ich halte für einen Moment inne, um diese Atmosphäre der Stille aufzunehmen, sie in mir zu speichern.
L'Étang heißt der kleine Ort. Hier teilt sich der Loireseitenkanal auf in das alte und das neue Bett. Mit uns sind auch schon andere Radtouristen unterwegs. Zusätzlich frequentieren Jogger den Radweg, so dass ich aus dem Grüßen nicht mehr heraus komme. Besonders imponiert mir die betagte Hundeausträgerin, die ihren kleinen zotteligen Liebling vom Auto im Arm zur Wiese trägt und wieder zurück. Letzterer scheint mindestens ebenso so alt zu sein, wie die Dame und ihr motorisiertes Gefährt.
Fünf Kilometer radeln wir im Schatten, während die Sonne langsam den Himmel empor klettert. Schließlich erreichen wir wieder die Loire. Angler stehen im seichten Wasser, am Wegesrand ist ein Picknickplatz angelegt. Immer wieder treffen wir auf Originalitäten und auf Kunst am Wegesrand, so auch hier: Bunte Holzwürfel hängen in Ringen übereinander am Baum, einzelne mit Buchstaben versehen. Ich entziffere "T u e s t l à" - "Du bist da". Ein kleiner Spruch, der zum Nachdenken anregt.
Fünf Kilometer radeln wir im Schatten, während die Sonne langsam den Himmel empor klettert. Schließlich erreichen wir wieder die Loire. Angler stehen im seichten Wasser, am Wegesrand ist ein Picknickplatz angelegt. Immer wieder treffen wir auf Originalitäten und auf Kunst am Wegesrand, so auch hier: Bunte Holzwürfel hängen in Ringen übereinander am Baum, einzelne mit Buchstaben versehen. Ich entziffere "T u e s t l à" - "Du bist da". Ein kleiner Spruch, der zum Nachdenken anregt.
Schon seit langem ist die Schleuse von Mantelot angekündigt. Jetzt stehe ich an ihr. Sie ist die Verbindung des alten Kanalstücks mit der Loire. Früher mussten die Frachtschiffe an dieser Stelle die Loire überqueren, um auf der gegenüber liegenden Seite in den Kanal von Briare zu kommen, der sie nach Paris führt. Wie so häufig, ist das Brückengeländer mit Geranien geschmückt. Das alte Schleusenwärterhäuschen ist jetzt eine Gästeunterkunft. Schade, dass wir das nicht gestern wussten.
Während der neue Kanal der Loire weiter folgt, überqueren wir bei Chatillion sur Loire den Fluss. In Briare stoßen wir wieder auf den neuen Kanal. Eigentlich stößt er auf uns. Mit dem Teleobjektiv gesehen scheint er gar nicht so lang zu sein, aber exakt 662,69 Meter ist die in der Werkstatt Eiffel konstruierte und erbaute Brücke, die den Kanal samt seinen Schiffen über die Loire führt. Je zwei Säulen mit kupfernem Zierrat am Anfang und am Ende markieren sie. 3000 Tonnen ruhen auf 8 Pfeilern. Schiffe der Freycinet-Klasse mit einem Gesamtgewicht von bis zu 400 Tonnen, auch Peniche genannt, können die Brücke passieren. Mit diesem weiteren Meisterwerk von Gustave EIffel wurde 1896 der Schiffsverkehr zwischen Südfrankreich und Paris erheblich erleichtert. Erst 2003 wurde an der Elbe bei Magdeburg eine längere Kanalbrücke erbaut. Mit Ehrfurcht vor diesem Werk passiere ich dir Brücke.
Durch Wald und Wiesen abseits des Flusstals führt uns nun der Radweg. Es ist eine angenehme Abwechselung zu den langen Strecken am Kanal. In Saint Brisson finden wir endlich einen kleinen Laden. Auf Neudeutsch nennt man so etwas "Nahversorger". Hier gibt es alles von der Zeitung bis zum Waschmittel, vom Kaffee bis zum Hochprozentigen, vom Gas bis zum Käse. Dieter versorgt sich für unser Picknick. Bald kommen wir wieder an die Loire.
Es ist immer wieder ein schöner Anblick, wie die kleinen Städtchen am Fluss liegen. Diesmal ist es Gien. Eine alte steinerne Brücke überquert das Flussbecken, das von Sandbäncken gesäumt ist. Gleich auf der ersten Bank rasten wir zum Picknick. Drüben liegt das Schloss mit seinem Turm aus dem 15. Jahrhundert, drum herum reihen sich alte Wohnhäuser mit den für Mittelfrankreich typischen hohen Schornsteinen, für jede Wohnung ein eigener. So entsteht ein Spalier von Schornsteinen über den Dächern, zum Teil tummeln sie sich regelrecht auf engem Raum. Hinter uns hören wir den Verkehr auf der neuen Umgehungsbrücke rauschen. Das historische Stadtpanorama bleibt unberührt.
Es ist immer wieder ein schöner Anblick, wie die kleinen Städtchen am Fluss liegen. Diesmal ist es Gien. Eine alte steinerne Brücke überquert das Flussbecken, das von Sandbäncken gesäumt ist. Gleich auf der ersten Bank rasten wir zum Picknick. Drüben liegt das Schloss mit seinem Turm aus dem 15. Jahrhundert, drum herum reihen sich alte Wohnhäuser mit den für Mittelfrankreich typischen hohen Schornsteinen, für jede Wohnung ein eigener. So entsteht ein Spalier von Schornsteinen über den Dächern, zum Teil tummeln sie sich regelrecht auf engem Raum. Hinter uns hören wir den Verkehr auf der neuen Umgehungsbrücke rauschen. Das historische Stadtpanorama bleibt unberührt.
Hinter Gien ist Schluss mit dem schönen schattigen Weg im Wald. Da der Kanal mit seiner Uferbeflanzung von hohen Bäumen nun seinen eigenen Weg nach Paris genommen hat, bleibt uns nur noch der Damm, der dem Wasser der Loire etwas Einhalt gebieten soll. Levée heißt der Damm auf Französisch, "angehoben". So radeln wir hoch über dem Fluss mit freiem Blick in die Landschaft.
Les Bordelts, auf halbem Weg nach Sully sur Loire, empfängt uns mit einer kleinen Überraschung. Gleich am Ortseingang steht ein Stuhl mit diversen Strandassessoirs. Schwimmreifen, Sandschaufel, Federballschläger, alles, was man so im Urlaub braucht. vielleicht hat hier jemand seine alten Klamotten abgestellt und wer will, kann sie mitnehmen, so denke ich. Nach einem Foto radele ich weiter. Vier Häuser weiter steht wieder ein Stuhl, diesmal aus Alu. Er hängt an einem Mast, sieht neu aus und ist mit einer bunten Girlande geschmückt. Auf dem Stuhl steht ein gefülltes Cocktailglas, dahinter ein Schild: "Tiki Bar". Das passt nun ganz und gar nicht nach Sperrmüll. So reiht sich Stuhl an Stuhl in dem kleinen Ort. An der Bürgermeisterei ist sogar der ganze Vorgarten damit angelegt. Am Ortsende steht ein letzter. Spielkarten und Würfel, ein Aschenbecher und zwei Kaffeetassen, hier waren wohl zwei Spieler zu Gange. Als wir uns den Stuhl anschauen, halten auch zwei junge Frauen mit ihren Fahrrädern. Beide tragen nasse Kleidung. Sie kommen wohl vom Schwimmen. Wir fragen nach dem Hintergrund der dekorierten Stühle. "Nein" sagt eine der beiden, "Ich weiß es nicht. Wir kommen aus Paris. Vielleicht hängt es mit der Fußballweltmeisterschaft zusammen."
Les Bordelts, auf halbem Weg nach Sully sur Loire, empfängt uns mit einer kleinen Überraschung. Gleich am Ortseingang steht ein Stuhl mit diversen Strandassessoirs. Schwimmreifen, Sandschaufel, Federballschläger, alles, was man so im Urlaub braucht. vielleicht hat hier jemand seine alten Klamotten abgestellt und wer will, kann sie mitnehmen, so denke ich. Nach einem Foto radele ich weiter. Vier Häuser weiter steht wieder ein Stuhl, diesmal aus Alu. Er hängt an einem Mast, sieht neu aus und ist mit einer bunten Girlande geschmückt. Auf dem Stuhl steht ein gefülltes Cocktailglas, dahinter ein Schild: "Tiki Bar". Das passt nun ganz und gar nicht nach Sperrmüll. So reiht sich Stuhl an Stuhl in dem kleinen Ort. An der Bürgermeisterei ist sogar der ganze Vorgarten damit angelegt. Am Ortsende steht ein letzter. Spielkarten und Würfel, ein Aschenbecher und zwei Kaffeetassen, hier waren wohl zwei Spieler zu Gange. Als wir uns den Stuhl anschauen, halten auch zwei junge Frauen mit ihren Fahrrädern. Beide tragen nasse Kleidung. Sie kommen wohl vom Schwimmen. Wir fragen nach dem Hintergrund der dekorierten Stühle. "Nein" sagt eine der beiden, "Ich weiß es nicht. Wir kommen aus Paris. Vielleicht hängt es mit der Fußballweltmeisterschaft zusammen."
Wir verabschieden uns und fahren weiter. Am Ende des kleinen Wäldchens steht ein großes Maisfeld. Es wird gerade bewässert. Ein gewaltiger Wasserstrahl wandert 20 bis 30 Meter weit über das Feld und den Radweg Nun weiß ich, warum die beiden Frauen so nass waren. Sofort stellen wir unsere Räder ab und springen im Wasserstrahl hin und her. Welch eine Erfrischung in dieser Hitze ! Wir danken dem Bauer und radeln weiter. Wir haben erst die Hälfte unserer Tagesstrecke hinter uns.
Am Morgen hatte ich mit Dieter über die alten Verkehrsschilder gesprochen. In Belleville haben wir dann eins aus der zweiten Generation im Kachel-Stil gesehen. Nun stehen wir vor einem gusseisernen. Es ist gut erhalten und gepflegt, ein Relikt aus der Zeit des Beginns des Autoverkehrs.
Ein Selfie vor dem Wasserschloss von Sully, das muss sein. Einst führte eine Furt durch den Fluss, eine der wenigen auf diesem Lauf der Loire. Wer den Fluss überqueren wollte, musste hier lang. Ein guter Platz, um eine Burg zu errichten und Wegezoll zu kassieren. Später wurde aus der Burg dieses Schloss. Der Fluss, der damals die Mauern der Burg umspülte, wich der Hoheit und verlegte sein Bett etwas, so dass die Schlossanlage heute keine Verbindung mehr zum Fluss hat. Sully ist das erste der berühmten Loire-Schlösser auf unserem Weg. Schon Voltaire wusste die Gastfreundschaft der Familie de Béthune zu schätzen, als er aus Paris verbannt worden war, und ließ hier im großen Schlosssaal seine Tragödie „Artémise“ aufführen.
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Vor dem Rathaus warten zwei Dutzend Frauen in weißer Kleidung. Sie tragen ein Transparent mit sich. Ich spreche sie an. "Ja, wir sind im Streik." sagt eine von ihnen. "Wir streiken, weil unser Lohn aussteht. Schon seit zwei Jahren geht der Konflikt und immer wieder müssen wir wochenlang warten, bis wir unser Geld bekommen. Wir müssen doch auch leben und unsere Miete bezahlen." Sie sind bei einer privaten Pflegeeinrichtung beschäftigt und erhoffen sich von einem Gespräch mit dem Bürgermeister endlich eine Lösung. "Darf ich ein Foto von euch machen?" frage ich. Sofort stellen sie sich hinter ihrem Transparent auf. Ich wünsche ihnen viel Erfolg bei ihrem Kampf und frage zum Abschluss nach einer Bar. Wir haben mächtig Durst.
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Die Bar liegt neben dem Kino. Ich interessiere mich, welche Filme hier laufen. Stattdessen ein Schild: "Geschlossen". So weit ich verstehe, gibt es einen Unwetterschaden. Es ist ungewiss, wann das Kino wieder öffnet. Gegenüber findet wieder ein Schornsteinparade statt. Als wir uns nach ausgiebiger Durstlöschung und Ruhe wieder auf den Weg machen, finden wir am Flussufer eine Hochwassermarkierung. 1856 und 1866 ist der Fluss über seine Ufer getreten. Damals gab es noch keine Schutzdämme. An dieser Stelle muss ein großer See entstanden sein. Meine Gedanken schweifen zu den Menschen, die hier wohnten. Sie haben alles verloren, und viele ihr Leben.
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Weiter geht der Ritt auf dem Damm, zur Abwechselung wieder auf dem gegenüberliegenden Ufer. Kleine Dekorationen am Wegesrand ziehen meine Aufmerksamkeit ebenso an wie die weiten Blicke auf den Fluss In der Ferne baut sich ein Gewitter auf. Die Ambosswolke steht hoch am Himmel. Ob uns das Gewitter etwas Abkühlung bringen wird? Ich glaube es fast nicht. Kein Schatten spendender Baum bietet sich uns auf dem Damm an. Selbst das Haus, das direkt am Fluss zum Verkauf angeboten wird - so wie viele andere in dieser Region auch - brütet in der Sonne. Zwei Fischer liegen mit ihrem Boot mitten auf dem Fluss. Die Strömung ist sehr stark. Sie haben einen Anker geworfen und sich unter großen Schirmen vor der Sonne versteckt.
Endlich taucht vor uns ein Chateau d'Eau auf, ein Wasserschloss. So liebevoll nennen die Franzosen die Wassertürme in ihren Ortschaften. Wir erreichen Jargeau, als gerade der Markt geschlossen und die Bürgersteige hoch geklappt werden. So bleibt uns nichts anderes, als das Abendessen im Hotel einzunehmen. Man speist wieder französisch. 95 Kilometer lang war unsere heutige Etappe.
Auf einem kleinen Platz steht ein Denkmal von Jeanne d'Arc. Sie greift sich an den Kopf. Der kleine Spatz, der dort gerade etwas ausspioniert, wäre ihr sicher lieber gewesen, als das Steinprojektil, das ihren Helm im Jahr 1429 in der Schlacht mit den Engländern in zwei Teile zerschmetterte. Sie wäre nicht Jeanne d'Arc gewesen, wenn sie nicht weiter gekämpft und die Engländer in dieser Schlacht besiegt hätte.
Auf einem kleinen Platz steht ein Denkmal von Jeanne d'Arc. Sie greift sich an den Kopf. Der kleine Spatz, der dort gerade etwas ausspioniert, wäre ihr sicher lieber gewesen, als das Steinprojektil, das ihren Helm im Jahr 1429 in der Schlacht mit den Engländern in zwei Teile zerschmetterte. Sie wäre nicht Jeanne d'Arc gewesen, wenn sie nicht weiter gekämpft und die Engländer in dieser Schlacht besiegt hätte.
Start zur fünften Etappe. Der Wetterbericht hat wieder Sonne und Hitze angesagt. Wir starten sehr früh. Die ersten Lieferanten stellen ihre Waren vor den Geschäften ab, es klappert immer wieder geschäftigt. Doch eigentlich schläft die Stadt noch. Wenn die Lieferanten ihre Türen zuschlagen und weiter fahren, wird es wieder still.
Der Damm folgt den Windungen des Flusses im weiten Urstromtal. Die Morgensonne taucht die Stoppel der Weizenfelder in goldenes Licht. Doch mit jeder Minute lässt die Intensität der Farbe nach. Wassertürme markieren Dörfer am Rande des breiten Tales. Der Fluss fliesst stetig, kleine Inseln liegen wie Schiffe im Fluss. Ab und zu zeigt sich ein einsamer Angler. Der Weg ist gut ausgebaut, wir fliegen regelrecht dahin. In einer knappen Stunde haben wir Orleans erreicht. |
Auch die große Stadt tut sich bei diesem heißen Wetter schwer mit dem Aufwachen. Die Geschäftsstrassen sind noch leer. Die Kathedrale schimmert im Gegenlicht, die großen bunten Fahnen an den Fassaden der stattlichen Bürgerhäuser aus der Renaissance tun sich auch noch schwer, um im Morgenwind zu flattern. Das Gegenlicht tut ihnen gut.
Jeanne d'Arc, die Jungfrau von Orleans, steht einsam auf dem großen Platz, der ihr gewidmet ist. In Orleans hat sie ihren größten Sieg in ihrem kurzen Leben errungen, dieses Leben, das an der Eitelkeit des Feudaladels und den höfischen Intrigen scheiterte. Sie schaut auf die Fläche mit den Wasserspielen, wo sich gerade ein kleines Mädchen im Wassernebel vergnügt. Wir lassen uns in der großen Brasserie nieder und bestellen einen Café Crème, dazu ein Croissant, unser zweites Frühstück.
Jeanne d'Arc, die Jungfrau von Orleans, steht einsam auf dem großen Platz, der ihr gewidmet ist. In Orleans hat sie ihren größten Sieg in ihrem kurzen Leben errungen, dieses Leben, das an der Eitelkeit des Feudaladels und den höfischen Intrigen scheiterte. Sie schaut auf die Fläche mit den Wasserspielen, wo sich gerade ein kleines Mädchen im Wassernebel vergnügt. Wir lassen uns in der großen Brasserie nieder und bestellen einen Café Crème, dazu ein Croissant, unser zweites Frühstück.
Gut gestärkt machen wir uns dann auf den weiteren Weg. Die Brückenkonstruktion einer modernen Brücke spiegelt sich im Wasser. Orleans verabschiedet sich von uns mit seiner zukunftsgewandten Seite. Die Radwegbeschilderung sagt uns am Abzweig über die Brücke, dass es noch 50 Kilometer bis Blois sind. Auf dann! Auf den nächsten zehn Kilometern später korrigiert sich die angegebene Kilometerzahl auf 42, auf 40 und dann auf 54 Kilometer. Was denn nun? Wir nehmen es als Vorschlag hin und lassen uns nicht beirren. An der Mündung der Loiret in die Loire haben wir wieder unseren geliebten Damm erreicht. Die Ortschaften ziehen sich weit auseinander, der Weg schattenlos schnurgerade. Maisfelder ziehen sich über Kilometer, die Bewässerungsanlagen arbeiten unter Hochdruck. Mit ihrem Strahl zaubern sie wunderschöne Regenbogenfarben hervor. Immer wieder sagt mir ein Schild, dass es hier viel Fahrradverkehr auf dem Damm gibt. Davon spüren wir wenig.
Meung liegt am anderen Ufer. Bei der Auffahrt zur Brücke passiert es. Mein mühsam gerichtetes Schutzblech fällt auseinander und blockiert den Reifen. Ich kann es noch so weit richten, dass ich bis in die Stadt fahren kann. In der Touristeninformation erfahre ich, dass es auf der Strecke zur nächsten Stadt zwei Sportgeschäfte gibt. Eigentlich wollten wir uns hier das kleine Schloss etwas näher anschauen, aber daraus wird jetzt nichts. Im ersten Sportgeschäft gibt es nur Sportbekleidung und Ersatzschläuche. Bleibt mir nichts anderes, als über die Landstraße nach Beaugency, dem nächsten Ort zu fahren. Ich schalte auf höchste Unterstützungsstufe und jage wie von der Wespe gestochen dorthin. Kurz vor 12 Uhr finde ich das Sportgeschäft im Gewerbegebiet. Mir wird geholfen. Einfach das marode Schutzblech abmontiert und ein neues drauf. Fünf Minuten dauert es, 6,99 Euro lasse ich an der Kasse zurück, dann verlasse ich mit den Angestellten das Geschäft. Hinter uns wird abgeschlossen. Mittagspause. Da habe ich aber Glück gehabt.
In Beaugency treffe ich wieder Dieter, der es sich vor dem Kloster an der alten Brücke gemütlich gemacht hat. Eine Brücke mit 23 Bögen überspannt den Fluss. Sie ist eine der längsten mittelalterlichen Brücken Frankreichs. Einst stand eine Kapelle auf der Brücke, Hier wurden die Pilger auf dem Jakobsweg verabschiedet. Doch ein verheerenden Hochwasser im Jahr 1505 schwemmte die Siedlung samt Kapelle hinweg. Nur die Brücke blieb stehen. Da der Fluss nach dem Hochwasser aber sein Bett etwas verlegt hatte, musste sie verlängert werden. Auch hier hat Jeanne d'Arc, wie könnte es anders sein, eine wichtige Schlacht gewonnen.
Wie Gummi zieht sich die Strecke. Die Sonne steht hoch und brennt. Kein Baum, kein Schuppen, der Schatten spenden könnte. Langsam leeren sich unsere Wasserflaschen. Endlich erreichen wir Muides und freuen uns auf die Mittagsrast in einer schattigen Bar. Mein Fahrradakku hat im Rennen gegen die Zeit viel Energie verloren, er braucht auch Auffrischung. Hinter der Brücke ist ein Restaurant. Wir freuen uns zu früh: "Wir schließen gerade", bekommen wir zu hören. Gegenüber ist ein Schild "Tous Commerces - All Shops - Alles Geschatt". Letzteres interpretiere ich als "Alle Geschäfte", doch der Wegweiser führt uns in die Leere der Mittagszeit. Eigentlich müsste dort stehen "Alles Geschlossen". Schließlich bitte ich an der Rezeption des Campingplatzes darum, dass ich den Akku aufladen kann. In der Zwischenzeit können wir zumindest im Schatten unser Picknick machen.
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Diese Strecke macht uns wahrlich zu schaffen. Endlose Weizenfelder, brennende Sonne, dort, wo ein einsamer Baum steht, drängeln sich schon ein halbes Dutzend Radwanderer im Schatten. Rechts und links des Tales stehen wunderbare Bäume, einer hübsch aufgereiht neben dem anderen. Doch sie sind für uns unerreichbar. Schließlich erreichen wir Le Vivier, ein kleiner Weiler, der uns große Freude bereitet. Kinderlachen und Wasserplätschern ziehen uns an, unter dem Zaun sprudelt glasklares Wasser eines kleinen Baches heraus. Schuhe aus, Strümpfe aus und hinein ins kühlende Nass. Die verschwitzen Kopftücher werden ins Wasser getaucht und auf den Kopf gezogen, ein herrliches Vergnügen. Nach all der Plantscherei fahren wir weiter. Zweihundert Meter weiter im Ort steht das alte Waschhaus. ein halbes Dutzend Gleichgesinnter plantscht dort im Wasser und lädt uns zu sich ein. Wir lehnen dankend ab.
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Wir haben jetzt endlich den Damm verlassen und fahren an einer endlos langen Mauer vorbei. Dahinter versteckt sich das Schloss von Ménars. Außer dem Eingangstor bekommen wir von dem Schloss nichts zu sehen, es ist in Privatbesitz. Das Schloss wurde berühmt, weil dort Madame de Pompadour, die Mätresse des französischen Königs Ludwig XV lebte.
Schließlich erreichen wir nach 102 Kilometern Blois. Wir biegen in die Hauptstraße ein. Vor mir dreht sich zwischen den Häusern eine Spirale, in der sich Menschen bewegen. Beim Näherkommen stellt es sich als geschickte optische Täuschung. heraus. Die breite Treppe zur Oberstadt ist so geschickt angelegt und gestrichen, dass sie von Weitem als Solches nicht erkennbar ist. Das Zentrum der Stadt wirkt jung trotz der jahrhundertealten Gebäude. Es liegt an den vielen jungen Menschen, die die Plätze bevölkern.
Das Stadtschloss liegt im warmen Licht. Ein elektrischer Kleinbus bringt uns in die Unterstadt. Es ist ein kostenloser Service, der gut angenommen wird. Ich denke mir, dass dies ein gutes Vorbild auch für deutsche Städte wäre. Den Abend verbringen wir auf einem dieser Plätze unter dem Schattendach gewaltiger Platanen.
Schließlich erreichen wir nach 102 Kilometern Blois. Wir biegen in die Hauptstraße ein. Vor mir dreht sich zwischen den Häusern eine Spirale, in der sich Menschen bewegen. Beim Näherkommen stellt es sich als geschickte optische Täuschung. heraus. Die breite Treppe zur Oberstadt ist so geschickt angelegt und gestrichen, dass sie von Weitem als Solches nicht erkennbar ist. Das Zentrum der Stadt wirkt jung trotz der jahrhundertealten Gebäude. Es liegt an den vielen jungen Menschen, die die Plätze bevölkern.
Das Stadtschloss liegt im warmen Licht. Ein elektrischer Kleinbus bringt uns in die Unterstadt. Es ist ein kostenloser Service, der gut angenommen wird. Ich denke mir, dass dies ein gutes Vorbild auch für deutsche Städte wäre. Den Abend verbringen wir auf einem dieser Plätze unter dem Schattendach gewaltiger Platanen.