Fietsen im Bilderbuch-Holland
Juni 2018
Durch das sonnendurchflutete Fenster öffnet sich der Blick auf eine idyllische Natur. Die Schar der Jungenten, noch aufmerksam beäugt von der eifersüchtigen Mutter, steht mit schmachtenden Blicken im Vorgarten, wartend auf die Brotkrümel, die bald von unserem Frühstückstisch abfallen werden. Vor dem hölzernen Steg spaziert ein kleiner schwarzer Amselmann auf und ab, während im moordunklen Wasser zwei Schwäne über den Steg lugen. Vielleicht fällt ja auch für sie etwas ab. Blässhühner zeigen sich dort, wo sich unsere Gracht mit der dahinter liegenden vereint. Ein Schwarm von Graugänsen segelt im Formationsflug vorbei, wirft ihre
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Schatten auf das leicht gewellte Wasser. Die Erlen am Ufer färben das Wasser in grüne Aquarelltöne, derweil der Kuckuck seinen Ruf erschallen lässt. Dort, wo kleine Sternchen auf dem Wasser tanzen, sucht ein Haubentaucherpärchen sein Glück. Das Spiegelbild der Kondensstreifen der Fernflieger zieht wie eine Wasserschlange durch das gekräuselte Wasser der Gracht. Irgendwo meldet sich auch ein Storch zu Wort, während ein Schmetterling zum anderen Ufer torkelt. Zwischendurch inspiziert der junge Amselmann unser Chalet in Erwartung eines Leckerbissens. Wäre mir da nicht jemand zuvor gekommen, dann würde ich spätestens jetzt den Spruch prägen "Hier lasst uns eine Hütte bauen...". Aber sowohl der Spruch als auch die Hütten sind schon da. Und so belasse ich es dabei, die morgendlichen Eindrücke tief in mich hinein zu saugen und die Seele baumeln zu lassen.
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Renate und ich haben uns für eine Woche nach Holland abgesetzt. Unsere Fahrräder haben wir mit dabei. Polderland wird im Volksmund dieses Dreieck zwischen Rotterdam, Utrecht und Amsterdam genannt. Grün ist die vorherrschende Farbe. Die Fremdenverkehrsbranche hat den Begriff "Groene Hart", "Grünes Herz von Holland", geprägt. Eigentlich ist die Provinz "Südholland", zu der das Grüne Herz gehört, die am dichtesten besiedelte Region der Niederlande. Doch das "Groene Hart", im Nordostzipfel der Provinz gelegen, ist auch das am dünnsten besiedelte Gebiet von ganz Holland.

Gleich am Tag nach der Ankunft wollen wir einen Ausflug mit dem Fahrrad machen. Linker Hand der Straße nach Noorden, einem kleinen Ort nahe unserer Unterkunft, zieht sich ein Kanal lang. Kleine Brücken führen zu den schmucken Anwesen auf dem schmalen Landstreifen dahinter. Jedes Haus hat einen Anlegesteg, Dahinter erstreckt sich eine blaue Wasserfläche. Seerosen haben ihre großen Blüte entfaltet, dazwischen dümpeln gelbgeblümt ganze Herrscharen von Teichmummeln. Manche der Brücken sind als klassische Zugbrücken gebaut frei nach dem Motto: "My home is my castle."
Damit wir wissen, dass wir im Land der Gewächshäuser sind, wachsen sie auch schon rechts und links aus dem Boden. Nicht viele sind es, aber immerhin! Mir fällt auf, dass an einigen Anwesen ein Schild hängt: "Te koop", "zu verkaufen". So schmuck, wie sie aussehen, haben sie sicherlich ihren Preis.
Es ist richtig angenehm, auf der Landstraße zu radeln. Der Streifen für die Fahrräder ist rot markiert und damit optisch von der Fahrbahn getrennt. Ich bewundere sogleich den Mut der Zuständigen, eine der beiden Fahrbahnen der Straße für zwei Fahrradspuren zu opfern. Der Erfolg gibt ihnen recht. Die Autofahrer achten auf uns, warten bei Gegenverkehr hinter uns und schneiden uns auch nicht beim Überholen.
Es ist richtig angenehm, auf der Landstraße zu radeln. Der Streifen für die Fahrräder ist rot markiert und damit optisch von der Fahrbahn getrennt. Ich bewundere sogleich den Mut der Zuständigen, eine der beiden Fahrbahnen der Straße für zwei Fahrradspuren zu opfern. Der Erfolg gibt ihnen recht. Die Autofahrer achten auf uns, warten bei Gegenverkehr hinter uns und schneiden uns auch nicht beim Überholen.
Noorden ist ein Straßendorf, das sich am Nordufer des Nieuwkoopse Plassen entlang zieht, einem flachen, lang gestreckten See in der Polder-Landschaft. Hinter dem Ortsausgangsschild weitet sich der Blick nach Norden. Satte Weiden, durchzogen von Kanälen, ziehen sich bis zum Horizont. Kuhherden stechen weiß gefleckt aus dem Grün heraus. Das ganze Land ist auf viele Kilometer von Grachten durchzogen. Die einzigen Erhebungen, die aus der Ebene herausragen, sind Bäume und Gebäude. Orte weisen sich schon von Weitem durch ihren Kirchturm aus. Ansonsten prägen Weiden und Wasser die Struktur der Landschaft.
Immer wieder bleibe ich stehen. Die Zahl der Fotomotive ist unendlich. Auf der Seeseite reihen sich weiter die schmucken Anwesen, während sich auf der anderen Seite die unendlich weite Landschaft erstreckt. Wie war das nochmal in Ostfriesland: Morgens sieht man schon, wer abends zu Besuch kommt. Genau dieses Gefühl habe ich hier.
Ups, beinahe hätte ich die Straßenkreuzung in Nieuwskoop übersehen. Die sind ja hier so selten. Renate warnt mich und ich kann noch rechtzeitig vor dem Auto bremsen, das meinen Weg kreuzen will. Was für die Autofahrer gegenüber den Radfahrern gilt, zählt umgekehrt auch für mich. Also warte ich auf freie Fahrt.
Immer wieder bleibe ich stehen. Die Zahl der Fotomotive ist unendlich. Auf der Seeseite reihen sich weiter die schmucken Anwesen, während sich auf der anderen Seite die unendlich weite Landschaft erstreckt. Wie war das nochmal in Ostfriesland: Morgens sieht man schon, wer abends zu Besuch kommt. Genau dieses Gefühl habe ich hier.
Ups, beinahe hätte ich die Straßenkreuzung in Nieuwskoop übersehen. Die sind ja hier so selten. Renate warnt mich und ich kann noch rechtzeitig vor dem Auto bremsen, das meinen Weg kreuzen will. Was für die Autofahrer gegenüber den Radfahrern gilt, zählt umgekehrt auch für mich. Also warte ich auf freie Fahrt.
ZNieuwskoop ist ein etwas größerer Ort. Die Nebenstraße führt ins Ortszentrum. Vom großen Turm am kleinen Marktplatz erschallt gerade ein Glockenspiel. Die Tür zum Rathaus steht offen. Im Sommer finden hier Kunstausstellungen statt. Rian Geurts und Sasha Zuidam, zwei Künstlerinnen aus der Region, sind sehr erfreut, als wir ihre Ausstellung besuchen. Ihre Kreativität ist überraschend. Während Rian Geurts vor allem Objekte aus Speckstein und anderen Werkstoffen gestaltet, zeichnet Sasha Zuidam fast schon surreale Werke.
Auf dem Platz vor dem Rathaus ist heute Markt. Allerlei Krimskram gibt es zu kaufen von Hüten über Kleider und Strümpfe bis hin zu Obst, Gemüse, Backwaren und, wie könnte es anders sein, Käse. Gleich am ersten Käsestand stellen wir uns an. Zwei dicke Pakete mit Käse wandern in die Gepäcktasche. Unser Kühlschrank wird sich freuen. |
Hinter dem Dorfzentrum biegen wir von der Straße auf den Radweg ein, der Fietspad. Fietsen ist in der holländischen Sprache das Wort für "Fahrrad fahren". Auf dem Fietspad haben Radfahrer Vorfahrt vor den Autos. Aber wo er eine Autostraße kreuzt, müssen die Autofahrer warten.
Der Radweg führt wieder an einer Gracht entlang. Mein Blick fällt in schmucke Gärten und zwischen den Anwesen hindurch auf den blauen See. Kleine Boote liegen am Anlegesteg, bereit für eine Angeltour oder einfach nur einen kleinen Ausflug. |
In der Ferne sehe ich die Silhouetten von Windmühlen. So gehört sich das auch in Holland. Alsbald zweigt eine Straße nach Westen ab. Hier geht es nach Aarlanderveen. Bauernhöfe stehen in größerem Abstand an der Straße. Schafe, Ziegen, Kühe: Alles was Milch produziert, ist hier vertreten. Mir fällt auf, dass die Heuschober eine eigentümliche Form haben. An den vier Ecken ragen Pfähle hoch über das Dach hinaus. An einem schaue ich es mir genauer an. Diese Dächer können hoch gezogen werden. Egal ob wenig oder viel eingelagertes Heu, das Dach sitzt immer passgenau drüber. So bleibt das Heu trocken.
Eine schattige Straße wird rechts wie links von einem schmalen Kanal begleitet. Enten dümpeln in der Entengrütze, ab und zu treffen wir auf ein paar Radwanderer so wie wir. Einzelne Gehöfte säumen die Straße. Zugbrücken markieren die Einfahrt. Es gibt sie wirklich, diese Idylle, die das Bilderbuch-Holland prägt.
Eine schattige Straße wird rechts wie links von einem schmalen Kanal begleitet. Enten dümpeln in der Entengrütze, ab und zu treffen wir auf ein paar Radwanderer so wie wir. Einzelne Gehöfte säumen die Straße. Zugbrücken markieren die Einfahrt. Es gibt sie wirklich, diese Idylle, die das Bilderbuch-Holland prägt.
Aarlanderveen beherbergt zwei Windmühlen im Ort. Wir hätten sie gerne mal von innen gesehen. Gleich vor der ersten ist ein Anwohner mit Gartenarbeit beschäftigt. Renate fragt, ob wir die Mühle besichtigen können. Seine Antwort ist zwar nicht barsch, aber deutlich distanziert: "Nein!" Und er zeigt deutlich, dass er auch kein Interesse hat, uns näher an die Windmühle heran kommen zu lassen.
Diese Windmühlen mahlen kein Getreide. Sie haben die Aufgabe, den Wasserstand in den Poldern zu regulieren. Mehrere Windmühlen sind hintereinander geschaltet und pumpen das Wasser in höher gelegene Polder jenseits von Aarlanderveen. Zumindest war es früher so, wie eine Informationstafel mir kund gibt. Heute wird es sicher moderne Pumpwerke geben. Die großen Windräder dieser Windmühlen stehen still. Oben am Giebel, dort, wo die Windräder an der großen Achse angebracht sind, steht eine Jahreszahl: 1801. Mit 217 Jahren würde ich auch gerne so jung aussehen wie diese Windmühle.
Im weiten Feld dahinter stehen weitere Windmühlen aus der Reihe der Pumpen, welche die Polder entwässern. Kühe weiden dazwischen.
Ich habe auf der Karte einen Weg nördlich von Nieuwkoopse zu unserer Unterkunft gefunden. Wir machen uns am frühen Nachmittag auf den Rückweg. Es war keine gute Idee. Kilometerweit führt der Radweg entlang einer baumlosen Straße. Die Sonne brennt und der Gegenwind bremst. Wir sind nach einer Stunde froh, unsere Unterkunft erreicht zu haben.
Diese Windmühlen mahlen kein Getreide. Sie haben die Aufgabe, den Wasserstand in den Poldern zu regulieren. Mehrere Windmühlen sind hintereinander geschaltet und pumpen das Wasser in höher gelegene Polder jenseits von Aarlanderveen. Zumindest war es früher so, wie eine Informationstafel mir kund gibt. Heute wird es sicher moderne Pumpwerke geben. Die großen Windräder dieser Windmühlen stehen still. Oben am Giebel, dort, wo die Windräder an der großen Achse angebracht sind, steht eine Jahreszahl: 1801. Mit 217 Jahren würde ich auch gerne so jung aussehen wie diese Windmühle.
Im weiten Feld dahinter stehen weitere Windmühlen aus der Reihe der Pumpen, welche die Polder entwässern. Kühe weiden dazwischen.
Ich habe auf der Karte einen Weg nördlich von Nieuwkoopse zu unserer Unterkunft gefunden. Wir machen uns am frühen Nachmittag auf den Rückweg. Es war keine gute Idee. Kilometerweit führt der Radweg entlang einer baumlosen Straße. Die Sonne brennt und der Gegenwind bremst. Wir sind nach einer Stunde froh, unsere Unterkunft erreicht zu haben.

Ein neuer Tag: Heute schwinge ich mich alleine aufs Fahrrad. Das kleine Städtchen Gouda weiter im Süden ist mein Ziel. Irgendwie habe ich den Eindruck, dass mit mir alle Holländer aufs Rad gestiegen sind. Schon beim Start rauschen von rechts und von links ganze Gruppen an mir vorbei. Die Sonne steht schon hoch genug und wärmt mir den Rücken. Der stete Südostwind gibt mir den richtigen Schwung.
Vor mir taucht der Ortskern von Noorden auf. Der spitze, lang gestreckte Kirchturm war schon von Weitem zu sehen. Eine große Gruppe von Radfahrern formiert sich dort gerade zum Aufbruch. Es ist 11 Uhr. Das Café am Straßenrand ist gut gefüllt. In den Grachten rechts und links der Straße tummeln sich nicht nur Enten, Schwäne und Blässhühner. Ein Graureiher steht wie fest geschraubt neben einem Auto am Ufer, so dass kein Schatten aufs Wasser fällt. Ich kann ihn schier mit der Hand fassen, so nahe lässt er mich heran, ein Auge aufs Wasser gerichtet und ein Auge auf mich. Am Ortsende lädt mich ein Bauernhof ein, seinen Käse zu probieren. Heute nicht, denn mich zieht ein anderer Käse magnetisch an, der Gouda. Doch bis dahin muss ich noch einige Kilometer strampeln.
Vor mir taucht der Ortskern von Noorden auf. Der spitze, lang gestreckte Kirchturm war schon von Weitem zu sehen. Eine große Gruppe von Radfahrern formiert sich dort gerade zum Aufbruch. Es ist 11 Uhr. Das Café am Straßenrand ist gut gefüllt. In den Grachten rechts und links der Straße tummeln sich nicht nur Enten, Schwäne und Blässhühner. Ein Graureiher steht wie fest geschraubt neben einem Auto am Ufer, so dass kein Schatten aufs Wasser fällt. Ich kann ihn schier mit der Hand fassen, so nahe lässt er mich heran, ein Auge aufs Wasser gerichtet und ein Auge auf mich. Am Ortsende lädt mich ein Bauernhof ein, seinen Käse zu probieren. Heute nicht, denn mich zieht ein anderer Käse magnetisch an, der Gouda. Doch bis dahin muss ich noch einige Kilometer strampeln.
Nieuwkoop verlasse ich auf der schmalen Allee in Richtung Süden. Der Südostwind weht kräftig und biegt die Büsche. Die wenigen Autofahrer, die von hinten kommen, müssen warten, bis eine Ausweichstelle kommt. Dann erst können sie mich überholen. Die Radfahrer, die mir entgegen kommen, fliegen mir regelrecht entgegen, kein Wunder, bei dem Rückenwind. Schnurgerade führt die schmale Straße bis Zwammerdam. Dort angekommen muss ich meine Karte zu Rate ziehen. Zwei Wege führen weiter nach Süden. Ich entscheide mich für den direkten Weg nach Bodegraven. Dieser Radweg führt recht bald an eine sehr breite Wasserstraße. Am Ufer ziehen sich vereinsamte Schuppen ehemaliger Gewerbe, ein Zeichen vergangener Handelsblüte.
Hinter der großen Autobrücke erreiche ich das Ortszentrum. Der breite Kanal verengt sich unter einer pittoresken Zugbrücke. Gerade werden mehrere Freizeitboote geschleust. Ich bleibe interessiert stehen und fotografiere die Szenerie. Als ich ein Selfie machen will, bietet sich ein junger Mann an, für mich das Foto zu machen. Ich hinterlasse ein "Bedaankt", wie man hier zu Lande sagt. "Das hier ist der Romans Point" erzählt er mir anschließend, "die Grenze des römischen Reiches und ein Handelsplatz mit den Germanen." Wikipedia macht mich noch schlauer. Der nördliche Rheinarm führte damals durch diese Region. Er kennzeichnete den Grenzverlauf. Vor langen Jahren wurde dieser Arm des Rheins vom Meer getrennt und das Land zurückgewonnen. Nur Ortsnamen wie das nahe "Alphen aan Den Rijn" erinnern heute noch daran.
Irgendwie habe ich beim Verlassen von Bodegraven die Orientierung verloren. Ich bin froh, als ich den Radwegweiser nach Gouda sehe. Ihm folge ich, leider. Denn dieser Weg führt mich mehrere Kilometer entlang der Autobahn. Nur ein Rauschen bekomme ich davon mit, die Fahrbahn liegt auf einem hohen Damm. Graureiher begleiten mich auch auf diesem Wegesstück. Gleich der nächste hat eine Überraschung für mich auf Lager. Nur ich weiß noch nichts davon. Er wartet, bis ich meine Kamera gezückt und ein erstes Foto von ihm geschossen habe, dann schießt er kopfüber ins Wasser, taucht wieder auf, schluckt den kleinen Fisch in seinem langen Schnabel runter und marschiert stolz davon. Ich habe alles auf den Chip gebannt außer den kleinen Moment, wo der Fisch zu sehen war, bevor er in den Magen rutschte. Danke, lieber Graureiher, gut gemacht.
Der Fietspad ist gut ausgebaut und so führt er mich rasch nach Gouda. Mittwochs ist Trödelmarkt und Donnerstags der berühmte Käsemarkt, ansonsten stehen wohl immer ein paar Marktstände auf dem dreieckigen Marktplatz von Gouda. Der Leiermann spielt auf der großen bunten elektrischen Orgel ein Potpourri aus "Junge, komm bald wieder ..." bis "Oh Mosella ..." oder so etwas Ähnliches, also alles, was man sich so unter holländischer Musik vorstellt. Der Markt ist das historische Zentrum von Gouda, alle Wege führen zu ihm hin. Das alte Rathaus war einem großen Stadtbrand zum Opfer gefallen. Damit das neue Rathaus beim nächsten Brand besser geschützt ist, wurde es als alleinstehendes Gebäude mitten auf den Platz gebaut.
Beinahe hätte ich die alte Käsewaage übersehen. Im Reiseführer wurde sie mir als "Muss" empfohlen. Das Gebäude, in dem sie steht, ist mir schon durch seine markante Fassade aufgefallen. Aber wo steht die Waage? Und was die junge Fotografin am Seiteneingang wohl interessiert? Natürlich, da steht die Waage. Erst lasse ich der Fotografin freies Sichtfeld, dann stelle ich mein Fahrrad dazu für mein Foto. Dem großen Käserad scheint die Hitze nichts auszumachen.
Beinahe hätte ich die alte Käsewaage übersehen. Im Reiseführer wurde sie mir als "Muss" empfohlen. Das Gebäude, in dem sie steht, ist mir schon durch seine markante Fassade aufgefallen. Aber wo steht die Waage? Und was die junge Fotografin am Seiteneingang wohl interessiert? Natürlich, da steht die Waage. Erst lasse ich der Fotografin freies Sichtfeld, dann stelle ich mein Fahrrad dazu für mein Foto. Dem großen Käserad scheint die Hitze nichts auszumachen.
Heute ist der große Marktplatz ziemlich leer. Es ist Sonntag. Aber den Eindruck vom Käsemarkt, den ich von all den Hochglanzprospekten, Plakaten und Reisefilmen her kenne, will ich euch nicht vorenthalten. Daher hier als Einschub unser Besuch auf dem Käsemarkt am Donnerstag:
"Wieder empfängt uns das Potpourri aus der elektronischen Orgel. Renate ist fasziniert von dem bunten Treiben und den vielen Marktständen, die zwar mit Markt aber nichts mit Käse zu tun haben. Mich zieht es gleich zu dem Teil, wo seit Jahrhunderten der berühmte Käsemarkt stattfindet. Zwischen all den Marktständen mit billiger Kleidung, Trödelware, Touristenkitsch und Gemüse finde ich ihn zwischen Rathaus und Waage. Gelborange Käselaiber liegen rechts und links aufgestapelt auf Paletten, dazwischen stehen zwei Pferdekutschen, die gerade von jungen Bauern beladen werden. Mit einem Hopp werfen sie sich in einer Kette die Käselaiber zu, bis sie schließlich auf dem hölzernen Wagen verstaut sind. Sie haben offensichtlich gute Laune und Frau Antje junior steht dazwischen und lässt sich mit Touristen fotografieren. "Nicht in die Mitte" ruft gerade der Sprecher den Touristen durch das Megafon zu. Der Handelsplatz ist im Geviert mit Zäunen abgetrennt. Damit alle Touristen freie Fotosicht haben, soll sich niemand innerhalb des Gevierts bewegen, niemand außer den Marktleuten. Ein Käsehändler im weißen Kittel und ein Bauer im blauen Arbeitsdress mit rotem Halstuch stehen beieinander. Sie murmeln sich etwas zu. Dabei bewegen sie ihren gestreckten rechten Arm mit flacher Hand rythmisch hin und her, ohne die Hand des anderen zu berühren. Dann plötzlich treffen sich die Hände zum festen Handschlag. Offensichtlich ist gerade der Handel besiegelt worden. Doch irgend etwas kommt mir dabei spanisch vor. Ich wage es, einen der Käselaiber zu meinen Füssen anzufassen. PLASTIK ! Alles Plastik! Der ganze Käsemarkt ist nichts anderes als ein großes Schauspiel, ein Spektakel für die Touristen. Hier wird nicht mehr wie vor Jahrzehnten gehandelt. Natürlich gibt es auf diesem Markt auch echten Käse, und das nicht zu knapp. Die Stände sind direkt hinter dem Touristenspektakel aufgebaut. Bunt, bunter, am grellsten, so stechen mir die kleinen runden Käselaiber in die Augen. Zu Hause gibt es jungen, mittelalten und alten Gouda. Hier gibt es Gouda mit Biergeschmack, mit provenzalischen Kräutern, mit Chili und Brennnesseln, mit weiß Gott noch Dutzend anderen Geschmacksrichtungen. Mehrere der ein Pfund leichten Kugeln wandern in unseren Rucksack. Die Freunde zu Hause sollen wissen, wo wir herkommen." Leicht enttäuscht verlasse ich den Käsemarkt. Die Klänge einer Jazzband begleiten mich.
"Wieder empfängt uns das Potpourri aus der elektronischen Orgel. Renate ist fasziniert von dem bunten Treiben und den vielen Marktständen, die zwar mit Markt aber nichts mit Käse zu tun haben. Mich zieht es gleich zu dem Teil, wo seit Jahrhunderten der berühmte Käsemarkt stattfindet. Zwischen all den Marktständen mit billiger Kleidung, Trödelware, Touristenkitsch und Gemüse finde ich ihn zwischen Rathaus und Waage. Gelborange Käselaiber liegen rechts und links aufgestapelt auf Paletten, dazwischen stehen zwei Pferdekutschen, die gerade von jungen Bauern beladen werden. Mit einem Hopp werfen sie sich in einer Kette die Käselaiber zu, bis sie schließlich auf dem hölzernen Wagen verstaut sind. Sie haben offensichtlich gute Laune und Frau Antje junior steht dazwischen und lässt sich mit Touristen fotografieren. "Nicht in die Mitte" ruft gerade der Sprecher den Touristen durch das Megafon zu. Der Handelsplatz ist im Geviert mit Zäunen abgetrennt. Damit alle Touristen freie Fotosicht haben, soll sich niemand innerhalb des Gevierts bewegen, niemand außer den Marktleuten. Ein Käsehändler im weißen Kittel und ein Bauer im blauen Arbeitsdress mit rotem Halstuch stehen beieinander. Sie murmeln sich etwas zu. Dabei bewegen sie ihren gestreckten rechten Arm mit flacher Hand rythmisch hin und her, ohne die Hand des anderen zu berühren. Dann plötzlich treffen sich die Hände zum festen Handschlag. Offensichtlich ist gerade der Handel besiegelt worden. Doch irgend etwas kommt mir dabei spanisch vor. Ich wage es, einen der Käselaiber zu meinen Füssen anzufassen. PLASTIK ! Alles Plastik! Der ganze Käsemarkt ist nichts anderes als ein großes Schauspiel, ein Spektakel für die Touristen. Hier wird nicht mehr wie vor Jahrzehnten gehandelt. Natürlich gibt es auf diesem Markt auch echten Käse, und das nicht zu knapp. Die Stände sind direkt hinter dem Touristenspektakel aufgebaut. Bunt, bunter, am grellsten, so stechen mir die kleinen runden Käselaiber in die Augen. Zu Hause gibt es jungen, mittelalten und alten Gouda. Hier gibt es Gouda mit Biergeschmack, mit provenzalischen Kräutern, mit Chili und Brennnesseln, mit weiß Gott noch Dutzend anderen Geschmacksrichtungen. Mehrere der ein Pfund leichten Kugeln wandern in unseren Rucksack. Die Freunde zu Hause sollen wissen, wo wir herkommen." Leicht enttäuscht verlasse ich den Käsemarkt. Die Klänge einer Jazzband begleiten mich.
Die Uhr schlägt halb. Neben dem Rathaus versammelt sich eine Handvoll Touristen mit schussbereiter Kamera. Dann beginnt das Figurenspiel. Während das Glockenspiel ertönt, kommt der hölzerne König aus der Tür, begleitet von seinem Herold. Letzterer verneigt sich höflich und dann machen sich beide wieder auf den Weg zurück. Mit dem letzten Glockenschlag schließt sich die Tür. Die meisten auf dem Platz scheint das nicht zu bewegen, passiert ja eh alle halbe Stunde und das schon seit 200 Jahren.
Am Ausgang des Marktplatzes steht ein kitschiger Touristenshop. Irgendwie passt das große Käserad aus Plastik mit all den anderen Devotionalien, die das Klischee Holland bedienen, zu dem Rummel um den Käsemarkt. In den Straßen hinter dem Marktplatz reihen sich verzierte Bürgerhäuser und schmale Katen. Die alten Hausfassaden scheinen die Hektik der heutigen Zeit zu verschlucken. Der Weg führt mich über und entlang mehrerer Grachten, bis ich an einem großen Kanal ankomme. Wieder steht eine Windmühle malerisch am Ufer. Die großen Windräder drehen sich. Ob das wohl auch ein Teil des Touristenspektakels von Gouda ist, frage ich mich. In den Hallen vor mir, in denen früher Waren gelagert und umgeschlagen wurden, entstehen jetzt Eigentumswohnungen. Man liebt und lebt eben gerne am Wasser.
Am Ausgang des Marktplatzes steht ein kitschiger Touristenshop. Irgendwie passt das große Käserad aus Plastik mit all den anderen Devotionalien, die das Klischee Holland bedienen, zu dem Rummel um den Käsemarkt. In den Straßen hinter dem Marktplatz reihen sich verzierte Bürgerhäuser und schmale Katen. Die alten Hausfassaden scheinen die Hektik der heutigen Zeit zu verschlucken. Der Weg führt mich über und entlang mehrerer Grachten, bis ich an einem großen Kanal ankomme. Wieder steht eine Windmühle malerisch am Ufer. Die großen Windräder drehen sich. Ob das wohl auch ein Teil des Touristenspektakels von Gouda ist, frage ich mich. In den Hallen vor mir, in denen früher Waren gelagert und umgeschlagen wurden, entstehen jetzt Eigentumswohnungen. Man liebt und lebt eben gerne am Wasser.

Immer mehr Pärchen und Familien auf Fahrrädern bevölkern nun den Radweg, der sich langsam nach Norden wendet. Die Fahrradwege in Holland sind gut ausgeschildert. Dort, wo zwei aufeinander treffen, ist ein sogenannter Knoten. Diese sind durchnummeriert. So ist es leicht, seinen Weg zu finden. Am Knotenpunkt 47 liegt ein schöner Biergarten direkt an einer Gracht. Ich ergattere gerade noch den letzten freien Fahrradparkplatz und den letzten freien Tisch. Dies scheint ein holländisches Refugium zu sein, zumnidest scheint es mir so nach den Wortfetzen, die um mich herum fliegen. Über und unter der Zugbrücke neben dem Biergarten herrscht reger Verkehr, oben Fahrräder und Autos, unten Freizeitboote. Ein stahlblauer Himmel spannt sich über das Land. Kein Wölkchen trübt das Blau und auch kein Kondensstreifen. Kaiserwetter nennt man solch ein Wetter. Der stete Südostwind bringt die nötige Kühlung. Ich lasse mir meinen Mittagssnack schmecken, bevor ich weiter durch das grüne Herz Hollands fietse.
Ein schmaler Damm führt mich weiter. Büsche hindern den Blick, nach rechts und links zu schweifen. Ab und zu finde ich dann doch eine Lücke im Buschwerk. Ich sehe Liegewiesen am blauen See oder eine Einfahrt zu einem der wenigen, sicher sehr begehrten Anwesen in dieser Seenlandschaft. Zu beiden Seiten breiten sich kleinere und größere Wasserflächen aus. Seerosengeschmückte Grachten verbinden sie. Überall sind kleine Boote unterwegs. Ich bin mitten in einem beliebten Naherholungsgebiet gelandet, das heute, an einem sonnengetränkten Sonntag, besonders belebt ist. Der Radweg schlängelt sich zwischen den Seen hindurch. Es ist eine idyllische Landschaft. Ich muss bei dem lebhaften Fahrradverkehr höllisch aufpassen, dass ich nicht die Fussgänger übersehe, die gemütlich in der Gruppe gleich die ganze Breite des Weges einnehmen. Aber eigentlich nerven mich nur die Mopedfahrer, die mich mit viel Auspuffgasen knatternd überholen.
An der Zugbrücke Nr. 6 stockt der Verkehr. Der Brückenmeister lässt die rotweiße Schranke runter. Zwei größere Boote begehren Durchlass. Langsam kurbelt er die Brücke hoch. Neben ihm weht die italienische Fahne im Wind. Der Eisverkäufer hat gut zu tun, die Schlange der Wartenden wird immer länger, so lange, dass ich auf das kühlende Eis verzichte.
An der Zugbrücke Nr. 6 stockt der Verkehr. Der Brückenmeister lässt die rotweiße Schranke runter. Zwei größere Boote begehren Durchlass. Langsam kurbelt er die Brücke hoch. Neben ihm weht die italienische Fahne im Wind. Der Eisverkäufer hat gut zu tun, die Schlange der Wartenden wird immer länger, so lange, dass ich auf das kühlende Eis verzichte.
Kurz vor Bodegraven verlasse ich die Seenplatte. Am "Romans Point" genehmige ich mir in einer kleinen Kneipe meine Erfrischung. Kinder plantschen im Kanal. Eine junge Bulldogge will zu ihnen, doch Frauchen legt ihn resolut an die Leine. Drüben steht ein großes Gebäude. Am Giebel entziffere ich den Schriftzug HOENIX. Der erste Buchstabe fehlt offensichtlich. Später lerne ich, dass es eigentlich PHOENIX heißt. Im Jahr 1932 errichtete André de Jong in Bodengrave einen Betrieb für Haarwaschmittel, Zahnpasta, Nagellack, Parfüm und andere Körperpflegemittel. Der Unternehmer war erfolgreich und konnte schon 1947 ein deutlich größeres Fabrikgebäude am Kanal bauen. Im Jahr 2005 endet die Unternehmensgeschichte. Inzwischen ist das Gebäude zu einem modernen Wohnhaus umgebaut worden. Nur der alte Schriftzug erinnert noch an seine Vergangenheit.
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Hinter Bodegraven biegt eine kleine Allee nach Meije ab. Der Name Meije gefällt mir und so biege auch ich in die Allee ein. In kleinen Schlingen sucht sich die Straße ihren Weg südlich des Nieuwkoopse Plassen, der flache See in der Polder-Landschaft. Kühe und Schafe halten kurz beim Weiden inne und beäugen mich. Ab und zu stehen ein, zwei oder drei Häuser am Wegesrand. Die Straße ist eng, ich muss sie mit den wenigen Autofahrern teilen. Manche Häuser sind mit Reet gedeckt. Es sind beileibe nicht nur alte Häuser; auch neue, wie das vor mir, erhalten ein Reetdach. Schilf gibt es in dieser Gegend ja ausreichend.
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Das kleine Zentrum von Meije wird durch den Kirchturm dominiert. Auch ein Gasthaus bietet sich den Durchreisenden an. Am Zaun stehen Dutzende von Fahrrädern. Es ist Kaffee- und Kuchenzeit. Mich zieht es weiter. Kurz vor Woerdense Verlaat verlässt die Radstrecke am Knotenpunkt 57 die Landstraße. Eine Fähre nach Noorden wird angezeigt. Bei dem Boot, das am Ufer liegt, muss ich zweimal hin schauen. Es war oder ist wohl eine Fähre vor allem für Kühe. Zwischen den vielen Grachten, die hier das Land durchziehen, ist bestes Weideland. Und da Kühe ungern schwimmen, werden sie mit einer Fähre hin gebracht.
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Am Knotenpunkt 82 schließt sich mein Kreis für heute. Das Bilderbuch-Holland verabschiedet sich mit einem wunderschönen Schwan. Ich bin wieder bei unserer Hütte angekommen, wo mich Renate mit einem köstlichen Pasta-Mahl erwartet. Sie hatte den ruhigen Tag genutzt, um ein Aquarell von der idyllischen Gracht vor unserer Hütte zu malen.
Am Abend legt sich der Wind. Das Wasser in der Gracht verwandelt sich wieder in einen Spiegel. Schnatternd zieht eine Schar von Graugänsen über den Bäumen ihre Bahn. Dann legt sich Ruhe übers Land.
Am Abend legt sich der Wind. Das Wasser in der Gracht verwandelt sich wieder in einen Spiegel. Schnatternd zieht eine Schar von Graugänsen über den Bäumen ihre Bahn. Dann legt sich Ruhe übers Land.