Sardinien
- Drehscheibe der Kulturen im Mittelmeer
Oktober 2013

Weit ist der Blick, weit hinaus auf das Meer. Die Nuragher waren hier und die Phönizier, auch die Punier und die Römer, die Byzantiner und die Sarazenen, die Pisaner und die Genuesen, die Aragonen und die Piemonteser, schließlich die Italiener. Und nun stehe auch ich hier. Ich kann gut verstehen, warum die Pisaner 1307 den Torre di San Pancrazia, diesen gewaltigen Turm, auf dem Kalksteinrücken abseits des Meeres errichtet haben. Gut 40 Meter ist er hoch, überragt alle Kirchtürme in dieser Stadt. Die sieben steilen Treppen bin ich hoch gestiegen und genieße jetzt diesen herrlichen Rundblick. Im Norden versinken die Berge im Dunst des Nachmittages, nur die nahe Burg, die im 19. Jahrhundert im Schutz der Stadt errichtet wurde, liegt im Sonnenschein. Weiter wandert mein Blick entlang der fernen Berghänge nach Osten und bleibt an der langen Sichel des Strandes von Poello hängen. Neun Kilometer herrlichen Sandstrandes bietet diese Bucht im Osten von Cagliari. Ein schmaler Landstreifen scheint es nur, denn dahinter erstreckt sich das Lagunengebiet der alten Salinen. Natürlich kann ich von hier aus nicht die Flamingos sehen, die dort den ganzen Tag mit ihren überdimensionalen Schnäbeln den Boden des flachen Gewässer durchfurchen auf der Suche nach schmackhaften Krebsen. Zwischen Poello und dem Kern der Stadt schiebt sich ein Bergrücken ins Meer. Weiter wandert der Blick nach Süden in die ausschweifende Bucht hinein, durch die gerade zwei Frachtschiffe Kurs auf den Containerhafen nehmen. Westlich der Bucht ein langes Bergmasssiv, das sich weit im Süden im Dunst des Tages verliert. Zwischen diesem Bergmassiv und der Stadt liegt der Containerhafen. Dahinter zieht sich eine breite Ebene ins Land, die schließlich wieder meinen Blick zum Ausgangspunkt an den Zentralbergen zurückführt.

Ja, ich kann gut verstehen warum auf diesem Kalksteinfelsen das Castello gebaut wurde. Sardinien liegt auf halbem Weg zwischen Afrika und Italien, für die See- und Handelsmächte des Altertums und des Mittelalters ein idealer Stützpunkt im Mittelmeer. Keinem Angreifer war es gelungen, diese Festung mit Waffengewalt ein zu nehmen. Zwei Jahre belagerten die Spanier die Festung. Nicht die Waffen, sondern der Hunger zwang die Verteidiger schließlich zur Aufgabe. Gewaltig ist die Stadtmauer, die die Festungsanlage auf dem Kalksteinfelsen umgibt. Später, mit der Erweiterung der Stadt zum Meer hin, wurde sie auch um die neuen Stadtviertel gezogen. Stadtviertel, die im Laufe der Jahrhunderte entstanden, und nun zu meinen Füßen im Sonnenschein liegen: „Marina“, das Stadtviertel am Meer, „Stampace“, und schließlich „Villanova“. Von dieser Stadtmauer sind heute nur noch die Befestigungen übrig geblieben, die den steilen Hang sicherten. Aber diese gewaltigen Mauern reichen aus, um mir eine Vorstellung zu geben, wie trutzig diese Stadt war: Cagliari.
Bilder wandern durch meinen Kopf. Ich glaube, die schweren Schritte der Wachen zu hören, die die Treppen hochsteigen. Die Waffen klirren und blitzen im hellen Tageslicht. Die Soldaten auf diesem Turm mussten wachsam sein, denn die Gelüste der Piraten und der Konkurrenten auf die Warenlager in der Stadt waren groß. Aber angesichts der Lage und des weiten Blicks hinaus aufs Meer hatten die Angreifer kaum eine Chance.
Zu meinen Füßen erstreckt sich ein Meer aus roten Ziegeldächern. Ich steige die steilen Holztreppen wieder hinunter. Klaustrophobie braucht man bei diesem Turm nicht zu haben, aber schwindelfrei sollte man sein. Die der Stadt zugewandte Seite des Turmes ist offen, einfach offen. Nur nicht fallen, kommt es mir in den Sinn, denn es sind nur zwei schmale Balken, die den Fall in die Tiefe absichern. Die Frau hinter mir geht rückwärts die Treppe hinunter. Sie will nicht in die Tiefe schauen. Ich halte mich gut am Handlauf fest.
Bilder wandern durch meinen Kopf. Ich glaube, die schweren Schritte der Wachen zu hören, die die Treppen hochsteigen. Die Waffen klirren und blitzen im hellen Tageslicht. Die Soldaten auf diesem Turm mussten wachsam sein, denn die Gelüste der Piraten und der Konkurrenten auf die Warenlager in der Stadt waren groß. Aber angesichts der Lage und des weiten Blicks hinaus aufs Meer hatten die Angreifer kaum eine Chance.
Zu meinen Füßen erstreckt sich ein Meer aus roten Ziegeldächern. Ich steige die steilen Holztreppen wieder hinunter. Klaustrophobie braucht man bei diesem Turm nicht zu haben, aber schwindelfrei sollte man sein. Die der Stadt zugewandte Seite des Turmes ist offen, einfach offen. Nur nicht fallen, kommt es mir in den Sinn, denn es sind nur zwei schmale Balken, die den Fall in die Tiefe absichern. Die Frau hinter mir geht rückwärts die Treppe hinunter. Sie will nicht in die Tiefe schauen. Ich halte mich gut am Handlauf fest.
Unten, auf der Piazza Indipendenza, hält gerade das Bimmelbähnchen. Die Schar der Touristen, die es mitgebracht hat, strebt nach allen Seiten. Der Platz vor dem Torre di San Pancrazia ist Dreh- und Angelpunkt der Touristenströme in dieser Stadt. Jedes Haus an diesem Platz und jede Straße, die von dem Platz weg führt, steckt voller Geschichte. Jetzt ist Oktober und der Strom der Touristen eher schwach. Wie muss es in der Hochsaison hier aussehen, wenn die Italiener vom Festland kommen, um hier ihren Urlaub zu verbringen. Einen kleinen Eindruck verschafft mir die Vielfalt der Fahrzeuge, die ich in dieser kurzen Zeitspanne auf diesem Platz sehe: Da ist die Linie 7, der kleine gelbe Stadtbus, der kreuz und quer durch das Castillo fährt, und auch das Bimmelbähnchen, wie ich es aus vielen Städten kenne. Da ist die Pferdekutsche und der klimatisierte Kleinbus mit den getönten Scheiben für die VIPs. Erfinderisch, wie die Italiener sind, haben sie auch aus einem Piaggio Ape einen Kleinjeep gebaut, auf dem gerade mal 3 Personen Platz haben, luftig, aber bei den sommerlichen Temperaturen auf Sardinien gerade richtig und mit freiem Blick auf die altehrwürdigen Fassaden mit tropfnasser Wäsche.
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Ich tauche ein in die Via Pietro Martini. Eintauchen ist das richtige Wort, denn schmal sind die Straßen und steil die Fassaden. Kindergeschrei dringt an mein Ohr und dann stehe ich auch schon vor dem Ort des Geschehens. Ein klösterlicher Kindergarten, in dem die Zeit stehen geblieben zu sein scheint. Ein gußeiserner Zaun umschließt einen kleinen Hof, ein paar Spielgeräte, die gerade eifrig genutzt werden. Rosa die Kittel der Mädchen und blau die der Buben. Zwischen ihnen wandelt eine alte Nonne, in Weiß gekleidet. Aus lauter Respekt vor dieser Erscheinung wage ich nicht, ein Foto zu machen.
Schließlich stehe ich auf der Piazza Palazzo. Eben verlassen die letzten Demonstranten der Gewerkschaft den Platz. Minenarbeiter sind es, die vor dem Sitz der Inselregierung gegen die Schließung der Bergwerke protestiert haben. Hier ist auch das Büro der Touristeninformation. Ich trete ein. Mein Interesse gilt dem Fahrplan der Schmalspurbahn, die in die Berge führt, dem „Trenino Verde“. Am kommenden Wochenende, so habe ich im Internet gelesen, soll eine Fahrt mit einer Dampflok statt finden. Ich frage höflich erst in Deutsch und dann auf Englisch. Die wortlose Antwort ist ein wunderschöner Prospekt. Ich frage nochmals nach dem Fahrplan. Die knappe Antwort kommt sehr schnell: “Da drin finden Sie eine Telefonnummer.“ Ich schaue meinen Bruder an, er schaut mich an. Ob dieses Phlegma wohl auf die lange Geschichte der Eroberer zurück zu führen ist, die gekommen und gegangen sind? Ob es wohl die genetisch eingepflanzte Distanz gegenüber Fremden ist, die die Inselbewohner zum Überleben entwickelt haben? Auch im Hotel habe ich eine ähnliche Erfahrung gemacht: „Wie komme ich mit dem Bus zu der Mietwagenfirma in der Molo Sant Agostino“ fragte ich die hübsche Rezeptionistin. Normalerweise hätte ich selbst den Weg gegoogelt, aber der WLAN-Zugang zum Internet war übers Wochenende ausgefallen. Wortlos geht sie an ihren PC. Doch statt eines Stadtplanes druckt sie mir eine Wegbeschreibung aus ihrem Routenplaner aus, die Wegbeschreibung für die Fahrt mit dem Auto. Was bitte soll ich damit? Ich will doch erst mal das Auto holen! Aber hübsch war sie.
Eine Stunde wandere ich durch die Gassen des Castillo, lasse die Mauern auf mich einwirken, schaue in Hauseingänge und Tordurchfahrten. Ein kurzer heller Lichtschein, ich drehe mich um. Ein Auto kommt die Gasse hoch. Die Lichthupe bittet mich, Platz zu machen und so klemme ich mich eng an die Hauswand. Italien ist ja bekannt für seine kleinen Fahrzeuge, jetzt weiß ich warum. Ein VW-Passat hat in diesen engen Gassen, in denen auch noch der Trockenständer mit der nassen Wäsche auf die Straße gestellt wird, keine Chance. Viele Fassaden schmücken sich mit kleinen Balkonen, auf denen Blumenkästen stehen. So holen sich die Bewohner etwas Natur in das Meer der Steine. Die alte Bausubstanz ist konserviert und prägt in mir ein Bild. Ein bisschen museal wirkt das Castillo, nur die wenigen Menschen, denen ich begegne, hauchen ihm Leben ein.
Die Gassen folgen dem natürlichen Verlauf des Bergrückens. Immer wieder stoße ich auf kleine Plätze mit einer kleinen Trattoria oder einer Kirche, Oasen der Beschaulichkeit wie die Piazza Crispi, an der ich mich gerne für einen Moment niederlasse. Dort, wo die Sonne hin kommt, sitzen auch Anwohner und halten ein Schwätzchen.
Schließlich öffnet sich mir der Blick auf den Elefantenturm, den zweiten der imposanten pisanischen Wachtürme aus dem 14. Jahrhundert. Ein Kaffee wäre jetzt angebracht und so lasse ich mich auf der Terrasse des Caffé Libarium Nostrum direkt auf der Stadtmauer nieder. Die roten Dächer unter mir sind zum Greifen nah. Die Geräusche der Autos auf der „Largo Carlo Felice“ und dem Piazza Yenne dringen gedämpft zu mir hoch und über dem Containerhafen senkt sich langsam ein Flugzeug im Anflug auf die Landebahn des Flughafen. Die weißen Salzberge der Saline dahinter leuchten im Sonnenschein. Ich genieße es, hier auszuruhen, die Füße zu entlasten und die Menschen zu beobachten. Irgendwo zwischen hellem Blau und lindem Grün liegt die Farbe des kleinen Wagens, der vor dem Eingang des Cafés abgestellt ist. Es ist eine Knutschkugel, ein Fiat 500, eine der letzten seiner Art. Etwas Wehmut befällt mich beim Anblick dieses Oldtimers, Erinnerungen an meine Jugendzeit kommen hoch.
Schließlich stehe ich auf der Piazza Palazzo. Eben verlassen die letzten Demonstranten der Gewerkschaft den Platz. Minenarbeiter sind es, die vor dem Sitz der Inselregierung gegen die Schließung der Bergwerke protestiert haben. Hier ist auch das Büro der Touristeninformation. Ich trete ein. Mein Interesse gilt dem Fahrplan der Schmalspurbahn, die in die Berge führt, dem „Trenino Verde“. Am kommenden Wochenende, so habe ich im Internet gelesen, soll eine Fahrt mit einer Dampflok statt finden. Ich frage höflich erst in Deutsch und dann auf Englisch. Die wortlose Antwort ist ein wunderschöner Prospekt. Ich frage nochmals nach dem Fahrplan. Die knappe Antwort kommt sehr schnell: “Da drin finden Sie eine Telefonnummer.“ Ich schaue meinen Bruder an, er schaut mich an. Ob dieses Phlegma wohl auf die lange Geschichte der Eroberer zurück zu führen ist, die gekommen und gegangen sind? Ob es wohl die genetisch eingepflanzte Distanz gegenüber Fremden ist, die die Inselbewohner zum Überleben entwickelt haben? Auch im Hotel habe ich eine ähnliche Erfahrung gemacht: „Wie komme ich mit dem Bus zu der Mietwagenfirma in der Molo Sant Agostino“ fragte ich die hübsche Rezeptionistin. Normalerweise hätte ich selbst den Weg gegoogelt, aber der WLAN-Zugang zum Internet war übers Wochenende ausgefallen. Wortlos geht sie an ihren PC. Doch statt eines Stadtplanes druckt sie mir eine Wegbeschreibung aus ihrem Routenplaner aus, die Wegbeschreibung für die Fahrt mit dem Auto. Was bitte soll ich damit? Ich will doch erst mal das Auto holen! Aber hübsch war sie.
Eine Stunde wandere ich durch die Gassen des Castillo, lasse die Mauern auf mich einwirken, schaue in Hauseingänge und Tordurchfahrten. Ein kurzer heller Lichtschein, ich drehe mich um. Ein Auto kommt die Gasse hoch. Die Lichthupe bittet mich, Platz zu machen und so klemme ich mich eng an die Hauswand. Italien ist ja bekannt für seine kleinen Fahrzeuge, jetzt weiß ich warum. Ein VW-Passat hat in diesen engen Gassen, in denen auch noch der Trockenständer mit der nassen Wäsche auf die Straße gestellt wird, keine Chance. Viele Fassaden schmücken sich mit kleinen Balkonen, auf denen Blumenkästen stehen. So holen sich die Bewohner etwas Natur in das Meer der Steine. Die alte Bausubstanz ist konserviert und prägt in mir ein Bild. Ein bisschen museal wirkt das Castillo, nur die wenigen Menschen, denen ich begegne, hauchen ihm Leben ein.
Die Gassen folgen dem natürlichen Verlauf des Bergrückens. Immer wieder stoße ich auf kleine Plätze mit einer kleinen Trattoria oder einer Kirche, Oasen der Beschaulichkeit wie die Piazza Crispi, an der ich mich gerne für einen Moment niederlasse. Dort, wo die Sonne hin kommt, sitzen auch Anwohner und halten ein Schwätzchen.
Schließlich öffnet sich mir der Blick auf den Elefantenturm, den zweiten der imposanten pisanischen Wachtürme aus dem 14. Jahrhundert. Ein Kaffee wäre jetzt angebracht und so lasse ich mich auf der Terrasse des Caffé Libarium Nostrum direkt auf der Stadtmauer nieder. Die roten Dächer unter mir sind zum Greifen nah. Die Geräusche der Autos auf der „Largo Carlo Felice“ und dem Piazza Yenne dringen gedämpft zu mir hoch und über dem Containerhafen senkt sich langsam ein Flugzeug im Anflug auf die Landebahn des Flughafen. Die weißen Salzberge der Saline dahinter leuchten im Sonnenschein. Ich genieße es, hier auszuruhen, die Füße zu entlasten und die Menschen zu beobachten. Irgendwo zwischen hellem Blau und lindem Grün liegt die Farbe des kleinen Wagens, der vor dem Eingang des Cafés abgestellt ist. Es ist eine Knutschkugel, ein Fiat 500, eine der letzten seiner Art. Etwas Wehmut befällt mich beim Anblick dieses Oldtimers, Erinnerungen an meine Jugendzeit kommen hoch.
Langsam wird es Zeit, zum vereinbarten Treffpunkt zu gehen. Die Sonne neigt sich schon dem Horizont zu. Durch das Löwentor erreiche ich das Stadtviertel „Marina“, das sich unterhalb der Via Guiseppe Manno erstreckt. Die Straßenlaternen leuchten und tauchen die Szenerie in ein angenehmes warmgelbes Licht. Eine Akkordeonspielerin zieht meine Aufmerksamkeit auf sich. Im roten Retro-Kleid mit weißen Punkten singt sie Balladen. Viele Passanten bleiben für einen Moment stehen, lauschen ihrer wohlklingenden, elektronisch verstärkten Stimme und bedanken sich mit einem kleinen Geldstück, das in den offenen Akkordeonkasten wandert. Auch bei mir bedankt sie sich mit einem sympathischen Lächeln.
Es ist Samstag Abend und die Überlandbusse spucken Heerscharen von Jugendlichen aus dem Umland und den Vorstädten aus. Junge Damen im kleinen Schwarzen führen ihre Kreationen aus Lippenstift, Eyeliner und Wangenrot aus. Die Avon-Beraterin hätte ihre helle Freude an diesem kosmetischen Sammelsurium. Gewiss, Stöckelschuhe sind nicht gerade geeignet für die gepflasterten Gassen in der Altstadt. Aber sie bescheren meinem Auge ein nettes Tänzeln der jungen Damen, manche sehr gewandt und manche stützbedürftig am Arm ihres Angebeteten. Welch ein Kontrast dagegen die kleine Gruppe, die laut singend mit ihrem Hare-Krishna-Gesang durch die Arkaden wandelt. Die Herren mit kahl geschorenem Kopf sind schon etwas in die Jahre gekommen und bedienen sich elektronischer Verstärkung, die auf dem Rücken getragen wird. Aber sie finden viel Aufmerksamkeit bei den Passanten, die sich wohl selbst an ihre Jugendzeit erinnern und ein paar Akkorde lang mit singen. Der Text ist so einfach, den vergisst man sein ganzes Leben nicht. |

Ich stoße auf die Via Roma, den großen Boulevard, der zwischen Meer und dem Stadtviertel „Marina“ liegt. Über 10 Spuren läuft der Verkehr, der ausgesprochenen gesittet fließt. Kaum bin ich am Zebrastreifen, halten schon die Autos an, um mich passieren zu lassen. Das passt so gar nicht zu dem klassischen Bild vom Autoverkehr in Italien. Aber ich bin hier auf Sardinien. Unter der langen Front der klassizistischen Gebäude ziehen sich die Arkaden entlang. Edelboutiquen wechseln mit Fastfoodkneipen. Dazwischen klassische Cafés mit dem guten italienischen Espresso, und die Zeitungskioske, wo es die Fahrkarten für die Stadtbusse gibt. Die Dunkelheit liegt schon über der Stadt. Aus der geschlossenen Reihe der Gebäude sticht die blendend weiße Fassade des Rathauses hervor. Kleine Gassen münden auf die Via Roma. Wir biegen in die Via Napoli und tauchen in die engen Gassen der „Marina“ ein. Ein Tisch reiht sich an den anderen. Was in Frankfurt die Fressgass', ist hier die „Marina“. Restaurants für jeden Geschmack bieten uns ihre Dienste an. Wir entscheiden uns für die klassische sardische Küche. Vier Gänge werden angeboten. Wir haben die Wahl, sie beliebig zu kombinieren: Antipasti mit Primi, Antipasti mit Secondi, Antipasti mit Nachspeise, oder nur einen der vier Gänge oder gar alle zusammen. Ich wähle aus dem reichhaltigen Angebot der acht verschiedenen Antipasti und dazu Spaghetti als Primi. Das genügt mir heute. Die Überraschung ist groß: die nette Bedienung stellt gleich alle acht Antipasti auf den Tisch. Das ist die erste Lektion in der sardischen Küche.
Via Napoli 46. Der Eingang befindet sich zwischen zwei Tischen des Restaurants. Wer ins Haus will, muss an uns vorbei. Das ist hier normal. Etwas umständlich stellt der blonde hochgewachsene Student die ineinander geschachtelten Orangenkisten aus roh gehobeltem Holz ab und nestelt den Schlüssel aus seiner Hosentasche. Irgendwie scheint der sich verhakt zu haben, denn es dauert eine Weile, bis er ihn im matten Licht der gelben Straßenlaterne in der Hand hält. Knarrend öffnet sich die Tür, zu schmal um ihn mit seiner Beute durch zu lassen. Der Riegel des zweiten Türflügels klemmt und er muss sich dagegen stemmen, bis auch der sich öffnet. Als er auch nach dem zweiten Stoß von Orangenkisten greifen will, kommt seine Begleiterin ihm zuvor. „Das mache ich schon“ flötet sie und in ihren Augen liegt die ganze Begeisterung für ihn, den Studenten, den sie erst eben auf dem Markt kennen gelernt hat. „Meine Wohnung ist noch leer, ich bin erst gestern eingezogen“, entschuldigt er sich. „Ach, das ist doch nicht schlimm.“ erwidert sie und schiebt ihn vor sich her in den Hausflur. Knarrend schließt sich die schwere Tür und lässt die Unruhe der Straße draußen. Die Fassade der Via Napoli 46 ist mindestens so alt, wie die schwere Haustür. In der engen Gasse der Altstadt konnte sie nie so recht mit ihrer Schönheit glänzen. Doch sie reiht sich ein in das Ensemble der klassizistischen Fassaden, die alle schon bessere Tage gesehen haben und nun im maroden Charme der Vergangenheit auf eine neue Zukunft warten. Der Student hat die Tür noch nicht richtig abgeschlossen, das biegt Maria um die Ecke. Sie hat den Zenit ihres Lebens schon lange überschritten und tut sich immer schwerer, die lange Gasse vom Meer aus hinauf zu steigen, auch wenn die eigentliche Steigung der Via Napoli erst drei Querstraßen weiter beginnt. Da kommt ihr das Schwätzchen mit Signorina Datolli gerade recht, die gegenüber, wie jeden Abend,
ihren Stuhl auf die Straße gestellt hat, um die nach Hause Kommenden zu begrüßen und Neuigkeiten auszutauschen. Marias Rücken ist gebeugt von der Last der vielen Jahrzehnte und ihr Arm reicht gerade noch bis zum hoch angebrachten Schlüsselloch, das sie nach dem dritten Versuch trifft. Ihre Einkaufstüte ist spärlich gefüllt, viel braucht sie nicht mehr zum Essen und die Treppe zur obersten Etage ist steil. Gestern hat ihr der Student die Tasche hoch getragen, heute muss sie es selbst tun. Langsam betritt sie den Hausflur, so langsam, wie sie die Treppenstufen erklimmen wird. Knarrend schließt sich ebenso langsam die schwere Tür und fällt leise ins Schloss. Die untere Altstadt zwischen der Via Roma und der Piazza Yenne ist ein Teil des alten Cagliari, ursprünglich mit einer Stadtmauer umgeben, die aber den Anforderungen einer modernen Stadt schon lange gewichen ist. Nur die engen Gassen, die herrschaftlichen Häuser und der Charme des innerstädtischen Lebens sind geblieben. Wo früher Handwerksbetriebe und Läden waren, sind heute Restaurants, Trattorias, Kebabstuben und Fastfood-Pizzerias eingezogen und ziehen allabendlich die hungrigen Touristen ebenso wie die feierfreudige Stadtjugend an. So manche Metzgerei hat sich zum schicken Feinkostladen gemausert. Aus der alten Bäckerei ist der Verkaufsladen einer ebenso schicken Konditorin geworden, die den alten Backofen in die Verkaufsstube integriert hat, derweil die Spezereien irgendwo draußen in einem gesichtslosen Vorort und einer ebenso gesichtslosen Industriebäckerei entstehen. Giulia, die Haushälterin des Dottore, hat heute viele Einkaufstüten zu schleppen. Seit 45 Jahren ist sie in seinem Haushalt, hat seine fünf Kinder mit aufgezogen, seine schwerkranke Frau bis zu ihrem frühen Tod gepflegt und sorgt sich nun um den alten Herrn, der nur noch selten seine Wohnung verlässt. Heute hat sie trotz des späten Abends noch viel Arbeit vor sich. In ihren Einkaufstaschen warten ein großer Fisch und viel Gemüse, Milch und Puddingpulver, Mehl und Wein darauf, sich morgen seinen Sonntagsgästen als köstliches Mahl zu präsentieren. Einmal im Monat kommen seine noch nicht verblichenen Freunde zu ihm, um gemeinsam die alten Tage zu glorifizieren und über die heutige Politik zu klagen. Sie muss sich schwer gegen die Tür stemmen, bis sie sich öffnet und fragt sich, wie lange, sie dem Dottore noch dienen kann, bevor ihre alten Knochen ihr den Dienst versagen. Das Rheuma plagt sie heute besonders und die Arthrose schmerzt. Die schwere Tür schließt sich knarrend. Während der Kellner den Tisch vor mir leer räumt, um die riesige Platte mit den Spaghetti abzustellen, beobachte ich weiter die Parade der Hausbewohner, die heimkehren,
während wir unser Abendessen zu uns nehmen. Die Tische des Restaurants sind auf die enge Gasse gestellt, gerade mal soviel Platz zwischen dem Tisch und der gegenüberliegenden Hauswand, um die kleinen Gruppen von Menschen, die vorbei kommen, durch zu lassen. Schwer hängt die große Reisetasche an seiner Schulter. Beim letzten Schritt bis zur Haustür treffen sich unsere Augen. Traurigkeit spricht aus ihnen und Enttäuschung. Wo ist das paradiesische Europa geblieben, das ihm in seiner Heimat irgendwo in Afrika gepriesen wurde. Wo ist das Land, in dem Milch und Honig fließen und das Geld auf der Straße liegt? Viel Geld hat er den Schleusern bezahlen müssen, bis er im Boot saß, das ihn mit vielen anderen aus dem Schwarzen Kontinent Richtung Italien brachte. Die Aufnahme in Lampedusa war keineswegs so freundlich, wie die Schleuser ihm zugesichert hatten. Nach einigen Monaten durfte er dann das Schiff besteigen, das ihn nach Cagliari brachte. Hier hat er erst erfahren, wie viele Arbeitslose es in Europa gibt. Da war er froh, dass er sich der Gruppe der Straßenverkäufer anschließen konnte, die tagsüber am Piazza Matteotti Sonnenbrillen und Handyhüllen verkaufen und abends afrikanische Kunstgewerbewaren, die in Kisten gelagert sind, auf denen „Made in China“ steht. Er ist froh, im Haus Via Napoli 46 ein Zimmer bekommen zu haben. Karg ist es, aber trocken. Von dem wenigen Geld, das er mit seinem Handel verdient, kann er ab und zu etwas zu seiner Familie schicken. Nein, ein Paradies ist Europa nicht, diese Erfahrung ist in seinen Augen eingebrannt, ebenso, wie die Einsamkeit, in der er hier inmitten der vielen Menschen lebt. Die Parade der Hausbewohner, die ich im Laufe des Abendessens beobachte, ist ein Spiegelbild der heutigen Bewohner dieses Stadtviertels. Auch wenn die geschilderten Geschichten dieser Menschen in meiner Fantasie entstanden sind, enthalten sie dennoch viel Wahrheit.
Die Bedienung entführt uns die geleerten Teller unseres Desserts. Schwer liegt das Essen im Magen. Da hilft nur ein starker Espresso. Schwer und fett, das ist die zweite Lektion der sardischen Küche. Morgen Abend, das nehme ich mir vor, gibt es nur einen leichten Salat, Radicchiosalat. Wir nehmen einen der letzten Busse zu unserem Hotel, das weit draußen hinter den Flamingo-Lagunen liegt. Die Erlebnisse und Gedanken des heutigen Tages beschäftigen mich weiter auf dem langen Weg zum Hotel. Eine Gruppe Jugendlicher sitzt im gleichen Bus. Kahl geschoren die Köpfe, bisweilen zieht sich auch irokesenhaft eine Bürste von der Stirn bis zum Nacken. Sie sind untereinander verkabelt, hören über Ohrknöpfe die Musik aus dem Smartphone des Anderen. Die Turnschuhe beweisen, dass sie „in“ sind. Eine alte Dame steigt hinzu. Sofort macht einer von ihnen seinen Sitzplatz frei. Das scheint so gar nicht zu seinem ruppigen Aussehen zu passen, aber wie so oft trügt der Schein.
Sie sitzt hinter ihrem Kleinwagen und wartet. Die Heckklappe ist geöffnet. Auf einer hölzernen Tischkonstruktion bietet sie ihre Waren feil: eingelegte Kapern und Artischockenböden, frische Zwiebeln und Schnecken, Granatäpfel, Ruccola und Kaktusfeigen, ein Sammelsurium dessen, was ihr bäuerlicher Garten zur Zeit zu bieten hat. Ihre Wartezeit verbringt sie mit dem Flechten von Brotkörben und Nudelsieben. Rot und grau sind die Stoffe, die sie einflechtet zwischen den Binsen. Flink ist sie mit ihrer Nadel und beobachtet dennoch, ob wir uns für ihre Waren interessieren. Jeden Morgen sitzt sie an dieser Bushaltestelle. Am Nachmittag, wenn der Berufsverkehr die Menschen aus der Stadt nach Hause spült, wechselt sie zur Bushaltestelle auf der anderen Straßenseite. Sie ist eine der vielen Bäuerinnen, die mit den Straßenverkauf ein Zubrot für die Familie verdienen. Ob es sich lohnt? Ich weiß es nicht. Ein paar Euro werden sicher am Tag zusammen kommen. Vierzig Minuten braucht der Bus bis in die Stadt. Im Internet hatten wir bei der Buchung gelesen: „Stadthotel im Grünen“. Naja, das ist schon hart an der Grenze, an der Stadtgrenze.
In Cagliari finden wir am Busbahnhof gleich den Überlandbus nach Pula. Es ist Mittagszeit und Schulschluss. Horden von Schülern und Schülerinnen belagern den ankommenden Bus. Da wird bei den Heranwachsenden viel geschäkert und geflirtet. Mit Schminke wird nicht gespart. Aber anders als bei uns stürmen sie nicht in den Bus sobald die Tür sich öffnet. Erst auf ein Zeichen der Busfahrerin geht der Ansturm los.
In Cagliari finden wir am Busbahnhof gleich den Überlandbus nach Pula. Es ist Mittagszeit und Schulschluss. Horden von Schülern und Schülerinnen belagern den ankommenden Bus. Da wird bei den Heranwachsenden viel geschäkert und geflirtet. Mit Schminke wird nicht gespart. Aber anders als bei uns stürmen sie nicht in den Bus sobald die Tür sich öffnet. Erst auf ein Zeichen der Busfahrerin geht der Ansturm los.
Pula liegt ganz im Süden. Eine Schnellstraße führt aus der Stadt heraus, am Containerhafen, dem Windpark und der Saline vorbei. Und wieder erfasst mich ein Hauch von Afrika beim Anblick der Flamingos. Die Fleischverkäuferin will gerade ihren Laden abschließen, um Siesta zu halten. Auf meinen hungrigen Blick hin bekomme ich dann doch noch ein Brot, und nebenan können wir uns auch noch mit Obst und Gemüse versorgen. Die nette alte Dame, die mit uns aus dem Bus ausgestiegen ist, erklärt uns gerne den Weg nach Nora: An der Kreuzung nach links und dann zwei Kilometer geradeaus. Heiß ist es in der Mittagssonne. Wir sind alle froh, als wir Nora erreichen. An der Kirche finden wir einen klapprigen Tisch und ein paar alte Plastikstühle, stabil genug für uns und unser kleines Picknick.
„Signori?“ fragt er und deutet auf seine Kamera, ein Fotoamateur, so wie ich. „Ja“, sagen wir, „Sie dürfen gerne ein Foto von uns machen“. Ich gebe ihm meine Visitenkarte. Tatsächlich kommt eine Woche später eine E-Mail mit den Fotos und einem italienischen Dankeschön an. Wie gut, dass es im Internet Übersetzungsprogramme gibt. So kann ich auch seine Worte verstehen.
„Signori?“ fragt er und deutet auf seine Kamera, ein Fotoamateur, so wie ich. „Ja“, sagen wir, „Sie dürfen gerne ein Foto von uns machen“. Ich gebe ihm meine Visitenkarte. Tatsächlich kommt eine Woche später eine E-Mail mit den Fotos und einem italienischen Dankeschön an. Wie gut, dass es im Internet Übersetzungsprogramme gibt. So kann ich auch seine Worte verstehen.
Nora liegt auf einer Landzunge mit drei Buchten. Diese ungewöhnliche Konstellation ist der Ursprung der Stadt. Schon die Phönizier haben sofort erkannt, dass bei jeder Wetterlage immer eine der drei Buchten so gut geschützt war, dass Schiffe anlegen konnten. Die Römer haben dann die Stadt weiter entwickelt. Eine junge Archäologin führt uns durch die antike Ruinenstadt. Ihre Englischkenntnisse hat sie offensichtlich in einem Schnellkurs erworben. Entsprechend schnell ist auch ihr Vortrag. Ich bemühe mich, ihrem Redeschwall zu folgen und erfahre zumindest, dass Nora eine Handelsstadt war. Rechts und links der Hauptstraße lagen die Verkaufsläden mit einem großen Warenlager dahinter. Um das Stadtzentrum gruppierten sich Wohnhäuser, Tempel und eine Badeanstalt. So war für Körper und Seele gesorgt. Zentrum der Wohnhäuser war das Wohnzimmer. Von vielen sind heute noch die herrlichen Mosaiken erhalten und konserviert worden. Die Führung endet im Amphitheater. Hier finden auch heute noch in der Hauptsaison Freilichtaufführungen statt. Eine schöne Kulisse vor dem Meer und dem Sarazenenturm.
Der Wind ist stärker geworden. Die sardische Flagge steht steif im Wind. Gewöhnungsbedürftig ist sie und ganz anders, als man sonst Flaggen kennt: Ein rotes Kreuz und vier Köpfe mit Stirnbinde, positioniert in den Quadraten, die das Kreuz bildet. Sie soll, so lese ich, den Sieg über die spanischen Eroberer vor 1000 Jahren symbolisieren. Auf der Rückfahrt steigen einige Männer in den Bus. Sie wollen zum Stadion. Einer trägt ein T-Shirt mit der Flagge auf dem Rücken. Ich bin verunsichert. Ist die Binde nun über der Stirn oder den Augen. Hier ist sie über den Augen, eben war sie doch auf der Stirn! Besonders beliebt als Zeichen des Protestes ist diese Abwandlung, bei der die Stirnbinde über die Augen gezogen ist. Ich sehe diesen Protest in dieser Woche häufig. In der Rezeption unseres Hotels liegt ein Buch aus mit zeitgenössischen sardischen Karikaturen. Jede zweite Karikatur widmet sich der Flagge.

In der Stadt ist der Sarde an sich ein gemäßigter und disziplinierter Verkehrsteilnehmer. Als Autofahrer hält er am Zebrastreifen, als Fußgänger befolgt er die Zeitanzeige der Fußgängerampel, die Hupe scheint aus den Autos ausgebaut, und der Verkehrspolizist vor dem Rathaus steht mehr aus Prinzip auf der großen Kreuzung. Ich staune: auch für Fußgänger gibt es die dreiphasige Lichtanzeige von Grün über Gelb zu Rot. Die Grünphase ist nur ganz kurz und während der Gelbphase werden die Sekunden angezeigt bis zur Rot-Schaltung. Selbst die sonst so ungeduldigen Jugendlichen sind plötzlich brave Lämmer. Verlässt der Sarde hingegen die Stadt und begibt sich auf die Landstraße, so entwickelt er eine eigene Auslegung der Verkehrsregeln. Überholen verboten? Ja sicher! Aber das rote Auto auf dem Verkehrsschild besagt doch nur, dass das „Links überholen“ verboten ist. Von rechts steht da nichts, und so zieht ein großer Lastkraftwagen auf einer einspurigen Baustelle geschickt auf dem Standstreifen rechts an mir vorbei. Ja, jedes Land hat so seine eigenen Regeln. Aufregen hilft nichts. Der Reiseführer warnt ausdrücklich vor den vielen Geschwindigkeitskontrollen. Und tatsächlich stehen am Straßenrand graue Kästen, auf die ein Polizistenkopf mit dem klassischen Helm der Verkehrspolizei hinweist. Auch die Rezeptionistin in unserem Hotel hat mich vor diesen Kästen gewarnt. Niemand hält sich in der Regel an die Geschwindigkeitsbegrenzungen. Und doch bremsen sie urplötzlich vor einem dieser grauen Kästen ab. Und wieder lerne ich eine Sardinien eigene Verkehrsregel: Die meisten dieser grauen Kästen sind nur in der Hochsaison aktiviert, nämlich vom 20. Juni bis 10. September, dann nämlich wenn die Festlandsitaliener hier Urlaub machen. Dann klingelt die Kasse. Nur die Sarden wissen, welche Kästen nach wie vor „scharf“ sind. Vorsichtshalber halte ich mich dennoch zum Unverständnis der sardischen Autofahrer an die vorgegebene Geschwindigkeit. Sicher ist sicher, zumal ich mangels Sprachkenntnissen nicht mit dem Polizisten ein sachdienliches Gespräch über Sinn und Unsinn eines Bußgeldes führen kann. Das überlasse ich dann doch lieber den Einheimischen.
Irgendwo zwischen Beige und Braun liegt die Farbe der Landschaft. Zwei Stunden sind wir mit dem Mietwagen unterwegs und haben noch nicht einmal die Mitte der Insel erreicht. Weit und baumlos ist die Ebene, die sich im Westen von Cagliari nach Norden zieht. Vorbei ist der Frühling, als die junge Saat die Landschaft in ein frisches Grün tauchte, vorbei ist der Sommer, als die goldenen Getreideähren im Wind wogten, gebrochen ist die Erde nun vom Pflug des Bauern.
Irgendwo zwischen Beige und Braun liegt die Farbe der Landschaft. Zwei Stunden sind wir mit dem Mietwagen unterwegs und haben noch nicht einmal die Mitte der Insel erreicht. Weit und baumlos ist die Ebene, die sich im Westen von Cagliari nach Norden zieht. Vorbei ist der Frühling, als die junge Saat die Landschaft in ein frisches Grün tauchte, vorbei ist der Sommer, als die goldenen Getreideähren im Wind wogten, gebrochen ist die Erde nun vom Pflug des Bauern.
Es gibt auf dieser Insel sicher kaum einen Fleck Erde, auf den nicht schon ein Mensch seinen Fuß gesetzt hat. Doch Ehrfurcht ergreift mich hier vor dem mächtigen Bauwerk aus dicken Quadern. „Su Nuraxi“ in Barumini ist zum Weltkulturerbe erklärt. Vor 3000 Jahren haben Menschen die Steine zusammengefügt zu einer Trutzburg, die so stark war, dass kein Feind sie erobern konnte. Ich steige die Treppen an der Außenseite hoch und betrete den schmalen Gang. Sechs Meter ist die Mauer stark, und vierzehn Meter hoch. Die Archäologen bezeichnen die Zeit des Ursprungs dieses Bauwerks als Bronzezeit. Es waren die Ureinwohner der Insel, die Nuragher, die hier, noch
lange nach ihrem Eintauchen in das Vergessen der Vergangenheit, ein Denkmal für die Ewigkeit hinterlassen haben. Händler und Seefahrer waren sie, bei den Ägyptern und Phöniziern bekannt, eine hochentwickelte Kultur, die Steinbauten und Schiffe bauen konnte und dennoch eine Fähigkeit nicht beherrschte: das Schreiben. Die Insel ist überzogen mit solchen Bauten. Doch weiß man mangels schriftlicher Überlieferungen nur das Wenige von ihnen, was die Archäologen an Bauwerken ausgegraben und was sie an Keramiken gefunden haben.
Ich steige die nächste Treppe hoch und komme auf eine Plattform. Weit ist der Blick ins Land, weit hinaus in die fruchtbare Ebene, die jetzt im Herbst so trocken und karg scheint. Ein schmaler Durchgang führt mich wieder hinein in das Bauwerk, eine grob behauene Treppe hinab zum Boden des Turmes. Wenig Licht fällt in die Tiefe, eher düster das Licht in den vier Außentürmen. Nuraghe heißt wörtlich übersetzt „Steinhaufen“ oder „Höhle“ und wie in einer Höhle fühle ich mich hier unten. Still nehme ich die Eindrücke in mich auf, ein Ort mit magischer Atmosphäre.
lange nach ihrem Eintauchen in das Vergessen der Vergangenheit, ein Denkmal für die Ewigkeit hinterlassen haben. Händler und Seefahrer waren sie, bei den Ägyptern und Phöniziern bekannt, eine hochentwickelte Kultur, die Steinbauten und Schiffe bauen konnte und dennoch eine Fähigkeit nicht beherrschte: das Schreiben. Die Insel ist überzogen mit solchen Bauten. Doch weiß man mangels schriftlicher Überlieferungen nur das Wenige von ihnen, was die Archäologen an Bauwerken ausgegraben und was sie an Keramiken gefunden haben.
Ich steige die nächste Treppe hoch und komme auf eine Plattform. Weit ist der Blick ins Land, weit hinaus in die fruchtbare Ebene, die jetzt im Herbst so trocken und karg scheint. Ein schmaler Durchgang führt mich wieder hinein in das Bauwerk, eine grob behauene Treppe hinab zum Boden des Turmes. Wenig Licht fällt in die Tiefe, eher düster das Licht in den vier Außentürmen. Nuraghe heißt wörtlich übersetzt „Steinhaufen“ oder „Höhle“ und wie in einer Höhle fühle ich mich hier unten. Still nehme ich die Eindrücke in mich auf, ein Ort mit magischer Atmosphäre.

Auf dünnen Beinen stehen sie und haben meist ihren Kopf im Wasser versenkt. Heute ist es grau. Der Wind treibt Wolkenpakete vom Festland her, die sich an der Küste zu einer amorphen Masse aufstauen. Das stört die Flamingos in der Lagune hinter der Strandsichel von Poello recht wenig. Weit zieht sich der Weg um die Lagune herum. Das Schilf biegt sich im Wind und Flamingomama zeigt ihren drei schon halb erwachsenen Kleinen, wo es die besten Krebse gibt. Auch wenn meine Waden von der gestrigen Anstrengung ächzen, schiebt mich der Wind immer weiter. Zahlreichen Joggern und Radfahrern begegne ich auf dem Rundweg. Eine junge Familie auf ihren Rädern kommt mir entgegen. Ich bedauere das kleine Mädchen, das hinter Papa und Mama gegen den Wind strampeln muss. Immer wieder stehen Gruppen von Flamingos im Wasser. Ich schaue über sie hinweg zu den großen Häusern im Westen der Lagune. Rosa gesprenkelt ist die Wasserfläche bis dorthin. Zwei Flamingos fliegen quer über den See. Wie ein Pfeil mit einer dicken Spitze liegen sie in der Luft. Ich wundere mich, dass sie mit ihrem gewaltigen Schnabel überhaupt fliegen können und nicht kopfüber abstürzen. Mit diesem Schnabel durchfurchen sie wie ein Schaufelbagger den Schlamm nach leckeren Krebsen. Und dennoch sehen sie grazil aus, wenn sie auf ihren dünnen Beinen im flachen Wasser stehen. Viele von ihnen sind gerade auf der Durchreise von der Camarque nach Afrika. Aber viele leben auch das ganze Jahr in den flachen Lagunen rechts und links von Cagliari. Jetzt, in der grauen Jahreszeit sind sie ein besonders schöner Blickpunkt in der Landschaft.
Drei Stunden dauert unsere Wanderung entlang der Lagune. Schließlich erreichen wir den Strand von Poello. Es ist der Lieblingsstrand der Jugend von Cagliari. Acht Kilometer lang erstreckt er sich. Ich wundere mich, dass dieser herrliche Strand noch von großen Hotelbauten verschont geblieben ist. Jetzt, im Oktober, sind die Strandliegen schon in der Garage verstaut und die Sonnenschirme eingemottet. Aber an Wochenenden wie diesen zieht es die Jugend an den Strand. Gestern war es windstill, da konnten die Strandschönheiten nochmals ihren knappen Bikini zeigen. Heute weht eine steife Brise. Da ist eher das schicke Strandkleidchen angesagt, um die Blicke der zahlreichen Windsurfer anzuziehen. Ich bin froh, dass ich einen Pullover dabei habe. Immer häufiger verirrt sich jetzt ein Sonnenstrahl durch die Wolkendecke, huscht über den weißen Sand, lässt die Schaumkronen der Wellen aufblitzen, leuchtet die Segel der Windsurfer an, um dann plötzlich in sich zusammen zu sinken und dem Einheitsgrau wieder Raum zu geben.
Warten an der Bushaltestelle. Gegenüber ist eine lange Mauer mit Graffitis geschmückt. Überhaupt: die Graffitis. Die Sarden entpuppen sich für mich als wahre Graffitikünstler. Wo bei uns undefinierbare Krakeleien die Hauswände zieren, schmücken hier Galerien kunstvoller Gemälde unbekannter Künstler triste Fassaden. Ich bin immer wieder überrascht vom Witz und der kreativen Ausgestaltung selbst einfacher Graffitis. Bisweilen würde ich am liebsten den Busfahrer bitten für zwei Minuten anzuhalten, weil ich wieder ein schönes Objekt im Vorbeifahren gesehen habe. Murales werden sie hier genannt.

Eine Stadt hat sogar ihr Stadtzentrum als Freilichtgalerie für Künstler zur Verfügung gestellt: San Sperate. Der Ort ist ein paar Kilometer nördlich von Cagliari gelegen. Eigentlich ist es nur eine große Straßenkreuzung, entlang der sich eine Siedlung sternförmig entwickelt hat. Wir finden auch gleich einen Parkplatz. Ich steige aus dem Auto aus und stehe vor einem Pferd, das mit einem Halfter an einem Ring an der Hauswand angebunden ist. Der Ring und das Halfter sind echt, das Pferd lebensgroß gemalt. Wir machen uns auf die Suche nach dem Skulpturengarten von Pinuccio Sciola, einem der führenden Bildhauer der Gegenwart. Bald verliere ich meine Begleiter aus den Augen. Irgendwie komme ich nicht so recht voran. Murales an vielen Hauswänden. Mal zeigen sie Szenen aus dem bäuerlichen und dörflichen Leben des letzten Jahrhunderts, mal sind es überdimensional große Fotografien von Menschen aus San Sperate, mal sind es expressionistische Kunstwerke oder auch Werke zur gegenwärtigen Politik. Ich bin begeistert. Renate, die als Kunsterzieherin einen ganz besonderen Bezug zu solchen Werken hat, bleibt weit hinter mir zurück, kann sich kaum lösen von der Vielfalt und der Qualität der Murales.
Schließlich erreiche ich den Skulpturengarten. Der Name „Sciola“ ist mit Mosaiksteinen in die Einfahrt eingelassen. Dieser Mann muss Tag und Nacht arbeiten. Anders kann ich mir die große Zahl von Skulpturen aus seiner Hand, die hier aufgestellt sind, nicht erklären. Wir sind allein in dem großen Garten. Eine besondere Spezialität von ihm sind die „pietre sonore“, die Klangsteine. Kalkstein, Basalt und Marmor, jedes Gestein eignet sich für diesen Zweck. Mit Hammer, Meisel und Diamantsäge schneidet er Lamellenmuster in den Stein. Ich streiche mit der Hand über die Lamellen. In die Stille des Mittags steigen Sphärenklänge hoch. Mir scheint, als würde der Stein für mich wie eine zarte Elfe singen. Mal sind es hohe Töne, die ich einer Skulptur entlocke, mal sind es dumpfe Töne. Jede Skulptur entwickelt ihre eigene Stimme. Gerne wäre ich dem Meister begegnet, hätte ihn gefragt und gelobt. Doch seine Werkstatt ist verschlossen. Nur Eidechsen sonnen sich auf den Klangsteinen und saugen die Wärme der Mittagssonne in sich auf. Tagelang könnte ich in diesem Künstlerdorf verbringen, die Gassen mit ihren Murales durch forschen und die Vielzahl unterschiedlicher Künstler in ihrem Atelier besuchen. Dieser Ort alleine ist die Zeitspanne der ganzen Woche wert, die wir auf Sardinien verbringen.
Schließlich erreiche ich den Skulpturengarten. Der Name „Sciola“ ist mit Mosaiksteinen in die Einfahrt eingelassen. Dieser Mann muss Tag und Nacht arbeiten. Anders kann ich mir die große Zahl von Skulpturen aus seiner Hand, die hier aufgestellt sind, nicht erklären. Wir sind allein in dem großen Garten. Eine besondere Spezialität von ihm sind die „pietre sonore“, die Klangsteine. Kalkstein, Basalt und Marmor, jedes Gestein eignet sich für diesen Zweck. Mit Hammer, Meisel und Diamantsäge schneidet er Lamellenmuster in den Stein. Ich streiche mit der Hand über die Lamellen. In die Stille des Mittags steigen Sphärenklänge hoch. Mir scheint, als würde der Stein für mich wie eine zarte Elfe singen. Mal sind es hohe Töne, die ich einer Skulptur entlocke, mal sind es dumpfe Töne. Jede Skulptur entwickelt ihre eigene Stimme. Gerne wäre ich dem Meister begegnet, hätte ihn gefragt und gelobt. Doch seine Werkstatt ist verschlossen. Nur Eidechsen sonnen sich auf den Klangsteinen und saugen die Wärme der Mittagssonne in sich auf. Tagelang könnte ich in diesem Künstlerdorf verbringen, die Gassen mit ihren Murales durch forschen und die Vielzahl unterschiedlicher Künstler in ihrem Atelier besuchen. Dieser Ort alleine ist die Zeitspanne der ganzen Woche wert, die wir auf Sardinien verbringen.
Von San Sperate führt schnurgerade die Straße nach Westen. Wieder einmal erfahre ich, dass Verkehrsregeln außerhalb der Stadt für den Sarden nur Empfehlungscharakter haben. Ein Kegel regt unsere Aufmerksamkeit an. Wir biegen ab und lassen uns von der Straße direkt auf ihn zu führen. Es ist das Castillo de Acquafredda, eine alte Burganlage. Ein Picknick zu ihren Füßen und weiter führt uns unser heutiger Weg.

Igelsias, eine Stadt wird verkauft. Das ist der Eindruck, den ich beim Schlendern durch das Stadtzentrum gewinne. Igelsias war viele Jahrhunderte das Zentrum des Bergbaus von Sardinien. Die Häuser zeugen noch von der wirtschaftlichen Blüte, die im 19. Jahrhundert ihren Höhepunkt erreicht hatte. Silber, Blei, Zink, Kupfer, Eisen und vor allem Kohle wurden seit dem Altertum aus dem Boden gegraben. Noch vor 50 Jahren standen hier die größten Minen Italiens. Heute sind alle Minen geschlossen. Ähnlich dem Ruhrgebiet kämpft die Region mit den Folgen. Es ist kein Zufall, dass Igelsias eine Städtepartnerschaft mit Oberhausen eingegangen ist. Aus Iglesias kam auch die Delegation der demonstrierenden Arbeiter, denen ich am ersten Tag in Cagliari begegnet bin.
„Vendesi“ - „Zu Verkaufen“, selten habe ich in einer Stadt so oft dieses Schild gesehen wie hier. Die wenigen Schuhe, die sich in der Auslage des Schuhgeschäftes verlieren, sprechen eben diese Sprache. Die Fassaden der prachtvollen Palazzi, welche die Straßen säumen, zeugen auch davon. Nur wenige sind so gepflegt, dass auch die Wunden der Zeit beseitigt sind. Wie es drinnen aussieht, wage ich mir nicht auszumalen.
Die Straße nach Süden führt an verlassenen Bergwerken vorbei, durch leere Wohnsiedlungen und entlang der stillgelegten Schmalspurbahn, über die viele Jahrzehnte der Reichtum der Region zum Hafen gebracht wurde. Die Fenster leerer Industriegebäude wirken auf mich wie tote Augen. Der Rost nagt an eisernen Gestängen und hat schon so manche Halle einknicken lassen. Schwarz ragen die beiden Fördertürme der alten Mine von Carbonia hoch. Ihre großen Räder bringen schon lange keine Kohle mehr nach oben. Heute sind sie Teil eines Industriemuseums. Ich kenne die Probleme des Strukturwandels aus meiner saarländischen Heimat. Aber diese Industriebrachen wirken besonders bedrückend auf mich. Natürlich versucht die Regierung, den Strukturwandel zu unterstützen. Aber Sardinien hat heute nicht mehr die strategische Bedeutung als Drehscheibe im Mittelmeer mit den kürzestem Wegen nach Afrika, Italien, Spanien und Mitteleuropa. Die globale Wirtschaft stellt andere Anforderungen an die Infrastruktur.
„Vendesi“ - „Zu Verkaufen“, selten habe ich in einer Stadt so oft dieses Schild gesehen wie hier. Die wenigen Schuhe, die sich in der Auslage des Schuhgeschäftes verlieren, sprechen eben diese Sprache. Die Fassaden der prachtvollen Palazzi, welche die Straßen säumen, zeugen auch davon. Nur wenige sind so gepflegt, dass auch die Wunden der Zeit beseitigt sind. Wie es drinnen aussieht, wage ich mir nicht auszumalen.
Die Straße nach Süden führt an verlassenen Bergwerken vorbei, durch leere Wohnsiedlungen und entlang der stillgelegten Schmalspurbahn, über die viele Jahrzehnte der Reichtum der Region zum Hafen gebracht wurde. Die Fenster leerer Industriegebäude wirken auf mich wie tote Augen. Der Rost nagt an eisernen Gestängen und hat schon so manche Halle einknicken lassen. Schwarz ragen die beiden Fördertürme der alten Mine von Carbonia hoch. Ihre großen Räder bringen schon lange keine Kohle mehr nach oben. Heute sind sie Teil eines Industriemuseums. Ich kenne die Probleme des Strukturwandels aus meiner saarländischen Heimat. Aber diese Industriebrachen wirken besonders bedrückend auf mich. Natürlich versucht die Regierung, den Strukturwandel zu unterstützen. Aber Sardinien hat heute nicht mehr die strategische Bedeutung als Drehscheibe im Mittelmeer mit den kürzestem Wegen nach Afrika, Italien, Spanien und Mitteleuropa. Die globale Wirtschaft stellt andere Anforderungen an die Infrastruktur.
Langsam neigt sich die Sonne dem Horizont zu. Wir folgen der Panoramastraße um die Südspitze der Insel. Noch einmal lässt die Sonne das Wasser gülden leuchten, bevor sie sich hinter dem Schattenriss des Bergkammes für heute verabschiedet. Noch ein letztes Aufleuchten der kleinen Wolken am Himmel und die Nacht hat uns eingenommen. Die Silhouetten der Sarazenentürme, die an den hervorgehobenen Punkten der Küste stehen, begleiten uns. Ihre Aufgabe, die Insel vor Piraten zu schützen, ist schon Jahrhunderte erledigt. Heute sind sie nur noch Zeitzeugen, die von der wechselvollen Geschichte der Insel berichten können.
Wieder einmal ist es einer der letzten Busse, der an diesem Abend bis zu unserem Hotel fährt. Wir sind in einem mediterranen Land. Dafür gibt es ein untrügliches Zeichen: Mittelmeerbewohnern ist das Mobiltelefon am Ohr festgewachsen. Gerne lassen sie ihre Mitmenschen an ihren kleinen Sorgen und Nöten teilnehmen. Eine Hausfrau auf den Nachhauseweg besteigt den Bus, die Hand fest am angewachsenen Mobiltelefon. Ihre Einkaufstaschen stellt sie auf den Sitz neben sich. Gern hätte ich verstanden was sie ihrem Gesprächsteilnehmer mitzuteilen hatte, doch leider fehlen mir die Sprachkenntnisse. Einige Haltestellen später steigt sie aus, immer noch im Gespräch vertieft. Salat sollte es heute Abend geben. Er ist in der Einkaufstasche und fährt nun mit dem Bus weiter, derweil sie nach Hause strebt. Nun hat sie den Salat.
Der letzte Tag. Ein Spruch kommt mir in den Sinn: „Christus kam nur bis Eboli“. Ich wollte in dieser Woche die ganze Insel sehen und kam nur bis Barumini. Es hat lange gedauert, bis ich einen Bezug zu dieser Insel gefunden habe, länger als sonst. Sicher hat dazu beigetragen, dass die Südküste stark touristisch geprägt ist. Aber es sind nicht die anderen Ortes so typischen Hotelburgen oder die Zersiedelung der Landschaft, die mir den Zugang erschwert hätten, sondern die Leere der Feriensiedlungen rund um die Strände, Siedlungen, die jetzt, außerhalb der Saison, wie Totenstädte wirken. Ein Schild am Strand steht mir vor Augen: „Halteverbot vom 20.06. bis 10.09.“. Es scheint fast so, als sei außerhalb dieser Zeit das Leben an der Südküste untersagt. Der Norden und die Inselmitte ist mir im wahrsten Sinne des Wortes verschlossen geblieben. Doch je mehr ich meine Eindrücke sortiere und mich in die Geschichte der Insel hinein versetze, desto mehr wächst der Wunsch, wieder zu kommen. Vielleicht ist der Frühling die bessere Zeit.
Wieder einmal ist es einer der letzten Busse, der an diesem Abend bis zu unserem Hotel fährt. Wir sind in einem mediterranen Land. Dafür gibt es ein untrügliches Zeichen: Mittelmeerbewohnern ist das Mobiltelefon am Ohr festgewachsen. Gerne lassen sie ihre Mitmenschen an ihren kleinen Sorgen und Nöten teilnehmen. Eine Hausfrau auf den Nachhauseweg besteigt den Bus, die Hand fest am angewachsenen Mobiltelefon. Ihre Einkaufstaschen stellt sie auf den Sitz neben sich. Gern hätte ich verstanden was sie ihrem Gesprächsteilnehmer mitzuteilen hatte, doch leider fehlen mir die Sprachkenntnisse. Einige Haltestellen später steigt sie aus, immer noch im Gespräch vertieft. Salat sollte es heute Abend geben. Er ist in der Einkaufstasche und fährt nun mit dem Bus weiter, derweil sie nach Hause strebt. Nun hat sie den Salat.
Der letzte Tag. Ein Spruch kommt mir in den Sinn: „Christus kam nur bis Eboli“. Ich wollte in dieser Woche die ganze Insel sehen und kam nur bis Barumini. Es hat lange gedauert, bis ich einen Bezug zu dieser Insel gefunden habe, länger als sonst. Sicher hat dazu beigetragen, dass die Südküste stark touristisch geprägt ist. Aber es sind nicht die anderen Ortes so typischen Hotelburgen oder die Zersiedelung der Landschaft, die mir den Zugang erschwert hätten, sondern die Leere der Feriensiedlungen rund um die Strände, Siedlungen, die jetzt, außerhalb der Saison, wie Totenstädte wirken. Ein Schild am Strand steht mir vor Augen: „Halteverbot vom 20.06. bis 10.09.“. Es scheint fast so, als sei außerhalb dieser Zeit das Leben an der Südküste untersagt. Der Norden und die Inselmitte ist mir im wahrsten Sinne des Wortes verschlossen geblieben. Doch je mehr ich meine Eindrücke sortiere und mich in die Geschichte der Insel hinein versetze, desto mehr wächst der Wunsch, wieder zu kommen. Vielleicht ist der Frühling die bessere Zeit.