Vom Wind, dem Sand, der Sonne und den Sternen
- durch die Sahara im Süden Marokkos
Februar 2014
"Ich bin Omar von der Kaskade", sagt er, und setzt noch ein einnehmendes Lachen drauf. Seine Zähne blitzen im hellen Licht. Es ist ein sympathisches, ein ansteckendes Lachen. "Seit 31 Jahren lebe ich hier. Wollt ihr einen Tee?" Ja. Wenn es in dieser unwirtlichen Steinwüste eine Oase gibt, dann hier, an diesem Wasserbecken, mit seiner Handvoll grüner Palmen. Eine Wasserstelze zwitschert, lässt sich an einem kleinen Becken nieder und taucht seinen Schnabel ein. Omar schenkt den Tee nach Berberart in hohem Bogen in die kleinen Gläser und wirft ein paar Brocken in das Becken, in das sich der Wasserfall ergießt. Sofort schießen ein paar kleine Fische heran und balgen sich um die kleinen Krumen. Wir lassen uns den warmen Tee munden. Schmal ist die Schlucht, aus der der Wasserfall herunterkommt. Hier unten sammelt sich das Wasser, um dann in wenigen Windungen den Weg zum großen Fluss Draa zu finden. "Ja", sagt er, "Es kommen immer wieder Touristen aus
ganz Europa hier her. Sie lesen im Internet und im Reiseführer von mir und dem Wasserfall. Manche bleiben ein paar Tage." Nur der Wasserfall, der sprudelt im Moment nicht so recht. Lediglich ein schmales Rinnsal fließt den grün bemoosten Felsen hinab. Seit 2 Jahren hat es in diesen Bergen nicht mehr geregnet. "Aber irgend wann wird es wieder regnen. Dann steht der ganze Talkessel fünf Meter unter Wasser,“ so sagt er, „Inschallah." Ich hinterlasse zum Abschied ein paar Worte der Dankbarkeit in seinem Gästebuch und ein paar Dirhams für die nette Bewirtung.
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(Die Markierung zeigt die Region des Trekkings zwischen Mhamid und Foum Zguid)
Oben, am Ende der langen Treppe mit dem roten gemauerten Geländer, das sich am Steilhang hoch zieht, wartet Hüseyin auf uns. Er hat schon das Picknick vorbereitet. Während ich genüsslich mein Brot kaue, ab und zu eine der scharf gewürzten grünen Oliven in den Mund schiebe, dazu einen Kanten Emmentaler, schaue ich hinunter in die Schlucht. Wie mit einem Messer ist sie in den roten Felsen geschnitten, der sich noch weiter hoch über uns türmt. Die Kronen einer Handvoll Palmen schauen aus diesem Ausschnitt heraus. Ich kann gut verstehen, warum Omar sich diesen Ort zum Leben ausgesucht hat. Seine Zeltstatt ist von hier aus nicht zu sehen, dafür die saubere Toilettenanlage mit Himmelsbelüftung, und das Becken mit dem tiefgrünen Wassser, eine Farbe, die meinem Auge in dieser rotbrauen Einöde gut tut. Der Flusslauf ist leer, das Wasser wird über einen schmalen gemauerten Kanal zur Oase am Draa geleitet. Nur Steine im Flussbett, große und kleine, versuchen, sich an dem kargen Sonnenschein, den es heute gibt, zu erwärmen.
Während mein Auge auf dieser Szenerie liegt, wandern meine Gedanken zurück. Hüseyin ist ein geduldiger und aufmerksamer Fahrer. Seit dem wir Marrakesh verlassen haben, fühlen wir uns bei ihm in guten Händen. Er kennt die Straße mit all ihren Schlaglöchern, bleibt bei kritischen Verkehrssituationen gelassen, kennt die schönsten Aussichtspunkt, weiß, wo es windstille Picknickplätze mit Weitblick gibt und geht auf jeden unserer Wünsche ein.
Während mein Auge auf dieser Szenerie liegt, wandern meine Gedanken zurück. Hüseyin ist ein geduldiger und aufmerksamer Fahrer. Seit dem wir Marrakesh verlassen haben, fühlen wir uns bei ihm in guten Händen. Er kennt die Straße mit all ihren Schlaglöchern, bleibt bei kritischen Verkehrssituationen gelassen, kennt die schönsten Aussichtspunkt, weiß, wo es windstille Picknickplätze mit Weitblick gibt und geht auf jeden unserer Wünsche ein.
Hinter Quarzazate, am Fuß des Hohen Atlas, hat der eigentliche Zweck dieser Reise begonnen. Die Straße führt über eine Hügelkette, dann sind wir in die Steinwüste eingetaucht. Irgendwo zwischen Grau und Braun liegt der Farbton, der uns nun begleitet. Nur das schwarze Band der geteerten Straße bietet einen Kontrapunkt. Ab und zu kommt uns ein Fahrzeug entgegen, hoch beladen, oder ein einsamer Radfahrer. Wo mag er wohl hin fahren? Ich kann kein eindeutiges Ziel ausmachen. Die Landschaft scheint menschenleer. Manchmal biegt an einem Hinweisschild mit arabischen Schriftzeichen eine Fahrspur ab, führt einfach nur durch das steinige Gelände. Irgendwo in einem Tal mag ein Haus stehen. Zwischen diesen Steinen gibt es selbst für Ziegen wenig zu finden. Manchmal reckt eine Tamariske ihre Krone hoch, gibt etwas Schatten, ansonsten nur Steine, Steine, Steine. Steine die Berghänge hoch, Steine in den tiefen Schluchten, an deren Kanten die Straße sich nun entlang windet. Steinhaufen rund um die Häuser der kleinen Oase Ait Saoun, dessen bescheidene Gärten sich jetzt im Februar den weißen Schleier der Mandelblüte umgelegt haben.
Wir verlassen die Ebene. Bis auf 1600 Meter schraubt sich die Passstraße in den Djebel Sarhro hoch. Kein Schild weist auf die Passhöhe hin, nur ein kleiner Parkplatz und ein paar Steinpyramiden am Wegesrand.. |
Ein letzter Blick zurück in die Ebene, der starke und kalte Wind lässt mich schnell in den warmen Wagen zurück kehren. Irgendwie grandios ist diese karge Bergwelt schon. Schroffe Hänge, tiefe Schluchten, die Straße muss sich um jede Biegung quälen. LKW kommen uns schnaufend mit schwarz qualmendem Auspuff entgegen. Dann geht es langsam wieder bergab. Ein Schild am Wegesrand, rostig und vom Wind gebeugt. Ich hätte es beinahe übersehen. Doch Hüseyin kennt den Weg und biegt vorsichtig ein. Es ist ein unscheinbarer Weg, ein Weg, der eigentlich nur aus zwei Fahrspuren im Geröll besteht. Nach der Beschreibung im Reiseführer hätte ich einen komfortableren Weg erwartet. Wie eine helle Schlange windet er sich durch das Geröllfeld. Wir sind auf einer welligen Hochebene. Angestrengt suche ich nach einem Zeichen, das uns den Wasserfall anzeigt.
Langsam fällt die Hochebene ab. Wir kommen an den Rand einer gewaltigen Schlucht. Ich bewundere das Werk der Erosion. Nicht nur chaotische Steinwüsten hinterlässt sie, sondern auch wunderschön modellierte Berghänge, wie sie kein Maler besser auf seine Leinwand bannen könnte. Wellen ziehen sich über den Hang, ein Herz krönt eine Kuppe. Selbst an diesem grauen Tag beeindrucken mich die vielfältigen Farbschattierungen des Felsens. Unser kleiner Bus zieht eine lange Staubfahne hinter sich her. Langsam steuert Hüseyin die Serpentinen hinunter. Mein Auge folgt dem Verlauf einer Stromleitung, die von hinten kommt. Tief unten entdecke ich Palmen und die Gebäude der Oase Tizgui im Tal des Draa. Doch kurz vor dem Ort biegt Hüseyin am Friedhof ab, lässt den Fußballplatz hinter sich und hält auf einem kleinen Plateau. Ein rot gemauertes Geländer zeigt mir den Weg zum Wasserfall.
Über eine halbe Stunde hat die Fahrt für die sieben Kilometer von der Landstraße hierher gedauert. Ebenso so lange geht es nun wieder zurück. Fahrzeuge kommen uns entgegen, auch sie von einer Staubfahne begleitet. Es sind geländegängige PKW, aber gut gepflegt. Doch ich sehe keine Touristen in den Fahrzeugen, sondern Berberfamilien. Ich frage Hüseyin, warum wir nicht durch das Draa-Tal weiter gefahren sind, sondern wieder die steilen Serpentinen zurück auf die Hochebene. Er lächelt wissend und deutet auf die Fahrzeuge, die uns gerade entgegen kommen. „Dies ist die einzig befahrbare Straße zu der Oase Tizgui.“ erwidert er. Der Fluss schneidet sich hier in engen Schluchten durch den Djebel Sarhro, den Gebirgszug östlich des Antiatlas, dieser Bergwüste, in die wir gleich hinter Quarzazate eingebogen sind. Zurück auf der Landstraße Richtung Süden führt uns der Weg wieder hinunter ins südliche Draatal.
Langsam fällt die Hochebene ab. Wir kommen an den Rand einer gewaltigen Schlucht. Ich bewundere das Werk der Erosion. Nicht nur chaotische Steinwüsten hinterlässt sie, sondern auch wunderschön modellierte Berghänge, wie sie kein Maler besser auf seine Leinwand bannen könnte. Wellen ziehen sich über den Hang, ein Herz krönt eine Kuppe. Selbst an diesem grauen Tag beeindrucken mich die vielfältigen Farbschattierungen des Felsens. Unser kleiner Bus zieht eine lange Staubfahne hinter sich her. Langsam steuert Hüseyin die Serpentinen hinunter. Mein Auge folgt dem Verlauf einer Stromleitung, die von hinten kommt. Tief unten entdecke ich Palmen und die Gebäude der Oase Tizgui im Tal des Draa. Doch kurz vor dem Ort biegt Hüseyin am Friedhof ab, lässt den Fußballplatz hinter sich und hält auf einem kleinen Plateau. Ein rot gemauertes Geländer zeigt mir den Weg zum Wasserfall.
Über eine halbe Stunde hat die Fahrt für die sieben Kilometer von der Landstraße hierher gedauert. Ebenso so lange geht es nun wieder zurück. Fahrzeuge kommen uns entgegen, auch sie von einer Staubfahne begleitet. Es sind geländegängige PKW, aber gut gepflegt. Doch ich sehe keine Touristen in den Fahrzeugen, sondern Berberfamilien. Ich frage Hüseyin, warum wir nicht durch das Draa-Tal weiter gefahren sind, sondern wieder die steilen Serpentinen zurück auf die Hochebene. Er lächelt wissend und deutet auf die Fahrzeuge, die uns gerade entgegen kommen. „Dies ist die einzig befahrbare Straße zu der Oase Tizgui.“ erwidert er. Der Fluss schneidet sich hier in engen Schluchten durch den Djebel Sarhro, den Gebirgszug östlich des Antiatlas, dieser Bergwüste, in die wir gleich hinter Quarzazate eingebogen sind. Zurück auf der Landstraße Richtung Süden führt uns der Weg wieder hinunter ins südliche Draatal.
Eigentlich hat der Wetterfrosch uns ab hier Sonne und schönstes Frühlingswetter versprochen. Statt dessen biegt ein starker Wind die Palmen, lässt ihre Wedel wie Windhosen flattern und verpasst den trockenen Büschen Zivilisationsblüten. Rot und Grün und Gelb und Blau und Weiß sind diese Blüten und ein Albtraum für jeden, der aus dem gepflegten Europa kommt. Plastiktüten sind es, irgendwo auf dem Müll gelandet, vom starken Wind losgerissen und über die baumlosen Ebenen getrieben, bis sie hier an den zahllosen Büschen am Rande der Oasen hängen bleiben. Noch gibt es in diesem Land kein breites Bewußtsein für Müllvermeidung, noch wird jedes Stückchen Lebensmittel in den vielen kleinen Läden in eine Plastiktüte gepackt, eine der vielen Millionen Plastiktüten, deren Bestimmung es sein wird, einmal einen leeren Busch in der Wüste zu schmücken.
Doch der Wind treibt nicht nur Plastiktüten vor sich her. Es ist diesig. Die Sicht beträgt vielleicht ein, zwei Kilometer. Es sind keine Nebelwolken, die mir die Sicht trüben, sondern Sand, feiner Sand. Er legt sich wie ein Schleier über das Tal. Selbst die Palmen, die bei Sonnenschein in frischem Grün den Lauf des Flusses begleiten und den Menschen Brot und Arbeit geben, stehen fahl im sandgedimmten Nachmittagslicht. Der helle Sand legt sich auf ihre Wedel. Der Oued Draa ist der größte Fluss von Marokko. Vor Jahrmillionen hat er sich seinen Weg zum Atlantik gebahnt, um dorthin das Wasser der Schneeschmelze des Hohen Atlas zu bringen. Er hat sich seinen Weg durch die Bergwelt des Djebel Sarhro geschnitten, sich über Hunderte von Kilometern bis an die Meeresküste gewunden und hat den Menschen entlang des Flusses eine Lebensgrundlage geschaffen. Auf Bildern aus dem Weltall ist der ganze Flusslauf deutlich zu sehen. Doch die Wüste lebt. Sie wandert unermüdlich nach Norden. Was die trockene Wüstenluft nicht verdunstet, fängt der Mensch in einem großen Stausee bei Quarzazate auf. Er lässt dem Fluss genügend Wasser für die Bewirtschaftung der Oasen, die wie Perlen auf einer Gebetskette entlang des Flusses von Agzd bis hinunter nach Zagora aufgereiht sind. Irgendwo hinter Zagora versickert der letzte Tropfen im Sand der Sahara. Den Rest des Weges zeichnet heute nur noch ein Wadi, der Trockenfluss, nach.
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Wie sehr habe ich mich auf den Anblick der grünen Oasen gefreut. Es ist gerade die Zeit der Mandelblüte. Im Hohen Atlas habe ich schon die Pracht der weißen und rosafarbenen Blüten genossen. Doch heute ist die Sicht eingetrübt. Schon am frühen Nachmittag scheint die Dämmerung hereingebrochen zu sein. In manchen Ortsschaften, die wir passieren, sehe ich die Straßenlampen brennen. Fein wie Puderzucker ist der Sand, den der Wind aus den Dünenlandschaften der Sahara heran weht. Er ist kaum spürbar und liegt doch überall, dringt durch jede Ritze. Ich ziehe mein Halstuch über Mund und Nase.
Von Agdz bis Zagora zieht sich die Landstraße durch viele Oasen. Hier konzentriert sich Leben in der Wüste. Die Farbe Braun kennzeichnet das Ortsbild. Die niedrigen Gebäude sind aus Stampflehm errichtet. Fast jedes Dorf ziert eine zerfallene Kasbah mit den vier konischen Ecktürmen, die typisch für diesen Teil Marokkos sind. Früher waren es befestigte Dörfer, die Häuser eng aneinander gerückt. Die neue breite Autostraße zerreisst das geschlossene Erscheinungsbild, rückt den Mittelpunkt des dörflichen Lebens hin zur geteerten Durchgangsstraße. Es ist früher Nachmittag. Die Jugend tummelt sich in bunten Trikots auf den Fußballplätzen. Im Ort hocken die alten Männer im Schatten der Häuser. An der Durchgangsstraße gibt es viel zu sehen. Morgens sitzen sie auf der östlichen Straßenseite, mit der Sonne und dem Schatten wandern sie nachmittags auf die westliche.
Von Agdz bis Zagora zieht sich die Landstraße durch viele Oasen. Hier konzentriert sich Leben in der Wüste. Die Farbe Braun kennzeichnet das Ortsbild. Die niedrigen Gebäude sind aus Stampflehm errichtet. Fast jedes Dorf ziert eine zerfallene Kasbah mit den vier konischen Ecktürmen, die typisch für diesen Teil Marokkos sind. Früher waren es befestigte Dörfer, die Häuser eng aneinander gerückt. Die neue breite Autostraße zerreisst das geschlossene Erscheinungsbild, rückt den Mittelpunkt des dörflichen Lebens hin zur geteerten Durchgangsstraße. Es ist früher Nachmittag. Die Jugend tummelt sich in bunten Trikots auf den Fußballplätzen. Im Ort hocken die alten Männer im Schatten der Häuser. An der Durchgangsstraße gibt es viel zu sehen. Morgens sitzen sie auf der östlichen Straßenseite, mit der Sonne und dem Schatten wandern sie nachmittags auf die westliche.
"52 Tage bis Tombouktu". So weit wollen wir zwar nicht auf unserer Reise, aber den blauen Himmel auf dem Wandgemälde, den wünsche wir uns schon für die nächsten Tage. Karawanen haben ihre Strecke nicht in Kilometern sondern in Tagen gemessen. Zagora war ein wichtiger Handelsplatz für die Völker in der Sahara. Hier kreuzten sich einst zwei wichtige Karawanenstraßen. Das alte Schild am Ortseingang, inzwischen wieder aufgehübscht, erinnert daran. Nachdem die modernen Transportmittel die Karawanen ins Reich der Geschichte verwiesen hatten, war Zagora in einen Dornröschenschlaf gefallen. Der Saharatourismus hat die Stadt wieder aus diesem Schlaf erweckt. Es gibt inzwischen sogar einen kleinen Flughafen.
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Marrakesh liegt zwei Tage und 360 Kilometer hinter uns. Ich freue mich auf die Dusche im Riad. Wir verabschieden uns von Hüseyin, unserem geduldigen Fahrer. Er will heute wieder zurück nach Marrakesh, oder zumindest so weit, bis ihn der Schlaf einholt. Den Tag beenden wir bei köstlichem Essen am prasselnden Kaminfeuer, derweil der Wind über die Dachterrasse des Riad fegt.
Wir sind zur Dachterrasse hoch gestiegen, um den neuen Tag zu begrüßen. Um uns herum Stille. Aus einigen Schornsteinen steigt Rauch hoch. Stumm horchen die Parabolspiegel der zahllosen Fernsehanlagen in den Himmel. Ein Hahn, irgendwo im Gewirr der Häuser und Gassen, durchbricht die Stille. Ein zweiter antwortet. Ein Esel schließt sich dem Chor an. Er hört sich an wie ein alter, ungeschmierter Pumpenschwengel. Vielleicht sollte er mal seine Stimme ölen oder etwas Kreide fressen. Neben mir lässt sich ein kleiner Vogel auf dem Mauerwerk aus gestampftem Lehm nieder. Sein Kopf trägt braunweiße Federn. Er schaut mir neugierig zu, erwartet ein paar Brotkrumen, die ich ihm so früh noch gar nicht liefern kann. Die Dämmerung mag so gar nicht dem neuen Tag weichen. Immer noch ist die Luft sandschwanger, mischt sich mit dem dünnen Kaminrauch. Von hier oben habe ich einen schönen Blick über den Ort Amezrou und den Palmengarten dieser Oase. Die Ruinen des alten Ksar, des befestigten Dorfes, ragen aus dem Meer der niedrigen Häuser heraus. Ein Moped knattert die Straße entlang.
Der Himmel ist versandet. Sand ist überall. Er legt sich auf die Blätter und die Blüten, er legt sich auf die Mauern, er legt sich auf die Kleidung und die Haut. Nur die zahllosen Fliegen scheint er nicht zu behelligen. Hier in den Gärten der Oase schwirren sie um mich herum und setzen sich auf die Stellen der Haut, die der Staub noch nicht belegt hat.
Der Himmel ist versandet. Sand ist überall. Er legt sich auf die Blätter und die Blüten, er legt sich auf die Mauern, er legt sich auf die Kleidung und die Haut. Nur die zahllosen Fliegen scheint er nicht zu behelligen. Hier in den Gärten der Oase schwirren sie um mich herum und setzen sich auf die Stellen der Haut, die der Staub noch nicht belegt hat.
"Bonjour." Abdullah begrüßt uns. Mit seinem weißen Tuch, das er in der Art der Berber um seinen Kopf geschlungen hat, und seinem zerfurchten Gesicht, scheint er wie eine Gestalt aus einem orientalischen Märchen. Er lacht mich an und erzählt auf sympathische Art von seinen 40 Jahren in einer französischen Kohlegrube. Nun, da er 68 Jahre alt ist, verbringt er seinen Lebensabend in den Gärten der Oase, von denen er auch einen sein Eigen nennt. Er führt uns zu der Düne jenseits des Bewässerungskanals. "Folgt mir" sagt er und schlängelt sich durch einen dünnen Schilfzaun. Hier hat sich die Wüste ihren Teil des Dorfes wieder geholt. Mit solchen Zäunen und der Anpflanzung von Tamarisken versuchen die Dorfbewohner, der weiteren Verwüstung Einhalt zu gebieten. Es ist ein Projekt der deutschen Entwicklungshilfe. Oben auf der Düne sehe ich weit in die Wüste hinaus. Um mich herum Palmen, deren Stamm schon meterhoch im Sand steckt. "Hier waren vor einigen Jahren noch blühende Gärten," sagt Abdullah. Auf dem Rückweg ins Dorf zeigt er uns sein Haus, erzählt von seinem Sohn, den fünf Töchtern und den vielen Enkelkindern, auf die er stolz ist. Eines von ihnen kommt zögernd heran, ein Dreikäsehoch, der dem Opa gerade bis knapp über die Knie reicht. Ich schenke ihm einen Keks, den ich in der Tasche habe. Ein Fehler, wie sich später heraus stellt. Denn kaum haben wir uns von Abdullah verabschiedet und sind in die nächste Gasse eingebogen, da umringen uns ein Dutzend Kinder aus dem Dorf. Sie fordern lautstark Bonbons, Kugelschreiber und Dirhams. Sie kennen keine Distanz, zerren an unseren Kleidern. Obwohl ich es nicht möchte, muss ich deutliche Worte sagen, um sie auf Abstand zu halten. Nur drei kleine begleiten uns stumm auf unserem Weg durch den alten Ksar.
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Am frühen Nachmittag steigen wir um in den Bus zu der Wandergruppe, die heute aus Marrakesh kommt. Wir lassen Amezrou hinter uns. Die Straße wird schmal, nur einspurig geteert. Der Sand in der Luft lässt sie vor meinen Augen mit der Landschaft zerfliessen. Meine Gedanken folgen ihrem Verlauf nach Süden. 90 Kilometer und 2 Stunden sind es noch bis Mhamid, unserem Tagesziel, Mhamid, der Ort an der algerischen Grenze, Mhamid, der Ort, wo die Teerstraße endet, Mhamid, der Ort, an dem unsere Wanderung beginnt.
Hinter Zagora ist die Perlenkette der Oasen dünn geworden. Noch einmal steigt die Straße eine Hügelkette hoch, verlässt das Tal des Draa, der sich wasserlos durch eine enge Schlucht quält. Gelbe Schilder stehen am Wegesrand: "Sie sind in der Wüste." Sie mahnen zu sparsamen Umgang mit Wasser und bitten darum, den Abfall nicht im Wüstencamp liegen zu lassen, sondern wieder mitzunehmen. Wenigstens die Wüste soll sauber bleiben.
In Mhamid ist Markttag. Die kurze Straße ist dicht bevölkert. Der Fahrer hält kurz, um noch ein paar Kanister Wasser einzuladen, dann geht die Fahrt weiter. Hinter den letzten Häusern endet der Teer. Die Straße geht in eine Fahrspur über, die sich alsbald teilt. Auf einem Hügel sehe ich ein schönes Camp. Berberzelte stehen dort. "Übernachtung im Camp" stand in der Reisebeschreibung. Doch der Fahrer lässt das Camp rechts liegen und steuert eine Gruppe von Dromedaren auf dem nächsten Hügel an. Wir sind am Ende der motorisierten Anreise. Noch ehe wir alle ausgestiegen sind, packen ein paar Berber schon unser Reisegepäck auf die Rücken der Dromedare. Mit Ruhe und Gelassenheit lassen diese es über sich ergehen. Während ich ein paar Fotos mache, sehe ich in den Augenwinkeln den Bus Richtung Mhamid entschwinden. Seit Quarzazate bin ich zwei Tage der Nabelschnur des Lebens durch die Wüste gefolgt, dem wasserreichen Draa. Nun ist die Nabelschnur gekappt. Jetzt gibt es keine Rückkehr mehr. Fünf Tage Wüstenwanderung liegen vor mir.
In Mhamid ist Markttag. Die kurze Straße ist dicht bevölkert. Der Fahrer hält kurz, um noch ein paar Kanister Wasser einzuladen, dann geht die Fahrt weiter. Hinter den letzten Häusern endet der Teer. Die Straße geht in eine Fahrspur über, die sich alsbald teilt. Auf einem Hügel sehe ich ein schönes Camp. Berberzelte stehen dort. "Übernachtung im Camp" stand in der Reisebeschreibung. Doch der Fahrer lässt das Camp rechts liegen und steuert eine Gruppe von Dromedaren auf dem nächsten Hügel an. Wir sind am Ende der motorisierten Anreise. Noch ehe wir alle ausgestiegen sind, packen ein paar Berber schon unser Reisegepäck auf die Rücken der Dromedare. Mit Ruhe und Gelassenheit lassen diese es über sich ergehen. Während ich ein paar Fotos mache, sehe ich in den Augenwinkeln den Bus Richtung Mhamid entschwinden. Seit Quarzazate bin ich zwei Tage der Nabelschnur des Lebens durch die Wüste gefolgt, dem wasserreichen Draa. Nun ist die Nabelschnur gekappt. Jetzt gibt es keine Rückkehr mehr. Fünf Tage Wüstenwanderung liegen vor mir.
"Auf geht es". Gesagt, getan. Ahmed, unser Wanderführer, marschiert los. Die Dromedarführer animieren ihre Tiere, sich mit ihrer Last zu erheben. Acht Dromedare sind es. Die kleine Karawane setzt sich in Bewegung. Wir sind etwas irritiert. Renate und ich sind ja erst vor zwei Stunden zugestiegen, aber der Rest der Gruppe ist schon seit heute morgen 6:00 Uhr unterwegs. Wo sind die Schlafzelte? Andererseits: nach so vielen Stunden im Bus tut Bewegung gut. Also folgen wir Ahmed.
Die Schuhe hinterlassen deutliche Spuren im Sand. Immer noch weht ein kräftiger Wind, zum Glück von hinten. Das gibt Schub und Atemfreiheit. Direkt vor mir liegt das trockene Tal des Draa. Steine, rund gewaschen zu großen Kieseln, unzählige ihrer Art liegen zu meinen Füßen im Flussbett, rund geschliffen vom langen Weg im Wasser. Mir fällt auf, dass viele Steine zerbrochen sind. Sie geben ihr Inneres preis, schöne Strukturen, manche wie Eier mit Inhalt. Wind und Sand haben die Fläche glatt geschliffen. Ich beobachte, dass immer wieder einer der Dromedarführer sich bückt, einen Stein hebt, prüfend anschaut, und wieder fallen lässt. Ob er wohl nach Achaten Ausschau hält oder nach Versteinerungen. Der Djebel Sorhra ist voll von ihnen, und der Draa kommt von dort.
Noch wandern einige "Zivilisationsblüten" mit uns. Aber je weiter wir uns von Mhamid entfernen, desto weniger werden sie und bald lassen wir auch die Plastiktüten hinter uns. Der Boden ist ausgetrocknet, der Lehm nach langer Trockenheit gerissen. Breit ist das Flussbett. Eine Bewegung am Horizont. Doch es sind keine Gazellen, sondern zwei Esel, die dort laufen. Mal bleiben sie stehen, äugen zu uns herüber, mal laufen sie weiter Dann verschwinden sie irgendwo zwischen den Büschen. Ich sehe keine Häuser, nichts. Ob sie wohl verwildert sind?
Die Schuhe hinterlassen deutliche Spuren im Sand. Immer noch weht ein kräftiger Wind, zum Glück von hinten. Das gibt Schub und Atemfreiheit. Direkt vor mir liegt das trockene Tal des Draa. Steine, rund gewaschen zu großen Kieseln, unzählige ihrer Art liegen zu meinen Füßen im Flussbett, rund geschliffen vom langen Weg im Wasser. Mir fällt auf, dass viele Steine zerbrochen sind. Sie geben ihr Inneres preis, schöne Strukturen, manche wie Eier mit Inhalt. Wind und Sand haben die Fläche glatt geschliffen. Ich beobachte, dass immer wieder einer der Dromedarführer sich bückt, einen Stein hebt, prüfend anschaut, und wieder fallen lässt. Ob er wohl nach Achaten Ausschau hält oder nach Versteinerungen. Der Djebel Sorhra ist voll von ihnen, und der Draa kommt von dort.
Noch wandern einige "Zivilisationsblüten" mit uns. Aber je weiter wir uns von Mhamid entfernen, desto weniger werden sie und bald lassen wir auch die Plastiktüten hinter uns. Der Boden ist ausgetrocknet, der Lehm nach langer Trockenheit gerissen. Breit ist das Flussbett. Eine Bewegung am Horizont. Doch es sind keine Gazellen, sondern zwei Esel, die dort laufen. Mal bleiben sie stehen, äugen zu uns herüber, mal laufen sie weiter Dann verschwinden sie irgendwo zwischen den Büschen. Ich sehe keine Häuser, nichts. Ob sie wohl verwildert sind?
Am anderen Ufer führt der Weg durch ein Gestrüpp trockener Büsche. Dann folgt ein Dünenfeld. Irgendwo zwischen den Dünen ragt die weiße Spitze eines Zeltes hervor. Es wird langsam dunkel. Eine Stunde sind wir gewandert. Wir sind im ersten Camp angekommen. Jetzt heißt es noch schnell, das Schlafzelt aufzubauen. Jedes Pärchen hat sein eigens Zelt. Auf- und Abbau müssen wir nun jeden Tag selbst bewerkstelligen. Die Schlafzelte sind grüne Farbtupfer zwischen den Dünen. Ich setze meine Stirnlampe auf und erschrecke. Kleine Mücken scheinen sich im Strahl der Stirnlampe zu tummeln. Kleine Mücken? Nein, nach dem ersten Schreck die Erkenntnis: Sand. Sand ist in der Luft, feiner Sandstaub. Ich spüre ihn nicht beim Atmen, ich spüre ihn nicht im Mund. Aber er ist da, allgegenwärtig.
Es riecht verführerisch. Nach dem Zeltaufbau finden wir uns mit Ahmed im Gemeinschaftszelt ein. Der zweite Ahmed im Kreis, unser Koch, hat uns ein Abendessen gezaubert. Der Tisch ist eine Decke auf dem Boden, die Stühle sind die Schlafmatten, und für Rückenlädierte zwei Hocker. Herrlich duftet der Louisa, der Eisenkrauttee, schmackhaft und gut für den Schlaf und die Verdauung. Die Wandergruppe ist nicht groß, 10 Personen. Wir sitzen eine Zeitlang im Gemeinschaftszelt zusammen, bevor der Schlaf uns in die Zelte treibt. Der Tag war lang und anstrengend. Das Thema des ersten Abends: Gibt es Skorpione und Schlangen? Natürlich sind die Ängste da.
Der Sand liegt in der Luft, lässt keine Sterne durch. Er lässt aber auch die Temperaturen in dieser Nacht nicht ganz so tief sinken. Während der Nacht muss ich mal das Zelt verlassen. Das fahle Licht des Mondes, gedämpft durch den Sand in der Luft, taucht die Dünen und die Landschaft in ein unwirkliches Licht. Wo ist der viel gerühmte klare Sternenhimmel der Wüste? Nur der Wega gelingt es, ihr Licht zu mir zu senden. Ich verharre für einen Moment im Freien, höre die Schlafgeräusche im Camp. Doch schon nach wenigen Metern hinter der Düne bin ich allein in der Stille der Einsamkeit. Den Rest der Nacht schlafe ich tief und fest.
Es riecht verführerisch. Nach dem Zeltaufbau finden wir uns mit Ahmed im Gemeinschaftszelt ein. Der zweite Ahmed im Kreis, unser Koch, hat uns ein Abendessen gezaubert. Der Tisch ist eine Decke auf dem Boden, die Stühle sind die Schlafmatten, und für Rückenlädierte zwei Hocker. Herrlich duftet der Louisa, der Eisenkrauttee, schmackhaft und gut für den Schlaf und die Verdauung. Die Wandergruppe ist nicht groß, 10 Personen. Wir sitzen eine Zeitlang im Gemeinschaftszelt zusammen, bevor der Schlaf uns in die Zelte treibt. Der Tag war lang und anstrengend. Das Thema des ersten Abends: Gibt es Skorpione und Schlangen? Natürlich sind die Ängste da.
Der Sand liegt in der Luft, lässt keine Sterne durch. Er lässt aber auch die Temperaturen in dieser Nacht nicht ganz so tief sinken. Während der Nacht muss ich mal das Zelt verlassen. Das fahle Licht des Mondes, gedämpft durch den Sand in der Luft, taucht die Dünen und die Landschaft in ein unwirkliches Licht. Wo ist der viel gerühmte klare Sternenhimmel der Wüste? Nur der Wega gelingt es, ihr Licht zu mir zu senden. Ich verharre für einen Moment im Freien, höre die Schlafgeräusche im Camp. Doch schon nach wenigen Metern hinter der Düne bin ich allein in der Stille der Einsamkeit. Den Rest der Nacht schlafe ich tief und fest.
Rhythmischer Trommelschlag hilft mir am frühen Morgen, den Weg in den neuen Tag zu finden. Achmed, hat sich die Überraschung ausgedacht. Vor unserem Zelt steht für jeden eine kleine Schüssel mit einem knappen Liter kesselheißem Wasser. Morgenwäsche ist angesagt. Ich lerne schnell, mit wenig Wasser mich ausreichend zu waschen. Wasser ist ein wertvolles Gut in der Wüste. Für die Spülung der Zähne und der Zahnpasta genügen zwei Mundvoll Wasser aus der Flasche.
Ahmed, unser Wanderführer, ruft uns zusammen. Er drückt jedem ein blaues Tuch in die Hand. Wir werden eingekleidet. Er macht es vor, ich mache es nach. Ich lege das Tuch von der einen Schulter zur anderen über den Kopf, rechts kurz, links lang. Dann nehme ich das lange Ende, schlinge es um den Hals, führe es weiter zum Ohr, drehe das verbleibende Ende zu einem Strick zusammen, führe es weiter im Kreis um den Kopf herum und stopfe den letzten Zipfel in die so entstandene Krone. Jetzt noch das andere freie Ende am Hals eingesteckt und fertig ist der Cheche, der traditionelle Kopfbedeckung der Berber. Dies ist eine Art, den Cheche zu binden. Es gibt noch viele andere. Aber diese hier ist am einfachsten zu erlernen. Es ist erstaunlich, er sitzt wirklich fest. Nun heißt es Zelt abbauen, Gepäck zur Sammelstelle bringen, Frühstücken, dann gibt Ahmed das Zeichen zum Aufbruch. Die Dromedarführer bleiben mit dem Koch zurück. Sie werden die kürzeste Route zum nächsten Camp nehmen. Nur einer von ihnen begleitet uns mit den beiden Reitdromedaren. |
Die Luft ist trübe. Der Wind treibt immer noch Sand über das Land. Wir laufen über Spuren ehemaliger Felder und überqueren einen alten Bewässerungskanal. Von oben kann ich zwischen den Palmen eine Handvoll Häuser des alten Mhamid sehen. Der Kanal ist versandet, eine Düne versucht gerade, ihn zu überqueren. Hier ist schon lange kein Wasser mehr geflossen. Zwei Röhren ragen aus dem Boden. Es ist ein alter Ofen. In seinem Inneren stapelt sich Müll. Hier wurde schon lange nichts mehr gebacken.
Langsam lassen wir die verödeten Felder hinter uns, die Häuser verschwinden im Dunst des sandigen Windes. Der sandige Boden weicht einem Steinfeld. Lang zieht es sich hin. Aber ich kann hier besser laufen, als auf dem Sand. Der Boden ist fest. Überall Steine, Steine bis zum Horizont, der irgendwo im Dunst vor mir liegt.
Langsam lassen wir die verödeten Felder hinter uns, die Häuser verschwinden im Dunst des sandigen Windes. Der sandige Boden weicht einem Steinfeld. Lang zieht es sich hin. Aber ich kann hier besser laufen, als auf dem Sand. Der Boden ist fest. Überall Steine, Steine bis zum Horizont, der irgendwo im Dunst vor mir liegt.
So ein Dromedar ist schon ein besonderes Tier. Wenn es geht und wenn es sitzt, immer strahlt es für mich Würde aus. Und erst recht sein Gang. Ich laufe hinter einem Tier her und beobachte die Beine. Langsam hebt es seinen linken hinteren Fuß, zieht ihn mit der Bewegung seines schweren Körpers nach vorne und setzt ihn, kurz nachdem der Vorderfuß vorgezogen wird, bedächtig wieder ab. Dann wiederholt sich das Ganze auf der rechten Seite. Kein Geräusch entsteht, wenn es die breite Sohle auf den Boden aufsetzt und einen kleinen Stein umschließt. Die Sohle ist weich, hat ein schwieliges Polster. Das Dromedar ist dabei die Ruhe selbst. Nur das Niederlegen und das Aufstehen scheint ihm zu widerstreben. Dafür wälzt es sich aber ausführlich am Boden, wie gestern Abend, wenn es seiner schweren Dreizentnerlast enthoben wurde. Dann scheint sein ganzes Körpergewicht zu dem Gewicht einer Feder zu schrumpfen. Ich verliere mich in meinen Gedanken und lasse mich von dem Gang des Wüstenschiffes weiter ziehen.
Ich stoße mit meinem Fuß an einen Stein. Er bricht auseinander. Den dünnen Riss in dem handgroßen Kieselstein habe ich gar nicht bemerkt. Jetzt offeriert er mir sein Herz, schön gemasert, umgeben von einer hellen Schale. Einst war er ein starker Fels irgendwo im Gebirge. Abgebrochen und im Fall zerkleinert hat das Wasser ihn bis hierher getragen, hat ihn rund und glatt geschliffen. Nun wird die Erosion ihr Werk fortsetzen. Der fortwährende Wind mit dem feinen Sand wirkt wie Schmirgelpapier. Irgendwann in vielen Dutzend oder Hundert Jahren werden auch diese zwei Brocken wieder glatt und rund sein. Was dabei abgetragen wird, gesellt sich als Sandkorn zu den vielen anderen und wird mal eine große Düne mit auf bauen helfen. Nirgendwo sonst konnte ich bislang das Werk der Erosion so deutlich beobachten. Die großen Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht und die fehlende Vegetation, welche die schnelle Erwärmung und Abkühlung nach Sonnenaufgang und Sonnenuntergang begünstigt, beschleunigen die Verwitterung.
Vor mir taucht ein großes Dünenfeld auf. Die Gruppe ist mir weit voraus. Spuren im Sand. Ich folge ihnen, die Düne hoch. Noch sind sie gut zu erkennen. Der breite Abdruck des Dromedars, kreisrund und zwei große Zehen, die tiefen Eindrücke von Wanderschuhen mit ihrer markanten Sohle. Ein Schritt vor den anderen. Doch der Wind arbeitet, legt Sand über die Spuren, bricht ihre Kanten. Bald wird nichts mehr zu sehen sein von den Spuren der zwei Dromedare und der zwölf Menschen, die hier lang kamen. Flüchtige Spuren in der Weite der Wüste.
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Meine Gedanken und mein Fotoapparat halten mich immer wieder auf. Aus einer Düne ragt eine breite Mauer hoch, dahinter steht ein kleines Gebäude. Ich habe das Marabout Sidi Naji erreicht. Hier mitten in der Wüste, lebte vor Jahrhunderten ein Geistlicher, Sidi Naji. Er gründete eine religiöses Zentrum, das in dieser Region eine hohe Bedeutung erlangte. Stattliche Gebäude wurden gebaut. Als er starb, wurde ihm ein Grabmal aus festem Stein errichtet, das Marabout. Während die aus Lehm gebauten Häuser der Schule im Laufe der Jahrhunderte vom Zahn der Zeit abgenagt wurden und der Sand sich des Geländes wieder bemächtigte, wurde das Marabout zu einer Pilgerstätte. Einmal im Jahr findet hier ein Fest der Nomaden statt. Heute ist kein Festtag. Dennoch ist plötzlich viel Leben in der Wüste. Drei Trekkinggruppen errichten gerade ihr Camp rund um das Grabmal. Da das Marabout in dieser Einöde eine Besonderheit darstellt, ist es Anziehungspunkt und Lagerplatz für die meisten Trekkinggruppen. Überall stehen Dromedare herum, ein Geländewagen kommt mir entgegen. Unser Camp liegt gut tausend Meter hinter dem Marabout. Die weiße Spitze des Küchenzeltes ist mein Orientierungspunkt. Die Dünen geben Sichtschutz. Der Wind und der Sand dämmen die Geräusche. Im Camp sind wir für uns alleine.
Wir müssen aufpassen beim Aufbau der Zelte. Der starke Wind treibt den Sand in Fahnen über die Düne. Die beiden Eingänge müssen so stehen, dass kein Sand ins Innere weht., Ganz ist es nicht zu vermeiden. Die Gepäcktasche, die ich gerade neben mich gestellt habe, ist schon von einem leichten Sandschleier überzogen. Aber sie ist dicht, der Sand bleibt außen vor.
"Zirp, Zirp" ruft es von draußen. "Zirp Zirp", eine zweite Stimme antwortet. Vor mir hüpft ein Vogelpärchen im beigen Gewand. Ein edles Gefieder, so scheint mir, mit schwarzer Krone auf dem Haupt. Sie fragen mich, ob ich ein paar Brotkrumen für sie habe. Leider nicht, muss ich antworten. So ziehen sie weiter ihres Weges, ein Sperlingspärchen, ein Wüstenspatz. Schau an, so edel können Spatzen sich kleiden.
Gewürzdüfte aus dem Küchenzelt locken mich an. "Kommt herein" werden wir eingeladen. Ahmed thront vor seinen drei Gaskochern und bereitet das Abendessen. Younes, der Küchenjunge, geht ihm zur Hand. Er spricht etwas deutsch. Dank ihrer Fürsorge werden wir in der Wüste nicht verhungern. Couscous gibt es heute und gedämpftes Gemüse dazu. Mohammed und Mahmud gesellen sich auch zu uns. Mohammed ist aus Mhamid. Von der Landwirtschaft kann er schon lange nicht mehr leben. Der Wüstentourismus gibt seiner Familie ein bescheidenes Einkommen. Langsam legt sich die Dämmerung über unser Camp. Ich bedanke mich für die freundliche Einladung, möchte nicht länger beim Kochen stören.
Ab und zu lässt ein Dromedar einen Ruf erschallen. Es ist Paarungszeit.Gern würden sie ihrem Instinkt folgen und den Weg zu ihrem heimischen Pferch zurück laufen. Aber die Kniefessel hindert sie daran. So bleibt ihnen nichts, als nur majestätisch vor mir zu stehen.
Es regnet. Tatsächlich, es regnet. Zuerst hört es sich für mich so an, als rüttele der Wind wieder an den Plastiksäcken. Doch die Tropfen trommeln auf das Zeltdach. Dem Geräusch nach ein kräftiger Landregen. Ich springe aus dem Zelt, um beim Schutz des Gepäcks zu helfen. Matratzen, Satteltaschen und Sättel, Rucksäcke und Reisetaschen liegen noch draußen. Aber der kräftige Landregen entpuppt sich als kurzer Nieselschauer. Nach ein paar Minuten ist alles vorbei. In der Trockenheit der Wüste ist das wenige Wasser schnell verdunstet.
"Zirp, Zirp" ruft es von draußen. "Zirp Zirp", eine zweite Stimme antwortet. Vor mir hüpft ein Vogelpärchen im beigen Gewand. Ein edles Gefieder, so scheint mir, mit schwarzer Krone auf dem Haupt. Sie fragen mich, ob ich ein paar Brotkrumen für sie habe. Leider nicht, muss ich antworten. So ziehen sie weiter ihres Weges, ein Sperlingspärchen, ein Wüstenspatz. Schau an, so edel können Spatzen sich kleiden.
Gewürzdüfte aus dem Küchenzelt locken mich an. "Kommt herein" werden wir eingeladen. Ahmed thront vor seinen drei Gaskochern und bereitet das Abendessen. Younes, der Küchenjunge, geht ihm zur Hand. Er spricht etwas deutsch. Dank ihrer Fürsorge werden wir in der Wüste nicht verhungern. Couscous gibt es heute und gedämpftes Gemüse dazu. Mohammed und Mahmud gesellen sich auch zu uns. Mohammed ist aus Mhamid. Von der Landwirtschaft kann er schon lange nicht mehr leben. Der Wüstentourismus gibt seiner Familie ein bescheidenes Einkommen. Langsam legt sich die Dämmerung über unser Camp. Ich bedanke mich für die freundliche Einladung, möchte nicht länger beim Kochen stören.
Ab und zu lässt ein Dromedar einen Ruf erschallen. Es ist Paarungszeit.Gern würden sie ihrem Instinkt folgen und den Weg zu ihrem heimischen Pferch zurück laufen. Aber die Kniefessel hindert sie daran. So bleibt ihnen nichts, als nur majestätisch vor mir zu stehen.
Es regnet. Tatsächlich, es regnet. Zuerst hört es sich für mich so an, als rüttele der Wind wieder an den Plastiksäcken. Doch die Tropfen trommeln auf das Zeltdach. Dem Geräusch nach ein kräftiger Landregen. Ich springe aus dem Zelt, um beim Schutz des Gepäcks zu helfen. Matratzen, Satteltaschen und Sättel, Rucksäcke und Reisetaschen liegen noch draußen. Aber der kräftige Landregen entpuppt sich als kurzer Nieselschauer. Nach ein paar Minuten ist alles vorbei. In der Trockenheit der Wüste ist das wenige Wasser schnell verdunstet.
Langsam senkt sich die blasse Scheibe der Sonne zum Horizont. Sie hat heute keine Kraft, den vom Wind aufgewirbelten Sand zu durchstoßen. Ihre Scheibe mit den vielen Ringen, welche die sandige Luft ihr verpasst hat, wirkt eher wie der Saturn. Zumindest hat nun der starke Wind nachgelassen, so dass ich im Freien sitzen kann. Ahmed erzählt, dass er einmal eine Reisegruppe begleitet hat, die fünf Tage nur Sandsturm hatte. Ich bin optimistisch, dass die Sonne morgen wieder kräftig scheint, oder übermorgen.
Es ist lausig kalt. Ich ziehe meine Jacke über den Schlafsack und kuschle mich in mich zusammen, soweit es geht. Irgendwann muss ich dann doch raus. Es ist sternenklar. Im Osten ein heller Schein, klein wie eine Kuppel. Es sind die Lichter von Mhamid. Der Mond steht tief am Himmel. Sein Licht beleuchtet die Dünen und taucht sie in eine Farbe, die irgendwo zwischen lila und rot liegt, eine Art Dämmerlicht. Es erinnert mich an Draculafilme und Geisterszenen. Ein Dromedar gibt ein brummiges Geräusch von sich. Ob Dromedare wohl schnarchen? Die Kälte treibt mich alsbald wieder in meinen Schlafsack. Ich packe alle meine Kleidungsstücke auf mich und finde mich bald im Reich der Träume wieder. Ich erinnere mich selten an meine Träume, auch in dieser Nacht nicht.
Es ist lausig kalt. Ich ziehe meine Jacke über den Schlafsack und kuschle mich in mich zusammen, soweit es geht. Irgendwann muss ich dann doch raus. Es ist sternenklar. Im Osten ein heller Schein, klein wie eine Kuppel. Es sind die Lichter von Mhamid. Der Mond steht tief am Himmel. Sein Licht beleuchtet die Dünen und taucht sie in eine Farbe, die irgendwo zwischen lila und rot liegt, eine Art Dämmerlicht. Es erinnert mich an Draculafilme und Geisterszenen. Ein Dromedar gibt ein brummiges Geräusch von sich. Ob Dromedare wohl schnarchen? Die Kälte treibt mich alsbald wieder in meinen Schlafsack. Ich packe alle meine Kleidungsstücke auf mich und finde mich bald im Reich der Träume wieder. Ich erinnere mich selten an meine Träume, auch in dieser Nacht nicht.
Dromedare sind neugierige Tiere. Nicht dass sie dabei aufdringlich wären. Nein. Gerade haben sie ihr Futter bekommen. Nun kauern sie am Boden und beobachten mich in meinem Tun. Ihre Augen sind wachsam, der Kopf bewegt sich dabei langsam. Gemütlich schauen sie aus, als könnten sie keiner Fliege etwas zu Leide tun. Nur als ich einem mit meiner Hand zu nahe an den Kopf komme, schreckt es unwillig zurück, brummelt und zeigt mir seine gelben Zähne. Es sollte mal seine Zähne gründlich putzen, denke ich mir.
Ich schaue es mir näher an. So, wie es mich jetzt anschaut, liegt nichts Bösartiges in seinem Blick. Die großen runden Augen sind braun und glasklar. Die kleinen Ohren muten wie kleine Flauschbüschel an und seine zarten Lippen verraten nicht, dass es im Kampf um ein Weibchen auch kräftig zubeißen kann. Mir scheint eher, dass ich einen aus der Fassung geratenen Teddybär vor mir habe.
Ich schaue es mir näher an. So, wie es mich jetzt anschaut, liegt nichts Bösartiges in seinem Blick. Die großen runden Augen sind braun und glasklar. Die kleinen Ohren muten wie kleine Flauschbüschel an und seine zarten Lippen verraten nicht, dass es im Kampf um ein Weibchen auch kräftig zubeißen kann. Mir scheint eher, dass ich einen aus der Fassung geratenen Teddybär vor mir habe.
Schon bald hinter dem Camp verlassen wir die Sanddünen. Vor mir liegt ein weites Feld. Steinreich sind die Berber hier, Stein reich im wahrsten Sinne des Wortes. Obwohl der Boden flach ist, muss ich jeden meiner Schritte sorgfältig setzen. Auch wenn mich der Wind immer noch von hinten antreibt, so wie die vielen Sandkörner, so ist die Sonne doch endlich angekommen. Langsam steigt sie vom Horizont aus immer höher, wandert im Bogen Richtung Westen. Mein Schatten wird immer kürzer. Wieder finde ich schöne Steine, von der Erosion geformt, vom Nachtfrost gespalten. Wie kalt es werden kann, habe ich ja in dieser Nacht erfahren. Nun merke ich, wie schnell die Sonne den Boden und die Landschaft aufheizt. Schon bald muss ich meinen Anorak ablegen. Ich trage wieder den Cheche. Ich weiß seine Vorzüge zu schätzen. Er schützt besser vor Sonne, Wind und Sand als meine viel geliebte Mütze.
Flach ist die Ebene und weit. Die Sonne steigt immer höher. 4 Grad Celsius waren es heute Nacht, das Thermometer steigt auf 42 Grad Celsius. Keine schattenspendende Tamariske weit und breit. Mechanisch laufe ich weiter. Immer wieder das gleiche Bild. Runde Steine, zerbrochene Steine. Nein, die Sahara ist im Wesentlichen keine Sandwüste. Vielleicht ein Fünftel von ihr ist von Sand bedeckt, der Rest ist Steinwüste und Bergwüste. Vor der Abreise habe ich im Internet versucht mich schlau zu machen, was die Wüste als Wüste charakterisiert. Leichter gefragt, als beantwortet. Der Begriff "Wüste" ist sehr unbestimmt. Der Klimageograph hat eine andere Definition, als der Hydrogeograph und der wieder eine andere als der Geomorphologe. Ich erinnere mich, was unser Wanderführer bei der letzten Reise gesagt hat: Wüste heißt zuerst einmal Trockenheit, Abwesenheit von Wasser. Offiziell sagt man in Marokko, dass dort Wüste ist, wo es weniger als 200 mm Niederschlag im Jahr gibt. Ich denke daran, dass es diese Menge bei uns bisweilen an einem einzigen Tag gibt. Gewiss, tief im Boden fließen auch hier Grundwasserströme. Diese werden von den Tamarisken und den Akazien mit ihren bis zu dreißig Meter tief reichenden Wurzeln angezapft. An den wenigen Stellen, an denen das Grundwasser an die Oberfläche kommt, sind fruchtbare Oasen entstanden, Inseln des Lebens mitten in der menschenfeindlichen Trockenheit. Vor meinem geistigen Auge sehe ich das Wasser fließen und sich in die Gärten der Oase ergießen, so wie ich es schon einige Male erlebt habe. Gedankenfetzen, die zu mir fliegen in dieser weiten schattenlosen Ebene.
Flach ist die Ebene und weit. Die Sonne steigt immer höher. 4 Grad Celsius waren es heute Nacht, das Thermometer steigt auf 42 Grad Celsius. Keine schattenspendende Tamariske weit und breit. Mechanisch laufe ich weiter. Immer wieder das gleiche Bild. Runde Steine, zerbrochene Steine. Nein, die Sahara ist im Wesentlichen keine Sandwüste. Vielleicht ein Fünftel von ihr ist von Sand bedeckt, der Rest ist Steinwüste und Bergwüste. Vor der Abreise habe ich im Internet versucht mich schlau zu machen, was die Wüste als Wüste charakterisiert. Leichter gefragt, als beantwortet. Der Begriff "Wüste" ist sehr unbestimmt. Der Klimageograph hat eine andere Definition, als der Hydrogeograph und der wieder eine andere als der Geomorphologe. Ich erinnere mich, was unser Wanderführer bei der letzten Reise gesagt hat: Wüste heißt zuerst einmal Trockenheit, Abwesenheit von Wasser. Offiziell sagt man in Marokko, dass dort Wüste ist, wo es weniger als 200 mm Niederschlag im Jahr gibt. Ich denke daran, dass es diese Menge bei uns bisweilen an einem einzigen Tag gibt. Gewiss, tief im Boden fließen auch hier Grundwasserströme. Diese werden von den Tamarisken und den Akazien mit ihren bis zu dreißig Meter tief reichenden Wurzeln angezapft. An den wenigen Stellen, an denen das Grundwasser an die Oberfläche kommt, sind fruchtbare Oasen entstanden, Inseln des Lebens mitten in der menschenfeindlichen Trockenheit. Vor meinem geistigen Auge sehe ich das Wasser fließen und sich in die Gärten der Oase ergießen, so wie ich es schon einige Male erlebt habe. Gedankenfetzen, die zu mir fliegen in dieser weiten schattenlosen Ebene.
Renate ist weit vor mir. Sie wartet auf mich, zeigt mir ein paar Tonscherben. Sie stammen von einem zerbrochenen Krug. Der Henkelansatz ist noch zu sehen. Doch wie kommt er hierher? Ich schaue auf den Boden, finde weitere Scherben. Jetzt erst realisiere ich, dass der Boden damit übersät ist. Ahmed stößt zu uns. Unsere fragenden Blicke beantwortet er sofort. Wir sind auf einer uralten Karawanenstraße unterwegs. Einige Dutzend Kilometer von hier durchschneidet ein Tal die langgezogene Bergkette „Hamada du Draa“, die die Grenze zu Algerien bildet. Durch dieses Tal konnten die Karawanen ihren Weg von der Atlantikküste ins Innere Afrikas nehmen. Wahrscheinlich war hier ein traditioneller Lagerplatz. Kleine Karawanen bestanden aus bis zu 50 Tieren, große umfassten bis zu 1.000 Dromedare. Doch die Zeit der Karawanen ist vorbei. Zurück blieben nur die Scherben.
Erst glaube ich an ein Spielchen. Irgend jemand hat ein paar weiße Steine und Hölzchen zu einer Figur in der Größe eines Kindes zusammengelegt. Doch dann erschaudere ich. Ich stehe vor den Resten eines menschlichen Skelettes. Ein zweites liegt daneben, ein drittes ein paar Meter weiter quer dahinter. Und dahinten ein Dromedarskelett. Nur wenig ragt aus dem Boden. Irgendwann scheint sich hier eine Tragödie ereignet zu haben. Eine Gruppe vielleicht, die in einen furchtbaren Sandsturm geraten ist? Oder eine Familie, die nicht mehr rechtzeitig den rettenden Brunnen gefunden hat? Ahmed spricht davon, dass es unweit von hier ein großes Gräberfeld gibt, doch ein Dromedar findet sich nicht auf einem Grabfeld. Lange Zeit müssen die Körper hier schon liegen. Der Sand hatte sie bedeckt, der Wind hat die Erde wieder abgetragen und die Konturen glatt geschliffen. Ein Mahnmal der Lebensfeindlichkeit der Wüste.
Ich gehe weiter mit vielen Gedanken in meinem Kopf. Wir sind alleine in dieser weiten Landschaft. Doch wir haben Verbindung mit der Zivilisation. Dank GPS und Mobiltelefonen können wir uns in einer Notlage orientieren und Hilfe herbei rufen. Doch beides gibt es erst seit wenigen Jahren. Während wir in gewisser Weise in geschützten Rahmen durch die Wüste reisen, waren die Menschen den Naturgewalten in früheren Zeiten schutzlos ausgeliefert. In der Wüste rächt sich jeder Fehler in der Vorbereitung. Zu wenig Wasser bedeutet den sicheren Tod. Zu wenig Futter für die Dromedare ebenso. Der Tod dieser Menschen war sicher qualvoll nach langen Stunden und Tagen der Hoffnung. Das ist Wüste. Ich erschaudere.
Erst glaube ich an ein Spielchen. Irgend jemand hat ein paar weiße Steine und Hölzchen zu einer Figur in der Größe eines Kindes zusammengelegt. Doch dann erschaudere ich. Ich stehe vor den Resten eines menschlichen Skelettes. Ein zweites liegt daneben, ein drittes ein paar Meter weiter quer dahinter. Und dahinten ein Dromedarskelett. Nur wenig ragt aus dem Boden. Irgendwann scheint sich hier eine Tragödie ereignet zu haben. Eine Gruppe vielleicht, die in einen furchtbaren Sandsturm geraten ist? Oder eine Familie, die nicht mehr rechtzeitig den rettenden Brunnen gefunden hat? Ahmed spricht davon, dass es unweit von hier ein großes Gräberfeld gibt, doch ein Dromedar findet sich nicht auf einem Grabfeld. Lange Zeit müssen die Körper hier schon liegen. Der Sand hatte sie bedeckt, der Wind hat die Erde wieder abgetragen und die Konturen glatt geschliffen. Ein Mahnmal der Lebensfeindlichkeit der Wüste.
Ich gehe weiter mit vielen Gedanken in meinem Kopf. Wir sind alleine in dieser weiten Landschaft. Doch wir haben Verbindung mit der Zivilisation. Dank GPS und Mobiltelefonen können wir uns in einer Notlage orientieren und Hilfe herbei rufen. Doch beides gibt es erst seit wenigen Jahren. Während wir in gewisser Weise in geschützten Rahmen durch die Wüste reisen, waren die Menschen den Naturgewalten in früheren Zeiten schutzlos ausgeliefert. In der Wüste rächt sich jeder Fehler in der Vorbereitung. Zu wenig Wasser bedeutet den sicheren Tod. Zu wenig Futter für die Dromedare ebenso. Der Tod dieser Menschen war sicher qualvoll nach langen Stunden und Tagen der Hoffnung. Das ist Wüste. Ich erschaudere.
Wieder bin ich weit zurück gefallen, habe die Gruppe aus den Augen verloren. Nun sehe ich Ahmed, der von der Höhe eines neuen Dünenfeldes nach mir Ausschau hält. Er hat ein sorgsames Auge auf uns. Hinter der Düne ist die Gruppe bereits mit den Vorbereitungen für das Picknick beschäftigt. Eifrig werden Tomaten gewaschen, Gurken und Orangen geschält. Oliven werden auspackt und saure Gurken. Auf einem Teller häufen sich die Sardinen aus der Büchse. Der organische Abfall wird ein paar Meter weiter auf den Boden geworfen. Es gibt hier viele hungrige Mäuler, angefangen bei unseren Dromedaren, die aber erst mal zurück geschickt werden zu ihrem Lagerplatz hinter der schattigen Tamariske. Papier wird gesammelt und Metall und Plastik getrennt davon. Letzteres wird uns begleiten bis zum Ende unserer Reise, um auf einer Mülldeponie ordnungsgemäß entsorgt zu werden. Das Papier wird am Ende unseres Aufenthalts verbrannt, hier, wie jeden Morgen beim Abbruch des Camps. Nichts darf zurück bleiben. Schon bald gesellt sich Besuch zu uns. Zwei Krähen beäugen uns aus sicherer Entfernung. Etwas frecher ist da schon das Spatzenpärchen, das sich aber dann doch anders besinnt und unsere Abreise abwartet. Selbst drei Libellen umkreisen uns. Wo die wohl her kommen? Auch Schwarzkäfer kommen die Düne herab gelaufen, hinterlassen ihre typische Spur, die an die Spuren von Raupenfahrzeugen erinnern.
Ich stehe auf und schüttele die Brotkrümel von meiner Hose. Einige Hundert Meter weiter bewegen sich einige Gestalten aus dem Schatten eines Busches heraus. Es ist eine der Wandergruppen, die in der vergangenen Nacht in unserer Nähe am Marabout Sidi Naji campiert hatten. Unser weiterer Weg führt durch ein großes Dünenfeld. Ich steige auf den Rücken des Reitdromedares.
Ich stehe auf und schüttele die Brotkrümel von meiner Hose. Einige Hundert Meter weiter bewegen sich einige Gestalten aus dem Schatten eines Busches heraus. Es ist eine der Wandergruppen, die in der vergangenen Nacht in unserer Nähe am Marabout Sidi Naji campiert hatten. Unser weiterer Weg führt durch ein großes Dünenfeld. Ich steige auf den Rücken des Reitdromedares.
Langsam wiegt sich das Dromedar in seinem Gang. Dort, wo es nicht möglich ist, die sichelförmigen Wanderdünen zu umgehen, weil sich zwischen ihnen schon Sand angesammelt hat, steigen wir auf den Dünenkamm hoch, folgen ihm bis zu einer abgeflachten Stelle, an der das Dromedar gefahrlos wieder auf den Boden der Ebene zurück kann. Der Blick vom Rücken des Tieres reicht weiter. Deutlich erkenne ich jetzt die Bergkette im Süden, die Algerien von Marokko trennt. Die sandgeschwängerte Luft der vergangenen Tage hatte diesen Blick vernebelt. Jetzt zeichnet sich die Kette klar gegen den blauen Himmel ab. Langsam werden die Dünen kleiner und wir kehren wieder auf die Lehmfläche der Ebene zurück.
Eigentümlich ist nun die Geländeform. Tamarisken und Dornenbüsche haben sich angesiedelt. Manche noch mit Blattwerk, viele andere vertrocknet. Sie haben einen Kegel aus Lehm um ihre Stämme, vielleicht einen halben bis einen ganzen Meter hoch. Wie kleine Inselchen scheinen sie auf der Ebene zu schwimmen. Ich lächele in mich hinein. Sie erinnern mich an ein leckeres Dessert aus Frankreich, Eierschaum auf Vanillesoße, sinnigerweise Ile Flottante genannt, schwimmende Insel. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen. Merkwürdige Assoziationen kommen einem in der Wüste.
Eigentümlich ist nun die Geländeform. Tamarisken und Dornenbüsche haben sich angesiedelt. Manche noch mit Blattwerk, viele andere vertrocknet. Sie haben einen Kegel aus Lehm um ihre Stämme, vielleicht einen halben bis einen ganzen Meter hoch. Wie kleine Inselchen scheinen sie auf der Ebene zu schwimmen. Ich lächele in mich hinein. Sie erinnern mich an ein leckeres Dessert aus Frankreich, Eierschaum auf Vanillesoße, sinnigerweise Ile Flottante genannt, schwimmende Insel. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen. Merkwürdige Assoziationen kommen einem in der Wüste.
Immer wieder siedeln sich neue Tamarisken und Dornenbüsche auf dieser Ebene an. Mir ist schleierhaft, woher sie das Wasser, ihr Lebenselixier beziehen. Doch kaum hat sich aus dem Samen ein Sprössling gebildet, dann beginnt ein Wettlauf. Sand stellt sich ein, den der Wind von weit her getragen hat. Findet der Sprössling genügend Feuchtigkeit, dann kann er wachsen, schneller wachsen als der Sand, der sich zu ihm gesellt. Dann hat er eine Chance, zu einem der Bäume heranzuwachsen, die als Solitäre in dieser Ebene stehen und Mensch wie Tier Schatten spenden. Doch verliert er diesen Wettlauf, dann beginnt aus dem kleinen Sandhäufchen eine Düne zu wachsen. In der Mitte türmt sie sich hoch, während der Wind rechts und links sichelförmige Flanken bildet. An der Windseite wird der Sand fest, auf der windabgewandten Seite des Kammes bleibt er locker. Immer neue Sandkörner fallen den kleinen Hang hinab und tragen zum weiteren Aufbau der Düne bei. So bildet sich langsam ein Wellenmeer, so wie jenes, in das ich gerade hinein gehe. Und genau so geht die Ebene langsam wieder in ein Dünenfeld über.
Vor mir ragt der Erg Zefer steil in die Höhe. Um ihn herum ein Wellenmeer aus vielen Hundert Dünen. Glückliche Düne, so lautet die Übersetzung seines Namens. Warum ? Ich weiß es nicht. Der Ursprung seines Namens verliert sich im Dunkel der Geschichte. Zu seinen Füßen sehe ich zwei weiße Spitzen, die Zelte unseres Camps. Wir haben unser heutiges Ziel erreicht. 17 Kilometer zeigt die GPS-Messung für den heutigen Weg an.
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Dünen, Dünen, Dünen, immer mehr Dünen. Ich stapfe den Dünenkamm hinter unserem Zelt hoch. Es ist eine der größten Dünen auf diesem Feld. Je höher ich komme, desto weiter reicht der Blick. Nach Norden und Süden ziehen sich endlos die Sichel der Dünen, scheinen ineinander gestapelt und aufeinander gelegt. Die Sonne taucht die Flanken in rotwarmes Licht. Scharf zeichnet sich der Dünenkamm ab. Die sonnenabgewandte Seite ist bereits tief dunkel. Kein Kamm ist gerade. Im kühnen Bogen wellen sich die großen Dünen, die kleineren fließen eher dahin. Wellen laufen die Flanke hoch, der Kamm kräuselt sich. Meine Füße sinken in den Sand ein, werden festgehalten von den vielen kleinen Körnern. Auf meiner Seite des Kamms ist der Sand noch relativ trittfest, auf der anderen Seite ist er ganz locker. Bricht ein Stück des Kamms unter meinem Fuß ein, so rutscht eine kleine Lawine auf der lockeren Flanke nach unten. Nur langsam komme ich voran. Der Sand will mich schier festhalten, nicht nach oben lassen. Immer wieder drehe ich mich um, bewundere die Formenvielfalt der Dünen und die Licht- und Farbspiele, welche die Sonne in der späten Stunde zaubert.
Die Sonne neigt sich langsam dem Horizont zu. Auf dem Erg Zefer.vor uns wird es langsam eng. Wieder haben einige Trekkinggruppen ihr Lager rund um die Glückliche Düne aufgeschlagen. Man trifft sich immer wieder an solch heraus ragenden Punkten in der weiten Wüstenlandschaft. Wie Zinnen einer Burg sind die Wanderer dort oben aufgereiht. Wir bleiben da doch lieber auf unserer Hausdüne. Heute ist der Feuervogel Phönix nach vielen Jahrhunderten wieder auf der Welt erschienen. Eine große Wolke liegt am westlichen Himmel, zeichnet in meiner Fantasie die Gestalt des Feuervogels nach. Je tiefer die Sonne sinkt, desto deutlicher erscheint die Gestalt vor dem dunkelblauen Himmel, wird von den gelben und orangen Tönen erfasst und entflammt schließlich für einen Moment im feurigen Rot. Dies ist der Moment, wo Phönix wieder verbrennt. Nun ja, ich habe etwas zu dem ägyptischen Mythos dazu gedichtet. Das Ganze hat sich ja bekanntlich bei Sonnenaufgang abgespielt. Aber genauso hätte es sein können. Es ist auf jeden Fall ein wunderschönes Schauspiel, das sich meinen Augen bietet.
Langsam kehren die Dromedare wieder ins Lager zurück und legen sich zur Nachtruhe nieder. Mit einem Juchei trete ich die Rückkehr von der Dünenspitze an, laufe durch den lockeren Sand die Düne hinunter. Der Sand gibt nach, rutscht mit mir mit. Dreißig, vierzig Meter lasse ich im Nu hinter mir.
Wieder werde ich von einem verführerischen Duft angelockt. Über eine kleine Düne führt der Weg, dann stehe ich vor einem Erdofen. Lahcen, einer der Dromedarführer, hat dort ein Feuer angefacht. Es gibt hier genügend trockenes Holz. Es ist sehr hart, brennt lange und gibt eine große Hitze. Im Erdofen liegt eine Pfanne mit dem Boden nach oben, darauf ein duftendes Brot, das sich gerade aufbläht. Ich nehme dankend ein Stück Brot an, das mir Mohammed hin hält. Es ist noch warm, duftend warm. Frisches Brot in der Wüste, damit habe ich nicht gerechnet.
Heute wandert Younes mit der Trommel durch das Camp. Er ruft uns zum Frühstück. Unserem Zelt gegenüber strebt die Sonne hoch in den neuen Tag. Ich bleibe etwas sitzen und genieße das Schauspiel. Erst ist es ein heller Schein, der einen kleinen Bogen über dem Kamm der langgezogenen Düne abbildet. Dann wird der Schein immer intensiver und breiter, bis sich endlich die Sonnenscheibe gemächlich über den Kamm schält. Der Hang hinter unserem Zelt erglüht im warmen Licht. Feuerrot ist der Sand für einen Moment, bevor die Farbe langsam wieder verblasst. Die Wellen im Sand scheinen zu fließen. Es ist wärmer als gestern und absolut windstill. Ein Moment der besonderen Art, den ich dankbar in mich aufnehme.
Ich muss schon wieder feststellen, dass so ein Dromedar etwas Majestätisches an sich hat. Die Tiere haben eben ihr Futter bekommen. Ich beobachte Schlitzohr, mein Reitdromedar. Ich nenne ihn inzwischen Schlitzohr, weil sein rechtes Ohr eingeschlitzt ist. In stoischer Ruhe kauert er vor seinem Frühstück. Langsam senkt er den Kopf, nimmt sorgsam das Futter mit seinen weichen Lippen ins Maul, als handele es sich um ein rohes Ei. Den verhältnismäßig kleinen Kopf reckt er dann hoch in die frische Morgenluft, um den Hafer und die Futterdatteln zu zerkleinern, bevor sie in seinen Magen wandern. Er bewegt dabei sorgsam seine Kiefern, fast so, als wolle es jedes Gerstenkorn einzeln schmecken. Ein Genießer ist mein Schlitzohr. Diese Zeremonie wird so lange wiederholt, bis der Frühstückstisch abgeräumt ist. Er lässt sich auch nicht davon stören, dass Mohammed und Mahmud ihm derweil die Packtaschen anlegen. Dann erhebt er sich mit einem tiefen Murren, steht auf, streckt den kurzen Schwanz etwas zurück und, naja, es gibt in der Wüste ja keine Dromedartoilette. Sein Dung ist geruchlos, zumindest hier im Freien.
Schlitzohr muss sich dann doch wieder niederknien, damit ich aufsteigen kann. Dromedare tragen, im Gegensatz zu unseren Nutztieren, keine Namen. Während die Gruppe sich aufmacht, um den Erg Zefer, die Glückliche Düne, zu besteigen, habe ich mich entschlossen, gemeinsam mit der Karawane ein Stück des Weges durch die Dünenlandschaft zu ziehen. Die letzten Seile werden über dem Rücken der Dromedare zurecht gezurrt. Zum Schluss kommt noch ein wichtiges Gut bei einem der Tiere oben drauf: Zwei Eierkartons mit frischen Eiern. Schließlich sollen wir auch weiterhin jeden Morgen Eierpfannkuchen bekommen.
Langsam setzen sich die Tiere in Bewegung. Jeder Dromedarführer hat zwei Tiere, die angeleint sind. Er geht vorne weg, die Tiere folgen ihm geduldig. Wir umrunden Dünen, durchqueren Lehmwannen und steigen auch so manche Düne hoch und wieder runter. Ich bewundere die Balancierfähigkeit dieser Tiere. Sie haben eh schon lange Beine. Über ihren Rücken sind die Satteltaschen gespannt und darauf weiteres Gepäck gestapelt: unsere Reisetaschen, die großen Zelte, die Küchenutensilien, Lebensmittel und Wasser, einfach alles, was wir zum Leben in der Wüste brauchen. Auf den nächsten 150 Kilometern gibt es keinen Einkaufsladen, wo man schnell mal etwas holen könnte.
In stoischer Ruhe bewegen sich die Tiere durch das Gelände. Der Dromedarführer sucht für sie die flacheste Route aus. So ziehen wir im Wiegeschritt durch die Dünen. Allmählich werden sie höher. Eine Umgehung ist nicht möglich. Langsam folgt Schlitzohr Mohammed die Düne hoch. Seine breiten Füße sinken in den Sand ein, finden Halt, sinken trotz des höheren Gewichtes, das sie tragen müssen, nicht tiefer ein, als die von Mohammed. Sand wirbelt hoch, wenn er den Fuß hebt. Aber Schlitzohr ist trittsicher. Wir folgen dem Dünenkamm. Weit in der Ferne sehe ich unsere Gruppe hoch oben auf dem Erg Zefer im Gegenlicht. Hart zeichnen sich ihre Gestalten vom blauen Himmel ab, ebenso hart wie die Kante der Düne. Schlitzohr hat kein Auge für solche Dinge, ihn interessieren wohl mehr die Tamarisken und das Dünengras in seiner Nähe. Die Karawane hat nun eine flache Stelle gefunden, um wieder die Düne zu verlassen. Steil neigt Schlitzohr seinen Kopf nach unten, ich muss mich weit nach hinten legen. Der Sand rutscht, aber Schlitzohr balanciert sofort aus und bleibt gelassen.
Eine Stunde brauchen wir für dreieinhalb Kilometer. Dann bleibt Mohammed mit den beiden Reitdromedaren stehen. Der Rest der Karawane zieht weiter. Sie werden uns am Nachmittag mit aufgebauten Zelten und dampfendem Tee erwarten, irgendwo dort in der Ferne. Ich blicke in die weite Landschaft. Der Boden ist flach wie eine Scheibe, der Lehm getrocknet und gerissen. Tamarisken ragen aus der Landschaft heraus, Sand hat sich an ihnen meterhoch angehäuft. Die Küchenkarawane verschwindet langsam zwischen diesen Inseln im trockenen Meer.
Ich gebe Mohammed ein Zeichen, dass ich absteigen möchte. Von hier aus will ich wieder zu Fuß mit der Gruppe weiter wandern. Was nun beginnt, erinnert mich an einen Klappmechanismus. Mohammed zieht den Kopf von Schlitzohr am Seil weit herunter. Dies ist das Zeichen für ihn, sich nieder zu lassen, eine Prozedur, die er eigentlich gar nicht mag. Zuerst knickt Schlitzohr sein erstes Kniegelenk ein. Der schwere Körper neigt sich weit nach vorne und ich nach hinten. Dann knicken die Hinterbeine ein, tief runter. Ich muss mich weit nach vorne beugen, um nicht ab zu rutschen. Zum Schluss knickt noch das zweite vordere Beingelenk ein, Dromedare haben zwei Beingelenke. Das ist bei diesen langen Beinen auch erforderlich. Nun kann ich endlich vom Sattel rutschen, habe wieder festen Boden unter meinen eigenen Füßen.
Ich gebe Mohammed ein Zeichen, dass ich absteigen möchte. Von hier aus will ich wieder zu Fuß mit der Gruppe weiter wandern. Was nun beginnt, erinnert mich an einen Klappmechanismus. Mohammed zieht den Kopf von Schlitzohr am Seil weit herunter. Dies ist das Zeichen für ihn, sich nieder zu lassen, eine Prozedur, die er eigentlich gar nicht mag. Zuerst knickt Schlitzohr sein erstes Kniegelenk ein. Der schwere Körper neigt sich weit nach vorne und ich nach hinten. Dann knicken die Hinterbeine ein, tief runter. Ich muss mich weit nach vorne beugen, um nicht ab zu rutschen. Zum Schluss knickt noch das zweite vordere Beingelenk ein, Dromedare haben zwei Beingelenke. Das ist bei diesen langen Beinen auch erforderlich. Nun kann ich endlich vom Sattel rutschen, habe wieder festen Boden unter meinen eigenen Füßen.
Die Sonne hat ihren Scheitelpunkt erreicht, mein Schatten ist kurz. Seit einer Stunde wandere ich über die Ebene. Das Feld mit den Tamarisken habe ich schon lange hinter mir gelassen. Nur noch vertrocknete Büsche begleiten mich. Stumm ragen ihre letzten Äste kahl am knorrigen Stamm aus dem Boden, von Wind und Sand geschliffen und geformt. An jedem Stein, an jedem kleinen Stamm sammelt sich der Sand, den der Wind heran trägt. Merkwürdige Formen beobachte ich. Da liegt ein daumendicker Kieselstein, der einen Schweif hinter sich zieht. Ein langer Sandkamm, miniklein und doch beständig. Vielleicht die Geburt einer neuen Düne? An einem vertrockneten kleinen Dornenbusch, hat sich auch Sand gesammelt. Hier bildet er ein Wellenmuster, so wie auf einer schrägen Scheibe, wenn ein Platzregen Wassermassen fallen lässt, die gar nicht schnell genug die Scheibe verlassen können, sich selbst überholend und immer neue Wellen bildend. Der Wind trägt immer wieder neuen Sand heran, stündlich, täglich, wöchentlich. Sobald der Sand irgendwo Halt gefunden hat, entwickelt er Bodenständigkeit, will da bleiben, krallt sich fest an seinem Nachbarn. Hier haben sich noch keine Dünen gebildet, aber überall sehe ich die ersten Anzeichen. Vielleicht weht ein starker Sandsturm die zarten Gebilde schnell wieder weg, trägt den Sand an andere Stellen. Vielleicht hat sich hier in zehn oder zwanzig Jahren ein neues Dünenfeld gebildet. Wer weiß. Die Wüste ist in ständiger Bewegung.
Ein Ruf weckt mich aus meinen Gedanken. "Die Wüste lebt!". Tatsächlich, ein blühendes Geviert, vielleicht zehn Quadratmeter groß. Steppenkerzen stehen dort, kniehoch, die Büsche vereinzelt, die Blätter an den Stengeln hochgeschossen und mit weißen Blüten. Ein kleines Wunder des Lebens in der Wüste. Ich stehe und staune. Woher haben die Pflanzen ihr Lebenselixier bekommen? Warum gerade hier? Vielleicht der kurze Regen vor kurzem. Ein großer Schwarzkäfer zieht eilig seine Spur zwischen denPflanzen . Wir haben ihn wohl aufgeschreckt.
Vor mir kommt ein neues Dünenfeld in Sicht. Langsam werden die Dünen größer. Ich hänge weit hinter der Gruppe zurück, sie ist bereits in den Dünen verschwunden. Plötzlich erfasst mich ein Gefühl der Einsamkeit. Weit geht mein Blick hinaus in die Landschaft: Blau ist die Bergkette im Süden, blau ist die Bergkette im Norden, rot und braun die Ebene. Viele Kilometer sind die Berge entfernt. Kein Ton dringt zu mir. Es ist still, einfach nur still. Plötzlich habe ich das Gefühl allein zu sein, wirklich allein in dieser riesigen Wüste. Nein, Angst ist es nicht. Einfach nur das Gefühl alleine zu sein. Ich empfinde, wie klein ich Menschenkind doch auf diesem großen Planeten bin. Ich könnte immer weiter laufen. Dann sehe ich Ahmed. Er wartet auf einer Düne auf mich.
Eine weit ausladende Tamariske bietet uns den Schatten für unsere Rast. Drei Meter hoch hat der Sand ihren Stamm schon eingehüllt, die herunterhängenden Äste ergriffen und fest in seiner sandigen Zange verankert. Der dicke Ast, der vor vielen Jahren vielleicht mal die Schaukel eines Berberkindes hielt, ist jetzt in willkommener Sitzplatz für mich. Renate erwartet mich schon. Datteln, Feigen und Nüsse machen die Runde. Es ist heiss geworden. Meine Wasserflasche leert sich. Tamarisken und Akazien sind Überlebenskünstler in der Wüste. Tief reichen ihre Wurzeln ins Erdreich, bis sie Grundwasser finden. Andere Wurzeln liegen wie dünne langgestreckte Drähte auf dem Sand, um den Morgentau aufzunehmen. Schlitzohr kaut genüsslich an der Tamariske, wie jedes mal, wenn bei einer Rast etwas Essbares in der Nähe ist. EIn Schwarzkäfer hat sich eine Erdnuss von mir geben lassen. In Windesweile hat er sie gefuttert. |
Am Nachmittag erreichen wir wieder das Flussbett des Draa. Grau ist der Flussboden, grau die Büsche, die seinen Lauf begleiten. Ein junger Berber steht auf einem Sandhügel. Er beobachtet sorgsam seine Herde. Die Dromedare haben Junge an ihrer Seite. Eines fällt mir besonders auf. Die weißen Fesseln und die weiße Schnauze heben sich von dem dunklen Fell ab. Die Tiere lassen sich von uns nicht ablenken, als wir mit der Gruppe durch die weidende Herde ziehen.
Eng stehen die trockenen Büsche. Ich muss immer wieder Äste zur Seite biegen, damit ich mich nicht verletze. Schlitzohr folgt Mohammed auf dem schmalen Pfad hinunter ins Flussbett. Vereinzelt wachsen Büsche von Bilsenkraut. Vor uns taucht ein gemauerter Brunnen auf. Am Brunnen angekommen beginnt Mohammed sofort, Wasser zu schöpfen. Etliche Meter tief reicht der Brunnen in den Boden. Mohammed muss lange am Seil ziehen, bevor der Eimer wieder befüllt oben an kommt. Schlitzohr und sein Kumpel machen sich sofort breitbeinig über das köstliche Nass her. Ich schaue mir die Brühe an. Nein, nichts für mich. Dies ist der einzige Brunnen im weiten Umkreis. Flussabwärts, so sagt Ahmed, ist der nächste Brunnen 30 Kilometer entfernt. Drei Brunnen sind es eigentlich, zwei führen salzhaltiges Wasser. Das mögen die Dromedare besonders gern.
Zum Sonnenuntergang haben wir unseren "Kaffeetisch" auf einer Düne aufgebaut. Wir liegen und sitzen nach Berberart und lassen den lieben Gott einen guten Mann sein. Dann ein Motorengeräusch. Direkt an unserem Zelt fährt ein Berber mit seinem Moped vorbei. Hoffentlich sind wir hier nicht auf der Berberautobahn. Zum Glück bleibt er der einzige Motorisierte an diesem Tag. Von unten duftet es wieder nach frischem Brot. Im Erdofen wird wieder für den nächsten Tag gebacken. Younes, der Küchenjunge, versucht sich auch daran. Er muss aber erst noch lernen, das heiße Brot auf zwei Stöcken aus dem Ofen heraus zu balancieren. Das bisschen Sand auf dem Brot, das ihm herunter gerutscht ist, macht uns nichts aus. Wir haben schnell gelernt, mit dem Sand zu leben.
Es ist dunkel. Das Lagerfeuer knistert und wärmt. Weit im Süden sehe ich ein Licht in den Bergen. Es ist wohl eine algerische Militärstation. Über uns wölbt sich ein fantastischer Sternenhimmel. Die Milchstraße spannt sich im Bogen vom südöstlichen zum nordwestlichen Horizont. Selten habe ich einen so klaren Sternenhimmel gesehen. Der Große Wagen steht Kopf. Renate zeigt mir das Himmels-W und den Orion. Ach, hätte ich in der Schule doch besser aufgepasst. Dann würde ich selbst auch die Kassiopeia und die Plejaden erkennen. So bleibt mir nur das Staunen über das prächtige Schauspiel, das sich mir aus dem Weltall bietet. Gern hätte ich mit meinem Weitwinkel die Sternenpracht fotografiert. Aber ich bleibe hart zu mir. Die Gefahr ist zu groß, dass beim Objektivwechsel Sand ins Kameragehäuse gelangt.
Ein merkwürdiges Geräusch holt mich an diesem Morgen aus dem Schlaf. Es hört sich an wie das Gurgeln eines mächtigen Wasserstrudels, so wie ich es von einer Höhle in den französischen Cevennen her kenne. Mein Verstand sagt mir gleich, dass es wohl kaum Wasser sein kann, und die Neugierde treibt mich aus dem Zelt. Auf einer Düne steht eines unserer Dromedare, den Kopf hoch gereckt. Immer wieder stößt es dieses Gurgeln aus. Dabei öffnet sich sein Mund, die Zunge quillt zur Seite heraus, mutet fast wie eine rosafarbene Blase an. Immer wieder das gleiche Gurgeln. In der Nähe ist eine Herde weiblicher Dromedare und es ist Paarungszeit. Den Herrn haben wohl erotische Träume geplagt. Später beruhigt er sich wieder.
Der Wind, der uns seit Tagen begleitete, hat sich gelegt. Wieder versammeln wir uns, wie am Vorabend, auf der Düne, diesmal zum Frühstück. Es ist noch kühl. Weit im Osten zeichnet sich die Silhouette des Erg Zefer vor dem Hintergrund der Bergkette ab. Der Tee wärmt. Ich trinke hier nur den Louisa, den Eisenkrauttee. Heute gibt es zusätzlich eine neue Marmelade: Süßkartoffel. Ich bin ehrlich. Ich habe sie mir dick auf den Eierpfannkuchen gestrichen. Zu köstlich ist sie, und dazu das warme Licht des Sonnenaufgangs.
Am Brunnen werden die leeren Wasserkanister aufgefüllt. Sicher ist sicher. Die Tiere brauchen genügend Vorrat und für uns gibt es gefiltertes Wasser. Wir ziehen weiter. Nun sehe ich erst, dass wir in der Nähe einer verlassenen Oase gerastet haben. Eine Zeitlang ziehen wir über die vertrockneten Felder mit den kleinen Bewässerungskanälen und an verlassenen Lehmhäusern vorbei. Ohne Wasser kein Leben. Mit dem Bau des Stausees vor vierzig Jahren 400 Kilometer weiter nördlich bei Quarzazate hat die Regierung das Ende dieser Oase besiegelt.
Mir fällt ein neues, lang gezogenes Gebäude auf. Ein Fahrzeug steht dort. Ich frage Ahmed. Er erklärt mir, dass es sich um ein Tourismusprojekt handelt. Hier soll ein neues stationäres Camp entstehen. Seit dem in Tunesien und in Ägypten der Wüstentourismus durch eine neue politische Lage zum Erliegen gekommen ist, konzentriert sich dieser auf Marokko. Das spült Touristen und Devisen ins Land. Ich hoffe, dass die Wüste nicht unter einem Massentourismus leiden wird.
Mir fällt ein neues, lang gezogenes Gebäude auf. Ein Fahrzeug steht dort. Ich frage Ahmed. Er erklärt mir, dass es sich um ein Tourismusprojekt handelt. Hier soll ein neues stationäres Camp entstehen. Seit dem in Tunesien und in Ägypten der Wüstentourismus durch eine neue politische Lage zum Erliegen gekommen ist, konzentriert sich dieser auf Marokko. Das spült Touristen und Devisen ins Land. Ich hoffe, dass die Wüste nicht unter einem Massentourismus leiden wird.
Wir ziehen durch ein weites Dünenfeld. Es ist noch früh, der sand leuchtet in warmen roten Farben. In der Nacht haben Tiere ihre Spur durch den Sand gezogen. Irgendwann verlassen wir das Dünenfeld. Ich registriere nicht mehr die Zeit. Vor uns liegt wieder eine weite Ebene. Weit voraus sehe ich unsere Küchenkarawane dem Tagesziel zu streben, der Erg Chgaga. Seine rote Spitze winkt weit im Nordwesten. Bis dorthin reicht die Ebene. Schlitzohr hat sich ein paar Strohhalme in den Mund gesteckt. Die trägt er nun schon seit unserem Aufbruch. Vielleicht gibt er so seine Zugehörigkeit zu den Stoikern kund. Er sieht zumindest lustig aus.
Um mich herum Natur pur, nichts, was auf die Anwesenheit von Menschen hin weist. Kein Strommast, keine Hochspannungsleitung in der Ferne, kein Motorengeräusch, kein Flugzeug am Himmel. Stille um mich herum. Die Wüste entspannt mich. Ich bin einfach da, atme, sehe, fühle, lebe.
Ich höre nicht die Musik, aber ich sehe sie tanzen. Fast scheint es, als schwebe sie über dem Boden. Ihre Hüften schwingen, mal nach rechts, mal nach links. Grazil ist ihre Gestalt, gekleidet in einem langen Gewand. Ihre Bewegungen sind flüssig, die Füße, die Schenkel, die Hüften, der Leib, die Schultern und der Kopf, alles ist in Bewegung zu dieser lautlosen Musik des Windes, der sie sie trägt. Mal scheint sie zustehen, dann rückt sie ein paar Schritte nach der seite, immer in einer harmonischen gleitenden Bewegung. Hoch reckt sie sich auf, gertenschlank ist sie, ein Wunder von Mutter Natur. Wäre sie nahe, so wäre ich geneigt, meinen Arm um ihre Hüften zu legen, mich mit ihr zu wiegen im Sound der Wüste. Doch wie alle Schönheiten ist es besser, sie alleine tanzen zu lassen. Minutenlang, immer im Kreis, immer in der Harmonie ihres Körpers, bis sie sich ermüdet hinlegt: Eine Windhose, die mich für einen Moment in dieser weiten Einsamkeit in ihren Zauber gezogen hat.
Um mich herum Natur pur, nichts, was auf die Anwesenheit von Menschen hin weist. Kein Strommast, keine Hochspannungsleitung in der Ferne, kein Motorengeräusch, kein Flugzeug am Himmel. Stille um mich herum. Die Wüste entspannt mich. Ich bin einfach da, atme, sehe, fühle, lebe.
Ich höre nicht die Musik, aber ich sehe sie tanzen. Fast scheint es, als schwebe sie über dem Boden. Ihre Hüften schwingen, mal nach rechts, mal nach links. Grazil ist ihre Gestalt, gekleidet in einem langen Gewand. Ihre Bewegungen sind flüssig, die Füße, die Schenkel, die Hüften, der Leib, die Schultern und der Kopf, alles ist in Bewegung zu dieser lautlosen Musik des Windes, der sie sie trägt. Mal scheint sie zustehen, dann rückt sie ein paar Schritte nach der seite, immer in einer harmonischen gleitenden Bewegung. Hoch reckt sie sich auf, gertenschlank ist sie, ein Wunder von Mutter Natur. Wäre sie nahe, so wäre ich geneigt, meinen Arm um ihre Hüften zu legen, mich mit ihr zu wiegen im Sound der Wüste. Doch wie alle Schönheiten ist es besser, sie alleine tanzen zu lassen. Minutenlang, immer im Kreis, immer in der Harmonie ihres Körpers, bis sie sich ermüdet hinlegt: Eine Windhose, die mich für einen Moment in dieser weiten Einsamkeit in ihren Zauber gezogen hat.
Während meine Füße mich weiter tragen, immer weiter über diese weite Lehmfläche, werden meine Gedanken selbständig, beginnen ihre eigene Wanderung. Ich denke zurück an meine Worte im Freundeskreis, vor kurzem. 65 Jahre ist schon mal ein Anlass, um zurückzudenken. Wenn man mich fragen würde, was ich in meinem Leben anders machen würde, wenn ich wieder von vorne beginnen könnte, was würde ich anders machen? Eine Frage, die man so oder in ähnlicher Form ja immer wieder hört. Nichts, würde ich sagen, nichts würde ich anders machen. Vielen Menschen bin ich in diesen langen Jahren begegnet. Es gab flüchtige Begegnungen und intensive. Es gab schöne Momente und weniger schöne. Es gab Tränen der Freude und Tränen der Trauer und Tränen der Wut. Ich habe Menschen glücklich gemacht. Ich habe aber auch Seelen verletzt und meine Seele wurde verletzt. Freunde habe ich gefunden und Freunde verloren. Das Leben ist endlich, auch meins. Ich bin richtige Wege gegangen und falsche. Aber ich habe immer nach vorne geschaut, habe neue Wege gesucht, so wie das Wasser nicht stehen bleibt, sondern irgendwo immer wieder einen neuen Weg findet, um weiter zu fließen. Nein, nichts würde ich in meinem Leben anders machen wollen. Mein Lebensweg hat mich geformt. Auf diesem Weg bin ich zu dem Menschen geworden, der ich heute bin, mit all meinen Ecken und Kanten. Ich möchte kein anderer Mensch sein, ich bin zufrieden mit mir und ich stehe zu meinen Marotten. Während diese Gedanken durch meinen Kopf wandern, tragen meine Füße mich automatisch weiter, ziehen mich nach vorne, bringen mich zum Ziel.
Eine kleine Spatzenfeder liegt am Boden. Ich hebe sie auf, verwahre sie sorgfältig. Sie ist beige mit schwarzer Spitze. Renate wird sich freuen. Der späte Nachmittag zeigt sich in besonders schönem warmem Licht. Die Dünen des Erg Chgaga leuchten rot. Ich bin ihnen schon sehr nahe gekommen. Die weißen Küchenzelte werden immer größer, dann bin ich da. "Herzlichen Glückwunsch zur Wüstendurchquerung", mit einem Handschlag empfängt mich Hermann. Ich gratuliere ihm ebenso wie allen anderen. Gemeinsam haben wir die Strecke gemeistert. Es war eine gute Gemeinschaft. Ich bin dankbar dafür. Ich hatte mich auf eine ungewisse Reise eingelassen. Ich wusste nicht, ob ich es konditionsmäßig schaffe. ich wusste nicht, ob ich die langen Strecken zu Fuß schaffe. Schlitzohr gab mir zwar eine gewisse Sicherheit, er war meine Vollkaskoversicherung für den Notfall. Aber ich wollte und habe so viele Strecken wie möglich zu Fuß zurück gelegt. Ich war solche Strecken bislang nicht gewohnt, ich habe es geschafft. Es gab immer wieder Momente, wo ich mich gerne ausgeruht hätte, irgendwo, im Schatten einer Tamariske. Aber die Karawane zieht weiter und ich mit ihr. Ich habe es geschafft. Es ist eine wichtige Erfahrung für mich, eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte.
Wer mich kennt, weiß, dass Wandern nicht meine bevorzugte Beschäftigung ist. Als ich mich zur Reise entschlossen hatte, wusste ich, was auf mich zu kommt. Nicht immer, wenn meine Füße schwer und müde wurden, war Schlitzohr in der Nähe, im Gegenteil. Aber ich hatte nie das Gefühl, dass es für mich zu viel wird, dass ich aufgeben möchte, dass ich in einen bequemen Geländewagen steigen möchte. Die vielen Fahrspuren derselben, die ich kreuzte, hätten den Gedanken schon nahe legen können. Aber die Wüste hat meinen Durchhaltewillen angespornt. Auch eine ganz wichtige Erfahrung.
Ach ja. Schlangen und Skorpione habe ich nicht gesehen. Sie sind wohl vor mir und meinen festen Wanderschuhen geflüchtet.
Wer mich kennt, weiß, dass Wandern nicht meine bevorzugte Beschäftigung ist. Als ich mich zur Reise entschlossen hatte, wusste ich, was auf mich zu kommt. Nicht immer, wenn meine Füße schwer und müde wurden, war Schlitzohr in der Nähe, im Gegenteil. Aber ich hatte nie das Gefühl, dass es für mich zu viel wird, dass ich aufgeben möchte, dass ich in einen bequemen Geländewagen steigen möchte. Die vielen Fahrspuren derselben, die ich kreuzte, hätten den Gedanken schon nahe legen können. Aber die Wüste hat meinen Durchhaltewillen angespornt. Auch eine ganz wichtige Erfahrung.
Ach ja. Schlangen und Skorpione habe ich nicht gesehen. Sie sind wohl vor mir und meinen festen Wanderschuhen geflüchtet.
Der Wind, der uns seit Tagen begleitete, hat sich gelegt. Wieder versammeln wir uns, wie am Vorabend, auf der Düne, diesmal zum Frühstück. Es ist noch kühl. Weit im Osten zeichnet sich die Silhouette des Erg Zefer vor dem Hintergrund der Bergkette ab. Der Tee wärmt. Ich trinke hier nur den Louisa, den Eisenkrauttee. Heute gibt es zusätzlich eine neue Marmelade: Süßkartoffel. Ich bin ehrlich. Ich habe sie mir dick auf den Eierpfannkuchen gestrichen. Zu köstlich ist sie, und dazu das warme Licht des Sonnenaufgangs.
Langsam verschwindet die rote Sanddünenlandschaft des Erg Chgaga in der Staubwolke, die die beiden Geländewagen hinter sich her ziehen. Ein weites Steinfeld liegt vor uns, dahinter die langgezogene Bergkette des Djebel Bani. Der Geländewagen folgt einer ausgefahrenen Reifenspur. Es ist die Piste von Mhamid nach Foum Zguid. Die wenigen Schirmakazien, die ich sehe, stehen einsam in der Landschaft. Vor uns taucht ein großes neues Gebäude auf. Es ist im Stil einer Kasbah gebaut. Ich erfahre, dass es sich um eine Schule handelt. Eine Schule? Hier mitten in der Einsamkeit? Ja, es ist eine Nomadenschule. Doch sie wird kaum angenommen. Der Lehrer steht wartend vor der Eingangspforte. Heute ist wohl kein Kind zum Unterricht erschienen. Der Analphabetismus in Marokko beträgt immer noch 40 Prozent. Es trifft vor allem die Frauen.
Langsam verschwindet die rote Sanddünenlandschaft des Erg Chgaga in der Staubwolke, die die beiden Geländewagen hinter sich her ziehen. Ein weites Steinfeld liegt vor uns, dahinter die langgezogene Bergkette des Djebel Bani. Der Geländewagen folgt einer ausgefahrenen Reifenspur. Es ist die Piste von Mhamid nach Foum Zguid. Die wenigen Schirmakazien, die ich sehe, stehen einsam in der Landschaft. Vor uns taucht ein großes neues Gebäude auf. Es ist im Stil einer Kasbah gebaut. Ich erfahre, dass es sich um eine Schule handelt. Eine Schule? Hier mitten in der Einsamkeit? Ja, es ist eine Nomadenschule. Doch sie wird kaum angenommen. Der Lehrer steht wartend vor der Eingangspforte. Heute ist wohl kein Kind zum Unterricht erschienen. Der Analphabetismus in Marokko beträgt immer noch 40 Prozent. Es trifft vor allem die Frauen.
Inmitten der kargen Landschaft taucht vor uns plötzlich ein grüner Fleck auf. Je näher wir kommen, desto größer wird er. Es ist eine Ansammlung von Oscherbäumen. Einen Meter sind sie etwa hoch, stehen im Abstand zu einander und sind kräftig grün. Sodomapfel wird er auch genannt, ein Seidenpflanzengewächs, das mit tiefen Wurzeln in den Boden reicht. Mensch und Tier halten sich von ihm fern, er ist hochgiftig. Selbst die Allesfresser Dromedar und Ziege machen einen großen Bogen um ihn. Aber er nützt den Nomaden. Getrocknet ist das Holz ein gutes Brennmaterial und auch zum Bauen geeignet. Aus dem Rindenbast werden Seile gefertigt. Die Fahrspur führt uns in leichtem Bogen durch diesen "Wald" hindurch.
Das leicht hügelige Gelände wird flacher und geht in eine glatte Platte über. Der Boden ist aus Lehm. Wir sind auf dem Lac Iriqi angekommen, einem ausgedehnten, mehrere Tausend Quadratkilometer großen Salzsee, der schon lange vertrocknet ist. Der Sand der Wüste hat sich mit dem Weiß des Salzes zu einem undefinierbaren Farbengemisch im Rotsektor zusammengefunden. Der Fahrer beschleunigt. Die Fahrspuren laufen kreuz und quer. Aber er braucht ihnen nicht zu folgen. Ich blicke aus den Augenwinkeln auf das Tachometer. Die Nadel nähert sich der 100-Marke. Die Stöße kleiner Bodenwellen fangen die Blattfedern des Fahrzeuges mühelos ab. Ein großer Vogel quert unsere Fahrtrichtung. Ich reiße die Kamera hoch und versuche, ihn zu erwischen. Erst glaube ich, es sei ein Storch, doch die etwas verwackelte Aufnahme lehrt mich Anderes. Es scheint ein Schlangenadler zu sein. Schnell ist er hinter uns verschwunden. Eine Begegnung der seltenen Art.
"Auberge" kündigt ein einsames Schild auf noch einsamerer Seenplatte an, "Herberge". Das dazugehörige Gebäude steht einen Kilometer weiter ebenso einsam und wartet auf touristische Gäste. Dahinter wieder die blanke, trockene, salzige Lehmpfanne. Die Sonne steigt immer höher. Die Temperaturen auch. Weit hinten, vor dem großen Tafelberg, erscheint ein langgezogener See. Ein Gebäude steht in ihm, wird von Wasser umspült. Die Luft flimmert. Doch je länger wir fahren, desto mehr scheint der See mit seinem blauen Wasser von uns ab zu rücken: Eine Fata Morgana. Meine Kamera kommt nicht zur Ruhe.
"Auberge" kündigt ein einsames Schild auf noch einsamerer Seenplatte an, "Herberge". Das dazugehörige Gebäude steht einen Kilometer weiter ebenso einsam und wartet auf touristische Gäste. Dahinter wieder die blanke, trockene, salzige Lehmpfanne. Die Sonne steigt immer höher. Die Temperaturen auch. Weit hinten, vor dem großen Tafelberg, erscheint ein langgezogener See. Ein Gebäude steht in ihm, wird von Wasser umspült. Die Luft flimmert. Doch je länger wir fahren, desto mehr scheint der See mit seinem blauen Wasser von uns ab zu rücken: Eine Fata Morgana. Meine Kamera kommt nicht zur Ruhe.
Nach drei Stunden ragt ein rot-weißer Schlagbaum hoch in die Luft. Ein Soldat nähert sich unserem Fahrzeug. Unser Fahrer begrüßt ihn freundschaftlich, ein Handschlag, eine kurze Frage: "Ja, wir kommen, vom Erg Chgaga". Dann dürfen wir weiter fahren. Einhundert Meter weiter biegen wir auf eine geteerte Straße ab. Die Zivilisation hat mich wieder. Vor uns liegt der kleine Ort Foum Zguid, der Mund des Zguid, so benannt nach dem Tal, den der Fluss Zguid in den Djebel Bani eingeschnitten hat, damals, als er noch viel Wasser führte.
Letztes Picknick in der Wüste. Ein gewaltige Akazie hat uns in ihren Schatten eingeladen. Wasser ist Leben. Noch einmal lerne ich, wie sparsam man mit Wasser umgehen kann, dass sich 10 Personen mit 1 Liter Wasser und einem Tropfen Flüssigseife die Hände ausreichend säubern können. Zwei kleine Löcher im Schraubverschluß und etwas Druck auf die Plastikflasche machen es möglich. Es funktioniert wie eine Dusche. Die Oliven und Orangen, die Gurke und die Tomaten schmecken heute besonders gut. Zwei kleine Vögel umkreisen uns. Ich werfe ihnen eine kleine Tomatenscheibe hin. Neugierig kommt einer heran, beäugt das rote Etwas im grauen Sand. Es scheint ihn anzusprechen. Er packt sich kurzentschlossen das Stück und fliegt davon. So habe ich einem Saharasteinschmätzer ein schönes Mittagessen gegeben.
Letztes Picknick in der Wüste. Ein gewaltige Akazie hat uns in ihren Schatten eingeladen. Wasser ist Leben. Noch einmal lerne ich, wie sparsam man mit Wasser umgehen kann, dass sich 10 Personen mit 1 Liter Wasser und einem Tropfen Flüssigseife die Hände ausreichend säubern können. Zwei kleine Löcher im Schraubverschluß und etwas Druck auf die Plastikflasche machen es möglich. Es funktioniert wie eine Dusche. Die Oliven und Orangen, die Gurke und die Tomaten schmecken heute besonders gut. Zwei kleine Vögel umkreisen uns. Ich werfe ihnen eine kleine Tomatenscheibe hin. Neugierig kommt einer heran, beäugt das rote Etwas im grauen Sand. Es scheint ihn anzusprechen. Er packt sich kurzentschlossen das Stück und fliegt davon. So habe ich einem Saharasteinschmätzer ein schönes Mittagessen gegeben.
Die Rückfahrt zieht sich, 300 Kilometer auf kurvigen Landstraßen. Zwei Passstraßen sind zu bewältigen. Marrakesh empfängt uns am frühen Abend mit einem furiosen Sonnenuntergang. Ich freue mich schon auf eine ausgiebige Dusche und den scharfen Gewürztee auf dem Jamaa El Fna. Dem deutschen Dichterfürsten Johann Wolfgang von Goethe gebe ich recht: „Nur wo du zu Fuß warst, bist du wirklich gewesen.“