Vom Rhein zum Dahner Felsenland
Juni 2011

Ein malerisch blauer Himmel spannt sich über das Land, morgens um 10:00 Uhr, als ich das Fahrrad aus dem Auto nehme und die Gepäcktaschen festmache. Ich habe inzwischen ein System gefunden, wie ich das Fahrrad im Auto transportieren kann, ohne daß es sperrig den ganzen Gepäckraum samt Rücksitze blockiert. Nun steht es aufrecht hinter dem Beifahrersitz und ist in Minutenschnelle startklar. 26 Grad zeigt das Thermometer schon an, die Meteorologen haben heiße Tage versprochen. Ein netter Bauer, der mit dem Rad des Weges kommt, bietet mir seine Hilfe an, als ich vor dem Richtungsweiser stehe, ich sage ihm, daß ich nur das Schild als Startpunkt meiner Tour fotografiere und so wünschen wir uns wechselseitig einen schönen Tag. Jetzt sitze ich auf einem Bänkchen am Rande eines goldgelben Stoppelfeldes, futtere ein Pfund frischsaftiger Kirschen vom Rhein, die heute in meinem Kühlschrank genächtigt haben und genieße die Ruhe und Stille, die nur ab und zu von einem vorbeihuschenden Auto unterbrochen wird. Eigentlich wollte ich ja zur gleichen Zeit im Sauerland im 600 Meter hoch gelegenen Winterberg aufs Fahrrad steigen, aber die Warnung der Wetterfrösche vor dem Unwetter, das am Mittwoch wieder über Deutschland ziehen solle hat mich kurzentschlossen umdisponieren und das Kartenmaterial wechseln lassen.
Die Ruhr fließt mir nicht weg und zwei Tage möchte ich auch nicht in einer Pension dümpeln. Nun sitze ich also hier auf dem Bänkchen und schaue rüber ins Elsaß. Pamina, so nennt sich diese Region. Das Wort klingt nach einer heiligen Märtyrerin oder einem Ursprung aus den Tagen, als die römischen Legionäre hier entlang marschierten, aber nichts dergleichen. Es ist ein Kunstwort, das die drei Regionen Pfalz, Mittelrhein und Elsaß miteinander verbindet. Der Pamina-Radweg startet in Neuburg am Rhein, führt 30 Kilometer entlang der Grenze und taucht hinter Wissembourg in den Pfälzerwald, wo er ins Dahner Felsenland führt. Gleich nach dem Start mache ich die Erfahrung, daß Ortsnamen ihre reale Bedeutung haben. Berg heißt der erste Ort und schon führt die Straße hoch, heraus aus den Rheinauen und hinein in das fruchtbare Vorland zwischen Fluß und den greifbaren Bergen von Pfälzerwald und den Kleinen Vogesen. Beim Hochradeln der kleinen Steigung, die eigentlich nicht den Namen Berg verdient, spüre ich die 110 Kilometer von gestern im Rheintal in den Beinen und das Gewicht der Gepäcktaschen. Aber ich bin ja jung und in diesem Jahr schon gut trainiert. |
Scheibenhardt ist ein kleiner Flecken, den die Grenze trennt, und die Schreibweise, denn auf deutscher Seite schreibt sich der Ort mit dt, auf französischer nur mit d. Doch die Brücke über die Lauter verbindet die Menschen. Hier teilt sich der Radweg. Ich wechsle nun rüber ins Elsaß. Mais bestimmt die Landschaft und die Sonne, die auf den kilometerlangen gut geteerten Wirtschaftswegen nun ihre volle Kraft zeigt. Wie dankbar bin ich heute über den Gegenwind, der mir Kühlung zufächert. An der Bauweise der Häuser und der Anlage der Straße erkennt man sofort die jahrhundertlange Trennung der Region. Schnurgeradeaus führt der Radweg über viele Kilometer, die Berge rücken immer näher, die Mittagshitze auch. In Altenstadt wechsle ich wieder das Ufer. Eine Schulklasse planscht mit Jauchzen und Juchhee im kühlen Wasser, derweil die Lehrerin im Schatten des Waschhauses mit wachen Augen ruht.
Im malerischen Wissembourg mache ich die erste Rast. Wie oft war ich seit meiner Studienzeit schon hier gewesen, bin durch das Deutsche Weintor von oben in den Ort runter gefahren, kenne die beste Konditorei, weiß wo der Flammekuchen am knusprigsten aus dem Backofen kommt und welcher Marktstand den würzigsten Munster-Käse feil hält, kann die Öffnungszeiten der Cave im Schlaf hersagen, kenne die malerischsten Winkel und kann so manche Restaurantempfehlung geben. Wissembourg ist eine der vielen Elsässer Puppenstübchen, aber immer noch weit genug entfernt von der Elsässer Weinstraße, um nicht tagaus tagein von Touristenströmen überrollt zu werden – und es ist immer wieder einen Besuch wert
Jetzt um die sommerliche Mittagszeit sind die Straßen leergefegt, nur die Bars und Restaurants haben geöffnet. Ich lasse mich im Schatten des La Rose nieder, meine Augen schweifen über die Fachwerkfassaden und bunten Dächer. Der kühle Menthe au limonade rieselt die Kehle runter, ich bestelle einen zweiten.

Unmittelbar hinter der Stadtmauer, dort wo in der Walkmühle der Küchenchef der Familie Schmidt Köstlichkeiten auf den Teller zaubert, taucht der Radweg in die Kühle des Pfälzer Waldes. Jäh endet der Radweg an einem Hang, eine Treppe führt zu dem kleinen Steg über einen Seitenbach der Lauter, ich stehe wieder an einem Grenzübergang. Früher war die Grenze mal scharf bewacht, Schmuggler brachten nächtens Kaffee und Zigaretten über die Grenze, nutzten den dunklen Wald und ihre Ortskenntnisse in dieser einsamen Region. Heute ist die Grenze als solche nicht mehr erkennbar, wäre da nicht der markante Grenzpfosten. Ein Erinnerungsfoto muß natürlich sein. Aus meiner Kindheit weiß ich um die wechselhafte Durchlässigkeit der Grenze, die Schärfe der Kontrollen je nach politischer Großwetterlage und die Schikanen, die dem Reisenden die Stimmung vergällen sollen. Aber die Menschen beiderseits der Grenze verbindet eine gemeinsame Geschichte und so mancher Zöllner hat mich als Grenzländer erkannt und schnell mit dem Wunsch auf eine gute Reise passieren lassen, derweil er den nächsten Reisenden, der von weit her kommt, wieder scharf kontrolliert. Man gehört halt doch zusammen und mich hat diese Erfahrung zu einem leidenschaftlichen Europäer werden lassen.
Im weiteren Verlauf führt die Strecke entlang einer ehemaligen Bahnstrecke. Auf und ab führt der Radweg mit kleinen Steigungen, den Fahrgästen der alten Bimmelbahn sicher zum Plaisir, da sich immer wieder schöne Blicke über die Tal-Aue öffnen. Eine Schafherde drängelt sich im Schatten eines gewaltigen Baumes am Ufer der Lauter, eng an eng stehen sie, um jedes Fetzchen Schatten mitzunehmen. Über 30 Grad hat es mittlerweile, doch im kühlen Schatten des Waldes, der sich bis über die Lauter spannt, bleibt es angenehm. Ich wünsche mir eine Ruhebank, doch die listigen Waldkobolde (wer sonst) haben wohl nächtens alle Ruhebänke eingesammelt und am höchsten Punkt der Berg- und Talfahrt
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zusammengetragen. Ein älterer Herr, wohl an die 80, bleibt, am höchsten Punkt der kleinen Steigung, bei mir stehen. 80 km fährt er jeden Tag, erzählt er mir stolz, früher waren es mehr und er wünscht sich, daß möglichst mehr im nacheifern. Das hält jung und gesund, meint er, und gibt mir noch viele wertvolle Tips für meine Tour.
Ich freue mich auf die Radler-Tankstelle, die angekündigt wird. Meine Wasservorräte sind schon verbraucht und die Hitze des Tages verlangt Nachschub. Ich habe Durst wie ein Ochse. Doch wie so oft im Leben geht auch dieser Wunsch daneben, Radler-Tankstelle zu, Sprit ist wohl ausgegangen. Weiter geht es in den nächsten Ort, eine Abzweigung des Radweges führt hin. Doch auch hier Fehlanzeige: Der Adler – geschlossen, der Zwitscherkeller – ausgezwitschert, das Alte Schulhaus – ein großes Schild verkündet: geöffnet, ein kleines daneben: heute Ruhetag. Ich habe Durst! Rumbach, welch ein schöner Name; er zerschmilzt auf der Zunge, läßt das Herz freudig höher schlagen , die Partnerstadt von Paradies und Schlaraffenland. Hier rinnt kühles Wasser und süßes Eis läßt sich pflücken. Rumbach, das ist die Erlösung in Gestalt einer Tankstelle nach einer langen Durststrecke. Rumbach du Schöne. |
Title..

das Elwetritsche ist der Pfälzer Wolpertinger
Nein, der schwarze Qualm, der von weitem die saubere Waldluft trübt, und steil nach oben steigt, kommt nicht aus dem Schornstein der alten Dampflok am Schnitzel-Bahnhöfl, sondern aus dem Schlot eines nahegelegenen Sägewerkes, vor dem sich die Obstkisten stapeln, in denen die Kirschen, Mirabellen und Pflaumen der Pfalz den Weg in unsere Supermärkte finden. Wenig Gewerbe gibt es in diesem Tal, das war mal anders. Über viele Jahre fanden die Menschen ihren Broterwerb in den kleinen Schuhfabriken, die sich aus dem hochgelegenen Pirmasens bis in die Täler erstreckte. Als die Schuhindustrie der Konkurrenz aus Italien und später aus Fernost zum Opfer fiel, fanden die Menschen in den zahlreichen Militäranlagen der US Army neue Arbeit, mit dem Rückzug der US Army auf wenige Standorte zwischen Kaiserslautern und Baumholder schoß die Arbeitslosigkeit in die Höhe. In diesem Tal hatte die US Army große Depots mit unheilvollen und abscheulichen Waffen tief in den Bergen angelegt, Waffen, die gar nicht zu dieser friedlichen Landschaft passen. Die Landesregierung und die regionale Politik haben es bislang ganz offensichtlich versäumt, das Naturerbe dieser Region zu nutzen und den Tourismus zu fördern. Der Radweg ist ein solches Beispiel. Zwar wurde er weitgehend gut ausgebaut, aber es fehlen Ruhemöglichkeiten, die zum Rasten einladen, die Beschilderung ist nicht ideal und so manche Hinweistafel könnte zusätzlich den Reiz der Landschaft erläutern. Doch es gibt wenig Unterkunftsmöglichkeiten und die wenigen Radfahrer, die mir begegnen reisen, ohne Gepäck, anders als im Morgen auf der Strecke zwischen Rhein und Wissembourg, sind es eher Tagestouristen, die aus nahegelegenen größeren Städten kommen. Eigentlich schade für diese Region mit intakter Natur und Naturdenkmälern. Aber ich möchte den Radweg nicht schlecht reden, sondern für ihn werben, denn es gibt durchaus auch gute Beispiele wie das Kneiptretbecken in Dahn, das meinen heißen und matten Füßen in einem Rundgang durch das köstlich kalte Quellwasser die Vitalität zurückbringt.
Ich bin mitten im Dahner Felsenland. Mächtige Wunderwerke der Natur säumen den Weg, In einem kleinen Landgasthof beende ich den Tag. Leise plätschert der Brunnen und aus dem Lautsprecher schwingt romantische Musik in den lauen Abend. Das Rumpsteak ist riesig, genau passend zu meinem Hunger heute, die Zwiebeln sind knusprig kroß, der Körper verlangt nach Kaloriennachschub nach 63 km Gegenwind. Auf die teuflisch scharfe Soße habe ich verzichtet, obwohl es hier passend wäre, hier zu Fuß des 10 Meter hohen Teufelstisch, eine der vielen Felsformationen, die Wind und Wetter in Jahrtausenden bizarr geformt haben. Bizarr auch ihre Namen, ob Teufelstisch oder Jungfernsprung, Lämmerfelsen, Handschuhkopf oder Braut und Bräutigam. Ganz banal Buntsandstein heißt der harte rote Stein, so habe ich es schon in der Schule gelernt. Zahlreiche Wanderwege verbinden die markanten Felsen. Hier bin ich mitten im Dahner Felsenland. Um so manche ranken sich düstere Geschichten, die an grauen nebligen Herbstabenden dem Wanderer Gänsehaut erzeugen. Doch heut ist es lau und hell und die Geschichte des Teufelsfelsens entlockt mir beim Einschlafen nur ein Lächeln.
Der Morgen beginnt mit einem Problem. Über Nacht hat sich die Luft aus dem Vorderreifen geschlichen, langsam, aber unaufhörlich und so führt mein erster Fußweg zur Tankstelle, um den Reifen wieder aufzupumpen. Noch ist die Sonne nicht kräftig, aber an diesem Sommermorgen verspricht sie noch einiges an Kraft zu gewinnen. Vorerst lasse ich die Kühle des Waldes auf mich einwirken und beobachte immer wieder meinen Vorderreifen. Dazwischen bleibt viel Zeit, um die reine Luft des Pfälzer Waldes tief zu inhalieren, mal gewürzt mit Lindenblüten, mal mit frisch gemähtem Gräserduft, mal kräftige Waldkräuter, und immer wieder das Harz der zahlreichen Nadelbäume. Rumbach du Schöne, hier kann auch mein Vorderreifen wieder tief Luft holen, bevor er im Espace Cycles, dem Fahrradladen von Wissembourg vom freundlichen Fahrradschrauber mit einem neuen Schlauch versehen wurde. Rechtzeitig vor der Mittagspause habe ich den Weg hierher gefunden, ein ebenso freundlicher Radler mit gleichem Problem hatte mir noch im kühlen Wald vor Wissembourg den Weg hierher genannt. Das Ventil war das Problem, nun habe ich eine weitere Adresse in Wissembourg, die ich lobend erwähnen kann.
Die Sonne steht nun ganz hoch am Firmament und heizt unbarmherzig die Landschaft auf. Ich entscheide mich für den weiteren Rückweg auf deutscher Seite, zwar ist der Radweg nicht geteert, aber er führt in den kühlen Wald. Immer wieder laden schöne Rastplätze zum Verweilen ein und lasse mich gerne einladen. Doch nach 8 Kilometer schwenkt der Waldweg auf eine kleine Landstraße ein, das Rad rollt von selbst nun schneller, denn es spürt auch die Sonne, die meine Oberschenkel bräunt und den Schweiß rinnen läßt. 12 Kilometer sind es nun bis Scheibenhardt, 12 Kilometer, die sich ziehen wie Gummi. Ich trete kräftig in die Pedale, sehe mich im Geiste im Eissalon unten an der Grenzbrücke sitzen, spüre das kühlende Amarettoeis im Mund -
und stehe vor verschlossener Tür. Doch gegenüber die Rettung. Es ist nicht Rumbach, sondern eine Bäckerei. Innen ist es angenehm kühl und französisch, das Baguette, der Kuchen, selbst die Elsässer Zeitung, die friedlich neben der deutschen Zeitung liegt. Auf Befragen dann die Erklärung: ein Elsässer Bäcker hat den deutschen Markt entdeckt und öffnet nun eine Backstube nach der anderen in der Pfalz und selbst auf dem Karlsruher Wochenmarkt ist er wohl beliebt, wie ich später in Karlsruhe erfahre.
Nun sind es nur noch wenige Kilometer über Berg nach Neuburg, wo mein Auto steht. Auf eins freue ich mich auf den letzten Kilometern über den sonnigen Rheindamm besonders: das Chillen am Rheinufer, dort wo ich mit der Fähre bei Neuburg übersetze und meine Radtour im kühlen Schatten und einem ebenso kühlen Getränk beende, während sich im Auto derweil das wohlriechende Aroma des Käse ausbreitet, den ich noch auf die Schnelle in Lauterbourg besorgt habe, er wird den heutigen Tag in angenehmer Gesellschaft abschließen.
Die Sonne steht nun ganz hoch am Firmament und heizt unbarmherzig die Landschaft auf. Ich entscheide mich für den weiteren Rückweg auf deutscher Seite, zwar ist der Radweg nicht geteert, aber er führt in den kühlen Wald. Immer wieder laden schöne Rastplätze zum Verweilen ein und lasse mich gerne einladen. Doch nach 8 Kilometer schwenkt der Waldweg auf eine kleine Landstraße ein, das Rad rollt von selbst nun schneller, denn es spürt auch die Sonne, die meine Oberschenkel bräunt und den Schweiß rinnen läßt. 12 Kilometer sind es nun bis Scheibenhardt, 12 Kilometer, die sich ziehen wie Gummi. Ich trete kräftig in die Pedale, sehe mich im Geiste im Eissalon unten an der Grenzbrücke sitzen, spüre das kühlende Amarettoeis im Mund -
und stehe vor verschlossener Tür. Doch gegenüber die Rettung. Es ist nicht Rumbach, sondern eine Bäckerei. Innen ist es angenehm kühl und französisch, das Baguette, der Kuchen, selbst die Elsässer Zeitung, die friedlich neben der deutschen Zeitung liegt. Auf Befragen dann die Erklärung: ein Elsässer Bäcker hat den deutschen Markt entdeckt und öffnet nun eine Backstube nach der anderen in der Pfalz und selbst auf dem Karlsruher Wochenmarkt ist er wohl beliebt, wie ich später in Karlsruhe erfahre.
Nun sind es nur noch wenige Kilometer über Berg nach Neuburg, wo mein Auto steht. Auf eins freue ich mich auf den letzten Kilometern über den sonnigen Rheindamm besonders: das Chillen am Rheinufer, dort wo ich mit der Fähre bei Neuburg übersetze und meine Radtour im kühlen Schatten und einem ebenso kühlen Getränk beende, während sich im Auto derweil das wohlriechende Aroma des Käse ausbreitet, den ich noch auf die Schnelle in Lauterbourg besorgt habe, er wird den heutigen Tag in angenehmer Gesellschaft abschließen.