„Ab da oben geht es bergab. Da können Sie durchrollen bis Duisburg“ ermuntert mich ein netter Anwohner. „Aber vor das Gefälle hat der liebe Gott die Steigung gesetzt“ erwidere ich ihm. Aber es ist nun wirklich nicht mehr weit bis zum Scheitelpunkt der Straße und dann folge ich einem leicht abfallenden Wirtschaftsweg. Mein Blick reicht weit in die Bergwelt des Hochsauerlandes. Kuppe reiht sich an Kuppe und in einer Senke davor liegt Winterberg. Mitten im Ort ein graues Ei, das in seiner Höhe mit dem Kirchturm konkurriert. Ich weiß nicht, was es ist, aber markant sieht es aus.
Das 670 Meter hoch gelegene Wintersportzentrum macht seinem Namen alle Ehre. Ein grauer Himmel spannt sich über die Bergwelt, ein starker Westwind biegt die Äste und schiebt mich nach vorne, während in Duisburg die Sonne die Spaziergänger in ihren kurzärmeligen T-Shirts wärmt. Bisweilen lässt sie ihrer sommerliche Stärke ahnen und hellt die Wolkendecke für einen Moment auf. In diesem Zwielicht leuchten die vielen violetten Blüten und roten Beeren besonders kräftig. Dunkel setzen sich dagegen die Schoten des Ginster ab und erinnern an den nahenden Herbst.
Das 670 Meter hoch gelegene Wintersportzentrum macht seinem Namen alle Ehre. Ein grauer Himmel spannt sich über die Bergwelt, ein starker Westwind biegt die Äste und schiebt mich nach vorne, während in Duisburg die Sonne die Spaziergänger in ihren kurzärmeligen T-Shirts wärmt. Bisweilen lässt sie ihrer sommerliche Stärke ahnen und hellt die Wolkendecke für einen Moment auf. In diesem Zwielicht leuchten die vielen violetten Blüten und roten Beeren besonders kräftig. Dunkel setzen sich dagegen die Schoten des Ginster ab und erinnern an den nahenden Herbst.
Ein Rinnsal, mehr ist es nicht. Von der Straße dringt der Motorenlärm herauf, während ich auf der halbrunden Steinbank von einer plätschernden Quelle träume. Von hier ab sind es 219 Kilometer, bis zur Mündung. Aus diesem Rinnsal soll ein breiter Fluss werden? Der trockene Sommer hat den Grundwasserstrom am Ruhrkopf schier versiegen lassen. Doch schon 50 Meter weiter sammelt sich Wasser auf einer sumpfigen Wiese und lässt sich von dem Rinnsal mit ziehen auf die lange Reise bis Duisburg. Eine holländische Familie bittet mich um das obligatorische Erinnerungsfoto vor dem Quellstein, der verkündet, dass hier die Ruhr entspringt.
„Herzlich willkommen in der Ruhrquellenhütte“ lädt ein Schild ein. Der leichte Nieselregen, der inzwischen eingesetzt hat, bestärkt diese Einladung. Doch der große Parkplatz ist leer, die Kassa der Rodelbahn verrammelt und der „Born der Gemütlichkeit“, wie ich lesen kann, verschlossen. Also geht es weiter Tal abwärts Richtung Olsberg. Die Ruhr hat sich auf dieser kurzen Distanz schon zu einem plätschernden Bach gemausert. Kühe weiden auf saftig grünen Wiesen und beobachten mich aufmerksam beim vorbei Radeln. Die Ruhr schlängelt sich durch diese Idylle und nährt sich aus dem Grundwasserstrom. Mal führt der Radweg entlang der Weiden, mal taucht er in ein Waldstück ein. Es riecht nach Pilzen. Die Luft ist sauber und Sauerstoff reich. Ich sauge sie tief ein. Nun kann ich gut nach vollziehen, warum das Hochsauerland die grüne Lunge des Ruhrgebiets ist. Dieses Tal wirkt auf mich wie eine Hochalm, einsam und still gelegen und für alle Klischees geeignet.
Die Stille lässt mich in mein Inneres hinein horchen. Die Gedanken wandern. Kaum vorstellbar, dass dieses idyllische Bächlein der größten Industriezusammenballung Deutschlands seinen Namen gegeben hat. Meinem Saargebiet bleibt in diesem Vergleich nur der bescheidene Platz als kleiner Bruder. Das Ruhrgebiet kämpft heute noch gegen seinen Ruf als schmutzigste Region der Republik. Dieser Ruf passt ganz und gar nicht zu diesem wunderschönen Tal.
Das Wasser war früher der einzig nutzbare Energieträger. Schon bald stoße ich auf die erste Mühle. Es ist die Pfeffermühle, heute ein kleines Freizeitzentrum. Sie ist ein Vorbote der nachfolgenden Entwicklung. Niedersfeld ist der erste Ort, den ich erreiche. Die Wolken hängen tief, die Blüten in den Vorgärten geben den bunten Kontrast zu den grauen Dächern. Am Sägewerk halte ich an. Meine Brille ist voller Tropfen, der Nieselregen hinterlässt seine Spuren. Die Ruhr ist im engen Tal gestaut. Das Rattern der Sägeblätter ist schon lange verstummt. Die Lagerplätze für die Baumstämme sind leer, die Hallen warten auf eine neue Verwendung. Mit der zunehmenden Industrialisierung sind die Arbeitsplätze weiter gezogen, dorthin, wo die Eisenbahn die Bretter ab transportieren kann.
Die Stille lässt mich in mein Inneres hinein horchen. Die Gedanken wandern. Kaum vorstellbar, dass dieses idyllische Bächlein der größten Industriezusammenballung Deutschlands seinen Namen gegeben hat. Meinem Saargebiet bleibt in diesem Vergleich nur der bescheidene Platz als kleiner Bruder. Das Ruhrgebiet kämpft heute noch gegen seinen Ruf als schmutzigste Region der Republik. Dieser Ruf passt ganz und gar nicht zu diesem wunderschönen Tal.
Das Wasser war früher der einzig nutzbare Energieträger. Schon bald stoße ich auf die erste Mühle. Es ist die Pfeffermühle, heute ein kleines Freizeitzentrum. Sie ist ein Vorbote der nachfolgenden Entwicklung. Niedersfeld ist der erste Ort, den ich erreiche. Die Wolken hängen tief, die Blüten in den Vorgärten geben den bunten Kontrast zu den grauen Dächern. Am Sägewerk halte ich an. Meine Brille ist voller Tropfen, der Nieselregen hinterlässt seine Spuren. Die Ruhr ist im engen Tal gestaut. Das Rattern der Sägeblätter ist schon lange verstummt. Die Lagerplätze für die Baumstämme sind leer, die Hallen warten auf eine neue Verwendung. Mit der zunehmenden Industrialisierung sind die Arbeitsplätze weiter gezogen, dorthin, wo die Eisenbahn die Bretter ab transportieren kann.
„Watt'n Datt“, verdutzt stehe ich vor den beiden konzentrischen Kreisflächen, welche die Front einer weißgetünchten Trafostation zieren. Tja, was ist das? „VoRWEg gehen und Kultur fördern“ steht auf einem Schild. 2010 hatte im Rahmen der „Kulturhauptstadt Europas Ruhr“ der Energieriese RWE einen Wettbewerb für Studierende von Kunst- und Designstudiengängen initiiert. Ihre Aufgabe: einen künstlerischen Dialog mit den technischen Wegmarken der RWE entlang des Ruhrtalradweges zu schaffen. Dieser Dialog wird mich auf meinem Weg begleiten. Diesem Objekt hier wird eine "erotisch-energetische Verführung" zugesprochen, auf die ich immer noch warte.
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In einer Schussfahrt geht es hinunter nach Assinghausen. Ich lese: „Rosenstadt“. Als erstes fallen mir die großen weißen Fachwerkhäuser auf, die entlang der Straße aufgereiht sind. Im Grau des Nieselregens leuchten die Geranien. Ganze Büsche stehen vor den schmucken Häusern. Nach Rosen halte ich vergebens Ausschau. Aber die Geranien fügen sich sehr schön ins Ortsbild ein. Mir fallen gleich die vielen Spaziergänger auf, die im Friesennerz die Straße beleben. Vielleicht haben sie ja schon die Rosen gefunden.
Olsberg, die Stadt der fünf Schlösser. Graue Wolken liegen über der Stadt. Irgendwo habe ich die Wegmarkierung des Ruhrtalradweges verpasst und suche nun die Strecke. Ich lande im Gewerbegebiet. Die Tore der Hallen stehen offen und geben den Blick frei auf Maschinen, Holz und neue Möbel. In Schauräumen mit großen Fenstern stehen Designermöbel. Hierher sind also die Arbeitsplätze aus Niedersfeld gewandert. Eine große Straßenbrücke überspannt über das Tal den Produktionshallen. Ein LKW nach dem anderen passiert die Brücke. Hinter einem kleinen Park stoße ich dann wieder auf den Radweg. Die Eisenbahnstrecke von hier nach Winterberg wird gerade saniert, die Arbeiter bewegen sich fleißig zwischen Baumaschinen. Der Nieselregen hat für einen Moment nach gelassen. Ich denke mit Wehmut an Sonne und Wärme, so wie es mir der Wetterfrosch gestern versprochen hat. Jetzt im Warmen sitzen und einen heissen Kaffee schlürfen, das kommt mir in den Sinn. Drüben winkt ein Café dem Hunger in meinem Magen zu. Doch die Überwege über die Schienen sind versperrt, kein Durchkommen.
Am Ufer der Ruhr mache ich Rast. Eine breite Baumkrone schützt mich vor dem Regen. Über die Uferpflanzen hinweg sehe ich den Kirchturm. Überraschend bricht die Sonne durch ein Loch in der Wolkendecke. Leise plätschert das Wasser. Auf diesen 25 Kilometern ist die Ruhr inzwischen zu einem kleinen munteren Flüsschen herangewachsen. Sie ist nun im Flegelalter, würde mein Vater sagen.
Olsberg, die Stadt der fünf Schlösser. Graue Wolken liegen über der Stadt. Irgendwo habe ich die Wegmarkierung des Ruhrtalradweges verpasst und suche nun die Strecke. Ich lande im Gewerbegebiet. Die Tore der Hallen stehen offen und geben den Blick frei auf Maschinen, Holz und neue Möbel. In Schauräumen mit großen Fenstern stehen Designermöbel. Hierher sind also die Arbeitsplätze aus Niedersfeld gewandert. Eine große Straßenbrücke überspannt über das Tal den Produktionshallen. Ein LKW nach dem anderen passiert die Brücke. Hinter einem kleinen Park stoße ich dann wieder auf den Radweg. Die Eisenbahnstrecke von hier nach Winterberg wird gerade saniert, die Arbeiter bewegen sich fleißig zwischen Baumaschinen. Der Nieselregen hat für einen Moment nach gelassen. Ich denke mit Wehmut an Sonne und Wärme, so wie es mir der Wetterfrosch gestern versprochen hat. Jetzt im Warmen sitzen und einen heissen Kaffee schlürfen, das kommt mir in den Sinn. Drüben winkt ein Café dem Hunger in meinem Magen zu. Doch die Überwege über die Schienen sind versperrt, kein Durchkommen.
Am Ufer der Ruhr mache ich Rast. Eine breite Baumkrone schützt mich vor dem Regen. Über die Uferpflanzen hinweg sehe ich den Kirchturm. Überraschend bricht die Sonne durch ein Loch in der Wolkendecke. Leise plätschert das Wasser. Auf diesen 25 Kilometern ist die Ruhr inzwischen zu einem kleinen munteren Flüsschen herangewachsen. Sie ist nun im Flegelalter, würde mein Vater sagen.
Frisch gestärkt steige ich auf mein Rad – und gleich wieder runter. Unmittelbar hinter der Rastbank geht der Radweg über eine steile Rampe hoch. Mir fehlt der Schwung, da heißt es Schieben. Der anschließende Schwung bergab reicht aber auch nicht für die nächste Rampe. Ich fühle mich wie auf einer langgezogenen Bergundtalbahn auf unserer Kirmes. Schließlich stoße ich auf eine belebte Bundesstraße. Auf der gegenüberliegenden Seite führt der Weg wieder steil hoch. Ein freundlicher Mensch hat dick und fett auf den Asphalt geschrieben: „Hier KEIN Ruhrtalradweg.“ Für diesen Tipp bin ich ihm dankbar. Dafür geht es jetzt entlang der Bundesstraße. Ich wüsste nicht, was die bessere Wahl wäre. Irgendwie habe ich nun auch das
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Gefühl, dass es sich einregnet und irgendwie dämmert es mir auch, warum im Hochsauerland so viele Flüsse entspringen: Ruhr und Lahn, Sieg und Eder.
Am Ende einer der vielen folgenden steilen Rampen dann eine pfiffige Reklame. Ich gestehe, ich habe mir gleich die ganze Kneipe her gewünscht. Pfiffig aber auch die Reklame eines Bootsbauers. Oder hat sich da ein Boot angesichts der vielen Flüsse, die aus dem Hochsauerland kommen, etwa verirrt? Ich finde diesen Werbegag lustig. |
Über viele Kilometer entlang der Bundesstraße heißt es nun „Von Ruhr keine Spur.“ Ostwig, Bestwig, Velmede, Namen, die ich noch nie gehört habe. Die Fahrt entlang der Bundesstraße ist nicht gerade berauschend. Motorenlärm statt Wasserflüstern, die dicken Zwillingsreifen der LKWs wirbeln Spritzwasser hoch und an jeder Einmündung muss ich aufpassen, dass mich kein PKW schneidet. An einer Tankstelle mit Blick auf den Bahnhof führe ich ein langes Gespräch mit meinem inneren Schweinehund. Er ist dafür, ich dagegen. Schließlich zieht er sich in seinen Schmollwinkel zurück und ich radele weiter. Eigentlich hätte er es wissen müssen: unterwegs zieht er meistens den Kürzeren, zu Hause eher ich.
Alte Industriehallen stehen an der Eisenbahnlinie. Aus manchen wurden Getränkemärkte, aus anderen zeitweise Lebensmitteldiscounter. Die Blützeit der Industrialisierung ist in diesen Orten erst mal überschritten. Bei Eversberg wechsle ich das Flussufer. Nun führt der Radweg auf halber Hanghöhe über einen Wirtschaftsweg. Unten im Tal reihen sich die grauen Dächer der Wohnhäuser wie Perlen auf einer Kette.
Etwas verlassen steht der bronzene Eisengießer in Meschede am Ufer der Ruhr. Die Stadt ist im Umbau. Straßen werden saniert und Böschungen befestigt. Am Ortsausgang steht ein einsamer Angler in seiner Lederhose im flachen Wasser der Ruhr. Ich wünsche im viel Anglerglück. Wieder geht es entlang der Bundesstraße. Bei Freienohl empfängt mich wieder die Ruhr. Sauber ist das Wasser, von der Fußgängerbrücke aus kann ich das Leben auf dem Grund beobachten – und die Hinterlassenschaften der industriellen Gesellschaft, die im Flussbett gelandet sind. Der Radweg hat sich nun mit der Ruhr verschlungen. Mal verläuft er auf diesem Ufer, mal wechselt er aufs andere, es ist eine schöne Strecke entlang der vielen Windungen, welche die Ruhr hier macht. Bei Kilometer 72 und 460 Höhenmetern habe ich endlich mein Tagesziel erreicht: Arnsberg. Mein erstes Ziel im Hotel ist die Dusche, schön heiß, um mich wieder auf zu wärmen, und dann ein kräftigendes Abendessen.
Alte Industriehallen stehen an der Eisenbahnlinie. Aus manchen wurden Getränkemärkte, aus anderen zeitweise Lebensmitteldiscounter. Die Blützeit der Industrialisierung ist in diesen Orten erst mal überschritten. Bei Eversberg wechsle ich das Flussufer. Nun führt der Radweg auf halber Hanghöhe über einen Wirtschaftsweg. Unten im Tal reihen sich die grauen Dächer der Wohnhäuser wie Perlen auf einer Kette.
Etwas verlassen steht der bronzene Eisengießer in Meschede am Ufer der Ruhr. Die Stadt ist im Umbau. Straßen werden saniert und Böschungen befestigt. Am Ortsausgang steht ein einsamer Angler in seiner Lederhose im flachen Wasser der Ruhr. Ich wünsche im viel Anglerglück. Wieder geht es entlang der Bundesstraße. Bei Freienohl empfängt mich wieder die Ruhr. Sauber ist das Wasser, von der Fußgängerbrücke aus kann ich das Leben auf dem Grund beobachten – und die Hinterlassenschaften der industriellen Gesellschaft, die im Flussbett gelandet sind. Der Radweg hat sich nun mit der Ruhr verschlungen. Mal verläuft er auf diesem Ufer, mal wechselt er aufs andere, es ist eine schöne Strecke entlang der vielen Windungen, welche die Ruhr hier macht. Bei Kilometer 72 und 460 Höhenmetern habe ich endlich mein Tagesziel erreicht: Arnsberg. Mein erstes Ziel im Hotel ist die Dusche, schön heiß, um mich wieder auf zu wärmen, und dann ein kräftigendes Abendessen.
Am nächsten Morgen begrüßt mich die Sonne mit breitem Lachen. Der Wettergott hat mein Flehen erhört. Langsam lasse ich Arnsberg hinter mir. Die Silhouette der Stadt zeichnet sich scharf im Gegenlicht ab. Die Ruhr hat gerade in einer spitzen Kehrtwende die langgezogene Bergnase umrundet, auf der die alte Burg liegt. Diese strategisch günstige Lage hat die Gründung der Stadt begünstigt. Bereits 793 taucht der Name zum ersten Mal in Chroniken auf. Alt sind die Gebäude im Zentrum. Selbst kleine Häuser tragen stolze Jahreszahlen im Türsturz. Sie lassen den Wohlstand des Mittelalters erkennen, als die Stadt Mitglied des Hansebundes war und die Kaufleute den Namen „Seewicker“, also „Schleswiger“ trugen. Doch Kriege setzen der Stadt immer wieder zu und geben den Stoff für Sagen und Legenden rund um die Edelleute, die in der Burg lebten.
Die Ruhr springt lustig von Stein zu Stein. Ein erster Schlot grüßt mit hoch aufgerichteter weißer Fahne vor blauem Himmel. Es ist ein großes Spanplattenwerk. Daneben ein Leuchtenwerk. Auch hier ist die Industrie noch eng mit dem Reichtum des Hochsauerlandes, dem Wald und dem Wasser als Energielieferant verbunden. Ein Kanal zweigt von der Ruhr ab, führt große Wassermengen zu einer noch größeren Mühle. Ein markantes Schild warnt Spaziergänger, dem Kanal nicht zu nahe zu kommen. Für die Regulierung des Wasserbedarfs steigt sein Pegel unvermittelt an, eine Gefahr für Schwimmer und unversehens Hineingefallene.
Die Ruhr springt lustig von Stein zu Stein. Ein erster Schlot grüßt mit hoch aufgerichteter weißer Fahne vor blauem Himmel. Es ist ein großes Spanplattenwerk. Daneben ein Leuchtenwerk. Auch hier ist die Industrie noch eng mit dem Reichtum des Hochsauerlandes, dem Wald und dem Wasser als Energielieferant verbunden. Ein Kanal zweigt von der Ruhr ab, führt große Wassermengen zu einer noch größeren Mühle. Ein markantes Schild warnt Spaziergänger, dem Kanal nicht zu nahe zu kommen. Für die Regulierung des Wasserbedarfs steigt sein Pegel unvermittelt an, eine Gefahr für Schwimmer und unversehens Hineingefallene.
Ein schmaler Weg führt durch den Wald. Die Bäume geben Schatten. Schwere Holzgeländer sichern zum Steilhang hin ab. Drunten fließt das grüne Wasser der Ruhr, einzelne braune Blätter segeln flussabwärts. Der Herbst kündigt sein Kommen an. Auf einer Lichtung eine rund gemauerte Steinmauer mit eingelassenen Bögen, wie ein Aquädukt im Miniaturformat. Es erinnert an eine römische Anlage. Ich frage eine Passantin nach seiner Bedeutung. „Die Stadt sollte das Geld lieber für Sinnvolles ausgeben, sollte Straßen reparieren, statt solchen Unsinn zu finanzieren.“ Sie zieht kopfschüttelnd ihres Weges. Ein Rentner weiß mehr. „Das ist die Kinderstadt. Die haben es letztes Jahr gebaut.“ Auf einem Gedenkstein vermute ich mehr Informationen. Doch dort wird nur des Hüstener Schnadegangs am Hüstener Freiheitsweg gedacht, eine alte Tradition aus dem Mittelalter. Im Internet werde ich dann fündig: 2011 haben 200 Kinder im Rahmen der Ferienspiele diese Anlage gebaut. Sie wollten das alte Rom nachbauen und dadurch mehr über Kaiser, Göttinnen, Gladiatoren und Legionäre im Römerlager Hüsten erfahren. Ein für mich sehr sinnvolles Projekt. Vor einem Jahr wurde übrigens in einem gleichen Projekt das Hüstener Schloss wieder aufgebaut, im Maßstab 1:20.
Langsam steigt die Sonne höher. Mein langärmliges Fahrradshirt, das mir gestern so gut zu Diensten war und das auf den Steigungen meinen Schweiß gesammelt hat, wollte nach dem Auswaschen über Nacht nicht so recht trocken werden. So sonnt es sich jetzt auf meinem Gepäckträger und winkt den Passanten mit seinen langen Ärmeln fröhlich zu. Ich muss gestehen: Auch mir macht das Radeln ohne Nieselregen mehr Spaß.
Hinter Hüsten verlässt die Ruhr das „Land der tausend Berge“. Das Tal wird breiter, die Getreidefelder größer und der Blick weiter. Ein Schild kündigt einen „Wildwald“ an, dahinter eine Vielzahl von Verkehrsschildern. Ich interpretiere es als Hommage an den Wildwuchs im deutschen Schilderwald. Noch begleitet der Radweg immer wieder die Landstraße. In Wickede erschrickt mich ein dumpfes Donnern, weitere Schläge folgen. Ich passiere gerade eine langgezogene Fabrikhalle. Ich realisiere schnell, dass es weder Gewitterdonner noch Explosionslärm ist, sondern dass es sich um Arbeitslärm handelt. Solche Geräuschkulissen kenne ich aus dem Hüttenwerk in meiner saarländischen Geburtstadt. Ich bin im Land der eisenverarbeitenden Industrie angekommen. Gegensätze prägen dieses Land. Ein Reiher steht einsam auf einer grünen Wiese, derweil von der anderen Seite der Arbeitslärm herüber dringt. Neue Fabrikhallen stehen neben alten Industrieruinen. In Fröndenberg ist in solch einer Ruine das Kettenschmiedemuseum untergebracht. Kahl ragen die Außenmauern hoch, aus Backsteinen errichtet und für die Ewigkeit gebaut. Doch wo einst ein Dach die Halle einer Papierfabrik überspannte, ist nun ein großer Festplatz errichtet und am Rande der Ruhr sonnen sich Jugendliche am sauberen Ufer.
Hinter Hüsten verlässt die Ruhr das „Land der tausend Berge“. Das Tal wird breiter, die Getreidefelder größer und der Blick weiter. Ein Schild kündigt einen „Wildwald“ an, dahinter eine Vielzahl von Verkehrsschildern. Ich interpretiere es als Hommage an den Wildwuchs im deutschen Schilderwald. Noch begleitet der Radweg immer wieder die Landstraße. In Wickede erschrickt mich ein dumpfes Donnern, weitere Schläge folgen. Ich passiere gerade eine langgezogene Fabrikhalle. Ich realisiere schnell, dass es weder Gewitterdonner noch Explosionslärm ist, sondern dass es sich um Arbeitslärm handelt. Solche Geräuschkulissen kenne ich aus dem Hüttenwerk in meiner saarländischen Geburtstadt. Ich bin im Land der eisenverarbeitenden Industrie angekommen. Gegensätze prägen dieses Land. Ein Reiher steht einsam auf einer grünen Wiese, derweil von der anderen Seite der Arbeitslärm herüber dringt. Neue Fabrikhallen stehen neben alten Industrieruinen. In Fröndenberg ist in solch einer Ruine das Kettenschmiedemuseum untergebracht. Kahl ragen die Außenmauern hoch, aus Backsteinen errichtet und für die Ewigkeit gebaut. Doch wo einst ein Dach die Halle einer Papierfabrik überspannte, ist nun ein großer Festplatz errichtet und am Rande der Ruhr sonnen sich Jugendliche am sauberen Ufer.
Große Strohrollen ruhen auf Stoppelfeldern. Die Bauern haben das trockene Wetter genutzt, um die Ernte einzubringen. Nun leuchtet das Stroh golden im Sonnenschein. Raben lassen sich auf ihnen nieder.
Vor Schwerte verlasse ich die Landstraße. Der Ruhrtal-Radweg wendet sich wieder dem Fluss zu. Ich spüre, dass ich das Ballungsgebiet erreicht habe. Waren es bislang vor allem Radwanderer, die ähnlich mir mit Gepäck beladen den Fluss hinab radeln, so ist der Radweg nun belebt mit Spaziergängern und Freizeitradlern. Am Fluss sammeln sich die Wassersportler. |
Breit ist der Weg und auf Kilometer hin schnurgerade. Er ist eine regelrechte Schnellstrecke geworden, ein Ruhradschnellweg. Ein Wald von Starkstrommasten zieht sich quer durch die Aue. Hagen, immer noch ein industrielles Schwergewicht, liegt in der Nähe.
Hurtig geht es durch die Ruhraue, um alsbald in einen Wald einzutauchen. Zwei Angler sitzen müßig am Ufer. „Letztes Jahr gab es so viele Forellen, und dieses Jahr keine.“ schimpft einer der beiden, als eine Spaziergängerin ihn nach seinem Fang befragt. Na ja, dann hat er ja zu Hause genügend Stoff fürs Anglerlatein. |
Umleitungen schrecken mich in Frankreich nicht vom Weiterradeln ab. Doch in Deutschland nehme ich sie ernst, so ernst wie die deutsche Bürokratie. Vor dem Hinweisschild steht eine Gruppe von Holländern. Die Umleitungsroute ist schön aufgemalt. Also folge ich dem Pfeil nach rechts. Eine breite Straße führt über die Ruhr, die Autos brausen an mir vorbei. Ein Wald mit deutschen Flaggen weht auf der rechten Seite, der Radweg ist mit PKWs zu geparkt. Ich halte den Atem an, als ich auf die Straße ausweichen muss. Gute Deutsche sind es, die hier ihre Kleingärten haben und ihr Auto ist ihr liebstes Kind. Der weitere Verlauf der Umleitungsroute ist nicht beschildert. Da muss ich mich auf meinen Spürsinn verlassen. Die Holländer danken es mir. Ohne mich wären sie auf dem weitläufigen Hof einer Industrieanlage gelandet. Hoch oben steht der Turm der Syburg. Klein sieht er aus im Vergleich zu dem hohen weißen Schlot der Fabrik, und blickt hinab auf den Hengsteysee. Aus der spritzigen Ruhr im Oberlauf ist nun ein gemächlich ruhender Fluss geworden. Still ruht der See, Enten dümpeln auf dem Wasser und suchen den kühlenden Schatten des Ufers, so wie ich. Ein See folgt auf den anderen: Hengsteysee, Harkortsee, und weitere werden noch folgen. Wasserkraftwerke wurden hier vor vielen Jahren errichtet, um den Energiehunger der Industrie zu stillen. Bei Kilometer 82 erreiche ich heute mein Tagesziel.
Ein Geschnatter aus hundert Kehlen reißt mich aus dem Schlaf. Wildenten ziehen am frühen Morgen über Wengern. Es ist Zeit auf zu stehen und die Sonne zu begrüßen. Wieder spannt sich ein blauer Himmel über mir und verspricht einen warmen Spätsommertag.
„Schön, das Sie da sind.“ diesen Willkommensgruß am Eingang des „Landgasthofes Wengern“ weiß ich nun zu schätzen. Eine günstige Radlerpauschale einschließlich der gefüllten Trinkwasserflaschen mit frisch gesprudeltem Wasser. Eine Adresse, die ich nur empfehlen kann.
Vor Witten überquert die Eisenbahn wieder auf einem alten Viadukt aus Bruchsteinen die Ruhr. Der dunkle Stein zeugt von dem Alter der Brücke aus der Sturm- und Drangzeit des Ruhrgebietes, dessen Ursprung hier in Witten liegt. „Nachtigall“ heißt die Zeche. Sie ist die Urmutter aller Zechen im Ruhrgebiet. 1832 sind hier die ersten Bergleute mit einem Förderkorb in die Tiefe gefahren, um Kohle abzubauen. Sehr tief mussten sie noch nicht graben. Die Flöze liegen teilweise an der Erdoberfläche und fallen langsam nach Norden hin ab. 1960 wurde der Abbau eingestellt. Zu diesem Zeitpunkt waren die jungen Zechen schon weiter nach Norden gewandert. Heute stehen sie an der Lippe und reichen bis in 1300 Meter Tiefe.
Gerne nehme ich mir für das Besucherbergwerk, das die Zeche „Nachtigall“ nun ist, die erforderliche Zeit. Ich schaue auf die Öffnungszeiten. Ich hätte es wissen müssen: Die Nachtigall ist kein früher Vogel. Eine Stunde Wartezeit ist mir zu lange. Weiter geht die Fahrt entlang der Bahnstrecke, der ich schon seit Wengern folge. Auf dieser Strecke wurde die Kohle abtransportiert, insbesondere auch, nachdem die Schifffahrt auf der Ruhr eingestellt worden ist. Bis Witten war die Ruhr kanalisiert. Schwere Rösser zogen die Schiffe entlang des gepflasterten Treidelpfades. Im 19. Jahhrundert war die Ruhr der Fluss mit dem höchsten Transportaufkommen in ganz Europa. Doch der Transport zu Schiff war auf Dauer nicht lohnend. Das lag daran, dass die Fahrt wegen der vielen Stromschnellen sehr lange dauerte und die Ladung auch zu häufig umgeladen werden musste. Die Kohle, die hier an der Ruhr abgebaut wurde, war minderwertig und weich. Sie zerbröselte und kam zu oft als Kohlestaub am Bestimmungsort an. So war der Ruhr als Schifffahrtsstraße ein schnelles Ende bereitet.
„Schön, das Sie da sind.“ diesen Willkommensgruß am Eingang des „Landgasthofes Wengern“ weiß ich nun zu schätzen. Eine günstige Radlerpauschale einschließlich der gefüllten Trinkwasserflaschen mit frisch gesprudeltem Wasser. Eine Adresse, die ich nur empfehlen kann.
Vor Witten überquert die Eisenbahn wieder auf einem alten Viadukt aus Bruchsteinen die Ruhr. Der dunkle Stein zeugt von dem Alter der Brücke aus der Sturm- und Drangzeit des Ruhrgebietes, dessen Ursprung hier in Witten liegt. „Nachtigall“ heißt die Zeche. Sie ist die Urmutter aller Zechen im Ruhrgebiet. 1832 sind hier die ersten Bergleute mit einem Förderkorb in die Tiefe gefahren, um Kohle abzubauen. Sehr tief mussten sie noch nicht graben. Die Flöze liegen teilweise an der Erdoberfläche und fallen langsam nach Norden hin ab. 1960 wurde der Abbau eingestellt. Zu diesem Zeitpunkt waren die jungen Zechen schon weiter nach Norden gewandert. Heute stehen sie an der Lippe und reichen bis in 1300 Meter Tiefe.
Gerne nehme ich mir für das Besucherbergwerk, das die Zeche „Nachtigall“ nun ist, die erforderliche Zeit. Ich schaue auf die Öffnungszeiten. Ich hätte es wissen müssen: Die Nachtigall ist kein früher Vogel. Eine Stunde Wartezeit ist mir zu lange. Weiter geht die Fahrt entlang der Bahnstrecke, der ich schon seit Wengern folge. Auf dieser Strecke wurde die Kohle abtransportiert, insbesondere auch, nachdem die Schifffahrt auf der Ruhr eingestellt worden ist. Bis Witten war die Ruhr kanalisiert. Schwere Rösser zogen die Schiffe entlang des gepflasterten Treidelpfades. Im 19. Jahhrundert war die Ruhr der Fluss mit dem höchsten Transportaufkommen in ganz Europa. Doch der Transport zu Schiff war auf Dauer nicht lohnend. Das lag daran, dass die Fahrt wegen der vielen Stromschnellen sehr lange dauerte und die Ladung auch zu häufig umgeladen werden musste. Die Kohle, die hier an der Ruhr abgebaut wurde, war minderwertig und weich. Sie zerbröselte und kam zu oft als Kohlestaub am Bestimmungsort an. So war der Ruhr als Schifffahrtsstraße ein schnelles Ende bereitet.
In Schussfahrt geht es von der Bahnstrecke hinab zum Flussufer und gleich rauf auf die wartende Fahrradfähre. Gegen einen freiwilligen Obolus geht es ans gegenüberliegende Ufer. Ein nettes Gespräch dann auf der Fähre. Als Radfahrer hat man immer einen Tipp zum Weitergeben und nimmt auch gerne Ratschläge der anderen an.
Ausgefallene Schilder fallen mir bei dieser Tour immer wieder auf: Der Radfahrer, der in ein Schienengleis gerät, die Sportler, die mit dem Kajak auf dem Kopf den Radweg queren, oder auch der Spaziergänger, der ausrutscht und ins Wasser fällt, auch wenn das Flussbett auf dem Schild eher wie ein umgedrehter Regenschirm anmutet. |
Nun mehren sich sichtbar die Industriebetriebe am Fluss: Altehrwürdige denkmalschutzwürdige Hallen stehen neben prächtigen Direktorenhäusern. Ursprünglich war es üblich, dass der Wohnsitz des Fabrikbesitzers direkt neben den Fabrikhallen stand. Einige solch schöner Beispiele kann ich hier bewundern.
Am Kemnadersee lege ich die erste Rast ein. Idyllisch ist es am Flussufer, Schwäne ziehen stolz übers Wasser, Teichmummeln haben die letzten ihrer gelben Blüten geöffnet und kleine Stichlinge tummeln sich in der flachen Uferzone. Doch das stete Rauschen des Verkehrs auf der nahen Autobahn, das Knallen der bearbeiteten Bleche in den Maschinenhallen und das Poltern der Eisenstangen beim Verladen erinnert mich daran, dass ich im Ruhrgebiet bin.
Schmal ist nun der Radweg und ich muss höllisch aufpassen, dass mich die sportlichen Radler bei ihrem Morgentraining nicht aufs Stoppelfeld abdrängen. Süßlich riechen die prallen Früchte des wilden Hopfens, die ein ebenso sportlich gekleideter Rentner pflückt. Bier ist hier ein Grundnahrungsmittel. Wahrscheinlich braut er sich sein eigenes Bier.
Irgendwo hier muss es gewesen sein, dass im Mittelalter ein Hirtenjunge ein Feuer anfachte, um sich zu wärmen. Als er nach Hause ging, löschte er gewissenhaft das Feuer. Am nächsten Morgen kam er wieder und war verwundert. Der Boden glühte rot und warm. Sein Feuer vom Vortag hatte freiliegende Kohle entzündet. Aufgeregt lief er ins Dorf und erzählte den Dorfbewohnern von seiner Entdeckung. Das war der Beginn des Kohlebergbaus an der Ruhr. So weit die Legende.
Schmal ist nun der Radweg und ich muss höllisch aufpassen, dass mich die sportlichen Radler bei ihrem Morgentraining nicht aufs Stoppelfeld abdrängen. Süßlich riechen die prallen Früchte des wilden Hopfens, die ein ebenso sportlich gekleideter Rentner pflückt. Bier ist hier ein Grundnahrungsmittel. Wahrscheinlich braut er sich sein eigenes Bier.
Irgendwo hier muss es gewesen sein, dass im Mittelalter ein Hirtenjunge ein Feuer anfachte, um sich zu wärmen. Als er nach Hause ging, löschte er gewissenhaft das Feuer. Am nächsten Morgen kam er wieder und war verwundert. Der Boden glühte rot und warm. Sein Feuer vom Vortag hatte freiliegende Kohle entzündet. Aufgeregt lief er ins Dorf und erzählte den Dorfbewohnern von seiner Entdeckung. Das war der Beginn des Kohlebergbaus an der Ruhr. So weit die Legende.
Hinter Stiepel führt der Radweg über eine ehemalige Eisenbahntrasse direkt am Steilhang entlang. Das Ruhrgebiet war durchzogen von Eisenbahnstrecken, um Rohstoffe ab zu transportieren oder an zu liefern und Eisen, Stahl und Fertigprodukte weiter zu transportieren. Viele sind inzwischen stillgelegt und abgeräumt, so wie diese. Ein Schild erregt mein Interesse. Eigentlich ist nichts Besonderes zu sehen, nur eine gemauerte Wand. Das Schild klärt mich auf: dahinter führt ein Stollen in den Berg. Hier wurde schon im Jahr 1700 Kohle abgebaut. Es ist die Zeche "Treue Tiefer Stollen". Sie führte zum Flöz "Sonnenschein", das bis zu 2,5 Meter dick war.
Etwas weiter steht eine Lore hinter einem Eisengitter im Stolleneingang. Hier handelt es sich um einen sogenannten Erbstollen. Diese wurden in den Berg getrieben, um den Hauptstollen zu belüften und Wasser ab zu transportieren. Ich befinde mich jetzt bei ganz frühen Zeugen des Kohleabbaus. Niedrig waren meist die Stollen, nur auf Knien rutschend konnten sich die Bergleute fortbewegen. Eine harte und gefährliche Arbeit. Wassereinbrüche und giftige Gase waren ihre ärgsten Feinde. Doch die Kohle musste raus aus der Erde, rein in die Eisenhütten, und die Menschen brauchten Arbeit und Einkommen, um leben zu können. Diese Kohle war minderwertig, so lese ich. Erst der Abbau höherwertiger Kohle aus größerer Tiefe und die Verbesserung der Verhüttungstechnik hat die stürmische Industrialisierung des Ruhrgebiets ab der Mitte des 19ten Jahrhunderts ermöglicht.
Etwas weiter steht eine Lore hinter einem Eisengitter im Stolleneingang. Hier handelt es sich um einen sogenannten Erbstollen. Diese wurden in den Berg getrieben, um den Hauptstollen zu belüften und Wasser ab zu transportieren. Ich befinde mich jetzt bei ganz frühen Zeugen des Kohleabbaus. Niedrig waren meist die Stollen, nur auf Knien rutschend konnten sich die Bergleute fortbewegen. Eine harte und gefährliche Arbeit. Wassereinbrüche und giftige Gase waren ihre ärgsten Feinde. Doch die Kohle musste raus aus der Erde, rein in die Eisenhütten, und die Menschen brauchten Arbeit und Einkommen, um leben zu können. Diese Kohle war minderwertig, so lese ich. Erst der Abbau höherwertiger Kohle aus größerer Tiefe und die Verbesserung der Verhüttungstechnik hat die stürmische Industrialisierung des Ruhrgebiets ab der Mitte des 19ten Jahrhunderts ermöglicht.
Vor Hattingen ist die Ruhr zu einem großen Katarakt aufgestaut. Kormorane schauen gelangweilt zu, wie Kajakfahrer mit Juchei den schmalen Wasserkanal hinunter schießen. Einen großen Bogen schlägt die Ruhr jetzt und die Sonne steigt höher und höher. Ich spüre die Mittagshitze und suche in Schlangenlinien den Schatten der Bäume entlang des Radweges. Die Rinder mit den großen Hörnern, die sich am gegenüberliegenden Ufer im flachen Wasser fleißig bemühen, den Fluss leer zu saufen, erinnern eher an den Wilden Westen als an eine Industrielandschaft. Bochum, Hattingen, Essen: bekannte und große Städte reihen sich aneinander, doch sie geben sich nicht zu erkennen. Ihr Ursprung liegt abseits des Flusses. Die Namen der Orte am Fluss sind nur ein paar eingemeindete Vororte.
Grün ist der Nordhang des Baldeneysees. Ein Ausflugsschiff legt am Südostufer an. Die eigentliche Urlaubszeit ist vorbei, es sind nicht mehr viele Gäste, die zusteigen. Umso belebter geht es am Radweg zu. Viele nutzen das schöne Wetter für einen Kreislauf stärkenden Ausflug. Ein lindgrüner Förderturm wächst aus dem Dunkelgrün des Waldes. Doch die Industrie, so kann ich allenthalben lesen, hat sich schon vor einhundert Jahren verabschiedet. Was heute noch zu sehen ist, sind konservierte Erinnerungen an die Vergangenheit.
Kühl ist es im Schatten des Südufers. Vor mir ein kaltes Getränk mit Blick auf die „Villa Hügel“. Wie eine altgriechische Tempelanlage wirkt sie auf mich. Einst blickten die Krupps von dort oben auf die einfachen Menschen, für die der See schon immer ein Erholungsgebiet war. Würden sie heute noch dort wohnen, dann könnten ihre aus dem Mallorcaurlaub zurückkehrenden Arbeiter beim Anflug auf den Düsseldorfer Flughafen recht gut von oben sehen, was es bei Krupps heute zum Mittagessen gibt. Ich fühle mich angesichts des dichten Flugverkehrs über mir wie zu Hause in der Einflugschneise des Frankfurter Flughafens.
Grün ist der Nordhang des Baldeneysees. Ein Ausflugsschiff legt am Südostufer an. Die eigentliche Urlaubszeit ist vorbei, es sind nicht mehr viele Gäste, die zusteigen. Umso belebter geht es am Radweg zu. Viele nutzen das schöne Wetter für einen Kreislauf stärkenden Ausflug. Ein lindgrüner Förderturm wächst aus dem Dunkelgrün des Waldes. Doch die Industrie, so kann ich allenthalben lesen, hat sich schon vor einhundert Jahren verabschiedet. Was heute noch zu sehen ist, sind konservierte Erinnerungen an die Vergangenheit.
Kühl ist es im Schatten des Südufers. Vor mir ein kaltes Getränk mit Blick auf die „Villa Hügel“. Wie eine altgriechische Tempelanlage wirkt sie auf mich. Einst blickten die Krupps von dort oben auf die einfachen Menschen, für die der See schon immer ein Erholungsgebiet war. Würden sie heute noch dort wohnen, dann könnten ihre aus dem Mallorcaurlaub zurückkehrenden Arbeiter beim Anflug auf den Düsseldorfer Flughafen recht gut von oben sehen, was es bei Krupps heute zum Mittagessen gibt. Ich fühle mich angesichts des dichten Flugverkehrs über mir wie zu Hause in der Einflugschneise des Frankfurter Flughafens.
Gemütlich starte ich in aller Frühe. Hinter Kettwig erstreckt sich eine breite Streuobstwiese. Rote Apfelbäckchen lachen mich an und Pferdeäpfel verleiten mich zum Slalomfahren. Der Bauer hat eine Probierkiste für die roten Äpfel hin gestellt, aber sie ist so früh noch nicht aufgefüllt. Die Kühle des Morgens wirkt anregend und erfrischt mich auf der Fahrt über das freie Feld. Über den kleinen Flecken Mintard spannt sich eine lange Autobahnbrücke. Unentwegt brausen die Fahrzeuge über den Ort hinweg, hinterlassen einen Geräuschschleier, der sich um mich legt.
Das nahe Mülheim macht sich bemerkbar. Hunde werden Gassi geführt und Freundinnen zum Joggen. Lehrer bewegen unwillige Schüler zum Morgensport auf dem Fußballrasen. Jedem einzelnen von ihnen kann ich ansehen, wo er jetzt lieber wäre. Mit Sicherheit nicht hier.
Ein großes Auwaldgebiet liegt vor Mülheim. Aus dem Wäldchen heraus rufen die Glocken des Kloster Saarn zum Morgengebet. Die Zisterzienserinnen beten dort schon lange nicht mehr. Das Kloster gehört inzwischen der Stadt Mülheim. Idyllisch ist die Strecke entlang der Ruhr. Ich habe eine Häuserballung erwartet, doch der Radweg führt von der Ruhraue direkt in eine kleine Parklandschaft entlang des Flusses. Brückenkonstruktionen für Fußgänger und Radfahrer überqueren ab und zu mal verkehrsreiche Straßen, auf dass ich nicht mit den Autos in Berührung komme. Ehe ich mich versehe, bin ich in Oberhausen.
Nun wird mir endlich das Gefühl vermittelt, im Ruhrgebiet zu sein. Die letzten zehn Kilometer führen durch langgezogene Arbeitersiedlungen, dann über einen hohen Hochwasserdamm. Irgendwie verliere ich in diesem Gewirr von Radwegen meine Orientierung. Schließlich finde ich mich am Ufer des Rhein-Herne-Kanals wieder. Kräne drehen sich, häufen Kohle und Schrott zu hohen Bergen zusammen, versenken Container in Schiffsbäuchen und lassen Eisenpakete in Eisenbahnwaggons rumpeln. Der Duisburger Hafen, den ich jetzt erreicht habe, gilt als der größte Binnenhafen weltweit. Sein Zentrum ist der heutige Stadtteil „Ruhrort“, der bereits 1665 eine wichtige Bedeutung für den Kohlehandel am Rhein hatte. Die Kohle hat schon lange diese wichtige Bedeutung für den Hafen verloren. Er ist inzwischen eine Logistikdrehscheibe geworden, den täglich 60 Güterzüge verlassen. Vom Damm aus kann ich immer wieder sehen, wie eng Schifffahrt, Eisenbahn und Straßenverkehr miteinander verknüpft sind. Was der eine ausspukt, saugt der andere gleich wieder auf, um es weiter zu transportieren. Ein freundlicher Radler führt mich dann doch noch auf den Weg zum Ruhrtal-Radweg, der nun über eine Brücke wieder aufs südliche Ufer der Ruhr führt.
Den letzten Kilometer radle ich gemütlich. „Rheinorange“ ist mein Ziel. Hier, an der Mündung der Ruhr, wo sich ein Schiff nach dem anderen vorbeischiebt, steht eine 25 Meter hohe orangefarbene Stahlstele. Der Kölner Bildhauer Lutz Fritsch hat sie 1992 errichtet. Die Farbe der Stele hat die Farbnummer RAL 2004, die Nummer steht für die Farbe reinorange. Ein Wortspiel also. Eine Zeitlang schaue ich noch dem regen Schiffsverkehr auf dem Rhein zu und verfolge das Spiel der zahlreichen Hunde auf der Wiese. Auf dem Weg zum Bahnhof begegnen mir immer wieder Radtouristen, die hier an „Rheinorange“ ihre Reise entlang des Ruhrradwegs starten oder beenden. 250 Kilometer bin ich in diesen vier Tagen von der Quelle bis zur Mündung geradelt.
Der Fluss hat dem größten industriellen Zentrum Deutschlands seinen Namen gegeben. Doch der Fluss selbst ist grün geblieben, sowohl sein Wasser als auch sein Tal. Im Ruhrgebiet wird gearbeitet, an der Ruhr wird sich erholt.
Das nahe Mülheim macht sich bemerkbar. Hunde werden Gassi geführt und Freundinnen zum Joggen. Lehrer bewegen unwillige Schüler zum Morgensport auf dem Fußballrasen. Jedem einzelnen von ihnen kann ich ansehen, wo er jetzt lieber wäre. Mit Sicherheit nicht hier.
Ein großes Auwaldgebiet liegt vor Mülheim. Aus dem Wäldchen heraus rufen die Glocken des Kloster Saarn zum Morgengebet. Die Zisterzienserinnen beten dort schon lange nicht mehr. Das Kloster gehört inzwischen der Stadt Mülheim. Idyllisch ist die Strecke entlang der Ruhr. Ich habe eine Häuserballung erwartet, doch der Radweg führt von der Ruhraue direkt in eine kleine Parklandschaft entlang des Flusses. Brückenkonstruktionen für Fußgänger und Radfahrer überqueren ab und zu mal verkehrsreiche Straßen, auf dass ich nicht mit den Autos in Berührung komme. Ehe ich mich versehe, bin ich in Oberhausen.
Nun wird mir endlich das Gefühl vermittelt, im Ruhrgebiet zu sein. Die letzten zehn Kilometer führen durch langgezogene Arbeitersiedlungen, dann über einen hohen Hochwasserdamm. Irgendwie verliere ich in diesem Gewirr von Radwegen meine Orientierung. Schließlich finde ich mich am Ufer des Rhein-Herne-Kanals wieder. Kräne drehen sich, häufen Kohle und Schrott zu hohen Bergen zusammen, versenken Container in Schiffsbäuchen und lassen Eisenpakete in Eisenbahnwaggons rumpeln. Der Duisburger Hafen, den ich jetzt erreicht habe, gilt als der größte Binnenhafen weltweit. Sein Zentrum ist der heutige Stadtteil „Ruhrort“, der bereits 1665 eine wichtige Bedeutung für den Kohlehandel am Rhein hatte. Die Kohle hat schon lange diese wichtige Bedeutung für den Hafen verloren. Er ist inzwischen eine Logistikdrehscheibe geworden, den täglich 60 Güterzüge verlassen. Vom Damm aus kann ich immer wieder sehen, wie eng Schifffahrt, Eisenbahn und Straßenverkehr miteinander verknüpft sind. Was der eine ausspukt, saugt der andere gleich wieder auf, um es weiter zu transportieren. Ein freundlicher Radler führt mich dann doch noch auf den Weg zum Ruhrtal-Radweg, der nun über eine Brücke wieder aufs südliche Ufer der Ruhr führt.
Den letzten Kilometer radle ich gemütlich. „Rheinorange“ ist mein Ziel. Hier, an der Mündung der Ruhr, wo sich ein Schiff nach dem anderen vorbeischiebt, steht eine 25 Meter hohe orangefarbene Stahlstele. Der Kölner Bildhauer Lutz Fritsch hat sie 1992 errichtet. Die Farbe der Stele hat die Farbnummer RAL 2004, die Nummer steht für die Farbe reinorange. Ein Wortspiel also. Eine Zeitlang schaue ich noch dem regen Schiffsverkehr auf dem Rhein zu und verfolge das Spiel der zahlreichen Hunde auf der Wiese. Auf dem Weg zum Bahnhof begegnen mir immer wieder Radtouristen, die hier an „Rheinorange“ ihre Reise entlang des Ruhrradwegs starten oder beenden. 250 Kilometer bin ich in diesen vier Tagen von der Quelle bis zur Mündung geradelt.
Der Fluss hat dem größten industriellen Zentrum Deutschlands seinen Namen gegeben. Doch der Fluss selbst ist grün geblieben, sowohl sein Wasser als auch sein Tal. Im Ruhrgebiet wird gearbeitet, an der Ruhr wird sich erholt.