
Etappe 1 – von Waldziegelhütte bis Lockweiler/Wadern

„Gudden Tach“, rufe ich den Spaziergängern zu, die mir entgegenkommen. Vor mir breitet sich eine sonnendurchflutete Landschaft aus. Das Dorf tief im Tal der Oster wirkt so klein. Tiefgrüne Wälder bedecken die Hügel. Felder und Wiesen ziehen sich bis hinunter in die Talsohle.
Für den Start zu unserer Tour de Saar einmal rund ums Saarland haben wir Waldziegelhütte auf dem Höcherberg gewählt. Mit seinen 518 Metern überragt der Berg ganz im Osten des kleinsten Bundeslandes das St. Wendeler Land. Der Wirtschaftsweg hinunter nach Lautenbach, der zwischen den umstrittenen Windrädern hindurchführt, ist gewöhnungsbedürftig. Schlaglöcher überziehen wie Windpocken die ehemals geschlossene Teerdecke. Ich hoffe, dass uns solche Wege nicht die ganze Tour begleiten. Waldziegelhütte liegt hinter der Grenze zu Rheinland-Pfalz. Die saarländische Grenze wird unser roter Faden für die nächsten fünf Tage sein. Wir verabschieden uns von unseren Gastgebern Ellen und Martin. Los geht es.
Für den Start zu unserer Tour de Saar einmal rund ums Saarland haben wir Waldziegelhütte auf dem Höcherberg gewählt. Mit seinen 518 Metern überragt der Berg ganz im Osten des kleinsten Bundeslandes das St. Wendeler Land. Der Wirtschaftsweg hinunter nach Lautenbach, der zwischen den umstrittenen Windrädern hindurchführt, ist gewöhnungsbedürftig. Schlaglöcher überziehen wie Windpocken die ehemals geschlossene Teerdecke. Ich hoffe, dass uns solche Wege nicht die ganze Tour begleiten. Waldziegelhütte liegt hinter der Grenze zu Rheinland-Pfalz. Die saarländische Grenze wird unser roter Faden für die nächsten fünf Tage sein. Wir verabschieden uns von unseren Gastgebern Ellen und Martin. Los geht es.
In Dörrenbach leitet uns die gelbe Silhouette des Saarlandes auf dem Radweg-Schild wieder zum nächsten Anstieg. Doch zuvor muss ein Fotostopp sein. Eine Lore steht vor einem Haus. „Letzter Wagen“ lese ich. Das Bergmannssymbol Schlägel und Eisen steht auf dem Kopf, genauso wie das Adelswappen auf dem Grabstein des Letzten eines feudalen Stammbaumes. Ausgestorben bedeutet diese Symbolik. Doch die Erinnerung an den Bergbau wird hochgehalten. In Haupersweiler, einem Ortsteil von Freisen, ist ein Modell des örtlichen Schachts aufgebaut. Der Kohleabbau im Osten des Saarlandes ist bereits im Jahr 1429 urkundlich bestätigt. Es begann mit sogenannten Bauerngruben, wo die Kohle an der Erdoberfläche gebrochen werden konnte.
KOHLE
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Eins darf man nie vergessen: Das Saarland wurde vor 100 Jahren aus Kohle und Stahl geboren. Die Kohle gab uns allen Brot und Arbeit. Bis zu 70.000 Beschäftigte gab es zu Spitzenzeiten im Saarbergbau. Mit der Industrialisierung wuchs der Bedarf an Eisen für den Maschinenbau, den Ausbau der Infrastruktur und den Betonbau. Für die Herstellung von Stahl braucht man Wasser, Kohle und Eisenerz. Hier war alles vorhanden. Die wechselvolle Zugehörigkeit zu Deutschland und Frankreich seit 1920 ist bekannt. Der Kohleabbau begann schon im Mittelalter im Osten unseres kleinen Landes. Aber die Blüte kam im 19. Jahrhundert.
Ich stamme aus einer Bergarbeiterfamilie. Mein Vater war schon Betriebsschlosser auf der Grube und ich begann meine Ausbildung im gleichen Beruf 1976 auf der Grube Duhamel in Ensdorf. Die Zeit, als der Bergmann mit Presslufthämmern die Kohle aus dem Flöz brach, war damals schon vorbei. Die Arbeit begann morgens mit dem Eintritt ins Weißbad. Hier wurden die sauberen Kleider abgelegt, dann ging es ins Schwarzbad, um die Arbeitskleidung anzuziehen. Die hing an der Decke. Von dort ging ich in den Zechensaal zur täglichen Arbeitseinteilung. In der Lampenstube habe ich dann meine Kopflampe und den Filterselbstretter genommen und bin zum Schacht gegangen. Mit dem Förderkorb ging es über tausend Meter hinunter in den Berg. Anfangs arbeiteten wir noch mit der Schrämaschine, später mit dem Hobel. Die Schrämaschine bricht die Kohle mit großen Walzen aus dem Flöz, der Kohlehobel schält sie seitwärts ab. So schnell, wie der Hobel arbeitet, kannst gar nicht schauen. Jede neue Maschinentechnik erhöhte die Produktivität enorm. Wir waren acht Mann im Team. Zwei bedienten die Maschine. Dann gab es noch Hydrauliker, Schilderrücker und Panzerrücker, sowie den Panzerfahrer. Letzteres hört sich dramatisch an, dient aber unserem Schutz. Eigentlich steigt die Temperatur, je tiefer du im Berg bist. Aber mit Frischluft und zugeführter Luftfeuchtigkeit war die Temperatur erträglich. Die Klima-Bergverordnung von 1984 zum Schutz der Gesundheit gegen Klimaeinwirkungen hat da ganz viel gebracht. Natürlich war die Arbeit mit viel Schmutz verbundenen. Bei Schichtende ging der Weg vom Streb nach Hause auf umgekehrtem Weg durch die Bäder, nur, dass zwischen Schwarzbad und Weißbad die Duschen lagen. Die Arbeit unter Tage war gefährlich. Aber genau das fördert die Kameradschaft. Jeder ist auf jeden angewiesen, das Leben des Einzelnen hängt vom Verantwortungsbewusstsein des anderen ab. Diese Verbundenheit macht am Werkstor nicht Halt und reicht tief ins private Leben hinein. Wie oft haben mir Kameraden, die uns verlassen hatten, um in einer anderen Branche zu arbeiten, gesagt, wie sehr sie diese Kameradschaft vermissen. Das tragische Unglück im Februar 1962 in der Grube Luisenthal hat dazu geführt, dass plötzlich die Arbeitssicherheit einen viel höheren Stellenwert bekommen hat. Ich erinnere mich noch an die Zeiten, als die Kennziffer für Arbeitsunfälle bei 140 pro eine Million Arbeitsstunden lag. Das ist sehr hoch. Zum Schluss lag diese Kennziffer unter 1. Natürlich haben die Kosten für die berufsgenossenschaftliche Unfallversicherung bei dieser Entwicklung eine große Rolle gespielt. Aber Arbeitsschutz findet nicht nur über technische Maßnahmen statt, sondern auch durch Bewusstseinsbildung im Kopf des Bergmanns. Als ich 1999 zum Vorsitzenden des Betriebsrates gewählt wurde, stand für mich immer der Arbeitsschutz an erster Stelle. Es gab zum Schluss auf unserer Grube eine Phase von zehn Jahren, in denen es keinen tödlichen Unfall mehr gab. Leider endete diese Phase kurz vor der Schließung des heimischen Steinkohlenbergbaus in 2018 mit einem tragischen Unfall. Das Grubensterben begann schon in den 60er-Jahren. Die Hüttenwerke brauchten höherwertige und billigere Kohle. Außerdem lösten zunehmend andere Energieträger die Kohle bei der Stromproduktion ab. Der Kostendruck stieg und der Konkurrenzdruck auch. Unsere Grube war die letzte im Saarland. Sie sollte 2018 geschlossen werden. Dann kam der 23. Februar 2008. Dicke Sandsteinbänke über dem Abbaugebiet brachen. Die Schwingungsstärke betrug 96 Millimeter, aber es führte zum stärksten jemals vom Bergbau ausgelösten Erschütterungsereignis. Wir im Streb hörten nur ein leises Knistern, Staub rieselte herab. Doch in Saarwellingen, dem Ort über unserem Abbaugebiet, lösten sich durch das Erdbeben Teile der Kirchenfassade und fielen auf den Vorplatz der Kirche. Der öffentliche Druck durch die Angst der Menschen führte zur vorgezogenen Stilllegung des Bergwerks Saar zum 30.06.2012. Unser Personalchef sagte damals: „Wenn ein Bergmann nach der letzten Schicht nach Hause geht und lacht, dann stimmt etwas nicht“. Als ich am 30. Juni 2012 nach Hause ging, liefen mir die Tränen. Um das Erbe des Bergbaus zu wahren, haben wir 2011 den Förderverein „BergbauErbeSaar – Förderverein zur Wahrung des Erbes des Bergbaus und der Bergleute an der Saar e.V.“ gegründet. Auf der Abraumhalde steht heute als Zeichen des Wandels das Saarpolygon. Es ist eine Aussichtstribüne in Form eines Vielecks in verschiedenen Ebenen mit einem geschlossenen Streckenzug. Von dort oben hast du nicht nur einen guten Blick auf das Grubengelände, sondern einen Ausblick weit ins Saarland hinein. Das Saarpolygon bildet für uns die Brücke von der Tradition in die Zukunft. |
Sehr zuverlässig führt uns der Radwegweiser durch das liebliche Tal der Oster. 50 km von Ost nach West und 50 km von Nord nach Süd misst das Land. Das passt gut auf ein quadratisches Schild. Das Saarland zeigt sich heute Morgen wirklich von seiner schönsten und idyllischsten Seite. Grüne Wiesen in der Talaue der Oster begleiten uns bis Oberkirchen.
Irgendwie müssen wir falsch abgebogen sein. Immer höher führt der Weg aus Oberkirchen hinaus. Vorbei am Bahnhof eröffnen sich mir wunderschöne Ausblicke. Nur den Radwegweiser vermisse ich. Zurück im Ort erkennen wir, dass der Wegweiser, dem wir spontan gefolgt sind, zwar dem unseren ähnlichsieht, aber nach RheinlandPfalz hineinführt. Da war mein Blick einfach zu schnell. |
Wow, was für ein Bauwerk. Vor uns überspannt ein mächtiges Eisenbahnviadukt das enge Tal. Die Häuser darunter wirken klein und zerbrechlich. 275 m ist sie lang und ruht mit ihren zwölf Bögen auf elf Pfeilern. Sie ist Teil der Westrichbahnlinie, die von 1935 bis 1970 Türkismühle mit Kusel verband. Da müssen wir hinauf.
Hinter uns kommt die Oster aus einem engen Tal, ihre Quelle ist nicht weit entfernt. Ich kann mich von dem Blick vom Viadukt hinab auf den kleinen Ort kaum lösen. Aber wir haben ein Tagesziel, das noch weit vor uns liegt. Hier beginnt ein mehrere Kilometer langer Radweg auf einer ehemaligen Bahntrasse. Er steigt langsam aber stetig an.
Hinter uns kommt die Oster aus einem engen Tal, ihre Quelle ist nicht weit entfernt. Ich kann mich von dem Blick vom Viadukt hinab auf den kleinen Ort kaum lösen. Aber wir haben ein Tagesziel, das noch weit vor uns liegt. Hier beginnt ein mehrere Kilometer langer Radweg auf einer ehemaligen Bahntrasse. Er steigt langsam aber stetig an.
So schnell, wie wir eben in Oberkirchen auf diesen Bahnradweg gekommen sind, so schnell biegen wir jetzt wieder von ihm ab. Hohe Buchen geben uns Schatten. Die kleinen Eichen, gerade einmal ein paar Wochen alt, haben unter dem Buchendach kaum eine Chance. Wenn sie größer werden, wird ihnen das Licht fehlen. Vielleicht sind sie aber zwischenzeitlich auch schon genüsslich von einem Reh verspeist worden. Dann taucht der Grund des plötzlichen Abknickens auf. Es ist eine weitere Talbrücke, wohl zu baufällig für den Radweg.
Hinter Freisen dann ein dramatischer Unfall: Ein Huhn flüchtet vor Cafer zur Seite. Doch ehe es die Wiese erreicht hat, kehrt es um und läuft vor sein Rad. Cafer hat keine Chance. Er erwischt das Huhn am Bein. Ich höre den gellenden Schrei. Als ich die Unfallstelle passiere, fällt das Huhn, mittlerweile auf die Wiese geflüchtet, einfach um. Herzschlag! Die Lehre aus dem Drama: Kehre nie um, wenn du schon in Sicherheit bist. Mir selbst ist auf diese Weise im Sauerland einmal eine Schlange unters Rad geraten.
Hier fahren wir nur noch neben der ehemaligen Bahnstrecke. Die Schienen sind abmontiert, die Schwellen weg. Es muss erst vor kurzem geschehen sein, denn im Schotterbett hat sich noch keine Pflanze niedergelassen. Was geschieht mit der Trasse? Ich bin gespannt, ob die Bahnstrecke reaktiviert wird. Im Bahnhof von Türkismühle steht auf jeden Fall schon ein Bautrupp bereit. Die Strecke könnte von Freisen bis Hermeskeil wieder den Nahverkehr bedienen. Aber vor Türkismühle machen wir noch Rast in Nohfelden. Die Burg mit dem hohen Turm steht neben der Nahe. Ziegen weiden an ihrem Fuß. Die Geiß, wie es auf saarländisch heißt, war die Kuh des Bergmanns.
Gonnesweiler: Die Strecke zum Bostalsee kenne ich schon von meiner Tour durch das Nahe-Tal. Leider ist uns heute der Wettergott nicht hold. Statt Postkartenwetter gibt es graue Wolken. Wir halten uns nicht lange auf. Vor uns liegt der Petersberg. Am Ortsrand von Bosen mahnt ein Schild: „90 m auf 1,9 km“. Die Straße führt bergauf. Schließlich erreichen wir hinter einer Quelle ein kleines Kappellchen. Der Wanderwegweiser an der Kreuzung ist schon ganz verwittert und von Moos überzogen. Irgendwo hier oben muss der Tanzplatz sein. In der Walpurgisnacht, so sagt man, treffen sich dort die Hexen aus dem ganzen Saarland. Manchmal vergessen sie im Tanz die Zeit und verlassen erst viel später wieder die Tanzfläche. Ich sehe aber keine Nachzüglerinnen. Immer wieder begeistern mich dafür die herrlichen Fernblicke ins weite Land. Das Saarland hat wirklich viele schöne Ecken zu bieten.
In Schussfahrt geht es hinunter nach Otzenhausen. Wir überqueren eine Landstraße. Dann verkündet ein Wegweiser: „1,9 km Keltischer Ringwall“. Da ist er, der Hunnenring. Auch wenn er nichts mit dem Hunnenkönig Attila zu tun hat, reizt er uns. Nach kurzer Beratung beschließen wir, von unserer Strecke abzuweichen und den Ringwall zu bezwingen. Dadurch verpassen wir zwar den Fabrikverkauf von Wagner-Pizza in Otzenhausen, aber erleben dafür Geschichte live. 1973 kreierte der Bäcker Wagner die erste Tiefkühlpizza. Heute gehört das Unternehmen, das zu den größten Herstellern von Tiefkühlpizza europaweit zählt, zum Nestle-Konzern. In den vier Werken in der Region arbeiten 1800 Menschen.
Langsam steigt der Weg an, wird immer steiler. 1,9 km können endlos sein auf einem Schotterweg, der schier nicht enden mag. Dann endlich taucht er auf. Ein hoher Steinwall aus hartem, scharfkantigen Granit windet sich durch den Wald. Zehn Meter hoch und bis zu fünfundzwanzig Meter breit ist er und schmiegt sich keilförmig an die Topografie des Dollbergs an. 625 m sind wir jetzt hoch, 180 Höhenmeter über der Landstraße. Im ersten Jahrhundert vor Christus hat der keltische Stamm der Trever diesen Wall zum Schutz seiner Stadt angelegt. Der Wall ist an dieser Stelle so mächtig, dass Mutter Natur nicht gewagt hat, ihn mit Büschen und Bäumen zu überziehen. Über eine nicht gerade behindertengerechte Treppe klettert Cafer nach oben. Heidelbeerbüsche ranken sich entlang meiner Füße. Ich bleibe unten ehrfurchtsvoll stehen. Dieser Wall ist wirklich beeindruckend. Wie viele tausend Menschen mögen in jahrzehntelanger mühsamer Handarbeit dieses Werk geschaffen haben? Bilder schießen mir in den Kopf. Ich muss mich bei der Weiterfahrt ganz auf den Weg konzentrieren. Es geht steil bergab. Wanderer kommen mir entgegen. Sie haben unten am Keltenpark ihr Auto abgestellt. Ob sie wissen, wie hoch hinauf sie müssen?
Langsam steigt der Weg an, wird immer steiler. 1,9 km können endlos sein auf einem Schotterweg, der schier nicht enden mag. Dann endlich taucht er auf. Ein hoher Steinwall aus hartem, scharfkantigen Granit windet sich durch den Wald. Zehn Meter hoch und bis zu fünfundzwanzig Meter breit ist er und schmiegt sich keilförmig an die Topografie des Dollbergs an. 625 m sind wir jetzt hoch, 180 Höhenmeter über der Landstraße. Im ersten Jahrhundert vor Christus hat der keltische Stamm der Trever diesen Wall zum Schutz seiner Stadt angelegt. Der Wall ist an dieser Stelle so mächtig, dass Mutter Natur nicht gewagt hat, ihn mit Büschen und Bäumen zu überziehen. Über eine nicht gerade behindertengerechte Treppe klettert Cafer nach oben. Heidelbeerbüsche ranken sich entlang meiner Füße. Ich bleibe unten ehrfurchtsvoll stehen. Dieser Wall ist wirklich beeindruckend. Wie viele tausend Menschen mögen in jahrzehntelanger mühsamer Handarbeit dieses Werk geschaffen haben? Bilder schießen mir in den Kopf. Ich muss mich bei der Weiterfahrt ganz auf den Weg konzentrieren. Es geht steil bergab. Wanderer kommen mir entgegen. Sie haben unten am Keltenpark ihr Auto abgestellt. Ob sie wissen, wie hoch hinauf sie müssen?
Unten erwartet uns ein Stausee. Die Prims speist ihn. Ihm fehlt eindeutig Wasser. An der Staumauer sehe ich, wie hoch es normalerweise steht. Da fehlen bestimmt zwei Meter. Der trockene Winter hat seine Spuren hinterlassen. Von der Staumauer geht der Blick ins tieferliegende Nonnweiler. Wir haben den nördlichsten Punkt unserer Tour erreicht. Der Turm einer markanten Kirche sticht aus den Dächern heraus. Jahrhunderte lang war diese Kirche Treffpunkt für Wallfahrer. Menschen, die von Hunden oder tollwütigen Tieren gebissen wurden, ließen sich den glühenden Hubertusschlüssel auf die Stirn oder die Bisswunde brennen. Waren sie geheilt, so wallfahrten sie aus Dank nach Nonnweiler. 1828 wurde diese grausame Form der Heilung und die Wallfahrt vom bischöflichen Generalvikariat verboten. Wahrscheinlich hatte sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass der Hubertusschlüssel selbst mehr Menschen das Leben gekostet hat, als sie zu retten.
Von Nonnweiler geht es noch einige Kilometer durchs Primstal bis Lockweiler. Im Vergleich zu den Bergen, die wir heute gemeistert haben, sind die letzten Kilometer entlang der Prims bis Wadern geradezu ein leichter Spaziergang. Bei Tageskilometer 91 erreichen wir unsere Unterkunft.
Von Nonnweiler geht es noch einige Kilometer durchs Primstal bis Lockweiler. Im Vergleich zu den Bergen, die wir heute gemeistert haben, sind die letzten Kilometer entlang der Prims bis Wadern geradezu ein leichter Spaziergang. Bei Tageskilometer 91 erreichen wir unsere Unterkunft.
Etappe 2 – von Wadern bis Orscholz

Corona wirft alles durcheinander. Die Hygieneregeln erlauben es dem Hotelier im Moment noch nicht, sein Frühstücksbuffet anzubieten. Er schickt uns zur Bäckerei „Louis“, nur ein paar hundert Meter weiter. Dort herrscht ein Kommen und Gehen, also eher ein An und Abfahren. Es scheint der einzige Bäcker weit und breit zu sein, der an diesem Sonntagmorgen offen hat.
Das Frühstück stärkt uns. Schon bald fahren wir durch das Tor in den Hof von Schloss Dagstuhl. Mitte des 18. Jahrhunderts übernahm der junge Graf Joseph Anton von Öttingen die Regentschaft von Dagstuhl. Ihm gefiel diese wildreiche Region. Weil ihm die Renovierungskosten für die Burganlage zu hoch waren, baute er sich am Fuß des Burgberges ein Schloss. War auch nicht billig, sieht aber repräsentativer aus. 1989 übernahm die saarländische Landesregierung das Schloss und richtete ein internationales Begegnungs- und Forschungszentrum für Informatik ein.
Das Frühstück stärkt uns. Schon bald fahren wir durch das Tor in den Hof von Schloss Dagstuhl. Mitte des 18. Jahrhunderts übernahm der junge Graf Joseph Anton von Öttingen die Regentschaft von Dagstuhl. Ihm gefiel diese wildreiche Region. Weil ihm die Renovierungskosten für die Burganlage zu hoch waren, baute er sich am Fuß des Burgberges ein Schloss. War auch nicht billig, sieht aber repräsentativer aus. 1989 übernahm die saarländische Landesregierung das Schloss und richtete ein internationales Begegnungs- und Forschungszentrum für Informatik ein.
Nach so viel Historie, müssen wir nun unsere Energie in die Waden stecken. Es geht mal wieder bergauf. Im Gewerbegebiet angekommen, erblickte ich in der Senke unter mir den Kirchturm und damit das Zentrum von Wadern. Obwohl es erst halb neun ist, brennt die Sonne schon vom Himmel. Im Zentrum der Stadt werden wir sofort in das menschenleere Einkaufszentrum geleitet. Erst halte ich den überdimensionierten Sportschuh am Eingang für die Werbung einer dahinterliegenden Schuhfabrik. Vom Gebäude her könnte es auch so sein. Aber es ist nur der Eyecatcher für ein Sportgeschäft. Das Einkaufszentrum erstreckt sich über zwei Etagen. Über eine Spirale rollen wir auf die zweite Ebene. Das war es dann auch.
Wir lassen das Zentrum hinter uns und erklimmen die nächste Anhöhe. Vor mir liegen bemerkenswerte Ausblicke auf das Hunsrück-Panorama. Weit im Osten erkenne ich hoch auf dem Petersberg die Windräder von gestern. Uns zieht es heute jedoch nach Westen. Die Sonnenstrahlen schlecken den Morgentau und geben den Marzipan ähnlichen Duft von frischem Heu frei. |

„Kartoffel frisch vom Feld“ verkündet ein Transparent. „Ob das wohl wie auf dem Erdbeerfeld ist?“, fragt Cafer lachend. Ich stelle mir vor, wie ich mit einem großen Korb aufs Feld stiefele, dort die Kartoffeln aus dem Boden buddele und zum Abwiegen an den Verkaufsstand schleppe. Da ich weder Korb noch Platz für die Kartoffeln in den Packtaschen habe, verwerfe ich den Gedanken. Allein wegen dieses Transparentes werde ich den Namen von Morscholz nicht mehr vergessen.
Im Ort steht wieder eine alte Lore aus einem Bergwerk. Sie erinnert daran, dass viele Männer aus dem Hochwald im 19. und 20. Jahrhundert in den Kohlegruben rund um Neunkirchen, Saarbrücken und Saarlouis Arbeit fanden. Der Hunsrück liegt jenseits der Heimschläfergrenze, d.h. dass ihr Wohnort so weit von der Grube entfernt liegt, dass sie ihn nach der Arbeit nicht mehr fußläufig erreichen konnten. Nur am Wochenanfang gingen sie zu Fuß zur Arbeitsstelle. Das brachte ihnen den Spitzennamen Hartfüßler ein. Unter der Woche waren sie in Schlafhäusern untergebracht, während ihre Frauen zu Hause die Landwirtschaft als Nebenerwerb betrieben. Die Ziege galt als Kuh des Bergmanns. Es war ein karges Leben. Mit dem Bau der Eisenbahn wurde zumindest der Weg zur Arbeit erleichtert.
Im Ort steht wieder eine alte Lore aus einem Bergwerk. Sie erinnert daran, dass viele Männer aus dem Hochwald im 19. und 20. Jahrhundert in den Kohlegruben rund um Neunkirchen, Saarbrücken und Saarlouis Arbeit fanden. Der Hunsrück liegt jenseits der Heimschläfergrenze, d.h. dass ihr Wohnort so weit von der Grube entfernt liegt, dass sie ihn nach der Arbeit nicht mehr fußläufig erreichen konnten. Nur am Wochenanfang gingen sie zu Fuß zur Arbeitsstelle. Das brachte ihnen den Spitzennamen Hartfüßler ein. Unter der Woche waren sie in Schlafhäusern untergebracht, während ihre Frauen zu Hause die Landwirtschaft als Nebenerwerb betrieben. Die Ziege galt als Kuh des Bergmanns. Es war ein karges Leben. Mit dem Bau der Eisenbahn wurde zumindest der Weg zur Arbeit erleichtert.
Es summt und brummt zwischen den blauen Blüten, dass mir Hören und Sehen vergehen. Die blaue Farbe zieht sich bis weit voraus. Es ist ein Feld mit Gründünger, das den Hummeln jetzt in der nahrungsarmen Zeit ein Festmahl bietet. Glücklich taumeln sie von Blüte zu Blüte, können nicht genug davon bekommen. Es wäre doch sinnvoll, wenn möglichst viele Bauern diesen Gründünger statt Chemie einsetzen würden. Über die offene Höhe mit Weitblick werden wir wieder in ein Tal geführt. Unten steht eine Marienkapelle, das Bildchen. Kerzen brennen im Inneren. Gerade schickt sich ein Gläubiger an, eine weitere anzuzünden. Hätten wir uns auch nur diese Zeit genommen, dann wären wir nicht in Noswendel gelandet. Nicht, dass ich etwas gegen diesen Ort hätte. Aber er liegt abseits unserer eigentlichen Route und der Anschluss nach Weierweiler führt wieder über einen Berg. Cafer ist nicht begeistert, hatte ich im doch gestern versprochen, dass der heutige Tag weniger Steigungen mit sich bringt.
Die Dellborner Mühle liegt am Fuß des Schallenberges. Der große Hof ist leer. Eigentlich ist sie ein beliebtes Ausflugsziel. Aber heute ist tote Hose angesagt. Der Weg führt uns weiter durch einen märchenhaften Wald. Wir haben Glück mit dem Wetter. Aber hier im Schatten des steilen Abhangs sind die Schlaglöcher immer noch mit dem Regenwasser der letzten Woche gefüllt. Felswände säumen den Weg. Einige Fußgänger zieht es zu der Lourdes-Grotte. Sie ist in die Felswand hineingebaut. Es ist ein schöner stiller Ort für Gläubige. Das Saarland ist ein katholisches Land. Es ist übersät mit Kapellen, Wegkreuzen und Grotten.
Im Bäckerladen von Losheim versorgen wir uns mit Mineralwasser. Dann lassen wir den Ort schnell hinter uns. Der Weg nach Mettlach führt geradeaus gen Westen. Auf der Brücke über die Bundesstraße bleibe ich stehen. Erinnerungen werden wach. Vor 65 Jahren führte diese Straße noch durch Losheim. Hinter dem Ort war die Zollstation. Zur Erinnerung: Nach dem Zweiten Weltkrieg gehörte das Saarland wirtschaftlich zu Frankreich. Zwischen dem Saarland und Rheinland-Pfalz gab es eine harte Grenze. Der sich schon Mitte der 50er-Jahre abzeichnende wirtschaftliche Aufschwung in Deutschland hatte das Saarland noch nicht erreicht. An katholischen Feiertagen wie dem 15. August strömten die Saarländer zum Einkaufen nach Trier und Kaiserslautern. Vor allem Kleidung und Elektroartikel waren gefragt.
GRENZ-
ERFAHRUNG |
„Haben Sie etwas zu verzollen?“, fragt der Zöllner meinen Vater mit einem Ton in der Stimme, der Autorität und Obrigkeit ausstrahlt. Es ist der 15. August, ein Feiertag im Saarland, ein Werktag in Rheinland-Pfalz. Wer, wie mein Vater, ein Automobil besitzt, hat diesen Tag zu einer Einkaufstour nach Trier genutzt. Dort gibt es viel mehr Waren, als im Saarland. Gefragt sind vor allem elektrische Küchengeräte, Kleidung und Spielzeug. Nun sind wir auf der Rückfahrt. Eine halbe Stunde haben wir jetzt schon auf der B268 in der Schlange vor der saarländisch-deutschen Grenze bei Losheim gewartet. Ich bin ganz unruhig. Für so einen kleinen Buben wie mich ist das lange Sitzen im Auto eine Tortur. Jedes Auto vor uns wird kontrolliert, und nun wir. „Nein“, sagt mein Vater in der stillen Hoffnung, dass der Zöllner es ihm abnimmt. Dieser schaut sich im Auto um. Sein Blick bleibt an mir hängen. Ich zappele unruhig auf dem Hintersitz rum, der neue Mantel fängt schon an zu knittern. „Einen schönen Mantel hast du, mein Junge“, spricht mich der Zöllner an. „Ja“, plappere ich mit meinen sechs Jahren stolz heraus, „Den hat mir meine Mama heute gekauft.“ „Fahren Sie bitte rechts ran und steigen Sie aus“, fordert der Zöllner daraufhin meinen Vater auf. Dieser schaut mich ärgerlich an. Die Tricks der Zöllner kennt er. Dabei hat er mich vor ein paar Minuten noch ausdrücklich gemahnt, keinen Ton zu sagen, wenn mich der Zöllner anspricht. Aber ich war so stolz, dass mich der wichtige Mann in der Uniform angesprochen hat. Woher soll ich als kleiner Bub auch wissen, dass das Schmuggelware ist?
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Der Bäcker Quinten in Hausbach hat heute geschlossen. Ich erinnere mich, dass mein Vater einige Male Mehl dorthin geliefert hat. Ich durfte in den Ferien auf dem LKW mitfahren, ein Tag, an dem meine Mutter keine Angst zu haben brauchte, wo ich wohl wieder herumstrolche. Ich habe heute noch den Geruch der Backstuben in der Nase, von frischem Brot, vom Mehl und von der süßen Marmelade für die Berliner.
Der Saarland Radweg ist vorbildlich ausgeschildert. Allerdings ähneln die Zeichen für kreuzende oder begleitende Radwege bisweilen seinem Logo. Für den „schnellen Blick“ zur Orientierung ist das manchmal trügerisch. Aber wir haben jedes Mal wieder zurückgefunden. |
Vorbildlich sind auch die Schilder, die auf Gefahren hinweisen, oder, wie jetzt vor uns, auf besondere Steigungen. „60 m auf 1,1 km“ lese ich. Die ersten einhundert Meter sind noch leicht, aber dann, aber dann. Der Splitt knirscht unter den Reifen. Die Brennnesseln am Wegrand greifen nach mir. Oben angekommen trinke ich erst mal einen halben Liter Wasser. Ich muss auf Cafer warten. Er fährt mit Biorad, ich mit elektrischer Unterstützung. Letzteres ist zwar nicht mühelos, aber es erspart mir das Schieben auf den letzten einhundert Metern. Bis Mettlach rollen wir einige Kilometer weit bergab und erreichen die Stadt bei Tageskilometer 42.
An der Saar liegt das markante Gebäude von Villeroy & Boch, eine ehemalige Abtei. Seit 1801 ist es der Stammsitz dieses Unternehmens. Uns zieht es in den Park. Zwischen weit ausladenden altehrwürdigen Bäumen steht der Turm einer romanischen Kirche aus dem Jahr 990. Die Rundbögen im unteren Teil sind gotischen Fenstern gewichen. Licht fällt durch die leeren Fensteröffnungen, zeichnet Muster auf dem Rasen. Daneben steht die Moderne: Für die Expo 2000 in Hannover schufen André Heller und Stefan Szczesny den Living Planet Square. Nun steht er hier. Rund um den 14 m hohen Erdgeist steht die Weltkarte des Lebens, das größte im Mosaikatelier von Villeroy & Boch produzierte keramische Puzzle. Dieses schöne Ambiente wählen wir für unser Picknick.
Ein Radweg führt auf der rechten Ufer Seite in die Saarschleife hinein. Wir sind nicht die einzigen, die ihm folgen. Heute ist wohl der Saarschleifentag im Saarland. Der Fluss hat sich tief eingegraben, die Hänge fallen steil ab. Der Radweg läuft auf dem alten Treidelpfad, der dem Hang abgerungen ist. Kurz vor dem Ende der Schleife wartet schon die Fähre auf uns. Für 2 € pro Person und einen Kinderfahrschein fürs Fahrrad dürfen wir mitfahren. Vom Wasser aus lässt sich der Turm am Ende des Baumwipfelpfades hoch oben über der Cloef noch besser sehen. Auf der obersten Plattform erkenne ich die Silhouetten etlicher Schaulustiger. Für sie sind wir nur Ameisen auf dem Fluss. Aber da wollen wir nachher noch hinauf. Beim Verlassen der Fähre bedanke ich mich beim Fährmann Ich sage ihm, dass ich 71 Jahre alt werden musste, um heute zum ersten Mal die Fähre zu benutzen. Er lacht. Ich denke, ich bin nicht der einzige, von dem er das zu hören bekommt.
Zurück in Mettlach statten wir dem Schloss Saareck einen kurzen Besuch ab. Das im Jahr 1850 in einem Park errichtete Gebäude ist immer noch im Besitz der Familie von Boch. Bisweilen dient es als Unterkunft für Staatsgäste der saarländischen Landesregierung. Vom Park aus habe ich einen guten Blick auf die alte Abtei auf der anderen Saarseite. Ich kann schön erkennen, wie sie am Ende eines Tales liegt, das aus dem Hunsrück herunterkommt. Kein Wunder, dass bereits 676 Herzog Ludwinus, der spätere Bischof von Trier, in dieser hellen und geschützten Senke im ansonsten engen Saartal eine Abtei ansiedelte.
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Die Saarschleife liegt am Anfang eines Teilstücks der Saar, das mich durch die besondere Schönheit der Landschaft besticht. Eng rücken die Berge ans Wasser. Auf einer Seite lassen sie etwas Platz für Straße und Eisenbahn. Auf unserer Seite passt nur noch der Treidelpfad hin. Dort, wo eine Felswand tief ins Wasser fällt, steht hoch an der Kante eine kleine Kapelle. Ein Schotterweg führt hinauf. Die Kapelle ist von der anderen Flussseite nur dann zu erkennen, wenn man weiß, wo sie steht. Sie ist von dichten Bäumen umgeben. In Scharen kommen von beiden Seiten Radfahrer heran, um den schönen Blick auf Mettlach zu genießen. Es ist, als schaue ich durch ein Fenster. Ich sehe sogar das Gebäude von Schloss Saareck im Park. Ein Mädchen wagt es, zwischen die Gitterstäbe hindurch zu fassen und am Glockenseil zu ziehen. Sie gibt einen hellen Ton von sich. „Kostet 5 Euro“, sage ich halblaut. Sie überhört es geflissentlich.
„Vorsicht Gefahrenstelle“ mahnt ein Schild. An die immer wiederkehrenden Warnungen vor Steinschlag habe ich mich hier schon gewöhnt. Aber jetzt geht es durch ein Flussbett mit strömendem Wasser. Na ja, Fluss ist übertrieben, das gebe ich zu. Es ist der Ablauf einer Quelle im Hang, der das Wasser auf kurzem Weg zur Saar leitet. Es gibt viele solcher Quellen entlang der nächsten Kilometer.
Wer nur eine kleine Runde drehen will, kann über die kühn geschwungene Fußgängerbrücke nach Saarhölzbach hinüber und dann zurück nach Mettlach. Um der Grenze zu folgen, müssten wir jetzt nach links den Berg hochklettern.
Wer nur eine kleine Runde drehen will, kann über die kühn geschwungene Fußgängerbrücke nach Saarhölzbach hinüber und dann zurück nach Mettlach. Um der Grenze zu folgen, müssten wir jetzt nach links den Berg hochklettern.
Aber da führt kein Weg hinauf. Wir fahren daher nach Rheinland-Pfalz hinein bis zur nächsten Gelegenheit, die einen nicht so steilen Aufstieg erlaubt. Vor uns taucht die Michaelskapelle auf. Sie sitzt auf einem Felssporn hoch über der Saar. Um sie rankt sich eine Sage. Ein Ritter war auf der Flucht vor seinen Feinden. Vor dem tiefen Abgrund scheut sein Pferd. Er gelobt den Bau einer Kapelle, gibt dem Pferd die Sporen und landet unversehrt auf der anderen Seite der Saar. Daraufhin baut er die Kapelle. Soweit die Sage.
Auf dieser Seite der Saar ist der Berg noch unverwundet, auf der gegenüberliegenden klaffen die Wunden, die ein Steinbruch in den Berg hineingetrieben hat. Rot glänzt der nackte Fels. Es ist Quarzit, ein aus quarzreichen Sandsteinen gepresstes Gestein.
Auf dieser Seite der Saar ist der Berg noch unverwundet, auf der gegenüberliegenden klaffen die Wunden, die ein Steinbruch in den Berg hineingetrieben hat. Rot glänzt der nackte Fels. Es ist Quarzit, ein aus quarzreichen Sandsteinen gepresstes Gestein.
Geradeaus geht es nach Saarburg, links nach Taben Rodt. Das ist unser Weg. Der Wegweiser zeigt auf den Schotterweg, der den Berg hinaufführt. Nach etwa einhundert Metern stößt er auf eine geteerte Straße, zum Glück. Nun beginnt der Aufstieg hinauf auf den Saargau. Nach einem Kilometer habe ich Taben-Rodt erreicht. Am Friedhof lädt mich eine Bank zum Verschnaufen ein. Ich nehme dankend an und warte auf Cafer. Ich weiß, dass er sich jetzt wieder ein E-Bike wünscht. Aber der Markt ist leergefegt. Dank Corona haben viele Deutsche wieder das Fahrradfahren gelernt. Der Tacho zeigt jetzt Tageskilometer 63 an.
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Wir wussten vorher, dass es hier steil hochgeht. Aber wir haben die Höhe doch unterschätzt. Die Freude, als es am Friedhof erst mal halbwegs flach weitergeht, währt nur bis zum Ortsende. Das grüne Infoschild des Saar-Radweges warnt: „120 m auf 1,2 km“. Das sind 10 % Steigung! Zweimal rasten wir zwischendrin, bis wir die Höhe erreicht haben. Die schönen Ausblicke unterwegs lassen uns kalt. Dann sind wir endlich auf 422 Meter über NN. 265 Höhenmeter liegen hinter uns.
Nach angemessener Pause zum Luft holen und Wasser trinken kann ich mich endlich dem Blick zurück ins Saartal und nach vorne auf die weiten Wiesen und Felder widmen. Wir rollen weiter, den leichten Wellen des Saargau folgend. Irgendwann taucht der Kirchturm des Ortes Weiten auf. Sein Name ist Programm. Hier kann ich wirklich weit schauen. Der Blick reicht bis nach Luxemburg hinein. Der Ort selbst liegt in einer Senke.
Nach angemessener Pause zum Luft holen und Wasser trinken kann ich mich endlich dem Blick zurück ins Saartal und nach vorne auf die weiten Wiesen und Felder widmen. Wir rollen weiter, den leichten Wellen des Saargau folgend. Irgendwann taucht der Kirchturm des Ortes Weiten auf. Sein Name ist Programm. Hier kann ich wirklich weit schauen. Der Blick reicht bis nach Luxemburg hinein. Der Ort selbst liegt in einer Senke.
Das erste, was uns in Orscholz anzieht, ist eine Eisdiele. Mein Eisbecher kann gar nicht groß genug sein. Ich will schlemmen. Das habe ich mir verdient. Der bunte Prospekt zeigt die Dichtung, die Wahrheit ist profaner. Ob es wohl an der vielen Kundschaft liegt, die heute Orscholz und seine Eisdielen überfallen hat? Die üppige Obstdekoration des Eisbechers auf dem Prospekt-Foto ist zu kleinen Obstschnipseln geschrumpft. Dennoch, das Eis ist kühlend und erfrischend. Den Eisbecher taufe ich posthum um in Dichtung und Wahrheit.
Die letzten Meter des Tages führen uns mit vielen anderen zum Aussichtspunkt Cloef. Die Saarschleife liegt im herrlichsten Sonnenschein. So habe ich mir den Ausklang des Tages vorgestellt. |
Etappe 3 – von Orscholz nach Dillingen

Der dritte Tag beginnt mangels einer Fahrradwerkstatt mit einem Boxenstopp in einer Werkstatt für Autoreifen. Gestern Abend habe ich eine wunde Stelle an der Flanke des Reifens vom Hinterrad gefunden. Der Mechaniker schaut es sich an und meint, dass es keinen Einfluss auf die Stabilität des Reifens habe. Wir lassen noch den Luftdruck aller Reifen prüfen. Dann starten wir.
Die zahllosen Windräder freuen sich über den frischen Wind, der sich uns entgegenstemmt. Zum Glück wechseln wir nach ein paar Kilometern die Fahrtrichtung. Nun darf der Nordostwind uns schieben. Streuobstwiesen reihen sich entlang des Weges. Die Apfelernte wird in diesem Jahr wieder reichlich sein. In der diesigen Ferne erkenne ich den Einschnitt zwischen den Hügeln, in dem die Mosel fließt. Hier oben auf dem Saargau gibt es wenig Wald, dafür aber reichlich Getreidefelder, Weiden und Obstbäume. Das Getreide reift heran und steht golden auf dem Feld. Der Saargau ist die Kornkammer des Saarlandes.
Oberhalb des Potsdamer Platzes, einer großen Straßenkreuzung auf weiter Flur, überqueren wir die Bundesstraße. Gerade werden die Abfallkörbe am Friedensdenkmal geleert. Im Kriegswinter 1944/45 tobte hier oben ein heftiger Kampf zwischen deutschen und amerikanischen Soldaten. 1990 beschlossen Veteranen beider Seiten, am höchsten Punkt der umkämpften Bergkette ein Denkmal als Symbol des Friedens zu errichten. „Möge es für immer erhalten bleiben“, lese ich auf der Gedenktafel. Ja, so soll es sein.
Aus 400 Meter Höhe beginnt nun der Abstieg ins Moseltal. Ein Rüttelfalke steht für einen Moment über mir. Dann stellt er fest, dass dieser Happen zu groß für ihn ist und dreht ab. Ein Hase wird von mir aufgeschreckt. In kühnen Sprung setzt er über den Radweg hinweg und flüchtet in den Schutz des Maisfeldes. Gemächlich drehen sich die Rotoren der gewaltigen Windräder. Langsam wird der Weg immer steiler. Im Unterschied zum Anstieg steht vor der Abfahrt kein Hinweisschild, wie viele Höhenmeter wir überwinden. Es sind 260 Meter. Je tiefer ich komme, desto klarer wird der Blick auf die Luxemburger Seite.
Die zahllosen Windräder freuen sich über den frischen Wind, der sich uns entgegenstemmt. Zum Glück wechseln wir nach ein paar Kilometern die Fahrtrichtung. Nun darf der Nordostwind uns schieben. Streuobstwiesen reihen sich entlang des Weges. Die Apfelernte wird in diesem Jahr wieder reichlich sein. In der diesigen Ferne erkenne ich den Einschnitt zwischen den Hügeln, in dem die Mosel fließt. Hier oben auf dem Saargau gibt es wenig Wald, dafür aber reichlich Getreidefelder, Weiden und Obstbäume. Das Getreide reift heran und steht golden auf dem Feld. Der Saargau ist die Kornkammer des Saarlandes.
Oberhalb des Potsdamer Platzes, einer großen Straßenkreuzung auf weiter Flur, überqueren wir die Bundesstraße. Gerade werden die Abfallkörbe am Friedensdenkmal geleert. Im Kriegswinter 1944/45 tobte hier oben ein heftiger Kampf zwischen deutschen und amerikanischen Soldaten. 1990 beschlossen Veteranen beider Seiten, am höchsten Punkt der umkämpften Bergkette ein Denkmal als Symbol des Friedens zu errichten. „Möge es für immer erhalten bleiben“, lese ich auf der Gedenktafel. Ja, so soll es sein.
Aus 400 Meter Höhe beginnt nun der Abstieg ins Moseltal. Ein Rüttelfalke steht für einen Moment über mir. Dann stellt er fest, dass dieser Happen zu groß für ihn ist und dreht ab. Ein Hase wird von mir aufgeschreckt. In kühnen Sprung setzt er über den Radweg hinweg und flüchtet in den Schutz des Maisfeldes. Gemächlich drehen sich die Rotoren der gewaltigen Windräder. Langsam wird der Weg immer steiler. Im Unterschied zum Anstieg steht vor der Abfahrt kein Hinweisschild, wie viele Höhenmeter wir überwinden. Es sind 260 Meter. Je tiefer ich komme, desto klarer wird der Blick auf die Luxemburger Seite.
Tettlingen-Butzdorf liegt auf halber Höhe. Vor etlichen Häusern steht eine Obstpresse. Wir sind jetzt auf der Viez-Straße und damit in der Merziger Äppelkischd (deutsch: Apfelkiste). Viez, das ist der saarländische Apfelwein. Er ist gewöhnungsbedürftig. Wo es Obst in Fülle gibt, wird auch Schnaps gebrannt. Gleich am Ortsanfang steht das Museum der Schnapsbrennerei. Seit alters her gibt es im Saarland Brennrechte für die Besitzer von Obstbäumen. Mit der Eingliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik Deutschland wurden diese Rechte ausdrücklich bestätigt.
VIEZ
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"Die Römer waren gute Zecher. Sie liebten nicht nur den Wein aus Trauben, sondern auch den aus Äpfeln. Vice Vinum nannten sie ihn. Daraus ist der Name Viez geworden. Im Moseltal mit dem lieblichen Klima wuchsen die Reben, hier oben auf dem Saargau mit dem rauen Klima die Äpfel. Wenn die Weinfässer leer waren, griffen sie zum Apfelwein. Und das geschah oft genug. Das Moseltal hat seit damals den Wein behalten und wir den Viez.
Vom hessischen Apfelwein unterscheidet sich der Viez in den Apfelsorten und der Beimischung. Die Hessen nehmen den zahmen Apfel, also Tafelobst. Wir bevorzugen die wilden Äpfel wie z. B. Rambur und Bonapfel, die säurehaltiger sind. Obwohl, so ganz stimmt das ja auch nicht mehr. Der hessische Apfelweinkelterer Jörg Stier in Maintal-Bischofsheim hat dem Apfel und dem Apfelwein in der hessischen Gastronomie zu einem neuen Aufschwung verholfen, weil er neue Wege beschritten hat. Auch wir hier in der Merziger Gegend orientieren uns an dem Geschmack der Kundschaft. Junge Leute bevorzugen mehr die etwas süßere Variante. Im Unterschied zu früher ist der Viez also milder geworden. Er zieht nicht mehr die Backen zusammen. Nur wenn er ab Mai neue Wärme bekommt, dann setzt er zu einer zweiten Gärung an. Das gibt die Essignote. Wichtig ist uns die Pflege der Streuobstwiesen. Vor 50 Jahren gab es noch 900 000 Obstbäume im Landkreis, heute nur noch halb so viele. Bäume am Straßenrand und am Feldrand verschwinden, weil der Straßenbau mehr Fläche braucht und die Bauern mit immer größeren Maschinen ihre Felder bewirtschaften und dafür Platz brauchen. Streuobstwiesen mit ihrer Artenvielfalt sind aber natürlicher Umweltschutz. Und die Vielfalt der Sorten gibt uns Gestaltungsspielraum für kreative Aromen. Ein Drittel des Baumbestandes sind wilde Äpfel, ein weiteres Drittel Tafeläpfel und das letzte Drittel sind Mirabellen, Birnen, Zwetschgen, Kirschen, Walnüsse, Hundsärsch usw. Es versteht sich natürlich von selbst, dass aus dem Obst nicht nur Viez, sondern auch andere Produkte wie Schnaps und Balsamico hervorgehen. Der Viez, das ist ein harmonisches, weinartiges Getränk mit reduziertem Zucker- und Alkoholgehalt. Neben Bier und Wein hat er in unserer Region eine gute Zukunft." |
Zwischen den alten Zollgebäuden hindurch fahren wir auf die Moselbrücke. Luxemburg ist seit ein paar Tagen wieder Corona-Risikogebiet. Da wollen wir natürlich nicht hin. Aber einen Blick von der Brücke auf die Mosel zu werfen, das ist drin. Auf der Brücke sind wir weder in Deutschland, noch in Luxemburg. In anderen Flüssen wie dem Rhein oder der Saar liegt die Grenze in der Flussmitte. Die Mosel zwischen Schengen und Wasserbillig ist aber ein sogenanntes Kondominium. Das bedeutet, dass die Fläche der Mosel gemeinsam verwaltet wird. Hier haben wir nun den westlichsten Punkt unserer Reise erreicht.
Nennig liegt am Ufer der Mosel. Schon die Römer wussten das milde Klima hier zu schätzen. 1852 stieß ein Landwirt auf einen Mosaikboden. Bei den nachfolgenden Grabungen zeigte sich, dass er nicht nur der Mittelpunkt einer römischen Prachtvilla war, sondern auch zu 90 % erhalten. Der 160 m² große Steinteppich besteht aus drei Millionen Mosaiksteinchen. Es sind Szenen aus einem Amphitheater, ein buntes Kaleidoskop eines grausamen Spektakels.
Nennig liegt am Ufer der Mosel. Schon die Römer wussten das milde Klima hier zu schätzen. 1852 stieß ein Landwirt auf einen Mosaikboden. Bei den nachfolgenden Grabungen zeigte sich, dass er nicht nur der Mittelpunkt einer römischen Prachtvilla war, sondern auch zu 90 % erhalten. Der 160 m² große Steinteppich besteht aus drei Millionen Mosaiksteinchen. Es sind Szenen aus einem Amphitheater, ein buntes Kaleidoskop eines grausamen Spektakels.
Unter der Brücke bitten wir eine Passantin um das obligatorische Beweisfoto nach dem Motto Wir waren hier. Dann wenden wir uns dem Süden zu. Die Mosel ist ein beliebtes Ziel für den Radtourismus. Immer wieder kommen uns Radwanderer mit großem Gepäck entgegen. In Besch steht ein hoher Menhir am Radweg. Ein Schild gibt Auskunft, dass es sich um einen Hungerstein handelt. Was um Gotteswillen ist ein Hungerstein? Es sind große Steine, die bei Niedrigwasser im Flussbett sichtbar werden. Niedrigwasser bedeutete in früheren Zeiten Dürrezeit und damit Hungersnot. Hungersteine gibt es nicht nur an der Mosel, sondern auch an Rhein, Elbe, Fulda und Weser. Ihre Geschichte reicht zurück bis ins Mittelalter. Dieser hier wurde bei der Moselkanalisierung an Land gebracht. Wieder etwas gelernt.
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Zehn Kilometer folgen wir der Mosel flussaufwärts. Weinberge begleiten uns auf beiden Seiten. Schnurgerade sind die Reben aufgereiht, bilden geometrische Muster. In Perl verlassen wir das Moseltal. Vor einem Schulgebäude liegt ein großer Busbahnhof. Das Gebäude selbst ist leer. Kein Wunder, es ist die Zeit der Schulferien. Wir stehen vor dem Deutsch-Luxemburgisches Schengen-Lyzeum. 2007 wurde der Schulbetrieb mit 130 Schüler*innen aus Deutschland, Luxemburg und Frankreich aufgenommen. Inzwischen sind es 1200 Schüler und Schülerinnen. Es kann sowohl ein deutscher, als auch ein luxemburger Schulabschluss erworben werden. Diese Schule ist für mich ein schönes Symbol für ein Europa der Zukunft.
„200 m auf 4 km“ lautet die erste Information am Radweg. Mit fünf Prozent Steigung ist das erstmal viel angenehmer, als gestern bei Taben-Rodt. Den Anstieg bewältige ich in mehreren Etappen. Dies liegt weniger an meiner Kondition, als an den schönen Ausblicken und den weiteren Steigungen, die bis über 13 % betragen. Rechts und links wächst der Elbling. Das ist die älteste Rebsorte, die es gibt. Die Römer haben ihn ins Moseltal mitgebracht. Zwischen den Rebstöcken hindurch wandert mein Blick hinüber auf die Luxemburger Weinberge. Dort liegt Schengen, bekannt für das Abkommen, das uns die Reisefreiheit in Europa geschenkt hat.
„200 m auf 4 km“ lautet die erste Information am Radweg. Mit fünf Prozent Steigung ist das erstmal viel angenehmer, als gestern bei Taben-Rodt. Den Anstieg bewältige ich in mehreren Etappen. Dies liegt weniger an meiner Kondition, als an den schönen Ausblicken und den weiteren Steigungen, die bis über 13 % betragen. Rechts und links wächst der Elbling. Das ist die älteste Rebsorte, die es gibt. Die Römer haben ihn ins Moseltal mitgebracht. Zwischen den Rebstöcken hindurch wandert mein Blick hinüber auf die Luxemburger Weinberge. Dort liegt Schengen, bekannt für das Abkommen, das uns die Reisefreiheit in Europa geschenkt hat.
Auf der Höhe angekommen erwarten mich wieder Windräder. Der Wind hat auf dieser Höhe freie Fahrt, die Stromleitungen surren. Zwischen Weizenfeldern führt der Radweg in Wellen auf und ab. Allenthalben steigen Staubfahnen aus den Getreidefeldern hoch. Die Ernte hat begonnen. Bei einer dieser großen Maschinen bleibe ich stehen. Der Bauer hat sich ein Rapsfeld vorgenommen. Langsam arbeitet er sich voran. Die Spreu fliegt mir um die Ohren. Nix wie weg!
Schließlich unterquere ich die Autobahn. „Launstroff“ lese ich auf einem rot umrandeten Ortsschild. Es ist ein französischer Ort. Die Endung troff findet man häufig in Lothringen. Sie steht für Dorf. Ich habe den Grenzweg erreicht. Auf einem Grenzstein lasse ich mich nieder. Vor genau 100 Jahren wurde er gesetzt. Mein rechter Fuß steht auf deutscher Seite, mein linker auf französischer Seite. Da steckt viel Symbolik drin. Grenzübertritt ist für mich als Saarländer seit frühester Kindheit Normalität gewesen. Nicht immer waren die Grenzen offen. Mal war die Grenze zu Deutschland geschlossen, mal die zu Frankreich, mal die zu Luxemburg. Im Laufe der Jahrzehnte wechselte es auch immer wieder.
Das Überschreiten nationaler Grenzen begleitet mich seit frühester Kindheit. Es hat mir die Angst vor fremden Ländern und anderen Kulturen genommen und meine Reiselust beflügelt. Eigentlich sind ja die Grenzen im Schengener Raum gefallen. Von März bis Mai war aber auch diese kleine Straße gesperrt. Ich frage mich nur, wie das kontrolliert worden ist, denn rechts und links davon kann man locker über die Felder von hüben nach drüben. Auf dieser kleinen Straße findet ein reger Grenzverkehr statt. “Da ist ja mehr Verkehr, als auf der Frankfurter Zeil“, sage ich im Stillen zu mir. Autos, Traktoren, Fahrräder und Fußgänger kommen vorbei. Erstaunlich, wo all die herkommen und hinwollen. Das ist doch nur ein Promilleweg. |
Wo ist Cafer. Bei all meinen Gedanken habe ich ihn vergessen. Wir waren an der Autobahnbrücke verabredet. Ein kurzes Telefonat klärt auf: Auch er war von einem Mähdrescher abgelenkt und hat dabei den Abzweig am Radweg übersehen. Nun steht er unter einer anderen Autobahnbrücke. Ich muss auf ihn warten. Macht nichts, denn oft genug muss er auf mich warten, wenn ich mal wieder ein schönes Fotomotiv gefunden habe oder Gedanken aus meinem Kopf in die Kladde schaufele.
Ein steinernes Schiffchen zieht meine Aufmerksamkeit auf sich. Cafer steigt die Stufen hoch und setzt sich drauf. Das ist wohl so gedacht. Es ist eine Skulptur, die zum Bildhauer-Symposium Steine an der Grenze gehört. Seit 1986 wurden dort als Zeichen der Verständigung über Grenzen hinweg 26 Skulpturen aufgestellt. Sie sind Teil der Europäischen Skulpturenstraße des Friedens. Am Bostalsee haben wir schon einen Teilabschnitt dieser Skulpturenstraße gesehen. Von der Normandie bis Moskau und von Amsterdam bis zu den Pyrenäen vereint sie schon 500 Skulpturen. Weit reicht der Blick nach Lothringen hinein und manchmal auch ins Saarland. Woran liegt es nur, dass die französische Landschaft anders aussieht als die deutsche? Sind es die Solitär-Bäume auf den eingezäunten Weiden, unter denen die Kühe Schatten finden? Sind es die Büsche entlang der Wege? Oder sind es die alten Bauernhäuser, die sich um eine Kirche scharen und noch nicht charakterlosen Neubauten gewichen sind?
Dass der Blick weiter nach Lothringen hineinreicht als ins Saarland, liegt an der geologischen Formation des Saargau. Es ist die letzte Welle des Lothringer Stufenlandes. Geologisch hebt sich das Land von West nach Ost allmählich an, um nach etlichen Kilometern plötzlich in einer Steilstufe abzufallen. Das wiederholt sich mehrere Male. Die letzte Steilstufe fällt ins Saartal ab. Die Steilhänge sind mit Wäldern bewachsen.
Ein steinernes Schiffchen zieht meine Aufmerksamkeit auf sich. Cafer steigt die Stufen hoch und setzt sich drauf. Das ist wohl so gedacht. Es ist eine Skulptur, die zum Bildhauer-Symposium Steine an der Grenze gehört. Seit 1986 wurden dort als Zeichen der Verständigung über Grenzen hinweg 26 Skulpturen aufgestellt. Sie sind Teil der Europäischen Skulpturenstraße des Friedens. Am Bostalsee haben wir schon einen Teilabschnitt dieser Skulpturenstraße gesehen. Von der Normandie bis Moskau und von Amsterdam bis zu den Pyrenäen vereint sie schon 500 Skulpturen. Weit reicht der Blick nach Lothringen hinein und manchmal auch ins Saarland. Woran liegt es nur, dass die französische Landschaft anders aussieht als die deutsche? Sind es die Solitär-Bäume auf den eingezäunten Weiden, unter denen die Kühe Schatten finden? Sind es die Büsche entlang der Wege? Oder sind es die alten Bauernhäuser, die sich um eine Kirche scharen und noch nicht charakterlosen Neubauten gewichen sind?
Dass der Blick weiter nach Lothringen hineinreicht als ins Saarland, liegt an der geologischen Formation des Saargau. Es ist die letzte Welle des Lothringer Stufenlandes. Geologisch hebt sich das Land von West nach Ost allmählich an, um nach etlichen Kilometern plötzlich in einer Steilstufe abzufallen. Das wiederholt sich mehrere Male. Die letzte Steilstufe fällt ins Saartal ab. Die Steilhänge sind mit Wäldern bewachsen.
Mirabellen, der Baum ist voller Mirabellen. Cafer reicht mir eine Handvoll. Sie sind noch nicht ganz reif. Ich zögere. “Iss sie“, fordert mich Cafer auf und weiter: „Das hält wach.“ Tatsächlich schmecken sie schon nach Mirabellen. Schnell ist meine Hand leer. Silwingen liegt in einem Taleinschnitt. Es geht steil hinab ins Zentrum. Ich habe Mitleid mit den Kindern der Familie, die mir auf dem Gefälle entgegenkommen. Immerhin haben sie noch nicht die Hälfte der 60 Höhenmeter hinter sich und schieben schon die Räder.
In diesem Teil des Saargau liegen die Dörfer in Talsenken oder am Osthang von Hügeln. Das schützt sie vor dem Westwind, der fast das ganze Jahre hindurch ungehindert heranbraust. Beim Annähern ist zuerst nur der Kirchturm von Silwingen zu sehen. Er lugt neugierig über den Rand des Hügels. Wer tief ins Tal fährt, muss auch wieder hinauf. Und so kündet am Ortsende ein Infoschild schon die nächste Steigung an. Nach kurzem Verschnaufen geht es weiter nach Fürweiler. Es ist jetzt ein Auf und Ab. Schließlich öffnet sich der Blick ins Niedtal. |
Der kleine Fluss, der aus dem Lothringischen kommt, zerteilt den Saargau. Rechts und links fallen die Berghänge tief ins Tal. Mit dem Auto bin ich hier schon oft gefahren. Aber da war mir nie so bewusst geworden, wie hügelig der Saargau ist und wie steil die Abhänge.
Kindergeschrei und rauschendes Wasser, am Wehr der Wackenmühle ist einiges los. Das Wasser ist seicht, so dass auch Kinder hier planschen können. Wir sitzen auf der Terrasse der Restauration. Ein schönes Stück Kuchen als Belohnung für die vielen Höhenmeter steht vor mir. Erinnerungen an die eigene Kindheit steigen hoch. Urlaub in der Ferne gab es damals nicht, dafür aber Camping an der Nied. Besonders die Warnung vor den Seerosen, deren Blüten mich immer begeisterten, ist mir in Erinnerung geblieben. „Geh nicht zu nah an die Seerosen, sonst bleibst du zwischen den Wurzeln hängen und ertrinkst“, mahnten meine Eltern. Da gerade im Sommer ein Schulfreund in einem der zahllosen Bombentrichter an der Saar ertrunken war, hielt ich beim Baden gehörigen Abstand zu diesen schönen Wasserpflanzen.
Kindergeschrei und rauschendes Wasser, am Wehr der Wackenmühle ist einiges los. Das Wasser ist seicht, so dass auch Kinder hier planschen können. Wir sitzen auf der Terrasse der Restauration. Ein schönes Stück Kuchen als Belohnung für die vielen Höhenmeter steht vor mir. Erinnerungen an die eigene Kindheit steigen hoch. Urlaub in der Ferne gab es damals nicht, dafür aber Camping an der Nied. Besonders die Warnung vor den Seerosen, deren Blüten mich immer begeisterten, ist mir in Erinnerung geblieben. „Geh nicht zu nah an die Seerosen, sonst bleibst du zwischen den Wurzeln hängen und ertrinkst“, mahnten meine Eltern. Da gerade im Sommer ein Schulfreund in einem der zahllosen Bombentrichter an der Saar ertrunken war, hielt ich beim Baden gehörigen Abstand zu diesen schönen Wasserpflanzen.
Nur noch zehn Kilometer sind es bis Dillingen, unserem Tagesziel. Siebzig Kilometer liegen hinter mir. Meine Brüder freuen sich auf mein Kommen. Am Sportplatz von Hemmersdorf ist der Radweg sehr eng. Zwei Mädchen kommen mir entgegen. Ich weiche auf den schmalen Grasstreifen aus. Dann dieses merkwürdige Geräusch: Erst ein Pffff und dann ein Geräusch wie von schlürfenden Schuhen. Ein rostiger Stacheldraht hat sich tief in den Hinterreifen gebohrt, Marke Schwalbe unplattbar. Wieder bestätigt sich meine Skepsis gegenüber solch reißerischer Werbung. Aber nun kommt das qualitativ gute Werbebanner: Ein großes Dankeschön an die Pannenhilfe des ADFC. Binnen neunzig Minuten war der Abschleppwagen da und wenig später die Zusage einer Fahrradwerkstatt, dass mein Reifen am nächsten Morgen gleich in aller Frühe repariert wird. Mein Bruder staunte nicht schlecht, als ein großer Abschleppwagen, auf dem gut und gerne zehn Fahrräder Platz gefunden hätten, vor seiner Tür stand.
Etappe 4 – Dillingen - Saarbrücken

6:45 Uhr, Der eindringliche Ton der Sirene der Dillinger Hütte ruft zum Schichtwechsel. Das Gelände ist groß, die Sirene durchdringend laut. Sie muss ja jeden erreichen. Ich kenne den Ton und drehe mich nochmals um, um weiterzuschlafen. 7:00 Uhr, die Glocken des Saardoms schlagen die volle Uhrzeit. Der Kirchturm ist hoch. Jeder soll den Glockenschlag hören, ich auch. Der Tag beginnt.
Der Fahrradmechaniker erwartet mich schon pünktlich um 9 Uhr in Saarlouis. Er ist ein Tausendsassa. Während er sich um meinen Reifen kümmert, repariert er einer älteren Dame noch so nebenher die Schutzblechhalterung an ihrem Rad, schraubt an einer Vespa herum und klärt auch noch rasch den Schaden an einem anderen E-Bike. Mit fünf Bar Luftdruck im neuen Reifen beginnt um 10 Uhr die vierte Etappe.
Gleich am Anfang steht die erste Bergwertung, wie wir die Steigungen inzwischen nennen. Wir müssen wieder hinauf auf den Saargau. Von Wallerfangen aus überwindet die Straße über 2,4 km 150 Höhenmeter bis nach Oberlimberg. 2,4 Kilometer können schon ganz schön lang sein. Oben weht der erfrischende Wind, der die Schweißperlen trocknet. Am Karfreitag war Oberlimberg hermetisch abgeriegelt. Traditionell treffen sich an diesem Tag die Jugendlichen aus nah und fern zum Kässchmeeressen. Nur dieses Jahr aus bekannten Grund nicht. Für all diejenigen, die des Saarländischen nicht mächtig sind, hier die Übersetzung: Käsebrotessen. Die Kässchmeer ist eine Scheibe Bauernbrot mit einer dicken Schicht Kräuterquark. In den 50er Jahren ist mein Vater mit uns Kindern bei trockenem Wetter am Karfreitag hier hinauf gewandert, damit unsere Mutter in Ruhe den Osterbraten vorbereiten konnte. Meistens regnete es am Karfreitag.
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Ein Lieferwagen kommt hupend angefahren. Er hält und an der Seite öffnet sich eine Klappe. Wir stehen gerade vor einem der typischen saarländischen Bauernhäuser. Eigentlich kommt dieser Baustil aus Lothringen. Seit dem ersten Tag unserer Tour habe ich Cafer immer wieder auf solche Häuser aufmerksam gemacht. Vor diesem hier steht mal kein PKW. Der Blick ist frei. Dieser Bautyp entstand im 18. Jahrhundert. Er zeichnet sich dadurch aus, dass das Haus zweigeteilt ist und mit der Front zur Straße steht. Auf der einen Seite ist das Wohnhaus mit Eingangstür und Fenster, auf der anderen Seite das große Scheunentor neben den Ställen für Kühe, Pferde und Schweine. Die Ställe haben in größeren Bauernhäusern eigene Eingänge. Der Rundbogen am Scheunentor ist typisch. Vor dem Haus war der Platz für den Leiterwagen und den Misthaufen. Die Bauernhäuser sind entlang einer langen Straße aneinander gebaut. Aus meiner Kindheit kenne ich noch viele solcher Häuser in unserem Dorf. Heute gibt es nur noch wenige Bauern. Sie sind meist auf Aussiedlerhöfe außerhalb der Ortschaft ausgewichen, wo es viel Platz für Maschinen und große Viehställe gibt. Die Häuser im Dorf sind inzwischen umgebaut. Aus der Scheune ist eine Garage geworden und aus dem Stall eine zweite Wohnung. Dieses Haus, vor dem wir im Moment stehen, ist ein Museum.
Mittlerweile haben sich an dem Lieferwagen einige Anwohner eingefunden. Sie sind dem Ruf des Bäckers gefolgt, der mangels eines Lebensmittelgeschäftes in den Dörfern des Saargau jetzt regelmäßig frisches Brot und Lebensmittel anbietet. Das hat er sich von Lothringen abgeschaut.
Am Ortsende von Gisingen, wie dieser Ort heißt, steigt der Radweg hinauf auf den Scheidberg. Die Steigerung ist kurz aber bösartig, denn sie wird wie eine Parabel immer steiler. Genug Bergwertung für heute denke ich mir. Oben angekommen öffnet sich ein weites Panorama von Nordwesten bis Südwesten. Ich sehe die Hügel, über die wir gestern gekommen sind, den Einschnitt des Niedtals und die Dörfer in Lothringen bis hin zu den Funkmasten des Senders Europe Nr.1.
Irgendwo in einem Einschnitt vor mir liegt Leidingen. Der Radweg führt leider nicht durch diesen Ort. Die Grenze verläuft mitten hindurch. Auf der „Neutralen Straße“ gehören die Häuser im Osten zu Deutschland und im Westen zu Frankreich.
Am Ortsende von Gisingen, wie dieser Ort heißt, steigt der Radweg hinauf auf den Scheidberg. Die Steigerung ist kurz aber bösartig, denn sie wird wie eine Parabel immer steiler. Genug Bergwertung für heute denke ich mir. Oben angekommen öffnet sich ein weites Panorama von Nordwesten bis Südwesten. Ich sehe die Hügel, über die wir gestern gekommen sind, den Einschnitt des Niedtals und die Dörfer in Lothringen bis hin zu den Funkmasten des Senders Europe Nr.1.
Irgendwo in einem Einschnitt vor mir liegt Leidingen. Der Radweg führt leider nicht durch diesen Ort. Die Grenze verläuft mitten hindurch. Auf der „Neutralen Straße“ gehören die Häuser im Osten zu Deutschland und im Westen zu Frankreich.
Leben mit
der Grenze |
Leidingen, ein Dorf in zwei Ländern. Eine Begegnung vor einem Jahr. Ich stehe auf der Neutralen Straße. Die Häuser auf der östlichen Seite gehören zum Saarland, die auf der westlichen Seite zu Lothringen. Ein schwarzer Kater wechselt gerade von hüben nach drüben. Er kennt keine Grenze. Auf einer Bank auf der lothringischen Seite sitzt Josephe. Ich spreche ihn an, wie denn das so sei mit der Grenze und den deutschen Nachbarn. „Ach ja, die Grenze“, meint er. „Wir sind doch alle nur Menschen. Schauen Sie, meine Frau habe ich vor 60 Jahren kennengelernt." Er zeigt mit der Hand rüber ins Saarland. "Sie kommt von dort hinten, ein paar Orte weiter. Mal ist die Grenze der Politik wichtig, mal nicht. Fahren Sie mal zur Kirche. Wir hatten in Leidingen jahrhundertelang nur eine einzige Kirche, trotz Grenze. Sie stand auf der deutschen Seite. Dann kam das Dritte Reich. Von heute auf morgen wurde uns Lothringern der sonntägliche Kirchgang verboten. In Windeseile haben wir eine eigene gebaut." Wir sind zur Kirche gefahren. In der Apsis prangt ein überlebensgroßes Gemälde von Jeanne d’Arc. Das sagt mir alles. Jetzt steht ein Fenster neben der Kirche, ins Freie gebaut mit Blick auf die deutsche Kirche. Das gleiche dort drüben. Ein Zeichen der Versöhnung und der Gemeinsamkeit.
Ein Jahr später bin ich wieder in Leidingen. Gertrud, seine Frau, schimpft über die Bundespolizei. Sie nennt sie Zöllner, so wie früher. Ich frage sie, wie denn die Grenzschließung während des Corona-Lockdowns hier war. „Hier in Lothringisch-Leidingen gibt es vielleicht nur ein Dutzend Häuser. Eine Frau von hier wollte im März wie an jedem Tag zu ihrer Arbeitsstelle in Ihn, das liegt da unten im Tal, hinter Deutsch-Leidingen. Die Zöllner standen in der Hauptstraße. Sie wollten sie nicht durchlassen. Die kamen gar nicht von hier, kennen sich nicht mit den Gegebenheiten aus. Das gab erstmal nur Uwrasch (Ungemach), bis sie endlich zur Arbeit fahren durfte.“ ereifert sie sich. So greift die Politik immer noch ins Leben der Menschen ein, die eigentlich nur Nachbarn sind. |
Die Bank steht immer noch vor ihrem Haus, so wie vor vielen anderen im bäuerlichen Saarland. Ich kenne es aus meiner Kindheit. Wenn es im Mai wärmer wurde, saßen dort die Alten. Die Jüngeren zogen abends von Bank zu Bank zu einem Schwatz. Wir nannten das Maien.
Ittersdorf ist mir seit jeher bekannt. Durch den Ort führt die Straße nach Bouzonville, der nächsten Kleinstadt in Lothringen. Oft bin ich am Sonntagmorgen nach Bouzonville gefahren, um frisches Brot und – ich gestehe – Zigaretten zu kaufen. Ersteres gab es damals wegen des Sonntagbackverbotes im Saarland nicht und Letztere waren in Frankreich ausgesprochen billig. Der französische Einfluss im Saarland ist unübersehbar. Die Gaststätte hier an der Kreuzung könnte vom Habitus auch auf der anderen Seite der Grenze stehen, denke ich mir. Im Unterschied zu Lothringen war das Saarland aber nie zweisprachig. Ich lernte aber schon in der Grundschule Französisch. Ich erinnere mich noch gut an eine fliegende französische Grenzkontrolle, einige Zeit nach dem Schengener Abkommen. Der Zöllner sprach Französisch, ich Deutsch. Wir verstanden uns sehr gut und verabschiedeten uns dann in der Sprache des anderen.
Die Berg- und Talfahrt geht weiter. Oberhalb von Ittersdorf rollen wir an den mächtigen Sendemasten vorbei. Ihnen gegenüber erscheinen die Windräder daneben geradezu zwergenhaft. Dieser französische Sender steht auf saarländischen Boden. Bevor Rock ‘n‘ Roll und Beatmusik mein Ohr erreichten, erfreuten mich auf Langwelle die französischen Chansons von diesem Sender. Sie prägten meine frankophile Leidenschaft. Seit Anfang dieses Jahres wird nur noch auf UKW ausgestrahlt. Schade.
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Die Glocke einer Kapelle schlägt Zwölf. Die Uhr auf dem Display meines E-Bikes zeigt 12:08. Sie geht etwas vor. Es ist die Glocke der Orannakapelle, die ich höre. Sie steht einsam in einem kleinen Wäldchen. Oranna, möglicherweise Tochter eines iroschottischen Vizekönigs im 6. Jahrhundert, vielleicht auch Tochter eines lothringischen Herzogs, soll einen vornehmen Jäger, der sich in den Wäldern verirrt hatte, aus seiner Not gerettet und dabei auch noch gleich seine Taubheit geheilt haben. Als ein stürmischer Verehrer ihr in späteren Jahren mal zu nahekam, sei die Frühjahressaat blitzschnell herangewachsen, um sie zu verbergen. Sie wurde gemeinsam mit ihrer Gefährtin Cyrilla in der Kirche der Ortschaft Eschweiler bestattet. Dieses Dorf wurde im Dreißigjährigen Krieg dem Erdboden gleichgemacht. Nur die Dorfkirche blieb erhalten. Die heilige Oranna ist die Schutzheilige des Saarlandes und von Lothringen. Sie wird bei Ohr und Schwindelleiden angerufen und wird als Ehestifterin angerufen. Ein altes Gebet in dieser Region lautet:
Häälich Orann, bescher mer en Mann!
Kään Seffer, kään Schmesser,
kään met em rooden Bart,
die sinn von känner gudden Art!
Bescher mer en gudden Mann,
dass aich lang dran hann!
Kään Seffer, kään Schmesser,
kään met em rooden Bart,
die sinn von känner gudden Art!
Bescher mer en gudden Mann,
dass aich lang dran hann!
Wieder steigt der Radweg an. Ich habe den Eindruck, dass der südliche Teil des Saargau zwischen Nied und Bist stärker gefaltet ist. Von der Höhe aus habe ich den besten Panoramablick ins Saartal hinein. Ich weiß den klaren Tag zu schätzen. Von den Schloten der Dillinger Hütte über das Saarpolygon auf dem Abraumberg der Grube Ensdorf wandert der Blick zu den beiden spitzen Kegeln der Schlackenberge der Völklinger Hütte und weiter zu den Chemieanlagen von Carling. An der Saarschiene reiht sich ein Industriewerk an das andere. Von den fünf Eisenhütten, die es einmal im Saarland gab, lagen vier an der Saar. Heute fließt das flüssige Eisen nur noch aus den Hochöfen der Dillinger Hütte.
Eigentlich sollte am 15. Mai der 50. Geburtstag groß gefeiert werden. So alt ist das Europadenkmal auf dem Linsenhübel bei Berus. Zwei parallele Stahlbetonplatten ragen sechzehn Meter hoch in den Himmel. Sie symbolisieren die benachbarten Nationen Deutschland und Frankreich, die durch vielfältige freundschaftliche Verflechtungen verbunden sind und ehren das Andenken an große Europäer. Von der Aussichtsplattform habe ich wieder einen schönen Blick nach Lothringen. Den Blick ins Saarland versperrt leider bis auf einen schmalen Ausschnitt das üppige Blattwerk von Bäumen.
Gut 150 m liegt Berus über dem Saartal. In einer langgezogenen Schleife fahren wir vorsichtig hinunter. Der anfänglich asphaltierte Weg geht in einem Belag aus Braschen über. Braschen sind zerkleinerte Schlacke, die bei der Verhüttung von Eisen entsteht. Davon gab und gibt es im Saarland genug. Ich muss vorsichtig sein. Die kleinen scharfkantigen Steine springen weg, sobald der Reifen sie erfasst. Das Rad wird schnell instabil. Ein Sturz kann böse Folgen haben. Es ist schon Mittag und die Sonne steht hoch. Hier im Wald ist es angenehm kühl. Mit der Abfahrt verlassen wir nun auch den Saargau.
Eigentlich sollte am 15. Mai der 50. Geburtstag groß gefeiert werden. So alt ist das Europadenkmal auf dem Linsenhübel bei Berus. Zwei parallele Stahlbetonplatten ragen sechzehn Meter hoch in den Himmel. Sie symbolisieren die benachbarten Nationen Deutschland und Frankreich, die durch vielfältige freundschaftliche Verflechtungen verbunden sind und ehren das Andenken an große Europäer. Von der Aussichtsplattform habe ich wieder einen schönen Blick nach Lothringen. Den Blick ins Saarland versperrt leider bis auf einen schmalen Ausschnitt das üppige Blattwerk von Bäumen.
Gut 150 m liegt Berus über dem Saartal. In einer langgezogenen Schleife fahren wir vorsichtig hinunter. Der anfänglich asphaltierte Weg geht in einem Belag aus Braschen über. Braschen sind zerkleinerte Schlacke, die bei der Verhüttung von Eisen entsteht. Davon gab und gibt es im Saarland genug. Ich muss vorsichtig sein. Die kleinen scharfkantigen Steine springen weg, sobald der Reifen sie erfasst. Das Rad wird schnell instabil. Ein Sturz kann böse Folgen haben. Es ist schon Mittag und die Sonne steht hoch. Hier im Wald ist es angenehm kühl. Mit der Abfahrt verlassen wir nun auch den Saargau.
Es gibt im Saarland nicht nur die Grenzen zu Lothringen und Rheinland-Pfalz. Da gibt es auch die Heimschläfergrenze und dann noch die 'Dat-Das'-Grenze Wir überqueren sie gerade. Sie zieht sich von der Südseite des Saargau zwischen Bous und Völklingen quer durch das Saarland Richtung Nordosten bis Freisen. Auf Hochdeutsch sagt man 'das'. Südlich dieser Linie wird auf Rheinfränkisch auch 'das' gesagt. Nördlich wird jedoch Moselfränkisch gesprochen und da heißt es 'dat'. Die Familie Heinz Becker, die den saarländischen Dialekt in Deutschland hoffähig gemacht hat, spricht übrigens Rheinfränkisch. Der Tonfall beim Rheinfränkischen wie beim Moselfränkischen ist gleich. Es ist den Saarländern vorbehalten, die feinen Unterschiede dazwischen zu erkennen, z. B. am 'dat' oder 'das'.
Hinter Überherrn, von dem wir kaum etwas mitbekommen, unterqueren wir die neue Umgehungsstraße nach Creutzwald. Wir tauchen in den Warndt ein. Mir scheint, dass der Braschenbelag des Forstweges uns nun weiter begleiten wird. Er nimmt mir leider viel von der Aufmerksamkeit für diesen schönen und dichten Wald, der 5000 Hektar bedeckt. Kilometer um Kilometer fahren wir dahin. Bisweilen treffen wir Radwanderer und Spaziergänger. Langsam fällt der Weg bergab. Dann diese schöne Idylle: Vor mir liegt der Warndtweiher. Die Seerosen haben für mich Ihre schönsten Blüten geöffnet. Der blaue Himmel spiegelt sich im Wasser. Es ist ein Ort zum Verweilen. Die Ausflugsgaststätte ist leider geschlossen. Ein kühles Getränk am Ufer des Weihers wäre jetzt schön.
Hinter Überherrn, von dem wir kaum etwas mitbekommen, unterqueren wir die neue Umgehungsstraße nach Creutzwald. Wir tauchen in den Warndt ein. Mir scheint, dass der Braschenbelag des Forstweges uns nun weiter begleiten wird. Er nimmt mir leider viel von der Aufmerksamkeit für diesen schönen und dichten Wald, der 5000 Hektar bedeckt. Kilometer um Kilometer fahren wir dahin. Bisweilen treffen wir Radwanderer und Spaziergänger. Langsam fällt der Weg bergab. Dann diese schöne Idylle: Vor mir liegt der Warndtweiher. Die Seerosen haben für mich Ihre schönsten Blüten geöffnet. Der blaue Himmel spiegelt sich im Wasser. Es ist ein Ort zum Verweilen. Die Ausflugsgaststätte ist leider geschlossen. Ein kühles Getränk am Ufer des Weihers wäre jetzt schön.
Auf dem Hugenottenweg erreichen wir Lauterbach. Es ist eine der wenigen Siedlungen im saarländischen Teil des Warndts. Der Warndtdom, eine mächtige Kirche dominiert den Ort. Die Saarländer sind sehr katholisch. Leider konnten sie nie einen Bischofsdom ihr eigen nennen. Macht nichts. Dann werden halt größere Kirchen im Volksmund zum Dom erklärt.
Im 17. Jahrhundert wurde der Warndt zum Zufluchtsort der wegen ihrer Religion in Frankreich verfolgten Hugenotten. Sie brachten das Glasbläserhandwerk mit. Mit den Hugenotten ist auch das Handwerk weitgehend verschwunden. Aber die ehemalige Cristallerie von Villeroy & Boch in Wadgassen hat hier ihren Ursprung. |
Hinter dem Weiher steigt der Weg wieder an, stetig aber eindeutig. Wieder liegt eine Bergwertung vor uns. Oben Wald, unten Kohle, kommt es mir in den Sinn. Der Warndt ist gespickt mit Kohlengruben. Die Stollen tief im Boden folgen den Flözen. Der Buntsandstein, auf dem der Wald steht, ist wenig fruchtbar. Das hat die Region vor der Rodung bewahrt. Für die mittelalterlichen Fürsten von Nassau-Saarbrücken war der fünftausend Hektar große Wald ein willkommenes Jagdrevier. Für ihre Untertanen war der Zugang zum Wald verboten.
Am Ende der langen Steigung stehe ich vor einem deutsch/französischen Radwegweiser. Habe ich unseren Weg verpasst? Rechter Hand führen Treppen zu einer Plattform. Sie steht auf der französischen Seite zehn Meter hinter der Grenze. Es ist nur ein kleiner Schritt für das Überschreiten der Grenze. Eine kleine Gruppe lässt gerade eine Drohne aufsteigen. Mich zieht die Plattform auch an. Wow, was für ein Ausblick. Unter mir liegen zwei tiefgrüne Seen, dahinter eine Abraumhalde und Industrieanlagen. Die Plattform ist über den Hang hinaus gebaut. Bunt gestreifte Sandsteinfelsen ziehen sich rechts und links bis ins Tal. Freyming-Merlebach heißt der französische Ort hinter dem Berg. Er war ein Zentrum der lothringischen Kohleförderung. Doch was ich vor mir sehe, ist eine renaturierte Sandgrube. Sand wird gebraucht, um die Stollen in ehemaligen Kohlegruben zu verfüllen, damit es zu keiner Bergsenkung kommt. Es gibt im Warndt viele Stollen, die verfüllt werden mussten.
Am Ende der langen Steigung stehe ich vor einem deutsch/französischen Radwegweiser. Habe ich unseren Weg verpasst? Rechter Hand führen Treppen zu einer Plattform. Sie steht auf der französischen Seite zehn Meter hinter der Grenze. Es ist nur ein kleiner Schritt für das Überschreiten der Grenze. Eine kleine Gruppe lässt gerade eine Drohne aufsteigen. Mich zieht die Plattform auch an. Wow, was für ein Ausblick. Unter mir liegen zwei tiefgrüne Seen, dahinter eine Abraumhalde und Industrieanlagen. Die Plattform ist über den Hang hinaus gebaut. Bunt gestreifte Sandsteinfelsen ziehen sich rechts und links bis ins Tal. Freyming-Merlebach heißt der französische Ort hinter dem Berg. Er war ein Zentrum der lothringischen Kohleförderung. Doch was ich vor mir sehe, ist eine renaturierte Sandgrube. Sand wird gebraucht, um die Stollen in ehemaligen Kohlegruben zu verfüllen, damit es zu keiner Bergsenkung kommt. Es gibt im Warndt viele Stollen, die verfüllt werden mussten.
Wir sind schon auf dem richtigen Weg. Geradeaus geht es nach Freyming-Merlebach, und nach links geht unser Radweg weiter. Ob der vielen Steine auf dem Braschenweg muss ich jetzt besonders vorsichtig sein, denn es geht bergab. Vorbei an Wildgehegen und dem Jagdschloss Karlsbrunn kommen wir nach St. Nikolaus. Es ist die älteste Siedlung im Warndt. Schon Kaiser Barbarossa ging hier auf die Jagd. Im Dezember öffnet das Nikolauspostamt. Fünfunddreißig ehramtliche Helfer*innen beantworten dann bis zu 24.000 Briefe von Kindern an den Nikolaus. Wie mein Bruder mir erzählt, gehen in diesem Jahr die Briefe schon seit Ostern ein. Dank Corona hatten die Kinder viel Zeit, sich ihre Weihnachtswünsche zu überlegen. Ich vermute, dass an erster Stelle zu lesen ist, dass der Papa wieder arbeiten gehen soll, damit er die Kinder zu Hause nicht nervt.
Vor uns liegt die hoffentlich letzte Bergwertung. Wieder sind 60 Höhenmeter auf 0,8 km zu bewältigen. Auf diesem groben und scharfkantigen Belag, der uns schon seit mehr als 20 Kilometer begleitet, ist der Anstieg nicht gerade erfreulich. Dicke Rohre begleiten den Weg. Sie gehören zu irgendeiner Grube. Ihr Zweck ist mir unbekannt. Sie sind aber grün angestrichen und passen sich der natürlichen Umgebung an.
Zwischen Großrosseln und Petite Rosselle fließt das kleine Flüsschen Rossel. Sie galt lange Zeit als schmutzigster Fluss weit und breit. Bis zu 1000 Tonnen Trockenschlamm aus den lothringischen Kohlegruben flossen mit dem Rosselwasser in die Saar. Dazu noch Abwässer aus den Chemieanlagen von Carling. Es war eine Quelle ewigen Ärgernisses zwischen Saarland und Lothringen. Erst 1968 wurde diese Abwasserpraxis beendet. Nun fühlen sich Enten im schmalen Flüsschen wieder wohl und wenn ich es recht sehe, schwimmt sogar eine Schwanenfamilie etwas weiter flussaufwärts. Eigentlich bilden beide Orte eine einzige Gemeinschaft. Dass ich auf der Brücke die Grenze überquere, erkenne ich zum Ersten daran, dass dort ein Brotbackautomat steht, der rund um die Uhr frisches Baguette gegen Bargeld ausgibt, und zum Zweiten, dass zwei Häuser weiter am Kreisverkehr der Bäcker leckere Tarte verkauft. Es kommt, wie es kommen muss: Das große Stück Mirabellenkuchen auf dem Teller vor mir bleibt nicht lange dort liegen.
Zwischen Großrosseln und Petite Rosselle fließt das kleine Flüsschen Rossel. Sie galt lange Zeit als schmutzigster Fluss weit und breit. Bis zu 1000 Tonnen Trockenschlamm aus den lothringischen Kohlegruben flossen mit dem Rosselwasser in die Saar. Dazu noch Abwässer aus den Chemieanlagen von Carling. Es war eine Quelle ewigen Ärgernisses zwischen Saarland und Lothringen. Erst 1968 wurde diese Abwasserpraxis beendet. Nun fühlen sich Enten im schmalen Flüsschen wieder wohl und wenn ich es recht sehe, schwimmt sogar eine Schwanenfamilie etwas weiter flussaufwärts. Eigentlich bilden beide Orte eine einzige Gemeinschaft. Dass ich auf der Brücke die Grenze überquere, erkenne ich zum Ersten daran, dass dort ein Brotbackautomat steht, der rund um die Uhr frisches Baguette gegen Bargeld ausgibt, und zum Zweiten, dass zwei Häuser weiter am Kreisverkehr der Bäcker leckere Tarte verkauft. Es kommt, wie es kommen muss: Das große Stück Mirabellenkuchen auf dem Teller vor mir bleibt nicht lange dort liegen.
Nur zweihundert Meter weit führt der Radweg entlang der Rossel durch Lothringen, dann sind wir schon wieder im Saarland. Rechter Hand taucht der grüne Förderturm der Grube Verden auf. Das Rad dreht sich nicht mehr, das Seil ist gekappt. Das Gelände ist verlassen. Die letzte Schicht liegt schon lange zurück. Jetzt ist die Grube zu einem Erlebnisbergwerk geworden.
Erleichterung stellt sich bei mir ein, als vor uns die Umgehungsstraße von Wehrden auftaucht. Endlich liegen die Braschen hinter uns. Fast 30 km haben sie uns das Radeln schwergemacht. Vor uns taucht die Silhouette der Völklinger Hütte auf. Wir haben wieder die Saar erreicht. |
EISEN
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"Dreißig Jahre habe ich am Hochofen gearbeitet, vom ersten Tag der Ausbildung bis zum letzten Abstich. 1956 habe ich angefangen. Damals gab es noch die 7-Tage-Woche bei 56 Stunden wöchentlich und zwölf Tagen Urlaub im Jahr. Der Arbeitsplatz war im Freien. Wir mussten bei jeder Witterung arbeiten, bei Hitze, bei Kälte, bei Regen und bei Schnee. Das Eisen kommt bei 1400 Grad aus dem Ofen. Vorne war es zu heiß und hinten zu kalt. Schutzhelm? Gab es nicht, dafür einen Filzhut. Wir trugen Lederschürzen, Ledergamaschen und ein Visier aus Draht. Es gab keine Umweltauflagen und es gab es so gut wie keinen Arbeitsschutz. Als ich anfing, haben zwei Männer mit einer Pressluft betriebenen Handbohrmaschine den Ofen geöffnet, damit das Eisen herausfließen kann. Das war eine körperlich schwere Arbeit. Technische Hilfsmittel, die uns die Arbeit erleichterten, kamen erst langsam. Würde ich heute noch am Hochofen stehen, dann würde ich aussehen wie ein Astronaut auf dem Mond. Wir arbeiteten zu fünft in der Schicht, drei unten am Abstich und zwei oben zum Befüllen des Ofens. Die Schichtgruppe war immer die gleiche. Wir hielten zusammen wie Pech und Schwefel. Anders wäre dieser Arbeit auch gar nicht möglich gewesen. Der kollegiale Umgang miteinander setzte sich auch in der Freizeit fort, beim Kegeln, beim Kneipengang, bei der Gartenarbeit, und oft sogar beim gemeinsamen Urlaub.
Bis 1960 hatten wir auf der Hütte durchschnittlich fünf meldepflichtigen Unfälle am Tag. Das sind rund 1800 im Jahr. Gezählt wurden sowieso nur die Unfälle, die zu einer mehr als dreitägigen Krankmeldung führten. Weil jeder Unfall die Beiträge an die Berufsgenossenschaft erhöht, kamen nach und nach bessere Arbeitsschutzausrüstungen wie Helm, Arbeitsschuhe und schwer entflammbare Kleidung. Verbesserte Technik führte zu Fortschritten in der Produktivität. Besonders große Schübe gab es in den Zeiten des Wiederaufbaus nach den beiden Weltkriegen. Mitte der 60er-Jahre waren mehr als 50 000 Menschen in den sieben saarländischen Hütten beschäftigt. Diese Zeit war auch der Höhepunkt. Dann begann das Hüttensterben. Eine Hütte nach der anderen schloss. Heute arbeiten noch 4000 bei Saarstahl und 5500 in der Dillinger Hütte. Der letzte Abstich in Völklingen war am 4. Juli 1986. Ich hatte zufällig an diesem Tag Schicht. Und so war es meine Aufgabe, dem letzten der sechs Hochöfen als Verantwortlicher in der Leitstelle den Wind abzustellen. Damit endete für mich ein Lebensabschnitt von 30 Jahren. Eigentlich sollte die ganze Anlage verschrottet werden. Doch in den 80er-Jahren wurde für Schrott nichts bezahlt. Dann wollte man die Hütte einfach dem Verfall preisgeben. Doch eine Gruppe aus Saarbrücken hatte die Idee, der UNSESCO vorzuschlagen, die Hütte zum Weltkulturerbe zu erklären. Eine Industrieanlage als Weltkulturerbe, das gab es damals noch nicht. Das zuständige Gremium hat dann 1994 mit einer Stimme Mehrheit zugestimmt. Im letzten Jahr kamen 122.000 Besucher hierher. Ich bin 1996 in Rente gegangen, im gleichen Jahr habe ich angefangen Führungen für Besuchergruppen zu machen. Ich mache das gerne, weil, wie meine Frau schmunzelnd sagt, die Hütte mein Leben ist." |
Entlang der Saar führt uns der gut ausgebaute Radweg nach Saarbrücken. Wegen des häufigen Hochwassers, das es früher gab, ist die begleitende Bundesstraße höher gelegt und überspannt stellenweise den Radweg. Das gibt an diesem heißen Julitag erfrischenden Schatten. Rechts wie links reihen sich die Siedlungen auf zehn Kilometer. Ein Ort schließt an den anderen an. Direkt an der Saar liegt die Industrie: das Walzwerk von Völklingen, die Grube Luisenthal, die ehemalige Burbacher Hütte, das Kraftwerk Fenne, um nur einige zu nennen.
Wie durch ein natürliches Fenster, das vom Buschwerk an der Saar gebildet wird, fällt mein Blick auf einen der Fördertürme der Grube Luisenthal. Ich erinnere mich noch gut an den 7. Februar 1962. Bei einer Schlagwetterexplosion verloren 299 Kumpel ihr Leben. Es war eines der größten Grubenunglücke in Deutschland. Die Nachricht erreichte uns während des Schulunterricht. Die Betroffenheit war groß.
Wie durch ein natürliches Fenster, das vom Buschwerk an der Saar gebildet wird, fällt mein Blick auf einen der Fördertürme der Grube Luisenthal. Ich erinnere mich noch gut an den 7. Februar 1962. Bei einer Schlagwetterexplosion verloren 299 Kumpel ihr Leben. Es war eines der größten Grubenunglücke in Deutschland. Die Nachricht erreichte uns während des Schulunterricht. Die Betroffenheit war groß.
Erst in Saarbrücken kann ich die dunklen Gedanken wieder ablegen. Über die blumengeschmückte Brücke am Staatstheater erreichen wir unsere Unterkunft in der Altstadt. Den Abend lassen wir am Sankt Johanner Markt ausklingen. Ich führe Cafer in saarländische Lebensart und saarländische Küche ein. Dafür habe ich in dem Restaurant „Die Kartoffel“ schon vor Tagen einen Tisch bestellt. Zu Corona Zeiten ist dies erforderlich. Ich entscheide mich selbst für Dibbelabbes. Dieses Kartoffelgericht ist genauso saarländisch wie die Lyoner Wurst.
DIBBELABBES
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"Annabelle, in meine Küche kommt nur Annabelle und keine andere Kartoffel. Sie ist besonders festkochend und dabei auch wohlschmeckend, genau das, was saarländische Gerichte brauchen. Ich beziehe sie vom Erlenbacher Hof in Ensheim. Da weiß ich, welche Qualität ich bekomme. Saarländische Küche ohne Kartoffel, das ist undenkbar. Egal ob zum Dibbelabbes, zum Reibekuchen, zum Lyoner Salat oder für Hoorische, es gehören immer gute Kartoffel dazu, gebraten oder gekocht.
Vor über 30 Jahren habe ich in Istrien eine saarländische Familie kennengelernt. Sie waren auf Urlaub in dem Hotel, in dem ich gearbeitet habe. Wir freundeten uns an und sie luden mich nach Burbach ein. Sie hatten dort auch eine Gastronomie. 1988 habe ich bei ihnen erst mal zwei Wochen Urlaub gemacht. Dann kam ich für drei Monate als Aushilfskellner und schließlich, im Mai 1991, fest nach Saarbrücken. Vielleicht liegt meine Nähe zum Saarland und zur Kartoffel auch daran, dass die Kartoffel im Saarland Grumbeer heißt und auf Kroatisch Krompir. Natürlich ist meine Speisekarte durch die Nähe zu Frankreich und Luxemburg international geprägt, so wie meine Gäste. Seien es die Musikstudenten aus Seoul, die im Rahmen der Städtepartnerschaft nach Saarbrücken kommen, oder die spanischen Touristen, die aufgrund der Empfehlung in Tripadvisor zu mir finden, um die saarländische Küche kennenzulernen. Schauen Sie nur, so wie Valérie und Susan am Nachbartisch. Sie kommen aus Saargemünd zum Einkaufen nach Saarbrücken und lassen es sich bei mir gut schmecken. Auf meiner Speisekarte steht: „Essen wie bei Oma“. Das ist nicht nur so dahin gesagt, denn meine Rezepte stammen von meiner ehemaligen Schwiegermutter. Sie hat sie mir in die Feder diktiert. Daraus ist mein persönliches Saarländisches Kochbuch geworden. Es ist jetzt das Lehrbuch für meine Köche. Corona hat mir sehr zugesetzt. Drei Monate war mein Restaurant geschlossen. Als ich am 21. Mai wieder öffnen konnte, habe ich an diesem Tag alle Gerichte kostenlos angeboten. Ich habe meine Gäste im Gegenzug um eine Spende für die Saarbrücker Tafel gebeten. 600 € kamen zusammen. Ich bin stolz auf meine Gäste. Überhaupt, die Saarländer: Wie soll ich sie charakterisieren? Nein es sind keine normalen Deutschen. Sie zeichnen sich durch eine Mischung von deutschem Charakter und französischer Lebensart aus, sind warmherzig und herzlich, und vor allem sind sie weltoffen. Das ist ihr Pendant zur bodenständigen saarländischen Küche." |
Etappe 5 – von Saarbrücken bis Waldziegelhütte

Grüne Teppiche von Teichmummeln dümpeln am Morgen auf der Saar. Sie lieben sauberes Wasser. Mich erstaunt es, denn früher war die Wasserqualität bis hinter Saarbrücken nicht besonders gut. Auch ein Graureiher steht steif auf dem schmalen Streifen zwischen Radweg und Fluss. Er rührt sich nicht, als ich im Abstand von 2 Meter an ihm vorbei radele. Es juckt mich in den Fingern, ein Foto von ihm zu machen. Doch ich kenne das Spiel. Er wartet bis ich die Kamera in der Hand habe. Just in dem Moment, wo ich sie hebe, fliegt er davon.
Nach gut fünf Kilometern lese ich eine Schrift auf dem Asphalt: Bienvenue Willkommen. Das ist die Grenze zu Frankreich. Heute müssen wir rüber. Gerade kommt eine junge Mutter mit Kinderwagen daher. Gerne kommt sie meiner Bitte nach, ein Foto von uns beim Grenzübertritt zu machen. Sie spricht mit einem hörbaren französischen Akzent. Ich frage sie, ob sie in Frankreich wohnt. „Nein“ kommt als Antwort. Sie wohnt in Deutschland und kommt aus der Ukraine. Ich liebe dieses Miteinander der Nationen in unserem Europa.
Nach gut fünf Kilometern lese ich eine Schrift auf dem Asphalt: Bienvenue Willkommen. Das ist die Grenze zu Frankreich. Heute müssen wir rüber. Gerade kommt eine junge Mutter mit Kinderwagen daher. Gerne kommt sie meiner Bitte nach, ein Foto von uns beim Grenzübertritt zu machen. Sie spricht mit einem hörbaren französischen Akzent. Ich frage sie, ob sie in Frankreich wohnt. „Nein“ kommt als Antwort. Sie wohnt in Deutschland und kommt aus der Ukraine. Ich liebe dieses Miteinander der Nationen in unserem Europa.
Vorsicht, Radarkontrolle! Seit dem Grenzübertritt ist immer wieder die Geschwindigkeitsbegrenzung von 20 km/h auf den Radweg aufgepinselt. Dank Rückenwind fahren wir deutlich schneller. Und jetzt steht an der „Moulin des Oiseaux“ auch noch der Polizeiwagen. Doch die Ordnungshüter haben einen anderen Auftrag im Zusammenhang mit der Mühle. Hoffentlich nichts Dramatisches.
Vorbei am Schiffsfriedhof mit alten Saarkähnen kommen wir an die Mündung der Blies. Wir haben Saargemünd erreicht. Hier zweigt auch der Saarkohlenkanal von der Saar ab. Auf dem alten Treidelpfad ist jetzt ein schöner Radweg angelegt. Den bin ich schon einige Male geradelt. Heute überqueren wir am Wehr den Kanal und die Saar. Auf der Brücke sind wir am südlichsten Punkt unserer „Tour de Saar“. Nun folgen wir dem Lauf der Blies Richtung Nordosten.
Vorbei am Schiffsfriedhof mit alten Saarkähnen kommen wir an die Mündung der Blies. Wir haben Saargemünd erreicht. Hier zweigt auch der Saarkohlenkanal von der Saar ab. Auf dem alten Treidelpfad ist jetzt ein schöner Radweg angelegt. Den bin ich schon einige Male geradelt. Heute überqueren wir am Wehr den Kanal und die Saar. Auf der Brücke sind wir am südlichsten Punkt unserer „Tour de Saar“. Nun folgen wir dem Lauf der Blies Richtung Nordosten.
Saargemünd lassen wir schnell hinter uns. Der Wind, der uns seit Saarbrücken den Rücken stärkte, bläst mir jetzt ins Gesicht. Wir folgen dem gut ausgebauten Radweg auf französischer Seite. Die Blies schlägt einen großen Bogen nach Norden. Bunt bemalte Fahrräder mit Blumenkörben auf dem Lenker und lustige Figuren erfreuen mich entlang des Weges. Das gibt schöne Fotos. In Frankreich herrscht Maskenpflicht im öffentlichen Raum, für jeden! Wohl auch für die Vogelscheuche auf dem Fahrrad, mit der ich mich gleich mal fotografieren lasse. In Blies-Schweyen führt die Fuhrmannsbrücke über die Blies. Auf der deutschen Seite brausen Lkws über die Landstraße. Auf der französischen Landstraße ist es verkehrsarm. Wir entscheiden uns für die französische Seite, auch wenn der Radwegweiser nach Deutschland zeigt. Den Saarland-Radweg werden wir einige Kilometer weiter wieder treffen.
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Frauenberg trägt einen deutschen Namen und hat, welch ein Glück für uns, auch noch einen Bäcker. Schon in Saargemünd hatten wir nach einer Bar Ausschau gehalten, um einen Kaffee zu trinken. Am einzigen Tisch vor der Tür sind noch zwei Stühle frei. Ich bitte um sie und ehe ich mich versehe, steht plötzlich ein zweiter Tisch für uns bereit. Die Bäckersfrau entschuldigt sich, dass sie nur noch Croissant mit Schokofüllung habe. Macht nichts. Und während wir gemütlich unseren Kaffee zum Croissant schlürfen, plaudern die beiden Mechaniker neben mir miteinander über alltägliche Dinge, wobei sie immer wieder von Deutsch ins Französische wechseln und umgekehrt.
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Nach einem freundlichen Au revoir steigen wir auf unsere Räder. In Ebersbrück führt eine steile Straße hinauf zum Blies-Bahnradweg. Die Steigung ist kurz aber heftig. Doch noch heftiger ist mein Fluch, als ich oben angekommen vor einer Barriere stehe: Route barrée – Straße gesperrt. Das Umleitungsschild will uns wieder zurück ins Tal schicken. Doch nicht mit uns. Nach kurzer Beratung beschließen wir, die Barriere zu negieren. Wenn der Erdrutsch wirklich den ganzen Weg blockiert hat, können wir ja wieder umdrehen. Er hat nicht. Auf einem schmalen Trampelpfad kommen wir am Erdrutsch vorbei. Unterhalb des alten Bahndamms hat man bei Bauarbeiten wohl vergessen, den Hang abzustützen. Pech gehabt.
Kurz danach passieren wir bei Reinheim wieder die Grenze und stehen erneut vor einer Absperrung. Wegen eines Konflikts zwischen Verkehrssicherheit und Naturschutz ist die Strecke bis zum nächsten Ort gesperrt. Eine Umleitung ist nicht ausgeschildert. Dafür ist in diesem Konflikt zwischen zwei Behörden wohl niemand zuständig. Ein Anwohner rät uns, einfach durchzufahren: „Links um das Gebüsch herum. Das machen alle.“ Gesagt getan, und schon kommen uns einige Radler auf der gesperrten Strecke entgegen. Sie kennen sich aus.
Dieser Bahnradweg entschädigt für all die Mühen in St. Wendeler Land, Hunsrück, Saargau und Warndt. Auf glattem Asphalt rollen wir gemütlich durch einen grünen Tunnel bis Blieskastel. Der Bahnradweg ist vorbildlich ausgebaut: Ruhebänke, beste Ausschilderung samt Ortsschilder im Miniformat und einige alte Bahnhöfe als Raststätte. In Bliesdahlheim stehen sogar drei überdimensionierte Weinfässer zur Übernachtung bereit.
Vor uns ist der Radweg wieder gesperrt. Der Hubschrauber vom ADAC startet gerade auf der Wiese daneben. Schon vorher hatten wir das Horn des Rettungswagens gehört. So biegen wir am Kreisel in die Altstadt von Blieskastel ein. Eine Linie der Reichsfreiherren und späteren Reichsgrafen von der Leyen hatte hier ihren Sitz, bis sie im Verlauf der Französischen Revolution vertrieben und das Residenzschloss zerstört wurde. Nur die Orangerie ist noch erhalten geblieben. Bei diesem Namen klingelt es natürlich sofort bei mir. Aber soweit ich in Erfahrung bringen konnte, entstammt Ursula von der Leyen nicht dieser Linie.
Abseits von Blieskastel liegt Ommersheim. Auch dieser Ort nimmt für sich in Anspruch, Grabstätte vom Hunnenkönig Attila zu sein. Es ist verbrieft, dass er bis Metz gekommen ist. Es ist auch verbrieft, dass er an einem Blutsturz starb. Angeblich begruben sechzehn seiner Krieger den Leichnam in einem goldenen Sarg im Bettelwald bei Ommersheim. Bei ihrer Rückkehr wurden sie erschlagen, damit keiner das Geheimnis der Grabstätte preisgeben konnte. Und so weiß bis heute niemand, wo der Gute nun eigentlich begraben liegt. Und sollte dennoch inzwischen jemand den Sarg ausgegraben haben, dann hat er stillschweigend das Gold eingeschmolzen, natürlich ohne die Gebeine, der Reinheit des Edelmetalls wegen.
Dieser Bahnradweg entschädigt für all die Mühen in St. Wendeler Land, Hunsrück, Saargau und Warndt. Auf glattem Asphalt rollen wir gemütlich durch einen grünen Tunnel bis Blieskastel. Der Bahnradweg ist vorbildlich ausgebaut: Ruhebänke, beste Ausschilderung samt Ortsschilder im Miniformat und einige alte Bahnhöfe als Raststätte. In Bliesdahlheim stehen sogar drei überdimensionierte Weinfässer zur Übernachtung bereit.
Vor uns ist der Radweg wieder gesperrt. Der Hubschrauber vom ADAC startet gerade auf der Wiese daneben. Schon vorher hatten wir das Horn des Rettungswagens gehört. So biegen wir am Kreisel in die Altstadt von Blieskastel ein. Eine Linie der Reichsfreiherren und späteren Reichsgrafen von der Leyen hatte hier ihren Sitz, bis sie im Verlauf der Französischen Revolution vertrieben und das Residenzschloss zerstört wurde. Nur die Orangerie ist noch erhalten geblieben. Bei diesem Namen klingelt es natürlich sofort bei mir. Aber soweit ich in Erfahrung bringen konnte, entstammt Ursula von der Leyen nicht dieser Linie.
Abseits von Blieskastel liegt Ommersheim. Auch dieser Ort nimmt für sich in Anspruch, Grabstätte vom Hunnenkönig Attila zu sein. Es ist verbrieft, dass er bis Metz gekommen ist. Es ist auch verbrieft, dass er an einem Blutsturz starb. Angeblich begruben sechzehn seiner Krieger den Leichnam in einem goldenen Sarg im Bettelwald bei Ommersheim. Bei ihrer Rückkehr wurden sie erschlagen, damit keiner das Geheimnis der Grabstätte preisgeben konnte. Und so weiß bis heute niemand, wo der Gute nun eigentlich begraben liegt. Und sollte dennoch inzwischen jemand den Sarg ausgegraben haben, dann hat er stillschweigend das Gold eingeschmolzen, natürlich ohne die Gebeine, der Reinheit des Edelmetalls wegen.
Unmittelbar hinter Blieskastel, bei Tageskilometer 55, endete der Bahnradweg. Weiter geht es über offenes Feld durch das breite Tal der Blies. Jetzt macht sich die Hitze bemerkbar. Durch das Gewerbegebiet und am Rathaus vorbei kommen wir in die Innenstadt von Homburg. Gleich an der ersten Eisdiele machen wir halt. Diese Portion haben wir uns verdient, mal wieder. Wir sind nun auch am östlichsten Punkt unsere Tour angekommen.
Das Saarland ist Bierland. An der Karlsberg-Brauerei und den Schlossberghöhlen vorbei verlassen wir die Stadt. Ich bin dankbar, dass die letzten Kilometer bis Waldmohr durch einen kühlen Wald führen. Schließlich folgt die allerletzte Steigung zu unserem Startpunkt vor fünf Tagen. In Waldziegelhütte angekommen schließt sich der Kreis unserer Rundreise. 81,5 km stehen heute auf dem Tacho. Summa summarum sind es damit ziemlich genau 400 km für die Gesamtstrecke.
Das Saarland ist Bierland. An der Karlsberg-Brauerei und den Schlossberghöhlen vorbei verlassen wir die Stadt. Ich bin dankbar, dass die letzten Kilometer bis Waldmohr durch einen kühlen Wald führen. Schließlich folgt die allerletzte Steigung zu unserem Startpunkt vor fünf Tagen. In Waldziegelhütte angekommen schließt sich der Kreis unserer Rundreise. 81,5 km stehen heute auf dem Tacho. Summa summarum sind es damit ziemlich genau 400 km für die Gesamtstrecke.
Das Saarland hat keine natürlichen Grenzen, weder Flüsse noch Bergketten noch große Ebenen. Es gab auch nie ein einheitliches feudales Herrschaftsgebiet oder das gemeinsame Siedlungsgebiet eines Volksstammes. Seine Grenzen sind bestimmt durch die Lagerstätten der Kohle und die Wohnorte der Bergleute. Die Kohle, das schwarze Gold, war identitätsstiftend. Auf unserer „Tour de Saar“ haben wir die vielen Seiten des Saarlandes kennengelernt: die grünen Hügel des St. Wendeler Landes, das idyllische Ostertal, die hohen Wälder und die Stauseen des Hunsrück, das enge Tal der Saar bei Mettlach, die Weinberge des Moseltals, die weiten Höhen des Saargau, die Industrielandschaft zwischen Dillingen und Saarbrücken, das Kohlerevier im Warndt, das Biosphärenreservat des Bliesgau und das frankophile Savoir Vivre von Saarbrücken. Ich habe auch die gute Ausschilderung des Saarland-Radweges schätzen gelernt. Die Strecke ist sehr anspruchsvoll und erfordert eine gute Kondition, nicht empfehlenswert für Eltern mit Kindern. Und schließlich war es auch eine Reise in meine eigene Vergangenheit und zu meinen Wurzeln. Cafer hat es daran gemerkt, dass ich immer häufiger auch im Gespräch mit ihm in den saarländischen Dialekt verfallen bin.
Wir werden schon von unseren Gastgebern, Ellen und Martin, erwartet. Der Abend klingt am Lagerfeuer aus. Beim gemeinsamen Grillen gemäß dem Wahlspruch der Saarländer: Hauptsach gudd gess, geschafft han ma schnell. Es gibt so vieles zu erzählen. Wir haben ja auch einiges erlebt. Gedanken wandern durch meinen Kopf. Ich habe die Fähigkeit, mich an neuen Orten schnell heimisch zu fühlen. So habe ich mich vor fünfzig Jahren schnell in Hessen eingefühlt und bin geblieben. Doch die intensive Begegnung mit dem Saarland auf dieser Reise hat mir gezeigt, dass hier im Land der grünen Wälder, der weiten Höhen, der idyllischen Täler und der rauchenden Schlote meine Heimat ist. Noch im Liegestuhl sinke ich in einen tiefen Schlaf.
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E N D E
Ein Dankeschön an die Interviewpartner, die bereit waren, sich für meine Reportage zur Verfügung zu stellen.
Ebenso ein Dankeschön an das "Weltkulturerbe Völklinger Hütte Europäisches Zentrum für Kunst und Industriekultur" für die Erlaubnis, auf dem Gelände fotografieren zu dürfen.
Ebenso ein Dankeschön an das "Weltkulturerbe Völklinger Hütte Europäisches Zentrum für Kunst und Industriekultur" für die Erlaubnis, auf dem Gelände fotografieren zu dürfen.