Auf der Blauen Route
mit dem Fahrrad an Mosel und Saone von Schengen bis Macon
Sterne tanzen auf dem Wasser, angeregt von der Morgensonne. Eine weiße unscheinbare Boje, geschmückt mit der Europa-Fahne, schwingt mit den Sternchen mitten auf der Mosel. An dieser Stelle wurde vor 34 Jahren das Schengener Übereinkommen unterzeichnet, ein Vertrag, der mir heute und allen angeschlossenen Europäern ein freies Europa ohne Grenzen schenkt. Hier am Dreiländereck von Deutschland, Luxemburg und Frankreich steigen wir früh morgens aufs Ross, so wie vor vielen Jahrhunderten Karl der Kühne, König von Burgund. Der Unterschied zu ihm: wir reiten ein Stahlross. Die Strecke, die vor uns liegt, ist ursprünglich nach ihm benannt: „Charles le Téméraire“ - „Karl der Kühne“. Wir folgen ihm kühn.
|
Auf geht es. Der Radweg ist eingeengt zwischen roten Sandsteinwänden und dem Bahndamm. Ab und zu rauscht ein Güterzug vorbei, ansonsten ist es still. Hinter dem Bahndamm ruht die Mosel in ihrem Bett und am gegenüberliegenden Ufer sonnt sich ein kleines Weingut im güldenen Morgenlicht. Die Weinstöcke ziehen sich den Hang hinauf und saugen die Sonne ein für den nächsten Jahrgang, der natürlich besser werden soll als alle bisherigen. Eine Idylle ist es auf jeden Fall.
Vor uns taucht die Burg von Sierck les Bains auf. Sie krönt einen Felssporn über der Stadt. Erinnerungen steigen in mir hoch. Just zu Ostern waren wir dort oben. Die Sicht über die alte Stadt und das Moseltal ist phantastisch. Das Städtchen ist ein schlafendes Kleinod, das vom maroden Charme seiner Vergangenheit lebt. Heute nehmen wir uns keine Zeit für einen Rundgang. Der kühle Morgenwind treibt uns voran.
Vor uns taucht die Burg von Sierck les Bains auf. Sie krönt einen Felssporn über der Stadt. Erinnerungen steigen in mir hoch. Just zu Ostern waren wir dort oben. Die Sicht über die alte Stadt und das Moseltal ist phantastisch. Das Städtchen ist ein schlafendes Kleinod, das vom maroden Charme seiner Vergangenheit lebt. Heute nehmen wir uns keine Zeit für einen Rundgang. Der kühle Morgenwind treibt uns voran.
Der Radweg ist gut ausgebaut, führt mal rechts und mal links der Mosel. Wieder einmal überqueren wir den Fluss, werden in einem langen Kreisbogen durch einen Ort geführt, um unter der Brücke wieder das Ufer zu erreichen. Vor uns laufen zwei Sportler, halten sich gemeinsam an einem Fahrrad fest. Doch nur für kurze Zeit, dann schwingt sich der eine von ihnen aufs Rad, während der andere zum Sprint ansetzt. Wir haben Mühe, die beiden zu überholen. Dann wieder vor uns das gleiche Bild, wenn auch ein anderes Pärchen. Es werden immer mehr, junge und alte. Ich fahre neben eins der Pärchen und frage nach dem Sinn der sportlichen Übung. „Das ist Bike-Run, ein Volkssportevent, 500 Meter laufen, dann 500 Meter Radfahren, immer abwechselnd, bis ins Ziel,“ „Sportlich, sportlich!“ rufe ich ihnen zu und „Bonne chance, Viel Glück!“ Im Hintergrund steigt weißer Wasserdampf aus den Kühltürmen des Kernkraftwerkes Cattenom in die Höhe.. Da nehmen sie wohl ihre Energie her.
Überhaupt sind die Franzosen heute sehr sportlich. Läufer und Radfahrer kommen uns immer häufiger entgegen. Der Radweg ist an diesem Sonntag gut bevölkert. Es ist der 14. Juli, Nationalfeiertag in Frankreich. Auf dem Kai von Thionville, das wir gerade erreichen, reihen sich Zelte und Biertische. Gestern Abend wurde hier ausgiebig gefeiert. Jetzt riecht es wieder verführerisch nach Süßem und Herzhaftem. Wir bleiben standhaft und radeln weiter. |
Große Hallen säumen das Ufer der Mosel. Die langen Kais sind leer, ebenso wie der Bauch der großen Hallen, Trotzig reckt sich das stählerne Skelett eines Hochofens zwischen Bäumen in den Himmel. Diese Region rund um Thionville war einmal ein Herzstück der Montanindustrie Lothringens. Zuerst schlossen die Erzminen ihre Tore, dann die Kohlegruben und schließlich die Hüttenwerke. Der Hochofen vor mir und das ganze Werk drum herum sind Zeitzeugen einer Periode des Wohlstandes. Heute zählt dieser Teil Lothringens zu den Armenhäusern Frankreichs.
|
Die Arkaden aus gelbem Stein, die schmalen Häuser, das Kopfsteinpflaster, das ist das alte Metz, Durch die Fußgängerzone haben wir den Weg zum Place St. Jacques gefunden. Das Karussell dreht sich und lässt Kinderherzen höher schlagen. Ab und zu kracht ein Feuerwerkskörper. Ein paar Jugendliche haben sie noch von der gestrigen Feier zum Nationalfeiertag übrig behalten und erschrecken jetzt die Touristen. Was soll ich mich darüber aufregen, ich war ja auch mal in dem Alter. Gestern Abend war der Platz randvoll. Da wurde getanzt und geflirtet, getrunken und ausgelassen gefeiert. Jetzt liegt er leer vor mir. Die Stühle der meisten Bars sind hoch gestapelt. Der Kaffee im Windsor-Pub schmeckt uns und die Sonne bemüht sich eifrig, die Wolken, die das nächtliche Unwetter zurück gelassen hat, zur Seite zu schieben. Wir fühlen uns wohl vor den viele hundert Jahre alten Fassaden. Ich kenne Metz seit meiner Kindheit. Damals erschien mir die Stadt düster und erdrückend. Doch Metz hat sich seit damals verjüngt, ist heller geworden. Am deutlichsten sehe ich es an der Fassade der Kathedrale.
Die Mosel umschmeichelt mit ihren Nebenarmen die Altstadt. Es gibt viele ruhige Plätze zum Verweilen. Ich komme immer wieder gerne hier her. Die Ruhepause heute hat den Waden nach den ersten 60 Kilometern gut getan. Frisch gestärkt verlassen wir die Stadt Richtung Süden.
Die Mosel umschmeichelt mit ihren Nebenarmen die Altstadt. Es gibt viele ruhige Plätze zum Verweilen. Ich komme immer wieder gerne hier her. Die Ruhepause heute hat den Waden nach den ersten 60 Kilometern gut getan. Frisch gestärkt verlassen wir die Stadt Richtung Süden.
Bei Moulins-lès-Metz endet der Radweg. Wir müssen den Treidelpfad verlassen. Wo ist der Wegweiser? Wir stehen an einem Kreisverkehr, in den eine vierspurige Straße mündet. Wo bitte geht es jetzt weiter. Wir entscheiden uns, den Weg über die Brücke zu nehmen. Zum Glück gibt es wenig Verkehr. Direkt hinter der Brücke führt uns ein Wegweiser dann wieder an die Mosel. Der Weg ist asphaltiert, Doch irgendwie müssen wir den richtigen Abzweig wieder verpasst haben. Nun ist der Weg geschottert, dann befestigt und schließlich radeln wir über die reinste Schlaglochstrecke. Rechts liegt jetzt ein Angelteich, links stehen Wochenendhäuser. Bei Abzweigungen entscheiden wir uns nach der Zahl der Reifenspuren. Hinter einem weiteren Abzweig stehen dann die Wochenendhäuser rechts und der Angelteich links und dann letzterer schließlich direkt vor uns. „Privatgelände“ steht groß an dem Eingang. Ende Fahnenstange? Sollen wir zurück? Nein! Wir dürfen auf das Gelände des Angelvereins und dann den gegenüberliegenden Ausgang nehmen. Ein Pärchen weist uns dort den Weg „Von hier geht es immer geradeaus bis Nancy“. „Danke!“ rufe ich ihnen zu. Sie hatten recht.
Nach 2 Kilometern kommt von rechts der ausgeschilderte und geteerte Radweg. Jetzt sind wir auch wieder am Flussufer und können so richtig in die Pedale treten, um sofort wieder zu bremsen. Vor uns erhebt sich ein römisches Aquädukt, oder zumindest das Endstück. 1800 Jahre ist das Bauwerk alt und sieht doch noch so jung aus. 25 Kilometer war das Aquädukt lang und führte Quellwasser von jenseits der Mosel bis nach Metz. Eine Brücke von 1250 Meter Länge überquerte die Mosel. Sie ist dem Zahn der Zeit zum Opfer gefallen. Aber dieses Teilstück hier: alle Achtung!
Wir müssen wieder über die Mosel, um zu unserer Unterkunft zu kommen. In Ancy-sur-Moselle heißen uns Vincent und Mélanie in ihrer schönen Ferienwohnung an diesem Abend willkommen. Im Nachhinein ein Dankeschön an die beiden.
Pünktlich um 9 Uhr brechen wir auf. Der erste Stopp kommt schneller als erwartet. Über eine Mauer bietet uns ein Baum seine reifen Früchtchen an, rote Kirschpflaumen. Klein wie Mirabellen sind sie und schmecken an diesem Morgen besonders gut. Eigentlich sind wir ja hier im Mirabellenland. Aber die brauchen noch ein paar Tage, bis sie reif sind. Es sind nur ein paar Kilometer auf der Landstraße bis Pagny. Dann haben wir den alten Moselseitenkanal erreicht. Er ist stillgelegt, bietet Fischen und Vögeln ein Refugium. Eine Entenmutter schwimmt unter der Kanalbrücke durch. Ihre Küken kuscheln sich eng an sie
|
Wenig später stoßen wir auf den neuen Kanal. Er ist breit, sehr breit. Schnurgerade führt der Radweg an ihm entlang. Dank des Südwestwindes fliegen wir regelrecht bis zu dem Städtchen Pont-à-Mousson. Schon die Römer wussten diesen Platz zu schätzen und schlugen eine Brücke über die Mosel. Von weitem hebt sich die Silhouette der Abtei vom Flussufer ab. Die Brücke verbindet sie mit dem Zentrum, dem Place Duroc. Dreieckig ist der Platz, ein Renaissance-Ensemble. Arkaden laufen um den ganzen Platz. Bisweilen sehe ich auch Jugendstil-Elemente. Doch sie stören nicht, im Gegenteil. Selbst die Banken ordnen sich unter und passen ihre Fassaden dem Renaissance-Stil an. Auf dem Platz selbst werden gerade die Absperrgitter des Festes zum Nationalfeiertag abgeräumt. Unter einer Arkade lassen wir uns nieder. Still ist es nicht gerade. Eine große Durchgangsstraße führt über den Platz. Aber das tut der Schönheit keinen Abbruch.
Was machen Mutti und Tochter nur an diesem Morgen? Bei Papi und Sohnemann weiß ich es: sie frönen dem Radsport. Dies ist jetzt schon das vierte Vater-Sohn-Paar, dem wir in kürzester Zeit begegnen; und meist will der Sohn dem Vater zeigen, dass er besser ist. Der Radweg ist neu, ds rollt es sich besonders gut. Doch wieder gibt es einen Grund, die flotte Fahrt zu unterbrechen. Ich habe Cafer schon frühzeitig darauf vorbereitet, dass ich bei allen möglichen und unmöglichen Anlässen halten werde. Diesmal sind es Karden, eine Distelart, die über hundert Meter den Radweg säumen. Viele blühen noch. Dutzende von Hummeln sammeln begeistert den Nektar. Es summt und brummt wie auf einer Frühlingswiese.
|
Das Rauschen kommt nicht von einem Wasserfall, sondern von dem Verkehr, der auf der Autobahn nach Süden und Norden zieht. Haben die LKW-Fahrer denn keinen Urlaub? Vor Antreville wechselt die Autobahn dann die Moselseite und lässt uns in Ruhe zurück. Wir sind jetzt für ein paar Kilometer wieder auf der Landstraße. „Teilen wir uns die Straße“ fordert ein blaues Schild Rad- und Autofahrer zur friedlichen Koexistenz auf. Eine nette Geste. Französische Autofahrer, so meine Erfahrung, sind gegenüber Radfahrern sowieso schon sehr zuvorkommend.
|
Immer wieder liegen alte und neue Industrieanlagen entlang unseres Weges. Der Kanal war für sie lange Zeit der wichtigste Transportweg. Heute haben Eisenbahn und Straße diese Aufgabe weitgehend übernommen.
Vor Nancy verlässt uns die Mosel. Nun folgen wir der Meurthe. Die Innenstadt von Nancy liegt abseits des Flusses. Doch mit Navi und gutem Orientierungsvermögen erreichen wir das Zentrum. Kasim, ein Verwandter von Cafer, der hier wohnt, führt uns zum Place Stanislas. Welch ein Prunk. Reichlich Gold glänzt mit der Sonne um die Wette. Mitten auf dem Platz weist Stanislas höchst persönlich den Weg. Zum Glück folgen wir nicht seinem Rat, sonst hätten wir den Bahnhof nicht rechtzeitig erreicht. Mich fasziniert die spiegelnde Halbkugel zu seinen Füßen. Da lassen sich schöne Fotos machen und der halbe Platz ist gleich mit drauf.
Pünktlich um 17:03 Uhr setzt sich der Zug in Bewegung. Wir machen jetzt einen 400 Kilometer weiten Sprung in den Süden. Macon ist unser Ziel. Von dort aus wollen wir die Blaue Route nach Norden radeln. Wir haben uns für diese Richtung entschieden, da wir dann Sonne und Wind im Rücken haben. Die Nord-Süd-Verbindung liegt zeitlich früher am Tag als die Gegenrichtung. Es gibt sowieso nur zweimal am Tag einen Zug auf dieser Strecke. Welcher Franzose will schon von Nordostfrankreich ans Mittelmeer, ohne über Paris zu fahren.
Mit dem großen Sprung nach Macon sind wir auch in der Hitze des Sommers angekommen. Das Hotelzimmer ist klein. Die offenen Fenster lassen die Geräusche des Bahnhofes und der Straße herein. Nach einem ausführlichen Frühstück verlassen wir Macon schon recht früh. Leider haben wir keine Beschreibung, wo der Radweg genau beginnt. So statten wir erst mal einigen Außenbezirken und Gewerbegebieten einen Besuch ab. Hinter der Autobahnbrücke stoßen wir dann auf den Radweg. „Voie verte – Grüner Weg“, so heißen hier die Radwege, die vornehmlich auf alten Bahntrassen angelegt sind. Dieser hier führt über mehr als 80 Kilometer von Macon bis Chalon sur Saone. Im Tourismusbüro von Charnay Condemine erzählt mir der Berater im alten Bahnhofsgebäude stolz, dass jetzt auch das letzte Teilstück von Macon bis Cluny ausgebaut sei, und das sei genau hier. In der Tat, wir rollen auf glattem Asphalt an den Weinfeldern der „Vignerons des terres secretes“ vorbei. Die grünen Trauben sind schon recht prall. Cafer, der aus einer Winzerfamilie stammt, gesteht mir, dass er gerne in seiner Heimat wieder Wein anpflanzen würde.
Eine markante Felsnase erhebt sich im Südwesten hoch über einem Dorf. Es ist der Solutré. Zu seinen Füßen hat man vor vielen Jahren Skelette von Tausenden von Wildpferden gefunden. Man vermutet, dass die Menschen in der Steinzeit die Herden über die Felsklippe getrieben haben, um sich dann mit dem Fleisch der zerschellten Pferde zu versorgen. Von dort oben, das weiß ich aus eigener Anschauung, hat man einen herrlichen Ausblick in die Bresse bis ins Jura-Gebirge.
Eine markante Felsnase erhebt sich im Südwesten hoch über einem Dorf. Es ist der Solutré. Zu seinen Füßen hat man vor vielen Jahren Skelette von Tausenden von Wildpferden gefunden. Man vermutet, dass die Menschen in der Steinzeit die Herden über die Felsklippe getrieben haben, um sich dann mit dem Fleisch der zerschellten Pferde zu versorgen. Von dort oben, das weiß ich aus eigener Anschauung, hat man einen herrlichen Ausblick in die Bresse bis ins Jura-Gebirge.
Bisweilen verlässt der Radweg die alte Bahntrasse, weil ein Gemeinderat irgendwann ein Neubaugebiet oder ein kleines Gewerbegebiet auf die Trasse gepflanzt hat. Dann geht es über gut ausgebaute Feldwege. Gerade haben wir auf solch einem Weg eine steile Rampe erklommen und mit Hurra auf der anderen Seite die Schussfahrt genossen, da kommt schon die nächste Rampe. Ich bedaure insgeheim die zahlreichen Familien, die mir mit kleinen Kindern auf dem Fahrrad entgegen kommen.
In Berzé kommen wir wieder auf die Bahntrasse. In mäßiger Steigung geht es bergauf. Auf einem Felssporn erhebt sich die Burg von Berzé-le-Chatel über das Tal. Es ist eine mächtige Trutzburg, welche die ganze Region beherrschte, ein tolles Hintergrundmotiv für ein Selfie. Ich kann mehrfach beobachten, wie jede und jeder der Vorbeikommenden sein Handy zückt. Statt ein Selfie zu machen, bitte ich eine Französin, uns zu fotografieren. Das gibt ein schöneres Bild. Sie selbst lehnt unser Angebot ab, sie ist Selfie-Fan. |
Ein kalter Hauch kommt mir entgegen. Rechts und links engen Felswände den Radweg ein. Dann stehen wir vor einem Tunneleingang. Die Tore stehen weit offen und laden uns ein. Eiskalt zieht es dort heraus. Ein Vogel flüchtet vor uns. Ich ziehe mir meine Windjacke an, dann tauchen wir in die Röhre ein. 1650 Meter weit rollen wir leicht bergab. Gelbes Licht beleuchtet den Weg. Ab und zu tropft es von oben. Dann sehe ich das sprichwörtliche Licht am Ende des Tunnels. Es ist der „Tunnel du Bois Clair“ . Im Winterhalbjahr ist er gesperrt, für die Winterruhe der Fledermäuse.
Nach zwei Serpentinen, die uns wieder etwas Höhe gewinnen lassen, tauchen von Weitem die Türme von Cluny auf. Neben uns rauscht ein TGV nach dem anderen vorbei. Es ist die Strecke von Paris ans Mittelmeer. Nach der Arbeit hat Gott die Belohnung gesetzt. Am Bahnhof von Cluny werden schon lange keine Züge mehr abgefertigt. Der Chef de Gare, der Bahnhofsvorsteher, ist inzwischen in Rente. Nachdem der freundliche Fahrradverleiher, der nun im Bahnhof zu finden ist, meinen Reifen wieder Luft verschafft hat, sitzen wir am Rand der Abtei von Cluny beim Kaffee. Von der Abtei sind nur noch Mauern zu sehen. Die französische Revolution hat hier ganze Arbeit geleistet. Da hat sich die Wut von Jahrhunderten entladen.
Zurück am Bahnhof haben wir auch wieder den Voie Verte erreicht. Dieser Radweg von Cluny bis Chalon s./S. war der erste in Frankreich überhaupt. Er wurde 1997 eröffnet, sicher mit all dem Prunk, den die Franzosen solchen Ereignissen zu Teil werden lassen: Bürgermeister in Schärpen und Blasmusik vom Feinsten. Der Name Voie Verte ist richtungsweisend. Seit damals ist er das Vorbild für zahlreiche Radwege in ganz Frankreich. Sanft rollen wir durch grüne Baumtunnel und entlang saftiger Wiesen. Auf den Stoppelfeldern liegen die Strohrollen, die eifrige Mähdrescher hinterlassen haben.
|
Hinter Taizé, dem kleinen Ort mit großer Anziehungskraft für religiöse junge Menschen, wählen wir uns einen Steinbruch für unser Picknick. Die Natur hat ihn schon lange zurückerobert. Vielleicht wurden hier die Steine für das Schloss Cormatin und die Abtei von Cluny gebrochen. Jetzt bieten große Bäume Schatten in der Mittagshitze. Die Berglandschaft rechts und links des Voie Verte ist bekannt für feinen Ziegenkäse. Eine kleine Rolle steht jetzt vor uns und wird schnell schmaler. Lecker, lecker. Zwei Liter Ziegenmilch, reduziert auf 10 cm Höhe und 5 cm Durchmesser, leben wie Gott in Frankreich.
|
Nach dem Picknick rollen wir weiter. Die alte Bahnstrecke liegt auf halber Höhe des Hangs. Mal steigt die Strecke leicht an, mal fällt sie ab, aber nie mehr als 1,5% Steigung. Auch für Ungeübte ist es eine leichte Strecke. Die Hitze fordert heute meinen Körper viel ab. Immer wieder stoppen wir, um Wasser zu trinken. Am Bahnhof von St. Gengoux-le-National steht noch das große Wasserrohr, mit dem die Wassertanks der Dampflokomotiven früher befüllt wurden. Ich stelle mich drunter und rufe: Wasser marsch! Doch es kommt nichts als heiße Luft. Wäre doch ein guter Vorschlag, hier eine öffentliche Dusche für überhitzte Radfahrer zu installieren.
Wir haben wieder eine Anhöhe erreicht. Ein weites ländliches Panorama öffnet sich vor mir. Hinter uns ziehen sich Weinstöcke in langen Reihen den Berg hinauf. Vor uns reicht ein goldenes Stoppelfeld bis ins Tal, im Hintergrund ein Bergrücken mit grünen Wäldern. Es ist ein Blick, von dem ich mich nur schwer losreißen kann. |
Auf dem Hof eines Bauern stapeln sich Strohballen in rosa Folie. Die Farbe hat einen ernsten Sinn. Ich habe solche Ballen zum ersten Mal an der Weser gesehen. Sie ist seit 2015 Teil einer Kampagne gegen Brustkrebs. Mit dem Aufpreis für die rosa Farbe unterstützt der Landwirt die Krebshilfe. Oft ist eine Krebserkrankung in der eigenen Familie der Anstoß dazu. Sollte dies in diesem Fall auch so sein, so wünsche ich der betroffenen Person gute Genesung und ein sorgen- und schmerzfreies Leben fürderhin. Ernste Gedanken an einem so sonnig schönen Tag.
Immer wieder wird unsere Fahrt abgebremst. Bei Buxy wird der Radweg in einigen Serpentinen zum alten Bahnhof hinauf geführt. Da war wohl früher mal eine Brüc, aber die gibt es nicht mehr. Aber auch die Bürokratie hat ihre Spuren auf dem Voie Verte hinterlassen. Vor uns kreuzt ein Feldweg den Radweg. Vielleicht zwei Mal die Woche kommt da ein Traktor lang gefahren. Er hat Vorfahrt. Ein Drängelgitter, um die Radfahrer zu bremsen, die zahlreicher am Tag des Weges daher kommen, genügt nicht. Zehn Schilder davor und dahinter, weniger geht nicht. Wie wäre es denn, dem Radweg den Vorrang zu geben und dem Traktor zu nehmen? Aber ich glaube, das eher 100 Meter vor dem Radweg noch eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 5 km/h eingeführt und eine Radarsäule aufgestellt wird. Das spült dann Geld in die klammen Kassen der Kommunen.
Ich fahre diese Route hier nun schon zum zweiten Mal. Vorher war ich schon oft mit dem Auto in dieser Region, dem Maconnais. Mich beschleicht immer wieder ein heimatliches Gefühl mit vielen Erinnerungen. Ich bin gerne hier im Maconnais. Es ist eine ländliche Gegend. In den Bergen leben die Ziegenbauern, die den köstlichen Käse herstellen, hier im Tal liegen Felder und Wiesen, weiter östlich zur Saone hin erstrecken sich die Weinfelder. Es wird immer heißer. Die Kühe suchen sich einen Schattenplatz unter den weit ausladenden Bäumen.
Immer wieder wird unsere Fahrt abgebremst. Bei Buxy wird der Radweg in einigen Serpentinen zum alten Bahnhof hinauf geführt. Da war wohl früher mal eine Brüc, aber die gibt es nicht mehr. Aber auch die Bürokratie hat ihre Spuren auf dem Voie Verte hinterlassen. Vor uns kreuzt ein Feldweg den Radweg. Vielleicht zwei Mal die Woche kommt da ein Traktor lang gefahren. Er hat Vorfahrt. Ein Drängelgitter, um die Radfahrer zu bremsen, die zahlreicher am Tag des Weges daher kommen, genügt nicht. Zehn Schilder davor und dahinter, weniger geht nicht. Wie wäre es denn, dem Radweg den Vorrang zu geben und dem Traktor zu nehmen? Aber ich glaube, das eher 100 Meter vor dem Radweg noch eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 5 km/h eingeführt und eine Radarsäule aufgestellt wird. Das spült dann Geld in die klammen Kassen der Kommunen.
Ich fahre diese Route hier nun schon zum zweiten Mal. Vorher war ich schon oft mit dem Auto in dieser Region, dem Maconnais. Mich beschleicht immer wieder ein heimatliches Gefühl mit vielen Erinnerungen. Ich bin gerne hier im Maconnais. Es ist eine ländliche Gegend. In den Bergen leben die Ziegenbauern, die den köstlichen Käse herstellen, hier im Tal liegen Felder und Wiesen, weiter östlich zur Saone hin erstrecken sich die Weinfelder. Es wird immer heißer. Die Kühe suchen sich einen Schattenplatz unter den weit ausladenden Bäumen.
Es war nur ein kleines, aber ungewöhnliches Geräusch, hell klingend, als würden zwei Drähte aneinander schlagen. Danach wieder das normale Fahrtgeräusch. Beim nächsten Halt zeigt mir der Bordcomputer eine Fehlermeldung. Diese Meldung kenne ich von einem Speichenbruch vor zwei Wochen. Ich schaue mir das Hinterrad an und tatsächlich: wieder ein Speichenbruch. Meine anschließende Wortwahl ist nicht veröffentlichungsreif. Ein Anruf beim Notruf vom ADFC hilft mir weiter. Ich kann im 7 Kilometer entfernten Chalon s./Saone einen Fahrradshop anrufen. Sie schließen in zwei Stunden und unser Hotel ist gleich dort in der Nähe. Also fixiere ich die gebrochene Speiche und radele los.
Jetzt sitze ich im Bistro und warte, ob der Mechaniker es tatsächlich bis 19:00 Uhr schafft, die Speiche zu ersetzen. Das junge Pärchen am Nebentisch sieht, wie ich hungrig die Tapas verschlinge, die der Kellner zu jedem Getränk reicht. Sie bieten mir die ihrigen an. Wie nett. Doch ich lehne dankend ab, denn ich will nachher mit Cafer auf dem schönen Platz in der Altstadt zu Abend essen. Um halb acht kann ich mein Rad tatsächlich wieder in Empfang nehmen. |
Abendessen am Place Saint-Vincent. Es gibt zahlreiche Restaurants. Die Fachwerkfassaden um uns herum sind so unterschiedlich wie die Jahrhunderte, aus denen sie stammen. Und doch harmonisieren sie miteinander. Die altehrwürdigen Fachwerkfassaden stehen im angenehmen Kontrast zu der hellen Fassade der Kathedrale. Die Kirchturmuhr schlägt 22 Uhr. In der Dunkelheit ist die gelbe Fassade weiß angestrahlt. Langsam leert sich der Platz. Tisch für Tisch wird weg geräumt. Ein 2CV kurvt immer noch durch die Altstadt auf der Suche nach Interessenten für eine Stadtrundfahrt. Heute falle ich müde ins Bett.
Neuer Tag, neues Glück. Mit dem klammen Gefühl, ob die neue Speiche wohl hält – immerhin war es der zweite Speichenbruch innerhalb von zwei Wochen – starten wir in den neuen Tag. 80 Kilometer liegen wieder vor uns. Auf dem Rathausplatz von Chalon ist Wochenmarkt. Reife Melonen aus Cavaillon stürmen sich zu Bergen. Es duftet nach Aprikosen, Pfirsichen und frischem Brot. Der bärtige Biobäcker steht neben seinem mobilen Backofen. Der Schweiß rinnt. Er hält wohl gerne ein ausführliches Schwätzchen mit den Kunden. Einige der Backwaren sind arg dunkel geworden. Die Sonne steigt langsam hoch und verspricht einen schönen warmen Juli-Tag.
|
Wie schon so oft ist der Radweg aus der Stadt heraus nicht zu eindeutig beschildert. An einem großen Kreisverkehr gibt es zwei Radwege, die in verschiedene Richtungen weiter führen. Ich entscheide mich für den Weg, der Richtung Saone führt. Ach wie liebe ich diese maroden Gewerbegebiete am Rande der Stadt. Wie sonst würde ich erfahren, wo ich Sondermüll und Wertstoffe entsorgen kann, wenn ich dann mal in Chalon s./S. wohne. Der Mitarbeiter der Stadtverwaltung hat sicher ein großes Lob für die Einsparung von einigen Euro bei der Ausschilderung der Radwege bekommen. Muss ja nicht überall ein Schild stehen, wie man aus der Stadt heraus kommt. Es gibt ja genügend gute Beschilderung in den kleinen Ortschaften. Die Radtouristen sollen doch einfach mitdenken.
Das erste Teilstück geht über Landstraße. Dann kommt der ausgeschilderte Radweg. Nannte sich die gesamte Route in Lothringen noch „Charles le Téméraire“, so heißt die Strecke hier „Voie Bleue“. Die Geschichte des letzten Königs von Burgund, genannt „Charles de Téméraire“, ist den Burgundern für diesen Radweg keine Ehrung mit Namensnennung wert. Kann ich gut verstehen. Schon im zarten Alter von 6 Jahren wurde er mit einer Zwölfjährigen verheiratet. Als er später König des selbständigen Königreichs Burgund wurde, zeigte er seine Stärke lieber in der Kriegsführung, als in der Diplomatie. Und er liebte das prunkvolle Leben. Sein Leben endete unrühmlich auf dem Schlachtfeld vor Nancy. In der Nachfolge verlor Burgund seine Selbständigkeit. Das können ihm die Burgunder nie verzeihen.
Das erste Teilstück geht über Landstraße. Dann kommt der ausgeschilderte Radweg. Nannte sich die gesamte Route in Lothringen noch „Charles le Téméraire“, so heißt die Strecke hier „Voie Bleue“. Die Geschichte des letzten Königs von Burgund, genannt „Charles de Téméraire“, ist den Burgundern für diesen Radweg keine Ehrung mit Namensnennung wert. Kann ich gut verstehen. Schon im zarten Alter von 6 Jahren wurde er mit einer Zwölfjährigen verheiratet. Als er später König des selbständigen Königreichs Burgund wurde, zeigte er seine Stärke lieber in der Kriegsführung, als in der Diplomatie. Und er liebte das prunkvolle Leben. Sein Leben endete unrühmlich auf dem Schlachtfeld vor Nancy. In der Nachfolge verlor Burgund seine Selbständigkeit. Das können ihm die Burgunder nie verzeihen.
Jetzt radeln wir schon einige Kilometer entlang ausgedehnter Maisfelder. Und dann dieses Geräusch: Ploing. Mist! Speichenbruch Nr. 3. Acht Kilometer sind es bis Gergy, dem nächsten Ort. Ich fahre vorsichtig weiter. In Gergy am Campingplatz bricht die zweite Speiche. Jetzt ist guter Rat gefragt. Meine ADFC-Mitgliedschaft, so erfahre ich im Telefonat, umfasst keine Auslandspannenhilfe, sondern nur telefonische Beratung. Doch wozu gibt es Freunde. Ein Taxi, das aus Chalon kommt, bringt mich mit dem defekten Rad ins 60 km entfernte Saint Jean de Losne. Dort haben wir die nächste Unterkunft gebucht und dort erwartet mich heute Abend mein Ersatzfahrrad. Cafer fährt mit dem Fahrrad dorthin. Mein untreues Rad darf dann zurück nach Deutschland.
Die Wartezeit verbringe ich mit großer Wäsche. Im Hotel gibt es keine Waschmaschine, aber beim Supermarkt ein paar Meter weiter soll eine Automatenwäscherei sein. In der Tat stehen neben dem Supermarkt drei Geräte im Freien. Für vier Euro erhalte ich binnen 45 Minuten wieder wohlriechende Wäsche. Den Rest erledigt die warme Luft des Nachmittags. Frankreich wird in der Fläche zum Automatenland mit Kreditkartenzahlung für Minibeträge. Ich bin mal wieder um eine Erfahrung reicher. Am Ufer der Saone reihen sich die Bars. An einem steht ein altes Hochrad. Es scheint fahrtüchtig zu sein. Von der Farbe her passt es zu meinem defekten Rad. Ob ich wohl einfach wechseln sollte? Wäre ja mal schick, Hochrad zu fahren. Ich wäre die Attraktion, wo auch immer ich hin komme. Leider gibt es keinen Platz für die Satteltaschen. Schade, muss ich doch auf Mustafa warten, der schon auf dem Weg hierher ist. |
Am Morgen verabschieden wir uns von Mustafa, dem treuen Helfer. Still ruht der Fluss. Die Fassaden der Häuser spiegeln sich im Wasser. Fischer treiben in ihren Booten und warten auf den großen Fisch. Jetzt, gegen 8 Uhr, ruht noch der Verkehr über die große Brücke, zum anderen Ufer. Gestern Nachmittag war es gefährlich, dort die Straße zu überqueren. Heute Morgen könnte man auf der Brücke tanzen. Nur ein paar Pendler kommen vorbei, halten kurz beim Bäcker hinter Kirche für ein Croissant oder ein Baguette. Hier, an der mit bunten Fahnen geschmückten Brücke, die sich über die breite Saone spannt, habe ich schon einige Male gestanden. Mir ist besonders das für das Burgund typisch bunte Dach der fünfhundert Jahre alten Kirche Saint Jean Baptiste jenseits der geschichtsträchtigen Brücke in Erinnerung geblieben.
Wir schreiben das Jahr 1162. Weltliche und geistliche Würdenträger stehen feierlich geschmückt beiderseits der Brücke. Da nähert sich ein Reiter im schnellen Galopp, reitet auf die Brücke und übergibt dem dort an einem langen aber leeren Tisch stehenden Ritter eine Dokumententrolle. Dieser liest sie und zieht sich zurück. Aufgeregtheit nun beiderseits der Brücke, dann ziehen die Delegationen mit großem Tross ab. Eigentlich wollten sich der deutsche Kaiser Barbarossa und der französische König Ludwig der VII an dem geschmückten Tisch auf der Mitte der Brücke treffen, um die sogenannte Papstfrage zu lösen. Die Mehrheit der europäischen Herrscher stand hinter dem gewählten Papst Augustus III. Doch in Rom war, unterstützt von Kaiser Barbarossa, Viktor IV zum Gegenpapst ausgerufen worden. Papst Augustus III verweigerte allerdings kurzfristig seine Teilnahme und so mussten nun alle unverrichteter Dinge abziehen. Zurück blieb die Brücke als Ort mit verpatzter Symbolik.
Schon zu Römerzeiten war der Ort als Flussübergang und strategisch wichtige Straßenkreuzung bekannt. Im Mittelalter hatte er eine große Bedeutung für den Salztransport. Kriegerische Auseinandersetzungen um den Brückenkopf gab es in all den zweitausend Jahren immer wieder. Zuletzt sprengten im Zweiten Weltkrieg deutsche Truppen auf ihrem Rückzug die alte Brücke. Heute steht an ihrer Stelle eine neue. Doch trotz seiner strategischen Bedeutung ist St. Jean de Losne nie richtig groß geworden. Mit diesen Gedanken verlasse ich St. Jean de Losne.
Von rechts mündet ein Kanal in die Saone. Wir folgen dem Kanal. Das Radeln entlang des ruhigen Kanals hat heute Morgen wieder etwas Meditatives. Die Gedanken können ruhen. Leider ruhen sie zu lange. Nach ein paar Kilometern stellen wir fest, dass wir auf dem Weg nach Dole sind. Der Kanal, dem wir folgen, führt zum Rhein. Da wollen wir nicht hin. Kein Grund zur Klage, einfach umdrehen. Es ist schön hier und bald haben wir auch unseren Abzweig nach Norden wieder erreicht. Eine kleine Landstraße nimmt uns auf.
Ich muss mich erst wieder an das neue alte Rad gewöhnen. Das andere war komfortabler, mit etwas stärkerem Motor. Aber dieses hier hat mich im letzten Jahr auf der großen Tour vom Burgund entlang der Loire bis an den Atlantik begleitet. Es ist heute nur ein Stück Umgewöhnung für mich. Immer mehr Radtouristen kommen uns entgegen, während die Zahl der französischen Rennsportler auf ihrer morgendlichen Trainingsstrecke abnimmt. Wir grüßen mit einem herzlichen „Bonjour“. Vor uns taucht die Festungsmauer von Auxonne auf. Arbeiter sind dabei, Schäden an dem gewaltigen Mauerwerk zu reparieren. In der Altstadt genehmigen wir uns einen Kaffee. |
Das kleine Städtchen Lamarche ist das nächste Ziel, wieder über die Landstraße. Davon wird es heute noch mehr geben. Rechts und links liegen die Strohballen in der Sonne. Ein emsiger Mähdrescher zieht seine Bahn über das Feld. Die frischen Stoppel schimmern golden. Weizen und Mais beherrschen das Land. Die Felder sind ausgedehnt. Es gibt wenig Verkehr auf der Landstraße. Ab und zu kommen wir auch an die Saone. Ab und zu wartet ein Angler auf den großen Fang. Ganze Batterien von Angeln legen sie aus. Die Saone beginnt hier zu mäandern, die Landschaft ist flach, lädt ihn geradezu dazu ein. In weit ausschweifenden Schleifen kommt sie uns übermütig entgegen. Vor einhundert Jahren und mehr, als die Frachtschifffahrt noch große Bedeutung hatte, verlangsamten diese Schleifen den Flussverkehr. Vor uns taucht ein Abzweig zu einem Kanal auf. Es sind kurze Kanalabschnitte, die für die Schiffer eine Abkürzung herstellten.
Wir kommen durch einige kleine Dörfer. An den Häusern sind die Fensterläden geschlossen, manchmal hängen sie auch schief. Diese Dörfer wirken entvölkert und sind es auch. Selbst der Bäcker kommt nicht mehr mit dem Verkaufswagen. Dafür steht ein Brotautomat am Straßenrand. Mit dem können die alten Menschen, die hier leben, aber kein Schwätzchen halten. Die Einsamkeit nimmt zu. Am Wegesrand belauern sich zwei Kater, Die Rückenhaare sind hochgestellt. Sie werfen mir nur einen kurzen Blick zu, gleich geht der Kampf los. Wieder liegt vor mir die Abzweigung zu einem Kanal. Aus der Schleuse kommt ein Freizeitboot. Papa hat der Tochter das Ruder überlassen. Sie ist alt genug für den Führerschein, da kann sie wohl auch ein Boot steuern. Stolz winkt sie zu uns rüber. Hinter der Schleuse mündet ein zweiter Kanal ein. Es ist der Burgund-Champagne-Kanal. Er verbindet die Saone mit der Meuse, die ab der belgischen Grenze sich dann Maas nennen darf. Der Radtourist vor uns biegt auf diese Strecke ab. Auf seiner Route kommt er nicht nur nach Belgien sondern auch entlang weiterer Kanäle nach Paris. Immer, wenn wir einem Radfahrer, Spaziergänger oder Freizeitboot begegnen, fliegt ein freundliches „Bonjour“ hin und her. Warum kann das Leben im Alltag nicht so entspannt sein wie hier am Kanal und auf dem Radweg? |
Apropos Paris. Ein Schilderbaum an der Einfahrt eines einsamen Gehöftes zeigt Entfernungen zu verschiedenen Städten an: Paris 355 km, und zu den Kühen 0 km. Kühe sind hier wichtiger als das ferne Paris.
Wir haben langsam Hunger. Ein Picknickplatz, so wie wir schon viele unterwegs gesehen haben, wird doch bald kommen. Vor uns taucht der Kirchturm von Tamay auf. Da wird man uns sicher schon erwarten. Mit einem Bistro wären wir auch zufrieden. Doch vergebens. Das Chateau mit dem bemerkenswerten Garten - Juli und August geöffnet – hat sein Tor verrammelt. Das Restaurant an der Kirche steht zum Verkauf und der Rest von Tamay passt sich der Gegend an: tote Hose. Bleibt uns nur ein Steinblock am kleinen Parkplatz neben dem Friedhof, um dort unsere Schätze für ein frugales Mahl auszubreiten: Ziegenkäse, Apfel und Brot. |
Ganz so tot kann das Städtchen nicht sein. Ein Wegweiser fällt mir besonders auf, und das nicht zum ersten Mal. Es zeigt den Weg zum Defibrillator. Der nächste Arzt ist weit weg, da hilft es, wenn im Notfall eine gute Erste-Hilfe-Ausrüstung zur Hand steht.
Wieder mäandert die Saone ausgiebig. Eine Infotafel heißt uns auch auf Deutsch willkommen:
„Blau, wie das Wasser, allgegenwärtig durch die zahlreichen Wasserläufe, Quellen, Seen, die Saone und den Kanal.
Grün, wie die weiträumigen Flächen, die zu Ausflügen einladen, sei es zu Fuss, auf dem Pferd oder mit dem Fahrrad.
Grau und Beige wie die Farbtöne der Steine, Zeugen der reichen geschichtlichen Vergangenheit.
Und einem lebendigen bunten Klecks, herbeigezaubert durch die Festlichkeiten in jeder Jahreszeit!
Da hatte jemand vom Tourismusbüro endlich mal die Idee,einen sachkundigen Übersetzer für diese prosaischen Zeilen zu beauftragen.
„Blau, wie das Wasser, allgegenwärtig durch die zahlreichen Wasserläufe, Quellen, Seen, die Saone und den Kanal.
Grün, wie die weiträumigen Flächen, die zu Ausflügen einladen, sei es zu Fuss, auf dem Pferd oder mit dem Fahrrad.
Grau und Beige wie die Farbtöne der Steine, Zeugen der reichen geschichtlichen Vergangenheit.
Und einem lebendigen bunten Klecks, herbeigezaubert durch die Festlichkeiten in jeder Jahreszeit!
Da hatte jemand vom Tourismusbüro endlich mal die Idee,einen sachkundigen Übersetzer für diese prosaischen Zeilen zu beauftragen.
Eine lange Brücke führt uns schließlich auf die andere Flussseite. Ein hoher Zaun trennt ums von dem angrenzenden Waldstück. Eine Zeit lang folgen wir dem Zaun. Ganz am Ende steht eine ältere Französin mit zwei Enkeltöchtern. Ein Wildschwein liegt faul auf der anderen Seite des Zauns. Es ist wohl Menschen gewöhnt, denn neben ihm liegen Gemüseabfälle und Schalen. Ich frage, warum das Gelände eingezäunt ist. „Ein privates Jagdrevier“ antwortet die Französin. Und die ältere der beiden Mädchen fragt mich sofort, warum ich mit Akzent spreche. Ich lache und erkläre ihr, dass ich aus Deutschland komme.
|
Es knistert unter den Reifen. Nein, kein erneuter Speichenbruch. Der Radweg ist mit Split belegt. Kein guter Belag, denn er kostet Kraft. Vor uns liegt Gray, unser Tagesziel, 3550 Einwohner, verschwistert mit Müllheim in Baden-Württemberg, wie ich gleich am Ortseingang erfahre. Eine dunkle Gewitterwolke zieht im Westen hoch. Gray ist eines der vielen kleinen Städtchen, die an einem Flussübergang liegen. Ein Ort mit 3550 Einwohner wäre in Deutschland bedeutungslos. Hier im weiten Land ist er jedoch das Zentrum einer ganzen Region. Über die Saone führt eine blumengeschmückte Brücke. Den Tag lassen wir in einer kleinen Bar am Ufer der Saone ausklingen. Das Gewitter hat uns verschont.
Die ersten LKWs brummen schon über die Brücke, als wir aufbrechen. Es sind mal wieder keine Radwegweiser zu finden. Nachdem wir uns fünf Kilometer warm gefahren haben, stellen wir fest, dass wir vom Fluss weg fahren. Das geht natürlich so nicht. Mit dem Rat eines Ortskundigen finden wir dann doch die Einfahrt zu der kleinen Straße am Fluss. Ein weites Getreidefeld erstreckt sich neben uns. Ganz in der Ferne erhebt sich der Kirchturm von Gray am Horizont. Der Radweg ist gut ausgebaut und fast neu. Wir fliegen in der Kühle des Morgens regelrecht dahin.
Nach zwei Stunden biegt wieder ein Kanal von der Saone ab. Direkt hinter der Schleuse ein Tunneleingang – für die Schiffe. Es ist die Schleuse von Savoyeux. Gut 500 Meter mag er lang sein. Ich kann hinein blicken und hinten wieder raus. Unser Weg führt über den Hügel. Das Schild mit der Routenbezeichnung „Charles le Téméraire“ ist verblasst. Hier heißt die Route „Èchapée bleue“, das kann man wohlwollend mit „Blaue Flucht“ übersetzen. Nun geht es wieder am Flussufer entlang. Über weite Strecke säumen Teichmummeln das Ufer.
|
Ein kleiner grauer Kater streicht um meine Beine. Cafer beugt sich gleich runter und krault ihn. Das gefällt dem kleinen Grauen. Mich hat die rostige Winde an der stillgelegten Schleuse angezogen. Die Schleuse ist bewohnt. „Wollt ihr einen Kräutersaft?“ fragt uns der Besitzer, der gerade aus der Tür tritt. „Da ist Rosmarin, Minze, Thymian und was sonst noch rund ums Haus wächst, drin.“ Da sage ich nicht nein und auch Cafer nickt zustimmend. Die Sonne steht genau auf 12. Da schmeckt der Saft besonders lecker. Ein Freund von ihm kommt gerade mit dem Fahrrad an. Er bekommt auch ein Glas voll mit frischem Saft. Wir erfahren bei der Gelegenheit, dass wir auch in seinem Wohnwagen neben dem Haus schlafen könnten. Es sei kostenlos. Hier kämen viele Radtouristen vorbei. Wir bedanken uns, zum Übernachten ist es noch zu früh. Die kleine Graue lässt sich noch einmal kraulen, dann geht es weiter. Mit fällt auf, wie wenig Katzen wir bisher auf unserer Reise gesehen haben.
Der Fluss macht einen weiten Bogen. Rechts und links liegen Felder, dahinter erheben sich kleine Berge. Vor uns taucht das Schloss von Ray sur Saone auf. Dahinter der spitze Kirchturm. Wir biegen vom Fluss ab, um eine Mittagspause zu machen. Bei Yvette kehren wir ein. Die Köchin bedauert, dass sie uns noch nichts Warmes zu Essen geben kann. Sie bereitet gerade den Mittagstisch vor, Fleisch und Gemüse. Aber die Töpfe sind noch nicht lange genug auf der Flamme. Es dauert noch eine halbe Stunde. Aber einen Apfelkuchen, ja, den können wir haben.
Das Schloss liegt genau über uns. Der Unterhalt der gewaltigen Anlage, die im Gemeindebesitz ist, überfordert den kommunalen Haushalt. Da kam man vor Jahren auf die Idee, Anteile am Schloss öffentlich anzubieten. Selbst ich könnte so Teilzeitschlossbesitzer werden. Besser so, als das ganze Schloss zu verkaufen, denke ich mir. Gerade als wir aufbrechen wollen,, entdecke ich auf der gegenüberliegenden Hausecke eine Rarität. Es ist ein Straßenschild aus der Anfangszeit der Automobile. Rostig aber trotzig harrt es an seinem Platz über den neuen Schildern aus.
Das Schloss liegt genau über uns. Der Unterhalt der gewaltigen Anlage, die im Gemeindebesitz ist, überfordert den kommunalen Haushalt. Da kam man vor Jahren auf die Idee, Anteile am Schloss öffentlich anzubieten. Selbst ich könnte so Teilzeitschlossbesitzer werden. Besser so, als das ganze Schloss zu verkaufen, denke ich mir. Gerade als wir aufbrechen wollen,, entdecke ich auf der gegenüberliegenden Hausecke eine Rarität. Es ist ein Straßenschild aus der Anfangszeit der Automobile. Rostig aber trotzig harrt es an seinem Platz über den neuen Schildern aus.
Wir verlassen Ray s./S. Was nun folgt ist eine lange Durststrecke, schön, aber einsam. Es ist heiß, die Sonne hat den Zenit überschritten. Da kann ich richtig viel Wasser saufen. Immer wieder stehen am Wegesrand Schilder mit der Aufschrift „Sauf Service“. Wir nehmen es wörtlich und Cafer stellt sich mit der Wasserflasche neben das Schild, so wie man es bei der Tour der France oft sieht. Das ist mein persönliche Sauf-Service!
Bis Rupt s./S. Sind unsere Wasservorräte erschöpft. Über dem Ort thront wieder ein obligatorisches Schloss. Es ist nicht ganz so imposant wie in Ray s.S., aber immerhin. Wer hat, der hat. Es ist ein pittoresker Ort, leider ohne Bar, Brasserie, Restaurant, Café oder Bistro. Auf dem kleinen Dorfplatz ergießen sich zwei Wassersträhle in den Brunnen. Bienen und Wespen sitzen auf dem Rand und laben sich an dem Wasser. Bei dieser Hitze sind sie ganz verrückt danach, wir auch. Aber trinken sollen wir nicht „Eau non potable“, Wasser nicht trinkbar. Dafür lassen wir es über unseren Kopf fließen. Zum Schluss ziehe ich mir noch das tropfnasse Kopftuch über. In diesem Moment biegt ein Verkaufswagen um die Ecke und verschwindet in einer Seitengasse. Ich glaube, dass ich noch nie so schnell auf dem Fahrrad war, wie in diesem Moment. Das ist in dieser Region wie ein Sechser im Lotto. Eine alte Dame und ein Nachbar haben ihn schon erwartet und stehen an der Verkaufstheke. Als sie uns sehen, bitten sie uns, unseren Einkauf zu machen. Der ihrige dauert länger, da mit dem Austausch von Neuigkeiten verbunden. Wir bedanken uns höflich, kaufen frische Wasservorräte und wünschen einen schönen Tag. Der Verkaufswagen hat auch einen netten Namen: „Ma roulette gourmande“.
Wieder verschwindet der Kanal in einem Tunnel. Wieder führt der Radweg über den Hügel. Am hinteren Ausgang ist ein schöner Picknickplatz. Von hier oben ist allerlei zu beobachten. Ein Freizeitkapitän hat die Erlaubnis zur Einfahrt in den Tunnel bekommen. Der Kanal ist ausgesprochen schmal an dieser Stelle. Dennoch gelingt es ihm, mit dem Boot immer wieder von der rechten zur linken Kanalwand zu kreuzen und zurück. Ich höre das Kratzen der Fender bis hier oben hin. Hoffentlich gerät er nicht in Panik und versucht zu drehen.
Wo sind die „Gelbwesten“ geblieben? Ich frage mich schon seit Beginn der Tour, ob wir mal auf eine Aktion der „Gelbwesten“ stoßen. Doch sie scheinen ziemlich verstummt. In Scey-sur-Saône-et-Saint-Albin (wie kann man einem Ort nur so einen umständlichen Namen geben?) werde ich endlich fündig. Einer der Ihren hat seine gelbe Weste trotzig an sein Balkongeländer gehängt. Jetzt kann es jeder an der Straßenkreuzung sehen.
Immer wieder öffnet sich der Blick am Wasser auf kleine Idyllen und schöne Ausblicke, sei es das Boot, das an einem Feld mit Teichmummeln vorbei zieht, sei es die kleine Kirche jenseits des Flusses, sei es die lange Reihe von Pappeln am Kanal, oder der Blick auf Fluss und Kanal. Das macht die Tour so abwechslungsreich und immer wieder überraschend.
Wir müssen wieder eine lange Schleife fahren, um nach Port ./s. zu kommen. Eine alte Bahnstrecke führt schon seit langem neben dem Fluss. Sie ist stillgelegt. Schade, dass sie noch nicht zu einem Radweg ausgebaut ist. Der Weg wäre um einiges komfortabler, als die zum Teil ausgewaschenen Strecken auf dem Treidelpfad. Wenigstens ist dort, wo noch die alten Pflastersteine des Treidelpfades liegen, ein Streifen geteert.
Wo sind die „Gelbwesten“ geblieben? Ich frage mich schon seit Beginn der Tour, ob wir mal auf eine Aktion der „Gelbwesten“ stoßen. Doch sie scheinen ziemlich verstummt. In Scey-sur-Saône-et-Saint-Albin (wie kann man einem Ort nur so einen umständlichen Namen geben?) werde ich endlich fündig. Einer der Ihren hat seine gelbe Weste trotzig an sein Balkongeländer gehängt. Jetzt kann es jeder an der Straßenkreuzung sehen.
Immer wieder öffnet sich der Blick am Wasser auf kleine Idyllen und schöne Ausblicke, sei es das Boot, das an einem Feld mit Teichmummeln vorbei zieht, sei es die kleine Kirche jenseits des Flusses, sei es die lange Reihe von Pappeln am Kanal, oder der Blick auf Fluss und Kanal. Das macht die Tour so abwechslungsreich und immer wieder überraschend.
Wir müssen wieder eine lange Schleife fahren, um nach Port ./s. zu kommen. Eine alte Bahnstrecke führt schon seit langem neben dem Fluss. Sie ist stillgelegt. Schade, dass sie noch nicht zu einem Radweg ausgebaut ist. Der Weg wäre um einiges komfortabler, als die zum Teil ausgewaschenen Strecken auf dem Treidelpfad. Wenigstens ist dort, wo noch die alten Pflastersteine des Treidelpfades liegen, ein Streifen geteert.
Auf der langen Brücke von Port s./S. staut sich der Verkehr. Eine stark frequentierte Durchgangsstraße, eine Route Nationale, belastet den Ort. Die Ampel für uns Rechtsabbieger springt auf Grün. Während ich über die Brücke radele, bedauere ich insgeheim die Autofahrer, die hinter mir her schleichen müssen. Doch die Ortsumgehung ist im Bau. Bis dahin müssen die Gäste des Bistros an der Kirche ihr Bier noch im Abgasnebel trinken. Ich glaube, dass in einer ähnlichen Situation in Franken das Rauchbier entstanden ist.
Diese kleinen Orte in der französischen Provinz halten immer wieder Überraschungen für uns bereit. Die alte Bausubstanz bleibt erhalten da niemand Geld für einen Neubau in der Altstadt hat. Und so stehe ich wieder vor einer alten Tür mit einem Türrahmen aus der Renaissance. |
Nach unserem Diabolo Menthe nehmen wir die ruhige Alternativroute über die Dörfer. Es geht bergauf, bergab. Die Mähdrescher arbeiten fleissig. Der Blick zum Himmel zeigt, dass es vielleicht regnen könnte, vielleicht. Wir sind im Vogesenvorland angekommen. Eigentlich hatte ich den jungen Mann auf der Parkbank im Ort nach dem besten Weg gefragt, am liebsten unten am Fluss. Doch er hatte nur Augen für seine Angebetete, und das schon seit langem, Tag für Tag.
Endlich sind es nur noch wenige Kilometer bis zu unserem Tagesziel in Jussey. Doch die haben es in sich. Zwei lange Rampen sind zu erklimmen. Warum gibt es jetzt keinen Sauf-Service? Die Kühe hinter dem Stacheldraht schauen uns merkwürdig an. Vielleicht denken sie sich, warum es solche Verrückten gibt, die nach 100 Kilometern Tagesleistung nochmals die Bergwertung machen wollen. Dann rollen wir endlich in Jussey ein. Kein Willkommenstransparent für uns, keine klatschenden Zuschauer am Straßenrand. Dafür eine kühle Dusche in unserem Appartement gleich im Zentrum und nochmals die Wäsche der letzten drei Tage in die Waschmaschine geworfen. Auf der Terrasse spielen kleine Katzen Fangen und schenken mir ein paar Katzenflöhe. 24500 Schritte hat Cafer's Schrittzähler heute gesammelt.
Heute habe ich lange geschlafen. Die Wäsche ist schön trocken und wir genehmigen uns ein französisches Frühstück in der Bar. Die Croissants dazu gibt es beim Bäcker. Der Wirt zeigt uns den Weg.
Die Strecke beginnt schön flach bis zum nächsten Ort. Der Kirchturm mit der für diese Region typischen bunten Spitze leuchtet in der Morgensonne. Ich bewundere ihn von unten. Dann biegt die Straße ab und prüft unsere Kondition. Steil geht es an der Kirche vorbei bergauf. Schließlich kann ich mir den Kirchturm nochmals von oben ansehen. Weit geht der Blick ins hügelige Land, so hügelig wie unsere nun folgende Berg- und Talfahrt. Da habe ich mir schon das Geld für die nächste Fahrt auf der Berg- und Talbahn der Kirmes gespart. In Ormay ist dann eine Wasserpause an der Kanalbrücke angesagt. An der steinernen Waschstelle am Fluss kniet schon lange keine Wäscherin mehr. Es gibt auch einen schönen Treidelpfad. Doch der besteht nur aus zwei ausgetretenen Rinnen. Ein Pfad halt, nichts für Tourenräder.
Hinter dem nächsten Hügel liegt Corre, eine kleine Stadt am Zusammenfluss von Saone und Coney. In einer langen Schussfahrt über die Landstraße erreichen wir die Talsohle und damit das Zentrum von Corre. In der Apotheke besorge ich mir eine Lippensalbe. Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen habe ich wieder einen Sonnenbrand auf der Unterlippe. Ja, so etwas gibt es wirklich.
In Corre verabschieden wir uns von der Saone. Sie biegt nach Norden ab und verschwindet in den westlichen Vorbergen der Vogesen. Ich bin ihr auch nicht böse, dass sie uns verlässt, denn die Coney begleitet nun der Vogesenkanal mit einem wunderschönen Radweg. Alte Fabriken liegen entlang des Kanals. Manche, wie ein Sägewerk, sind noch in Betrieb, aber nur manche. Die Blütezeit der Manufakturen und Industrien in dieser Region liegt weit in der Vergangenheit. Der Baumbestand entlang des Treidelpfades bietet uns Schatten. Nach einer knappen Stunde erreichen wir Selles. Eine Drehbrücke führt über den Kanal, ganz wie in Holland. Die Schranken, die dem Autoverkehr bei offener Brücke Einhalt gebieten, muten für den kleinen Ort ziemlich überdimensioniert an. Apropos Holland: Wir treffen immer wieder junge holländische Familien, mit und ohne Kleinkinder, die hier entlang dieser Route Urlaub machen, und einige auch ohne Fahrrad. |
In engen und weiten Schleifen zieht sich der Kanal in die Vogesen hinein, immer eng am Flusslauf der Coney. Es ist eine waldreiche Gegend. Aus den Abhängen, die anfangs das Flussbett begleiten werden unmerklich Hügel, aus denen im weiteren Verlauf kleine Berge wachsen. Wir sind auf diesem Radweg abseits der großen Rennstrecken. Nichtsdestotrotz ist die Strecke sehr schön. Ich denke mir, dass die Gestalter des Radweges mehr Zuspruch verdient haben.
|
In einem der wenigen kleinen Städtchen, die direkt im Tal liegen, hoffen wir auf eine Bar, wo es auch etwas zu essen gibt. Liebevoll hängen Tafeln mit philosophischen Sprüchen am Brückengeländer zwischen bunten Geranien und Petunien. „Il pleur dans ma coeur, comme il pleut sur la ville“ - „Es weint in meinem Herzen, so wie es in der Stadt regnet.“ - ein Spruch von Paul Verlaine, den ich schon als Schüler im Französischunterricht kennen gelernt habe. Er hat mich damals sehr bewegt. Die Zitate sind in verschiedenen Sprachen. Fontenoy le Chateau, wie dieser Ort heißt, ist pittoresk. Das Kopfsteinpflaster schüttelt mich durch und die Bar hat nur Getränke. Ein Stickereimuseum am kleinen Platz zeigt mir, dass dieser Ort eine reiche Vergangenheit hat. Doch der Reichtum ist dahin, viele Häuser sind am zerfallen, zu verkaufen. Ganze 550 Einwohner zählt der Ort noch. Die letzte Stickerei schloss 1976. Ein Wandgemälde über 3 Etagen ziert eine große Giebelwand und lüftet das Geheimnis der philosophischen Zitate. Fontenoy le Chateau ist der Geburtsort von Julie-Victoire Daubié. Sie ist die erste Frau, die in Frankreich das Abitur machte. Damals war der Ort noch reich. Neben Stickereiwaren gab es auch Nagel- und Drahtfabriken, Spiegelmanufakturen und Schnapsbrennereien. Die Fuhrleute brachten die Produkte bis nach Antwerpen. Eine wohlhabende Familie konnte es sich leisten, ihre Kinder nach Lyon zur Schule zu schicken. Heute ehrt der Ort seine berühmte Tochter mit diesen Tafeln. Der kleine Freizeithafen zieht eine gewisse Zahl von Touristen an, doch der große Zustrom ist noch ausgeblieben, wie mir scheint.
Wir steigen auf die Räder und rollen weiter. Kurz vor Voge-les-Bains lädt uns dann eine einsam gelegene Auberge am Kanal zu einem barmherzigen Gemüsesüppchen ein, ein Volltreffer. Der Akku darf sich auch über eine Auffrischung freuen. Es ist in Frankreich allerorts eine Selbstverständlichkeit, dass ich meinen Fahrrad-Akku in jeder Bar, Restaurant und Hotel aufladen kann. Zum Nachtisch steht jetzt eine Panna Cotta mit frischen Blaubeeren vor mir, frisch aus den Vogesen. Mehr muss ich nicht sagen.
Gut gestärkt setzen wir unsere Fahrt durch. Noch liegen dreißig Kilometer vor uns. Nicht nur, dass die Berge höher werden, auch die Schleusen kommen immer schneller hintereinander. Der Fluss Coney ist jetzt nur noch ein Rinnsal. Er hat seine ganze Kraft an den Kanal abgegeben. Wo genau, konnte ich nicht sehen, aber irgendwo gab es hier eine römisch Brücke über den Fluss. Als die Goten im 4. Jahrhundert die Römer zurück nach Italien schickten, zerstörten letztere die Brücke in der Hoffnung, dass es die Goten aufhalten würde. Mitnichten, wie ich aus dem Geschichtsunterricht weiß. Eine Sage aus alten Zeiten erzählt, dass man immer wieder versuchte, eine neue Brücke über den Fluss zu schlagen. Doch im Wald lebten Feen, die sich von den Menschen und ihrem Lärm gestört fühlten. Und so fanden die Bauarbeiten jeden Morgen all das, was sie am Vortag aufgebaut hatten, wieder zerstört vor. Seit damals gibt es an dieser Stelle keine Brücke mehr. Den Bau einer großen Schmiede konnten die Feen aber nicht verhindern. Das war wohl eine Nummer zu groß für die kleinen zarten Wesen. Die Schmiede aus dem 18. Jahrhundert, die vor mir liegt, ist marode. Der Eisenhammer steht schon lange still. Irgendwann im letzten Jahrhundert wurden dann in den großen Hallen Pampers produziert, hoffentlich nicht aus Eisen. Jetzt bevölkern kleine Dienstleistungsfirmen das Gelände.
Die Einsamkeit der Region hat einen Spitzenkoch nicht daran gehindert, ein Restaurant in Girancourt zu eröffnen. Dem wahren Gourmet ist kein Weg zu weit, und so kommen sie aus ganz Frankreich zu ihm. Drei Sterne hat der Michelin ihm mal verliehen. Wir sind heute nicht fein genug gekleidet und lassen es rechts liegen. Hier beginnt die Schleusentreppe auf den Scheitelpunkt des Kanals. Die Wasserscheide Nordsee-Mittelmeer ist mit einem großen Schild gekennzeichnet. Wir bitten ein belgisches Pärchen, ein Beweisfoto von uns zu machen. Sie selbst hätten das Schild beinahe übersehen. Mit ihrem Tandem fahren sie bis an die Quelle der Meuse.
Die Einsamkeit der Region hat einen Spitzenkoch nicht daran gehindert, ein Restaurant in Girancourt zu eröffnen. Dem wahren Gourmet ist kein Weg zu weit, und so kommen sie aus ganz Frankreich zu ihm. Drei Sterne hat der Michelin ihm mal verliehen. Wir sind heute nicht fein genug gekleidet und lassen es rechts liegen. Hier beginnt die Schleusentreppe auf den Scheitelpunkt des Kanals. Die Wasserscheide Nordsee-Mittelmeer ist mit einem großen Schild gekennzeichnet. Wir bitten ein belgisches Pärchen, ein Beweisfoto von uns zu machen. Sie selbst hätten das Schild beinahe übersehen. Mit ihrem Tandem fahren sie bis an die Quelle der Meuse.
Die Wasserscheide liegt auf einer Hochebene. In der Ferne erheben sich die blassgrauen Gipfel der Vogesen. Gut sieben Kilometer kommt keine Schleuse mehr, aber auch kein Schiff. Der Wasserstand des Kanals liegt, wie ich erkennen kann, deutlich unter dem Normalwert. In Port s./S. hatte uns ein Freizeitkapitän erzählt, dass es Richtung Norden zu wenig Wasser für den Schiffsverkehr gibt. Die Ausgleichsseen seien wegen der anhaltenden Trockenheit ziemlich leer.
Auch in Forges sind alle Restaurants und Bars geschlossen. Es ist Ferienzeit. Da sind die Wirte in Urlaub. Aber die Verkäuferin in einem kleinen Laden macht uns an ihrer Kaffeemaschine einen Espresso. Herzlichen Dank! Auf dem Rand eines alten Brunnens genießen wir den Kaffee. Danach geht es Schlag auf Schlag. In schneller Fahrt rasen wir regelrecht an zahlreichen Schleusen vorbei bis kurz vor Epinal, unserem Tagesziel. Mit Blitz und Donner und einem mächtigen Regenguss endet der Tag.
Gleich nach dem Start am Morgen des achten Tages erwartet uns eine Überraschung. Eine Verlängerung des Kanals führt nach Epinal hinein. Dummerweise liegt dazwischen die Mosel in ihrem breiten Bett. Die Kanalingenieure hat das nicht geschreckt. Der Kanal überquert auf einer Brücke die Mosel. Ich bewundere diese Menschen, die schon vor 150 Jahren ohne Stahl und Blech eine wasserdichte Brücke bauen konnten. Das muss ich ausgiebig fotografieren. Trotz oder gerade wegen des frühen Morgens überqueren viele Radfahrer und Jogger die Mosel auf dem gemauerten Weg neben dem Kanal.
|
Unser Weg führt aber nach Norden, gleich durch das Gelände einer Kiesgrube hindurch. Über uns transportiert ein Förderband den Kies zu einem Frachtschiff am Kai. Obwohl, heute steht das Band ja still. Heute ist Sonntag und die Matrosen der beiden Frachtschiffe am Kai haben Sonntagsruhe.
Der Regen der Nacht hat keine wirkliche Abkühlung gebracht. Dafür hat er aber jede Menge Äste von den Bäumen abgerissen. Selbst große Bäume liegen entwurzelt am Wegesrand. An dem Knistern, das bisweilen unter meinen Rädern entsteht, ist der Regen nicht Schuld. Es sind Kirschkerne von zahlreichen Kirschbäumen entlang des Radweges. Wir sind zwei Wochen zu spät gekommen. Keiner hat die Kirschen geerntet. So sind sie einfach runter gefallen. Dieses Gegend ist übrigens für ihren ausgezeichneten Kirschschnaps berühmt. Hier nennt man ihn „Eau de vie“ - Lebenselixir.
Der Radweg ist immer noch gut ausgebaut und führt entlang des Kanals. Einsame Angler warten mal wieder auf den großen Fisch. Radsportler ziehen ihre Trainingsrunde und grüßen uns beim Entgegenkommen. Lange vor Portieux sehe ich schon den hohen Schlot. Das mächtige Gebäude einer Baumwollspinnerei spiegelt sich jetzt im Wasser des Kanals. |
Kunst gibt es auch am Kanal. An einigen Schleusen hat ein Künstler Teile von Fahrrädern zu einer Turm ähnlichen Skulptur zusammengefügt. Mal sind es, wie hier, die Schläuche aus den Reifen, mal sind es Dutzende von Lenkern, mal kunstvoll zusammengefügte Reifen und manchmal sogar ganze Fahrräder von klein bis ganz groß. Frankreich ist ein Fahrradland, das weiß ich ja schon von der ganzen Begeisterung rund um die Tour de France. Und jeder Franzose muss, um sich seine Nationalität zu beweisen, einmal im Leben mit seinem Fahrrad den Mont Ventoux in der Provence erklommen haben. Dieser Künstler, dessen Namen ich nicht erkennen kann, nennt sein Kunstwerk „Etappe 1“.
In Charmes machen wir heute unsere erste Pause. Im Bistro am zentralen Platz stehen schon einige Wein- und Biergläser auf den Tischen. Uns genügt ein Kaffee und ein Flan aus der Konditorei nebenan. Der Kalorienbedarf will gedeckt sein. Leider macht das Städtchen seinem schönen Namen keine besondere Ehre. So verabschieden wir uns auch bald.
Bei Gripport endet der gut ausgebaute Teil des Radweges. An der Schleuse steht extra ein Info-Point für die Radfahrer. Die junge Frau erklärt mir, dass der Treidelpfad auf den nächsten 30 Kilometern gelinde gesagt miserabel sei und sie uns den Weg über die parallel verlaufende Landstraße ans Herz legen möchte. Ihr Lächeln ist so entwaffnend, dass wir ihrem Rat folgen. Die Dörfer, die wir durchqueren, sind typisch lothringische Straßendörfer, So kenne ich sie auch aus meiner saarländischen Heimat. Die langgezogenen Hausfronten lassen immer noch ihren ursprünglichen Zweck als Bauernhöfe erkennen: Links das schmale Wohnhaus, daneben der Kuhstall, der im Winter das Wohnhaus mit wärmte. Dann das große halbrunde Scheunentor und schließlich der Schweinestall, über dem das Heu gelagert wurde. Zwar stehen keine Heuwagen mehr vor den Häusern und auch der Misthaufen ist weg. Dafür stehen dort die PKWs in Reih' und Glied. Neuville s./Moselle ist solch ein typisches Dorf. Nur dass hier die Kirche auf dem Hang hoch über dem Dorf steht und selbst das kleine Schloss überragt. Hier gibt es noch viele der typischen lothringischen Vordächer über dem Eingang mit Buntglasscheiben. Ich möchte mir am liebsten eins mitnehmen. |
Lang zieht sich die Landstraße hin. Mir fällt auf, dass seit dem Info-Point kein Radwegeschild mehr zu sehen ist, braucht man wohl auch nicht, denn die Straße zieht sich mehr oder minder schnurgerade entlang des Kanals nach Norden bis Flavigny. Das ist endlich wieder ein größeres Städtchen, denken wir. Wir freuen uns auf ein kühles Getränk. Doch der Eingang zum Zentrum entpuppt sich als Eingang des regionalen Behindertenzentrums. Heute am Sonntag stehen die zahlreichen Werkstätten leer.
„Wollen Sie Wasser?“ höre ich in meinem Rücken. Wir stehen am Ortsausgang von Flavigny und versuchen uns auf der Karte zu orientieren. Es gibt immer noch kein Schild zum Voie Verte. Das hat der freundliche Lothringer gesehen und uns dann den Weg erklärt. Eigentlich haben wir uns schon von ihm verabschiedet. Aber dann lädt er uns auch noch ein, unsere Wasserflaschen zu füllen, was wir gerne annehmen. Und zu guter Letzt drückt er uns noch zwei Dosen eines bekannten koffeinhaltigen Getränks in die Hand mit einem herzlichen „Bonne Route“.
„Wollen Sie Wasser?“ höre ich in meinem Rücken. Wir stehen am Ortsausgang von Flavigny und versuchen uns auf der Karte zu orientieren. Es gibt immer noch kein Schild zum Voie Verte. Das hat der freundliche Lothringer gesehen und uns dann den Weg erklärt. Eigentlich haben wir uns schon von ihm verabschiedet. Aber dann lädt er uns auch noch ein, unsere Wasserflaschen zu füllen, was wir gerne annehmen. Und zu guter Letzt drückt er uns noch zwei Dosen eines bekannten koffeinhaltigen Getränks in die Hand mit einem herzlichen „Bonne Route“.
Wir überqueren den Kanal und folgen, wie beschrieben, einer kleinen Landstraße. Nach fünf Kilometern endet sie in einer Siedlung. Nun ist wieder guter Rat gefragt. Wir entscheiden uns für den Weg über eine Kanalbrücke. Dort drüben läuft der Treidelpfad. Es ist genau in dem Zustand, vor dem uns die freundliche junge Frau am Info-Point gewarnt hat, ein schlechter Schotterweg, der uns heftig durchschüttelt. Es hilft nichts, da müssen wir durch. Nach weiteren drei bis vier Kilometern erreichen wir endlich wieder eine Straße. Auf der gegenüberliegenden Seite sehen wir wieder einen richtigen Radweg. Vierzig Kilometer Landstraße liegen hinter uns. Wir sind am Abzweig des Verbindungskanals zur Meurthe und damit zum Rhein-Marne-Kanal angekommen.
|
Fünf Schleusen begleiten uns auf eine weite Hochebene. Jetzt lässt es sich endlich wieder ruhig radeln. Lange zieht sich der Kanal durch die Ebene, keine Schleuse, die den Verkehr aufhält. Dann geht es wieder abwärts ins Tal der Meurthe, „Folgen Sie dort der Landstraße nach St. Nicolas. Der Treidelpfad ist für Sie unzumutbar.“ rät uns ein älterer Passant. Er kennt wohl schon den fragenden Blick der Radtouristen angesichts der fehlenden Ausschilderung. Wir müssen wieder eine Anhöhe überwinden. An einem Werktag möchte ich diese Straße nicht mit dem Fahrrad befahren. Aber heute ist der Verkehr ruhig. Dann geht es abwärts. Lange bevor wir St. Nicolas erreichen, tauchen vor uns schon die Türme der Basilika auf. Sie werden immer länger, bevor die ersten Hausdächer zu sehen sind. Welch ein Bauwerk in dem kleinen Städtchen. Die Häuser drängen sich regelrecht an den Fuß der Basilika, ganz so, als wollten sie dort Schutz suchen. Im Ort angekommen suchen wir selbst Schutz vor Hitze und Dehydrierung in der einzigen Bar, die in dem ganzen Ort offen hat. Cafer hat in Nancy viele Verwandte. Sakman ist schon auf dem Weg zu uns. |
Den Abend verbringen wir wieder in Nancy, auch bei einem Verwandten von Cafer. Er hat am Place Saint Epvre ein Kebab-Restaurant. Wir essen das seit 2017 mit Urkunde verbrieft beste Kebab Frankreichs. Ein öffentlicher Bücherschrank steht am Platz, direkt neben unserem Tisch. Hier kann man Bücher, die man weitergeben will, hinein stellen. Man kann sich auch welche mitnehmen. Er wird stark frequentiert. Die Menschen in Nancy lesen wohl gerne.
Mit einem letzten Blick auf die Türme der Basilika verabschieden wir uns von Saint Nicolas de Port. Mit ihren 85 und 87 Metern ragen sie weit über das Tal hinaus. Es ist gleichzeitig der Abschied von Karl dem Kühnen und das in doppelter Hinsicht. Hier verlassen wir jetzt die „Blaue Route“, auch „Blaue Flucht“ und auch „Karl der Kühne“ benannt, weil wir nun dem Rhein-Marne-Kanal ostwärts Richtung Sarrebourg folgen. Karl der Kühne hingegen hat hier im Jahr 1477 in seiner letzten Schlacht das irdische Leben verlassen. René II, der siegreiche Herzog von Lothringen brachte mit diesem Bau seine Dankbarkeit für den Sieg zum Ausdruck, angeblich auf Grund eines Gelübdes vor der Schlacht. Die Basilika zählt zu den fünfzehn höchsten Kirchen Frankreichs. Die Säulen des Kirchenschiffs sind mit ihren 28 Metern sogar die höchsten im Land.
Wir folgen dem Kanal und durchqueren schon bald das Gelände einer Salzfabrik. Der Radweg ist nicht ausgeschildert, so dass wir ab und zu auch im Nirwana landen. Mal fahren wir auf einer kleinen Landstraße, mal auf dem Treidelpfad. Bisweilen versuche ich mit Mühe die Spur auf dem schmalen Fußpfad auf der Deichkrone des Kanals zu halten und hoffe, bald wieder auf die Landstraße abbiegen zu können. Doch der Damm fällt ein paar Meter steil ab und so bleibt mir nur die Flucht nach vorne, bis zur nächsten Schleuse. Und die ist noch ein paar Kilometer entfernt. Dennoch: Ich mag diese friedliche Morgenstille, wenn die Gebäude sich im Wasser des Kanals spiegeln und der Kuckuck ruft. Es ist mal wieder eine meditative Stille.
|
Ein seltsames Holzgebäude mit hohem Turm steht kurz vor Einville-au-Jard auf dem Gelände einer Salzfabrik. Ich glaube das blaue Zeichen für ein denkmalgeschütztes Gebäude zu erkennen, das historisch bedeutsame Werke vor der kriegerischen Zerstörung schützen soll. Die nahe Fabrik überragt das Gebäude bei weitem und hat doch hier seinen Ursprung. Ich nutze die Ruhepause im Freizeithafen von Einville und mache mich schlau. Unweit von hier liegt die Stadt Chateau Salins, auf Deutsch Salzschloss. Es ist das Zentrum des Salzgau. Aus unzähligen Quellen wird salzhaltiges Wasser gefördert. Dies ist schon die vierte Salzfabrik seit Saint Nicolas de Port, die aus dem Wasser das körnige Salz gewinnt.
Im Ort können wir uns in einem kleinen Laden mit Lebensmitteln und Wasser versorgen, die letzte Chance für die nächsten Stunden. Dann folgt die Überraschung. Am Freizeithafen beginnt der Radweg, ein Voie Verte. Die Franzosen unterscheiden zwischen der Radpiste und dem Grünen Weg. Letzterer ist meist auf alten Bahntrassen, aber auch auf Treidelpfaden angelegt und unterscheidet sich von der Radpiste durch einen guten Belag, eine gute Beschilderung, die auch mal in einem Schilderwald ausufern kann, und Informationstafeln zur Region entlang des Radweges. Dieser Voie Verte ist neu, so neu, dass mir scheint, dass der drei Meter breite Asphaltstreifen noch dampft.
n Xures soll es Kaffee geben, so die Informationstafel an der Schleuse. Also rüber über den Kanal und hinein in den Ort. Wir drehen eine Runde und schauen nochmals in den Freizeithafen. Dort liegen ein paar Boote, doch von Kaffee ist weit und breit nichts zu sehen. Über uns schraubt sich eine Storchenfamilie in den blauen Himmel. Ich will Vater Storch fragen, ob er von dort oben einen besseren Überblick hat, aber er ist mit Besserem beschäftigt. Die Jungstörche werden auf die große Reise in den Süden vorbereitet. Sie wird bald beginnen. Die Kirchturmuhr schlägt elf. Von einem Café oder dergleichen ist nichts zu sehen.
Der schöne breite Radweg hat uns schon an einigen Ortschaften vorbeigeführt. Meist liegen sie nicht direkt am Kanal. Doch überall sind die Cafés geschlossen. Auch in Lagarde stehen wir vor verschlossenen Türen. Die Stühle sind hoch gestapelt und angeleint. Die Runde durch den Ort zeigt mir mal wieder die Verödung der französischen Provinz. Ich starte einen letzten Versuch. Im Freizeithafen soll es einen Laden geben, in dem sich die Kapitäne versorgen können. Den gibt es auch. Vor mir stapeln sich Schiffermützen, Chips und jede Menge Wein in 5-Liter-Schläuchen. Das also begehrt des Kapitäns Herz. Etwas Dosenverpflegung gibt es auch, und, Hurra, ein Restaurant am anderen Ende des Hafens. Diese Chance nutzen wir für eine ausgiebige Mittagspause. Auf der anderen Seite des Kanals stapeln sich Strohballen in rosa Folie.
Gut gestärkt geht es nach einer Stunde weiter. Auch der Akku von Roberta, meinem treuen Stahlross, ist wieder aufgefrischt. Der Wirt hatte mir mit der größten Selbstverständlichkeit der Welt die Steckdose gezeigt. Hinter Moussey endet der Voie Verte und wird zu einer einfachen Radpiste herab gestuft. Der neue Voie Verte war uns 35 Kilometer treu. Er ist so neu, dass er noch nirgends in einem Radführer auf seiner ganzen Länge erwähnt wird, auch nicht im Internet. Nun knickt die Piste an einem See ab. Weit erstreckt sich die Wasserfläche. Bojen zeigen den Schiffen den Weg. Teichmummeln fühlen sich hier besonders wohl. Ein ausgedehnter Picknickpark liegt am Rande des Sees. Auf einer Infotafel erfahre ich, dass es ein Arboretum, ein Waldpark ist.
Was ist das nur für eine hässliche Betonwand am Ende des Kanals? Wie ein riesiger Bunker ist sie dort plaziert. In einer langen Serpentine führt der Radweg an ihrer Seite nach oben. Blumen säumen ein Gitter, dahinter liegt eine Peniche, ein altes Frachtschiff, umgebaut zu einem Hausboot für Gruppen und große Familien. Wie auf ein Kommando sinkt das Boot plötzlich nach unten. Wir sind an der Großen Schleuse angekommen. 15,70 Meter Höhenunterschied überwindet diese Schleuse, welch ein Meisterwerk des Kanalbaus. Nun liegt die Peniche schon tief unten im dunklen Schacht. Dann öffnet sich ein Tor. Sie gleitet hinaus ins Helle, wo schon das nächste Boot wartet.
Rechts und links des Kanals breitet sich eine Seenplatte aus. Es sind die Ausgleichsbecken von Gondrexange und Stockheim, die den Wasserstand des Kanals regulieren. Wir haben den Scheitelpunkt des Rhein-Marne-Kanals und gleichzeitig die Einmündung des Saarkohlenkanals erreicht. Ein Schild zeigt an: Rechts nach Nancy, links nach Straßburg und nach Norden geht es nach Saargemünd. Genau da wollen wir hin. Doch wie können wir die Kanalseite wechseln? Weit und breit keine Straßenbrücke, nur ein grünes Ungetüm für Fußgänger. Ein Franzose steht an ihrem Fuß. Wild gestikuliert er beim Telefonieren. Ein pensionierter deutscher Lehrer schüttelt nur den Kopf und meint, das sei ja wohl eine Zumutung und radelt Richtung Straßburg weiter. Der Franzose erklärt mir, dass er über den Kanal will. Aber er hat einen bunt geschmückten Anhänger an seinem Fahrrad. Eine Schiene ist auf den Treppen aufgebracht – für Fahrräder. Wer hier lang kommt, hat vollgepackte Satteltaschen. Nun wird mir klar, dass wir auch über die Brücke müssen. Vor vielen Jahren stand ich schon mal auf der anderen Seite, aber ohne Wunsch, den Kanal zu überqueren. Damals gab es eine alte Holzbrücke. Warum um alles in der Welt hat man beim Neubau der Brücke keine Rampen angelegt. Es ist Platz genug für Dutzende von Rampen. Es hilft nichts, wir müssen rüber, wie einige andere auch, die jetzt von beiden Seiten kommen. Ein Pärchen hilft sich gegenseitig, er zieht das Rad, sie schiebt. Die Reifen quietschen auf den edelstählernen Schienen. Sie schaffen es. Wir auch. Während wir in die Einfahrt zum Saarkohlenkanal einbiegen, sehe ich den Franzosen immer noch wild gestikulierend telefonieren. Jetzt hat er wohl den Präsidenten der französischen Republik am Telefon.
|
Ein altes Fahrrad ist bunt angemalt. Dahinter wird Kaffee und Kuchen in dem schönen Örtchen Diane Capelle versprochen. Es liegt sowieso an unserer Route zur heutigen Unterkunft. Doch das Tor zum kleinen Laden ist verschlossen. Wieder nix gewesen. Über Berg und Tal erreichen wir das etwas größere Langatte. Heute ist Montag. Da hat die Bäckerei Nachmittags geschlossen. Dafür steht dort ein Pizzabackautomat. In drei Minuten verspricht er mir eine frische heiß dampfende Pizza. Ich verzichte. Das kann doch keinen Pizzabäcker ersetzen.
Unsere Unterkunft liegt einige Kilometer abseits des Kanals auf einer Anhöhe. In das ehemalige Kloster Couvent St. Ulrich finden merkwürdigerweise dennoch viele Radfahrer ihren Weg. Vielleicht liegt es an der geringen Zahl der Unterkünfte in dieser Region. Früher war es mal ein religiöses Zentrum. Seit zwanzig Jahren ist es im Besitz der Stadt Sarrebourg. Jetzt beherbergt es ein Zentrum für barocke Musik, geführt von den „Freunden von St. Ulrich“. Die 26 Klosterzellen stehen Durchreisenden zur Übernachtung zur Verfügung, buchbar über die üblichen Internetportale. Wir schlafen im St. Nikolaus-Zimmer mit Blick auf den Kräutergarten.
Mit einem Adieu verlassen wir das Couvent St. Ulrich. Das Frühstücksbüffet ist wirklich bemerkenswert gut. Den hügeligen Weg zum Saarkohlenkanal schaffen wir spielend, so frisch gestärkt. Etwas abseits liegt Fenetrange, eine mittelalterliche Stadt im Dornröschenschlaf. Auf dem Radweg kommen uns schon die ersten Radtouristen entgegen. Ich sehe ihr Gepäck und denke an die Brücke. Da wird so manches unschöne Wort über den Kanal schallen. Das erste Teilstück heute Morgen führt durch einen herrlich schattigen Wald. Der Wetterfrosch hat 35 Grad Celsius angesagt. Da wollen wir uns sputen, um unser Ziel vor der Nachmittagshitze zu erreichen.
Ein Freizeitboot gleitet vorbei. Wir wechseln ein Bonjour und Bon Appetit. Der Frühstückstisch auf dem Boot ist reich gedeckt. Da oben hätte ich heute auch gerne gefrühstückt, so still gleitend durch die Landschaft.
In schneller Folge kommen nun ein paar Schleusen, die uns am Mittersheimer See vorbei ins Saartal führen. Der See selbst, wieder einer der vielen Ausgleichsbecken für den Kanal, ist schon länger ein beliebtes Wochenendziel für Saarländer, als ich denken kann. Etliche haben hier ein Ferienhaus, oft schon in der dritten oder gar vierten Generation. Man spricht hier nur „platt“, den saarländischen Dialekt. „Oh“ steht immer wieder auf dem Radweg, in großen Lettern aufgepinselt. Das Oh wirbt für den Radtourismus im Elsass und in Lothringen. Ich kann bestätigen, dass es in dieser Region immer wieder Neues zu entdecken gibt, z.B. die kleine aber feine Mühle von Willers hier in der Nähe. Es ist die letzte Mühle an der Saar, die noch von Wasserkraft betrieben wird. Roger Röser, der Müller, hat sie mich vor einem Jahr durch seine Mühle geführt.
Ein Freizeitboot gleitet vorbei. Wir wechseln ein Bonjour und Bon Appetit. Der Frühstückstisch auf dem Boot ist reich gedeckt. Da oben hätte ich heute auch gerne gefrühstückt, so still gleitend durch die Landschaft.
In schneller Folge kommen nun ein paar Schleusen, die uns am Mittersheimer See vorbei ins Saartal führen. Der See selbst, wieder einer der vielen Ausgleichsbecken für den Kanal, ist schon länger ein beliebtes Wochenendziel für Saarländer, als ich denken kann. Etliche haben hier ein Ferienhaus, oft schon in der dritten oder gar vierten Generation. Man spricht hier nur „platt“, den saarländischen Dialekt. „Oh“ steht immer wieder auf dem Radweg, in großen Lettern aufgepinselt. Das Oh wirbt für den Radtourismus im Elsass und in Lothringen. Ich kann bestätigen, dass es in dieser Region immer wieder Neues zu entdecken gibt, z.B. die kleine aber feine Mühle von Willers hier in der Nähe. Es ist die letzte Mühle an der Saar, die noch von Wasserkraft betrieben wird. Roger Röser, der Müller, hat sie mich vor einem Jahr durch seine Mühle geführt.
Am späten Vormittag erreichen wir Sarrealbe. Es ist für mich schon Tradition, im Café de la Mairie einzukehren. Die Fahrt entlang des Saarkohlenkanals ist für mich quasi ein Heimspiel. Das Café heißt jetzt auch „Chez Linda“. Linda, die Wirtin, begrüßt uns mit den Worten: „Kaffee gibt es bei mir, den Kuchen nebenan in der Patisserie.“ So locker ist Frankreich. Als sie dann unseren Kuchen sieht, sagt sie nur „Oh la la, Zucker muss sein“. Sie freut sich zu hören, dass ich ein Stammgast bin und beeilt sich gleich zu sagen, dass viele Saarländer mit dem Fahrrad bei ihr vorbei kommen. Nur – leider – würden immer mehr Geschäfte in Sarrealbe schließen. Es sei ein Trauerspiel. Dann setzt sich Otto zu uns an den Tisch, natürlich ein Saarländer. Heute Morgen ist er aus dem Bliestal gekommen, jetzt ist er auf dem Rückweg. Wir verstehen uns sofort und verschwätzen die Zeit. Zum Abschied gibt es ein Gruppenfoto und den Tipp von mir, dass er mit seinem 36 Jahre alten Rennrad doch an dem Oldtimerrennen „Eroica“ im Herbst in der Toskana teilnehmen solle.
Immer wieder öffnen sich schöne Blicke auf die Saar und kleine Dörfer. Auf einer früheren Radreise habe ich diese Strecke entlang des Saarkohlenkanals ausführlich beschrieben. Dennoch sehe ich bei jeder Tour immer wieder Neues. Heute gesellen sich besonders viele Graureiher an den Ufer von Kanal und Saar. Oft stehen sie direkt neben dem Radweg. Drüben lauert gerade wieder einer, reglos, mit scharfem Blick aufs Wasser. Ich bremse und hole meine Kamera aus der Tasche. In diesem Moment stürzt er nach vorne ins Wasser, flattert heftig und kommt mit einem Fisch im Schnabel direkt vor meine Füße geflogen. Er streckt den Kopf hoch und schon rutscht der Fisch in seinen Schlund. Mein lieber Graureiher: So geht das nicht! Wenn du ein schönes Portrait von dir mit dem Fisch haben willst, musst du schon die fünf Sekunden warten, bis meine Kamera schussbereit ist. Er hört sich meine Worte stumm an, hebt wieder ab und fliegt ans gegenüberliegende Ufer. Welch ein ignoranter Schnösel, denke ich mir.
Es klappert die Mühle. Schöner kann dieses Lied bildlich nicht dargestellt werden. Vor mir liegt eine Postkartenidylle. Nur wenige Kilometer vor der deutschen Grenze zeigt sich Lothringen nochmals von seiner schönsten Seite. Das Mühlenrad dreht sich, das Wasser läuft die Schaufeln hinunter, die Saar ergießt sich über das Wehr und der Himmel lacht dazu.
Wenig später rollen wir an der mächtigen Ruine einer ehemaligen Mühle vorbei nach Saargemünd hinein. Was macht ein Kreuzfahrtschiff auf dem Saarkohlenkanal. Tatsächlich liegt dort drüben, zwischen all den Freizeitbooten, ein 33 Meter langes Kreuzfahrtschiff, die "Majesty of the Seas". Ich kenne es schon. Ein Bergmann hat es in jahrzehntelanger Freizeitarbeit in seinem Garten gebaut. Mit einem Sattelschlepper wurde es zum Kanal gebracht. Es nimmt keine zahlenden Gäste auf, nur seine Familie. „Bisch du platt“ spiegelt sich am Rumpf eines Bootes daneben. Ja, da bin ich platt.
Nach dem schmucken Kasino, das mit seinen bunten Kacheln an die Vergangenheit Saargemünds erinnert, erreichen wir die Schleuse Nr. 28. Hier mündet der Saarkohlenkanal in die Saar. Dahinter liegen gut ein Dutzend alter Frachtkähne. Sie rosten still vor sich hin.
Nach dem schmucken Kasino, das mit seinen bunten Kacheln an die Vergangenheit Saargemünds erinnert, erreichen wir die Schleuse Nr. 28. Hier mündet der Saarkohlenkanal in die Saar. Dahinter liegen gut ein Dutzend alter Frachtkähne. Sie rosten still vor sich hin.
Die Temperatur hat inzwischen die 35 Grad-Grenze überschritten. Es gurgelt und rauscht am Ufer. Schäumendes Wasser ergießt sich in die Saar. Hinter mir höre ich Fabrikgeräusche. Hier gab es früher viele Kohlegruben. Die gebrochene Kohle wurde gewaschen, um den Kohlestaub vor dem Transport zu entfernen. Früher würde das schwarze Wasser der nahen Grube direkt in die Saar geleitet. In meiner 30 Kilometer entfernten Heimatstadt waren die Uferränder schwarz vor Kohlestaub. Später achtete man schon mehr auf Umweltschutz. Heute sind die Gruben stillgelegt. Die Ufer der Saar sind wieder grün.
|
„Willkommen – Bienvenue“ ist auf den Radweg gepinselt. Recht unspektakulär haben wir wieder die Grenze zu Deutschland überquert, ganz ohne Kontrollen gemäß dem Schengener Übereinkommen. Zehn Tage liegen hinter uns. Knapp 800 Kilometer habe ich auf dem Sattel gesessen. Im Biergarten wartet mein Bruder auf uns und literweise kühle Getränke.
E N D E
Hat dir mein Reisebericht gefallen? Dann schicke mir doch bitte deinen Kommentar als E-Mail an: [email protected]
Wen es interessiert: Hier gibt es die Links zu detaillierte Reiseberichte aus früheren Jahren zum Saarkohelnkanal und zum Rhein-Marne-Kanal: